HOME


FORSCHUNGSKONZEPT

***

DAS GOLDENE ZEITALTER

DES LUZIFERISMUS

Versuch einer soziokulturellen Studie

zur

historischen Erforschung des modernen Luziferismus und des Bösen

und

seine perspektivische Betrachtung

am neuheidnisch-liberalen Endzeithorizont

der

sogenannten Arbeiterkultur

*

von

Gabriel Foco



Wien 1997

"Die Mitteilung der reinen Einsicht ist [...] eine durchdringende Ansteckung, welche sich nicht vorher gegen das gleichgültige Element, in das sie insuiniert, als Entgegengesetztes bemerkbar macht und daher nicht abgewehrt werden kann. Erst wenn die Ansteckung sich verbreitet hat, ist sie für das Bewußtsein, das sich ihr unbesorgt überließ ... So wie daher die reine Einsicht für das Bewußtsein ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen sie verrät die geschehene Ansteckung; es ist zu spät und jedes Mittel verschlimmert nur die Krankheit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens ergriffen, nämlich das Bewußtsein in seinem Begriffe oder sein reines Wesen selbst."(1) HEGEL

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

1. DAS UNGUTE

1.1. Das Unwirkliche

1.2. Die Unordnung

1.3. Das Unerkannte

1.4. Die Uneinheit

1.5. Die Unvernunft

1.6. Der Unverstand

1.7. Das Undefinierbare

1.8. Das Unnatürliche

1.9. Das Unerforschliche

1.10. Das Unerklärliche

1.11. Das Nichtsein

1.11.1. Das Nichts

1.11.2. Das Unkategorische

1.11.3. Das Unverwechselbare

1.11.4. Das Unbestimmbare

1.11.5. Die zeitlose Unzeit

1.11.6. Das Unvereinbare

1.12. Das Unglaubliche

1.13. Das Unbeschreibliche

2. DAS TABU

2.1. Das Unbegreifliche

2.2. Die Unperson

2.2.1. Das Individuum

2.2.2. Das Subjekt

2.2.3. Der Kosmopolit

2.2.4. Der Spaltgeist

2.3. Das personale Böse

2.3.1. Der Widersacher

2.3.2. Das 1001. Reich

2.3.3. Das Wort

2.3.4. Der Mikrokosmos

2.3.5. Sola solo

2.3.6. Unheilszeit

2.3.7. Der Urtyp

3. WAHNSINN MIT METHODE

3.1. Der Teufelskreis

3.2. Die Gnosis

3.3. Der Apriorismus

3.4. Die Vernunft

3.4.1. Luzifer Superstar

3.4.2. Der souveräne Teufel

3.5. Der Synkretismus

3.6. Die Sünde

3.7. Die Neugnosis

3.7.1. Der Chiliasmus

3.7.2. Das "Heil Hitler"

3.8. Der Atheismus

3.8.1. Die Alternative

3.8.2. Der Agnostizismus

3.8.3. Der Antichrist

3.8.4. Die Natur

3.8.5. Soll und Haben

3.9. Die Liberale

3.9.1. Die Ganzheitlichkeit

3.9.2. Die Freiheit

3.9.3. Der Tod Gottes

3.9.4. Der Populismus

3.9.5. Der Regenbogen

3.9.6. Der Lieber

3.9.7. Die Venus

3.10. Die Basis

3.11. Die Dialektik

3.11.1. Der Widerspruch

3.11.2. Der Spekulant

3.11.3. Der Champion

3.12. Die Theodizee

3.12.1. Der ungeteilte Teufel

3.12.2. Der selbstgerechte Teufel

3.13. Die Negation

3.14. Der Irrtum

3.15. Der Kanon

3.15.1. Die Manipulation

3.15.2. Das Leugnen

3.15.3. Die Pseudowissenschaft

3.15.4. Die Fälschung

3.16. Die Häresie

3.17. Die Basilea

3.18. Die Theosophie

3.19. Der Syllogismus

4. DER UNGEIST

4.1. Der arme Teufel

4.2. Der Mystikus

4.2.1. Die Über-Reformation

4.2.2. Die Sechsfaltigkeit

4.2.3. Die totale Finsternis

4.2.4. Die Quadratur der Trinität

4.2.5. Das offenbar Böse

4.3. Der aufgeklärte Teufel

4.4. Der ontische Teufel

4.5. Der ästhetische Teufel

4.5.1. Der hermetische Teufel

4.5.2. Luzifer Creator

4.6. Der mythische Teufel

4.6.1. Dionysos Luzifer

4.6.2. Der archaische Teufel

4.6.3. Der prophetische Teufel

4.6.4. Der verkannte Teufel

4.7. Der analytische Teufel

4.7.1. Der bewußte Teufel

4.7.2. Der ausgeglichene Teufel

4.7.3. Der versöhnliche Teufel

5. DER ENTSCHLEIERTE LUZIFER

5.1. Der Teufel der Ahnen

5.1.1. Der kultivierte Teufel

5.1.2. Der Teufel im Blut

5.1.3. Der arische Teufel

5.1.4. Luzifer Redivivus

5.1.5. Der Teufel der Tafelrunde

5.1.6. Der Teufel der Revolution

5.1.7. Himmelfahrtskommandant Luzifer

5.1.8. Der romantische Teufel

5.2. Der ideale Teufel

5.2.1. Himmelstürmer Luzifer

5.2.2. Luzifer-Gnosis

5.2.3. Archetypus Luzifer

5.2.4. Geliebter Luzifer

5.2.5. Der leibhaftige Goethe

5.2.6. Der engelhafte Teufel

5.2.7. Luzifer Imperator

5.3. Der messianische Teufel

5.3.1. Der rassenfeine Teufel

5.3.2. Der teuflische Plan

5.3.3. Heiliger Luzifer

5.3.4. U-Boot Luzifer

5.3.5. Der neueste Teufel

5.3.6. Der personale Teufel

5.3.7. Der humane Teufel

5.3.8. Luzifer Pantheos

5.4. Der indische Teufel

5.4.1. Der Teufel als Hindu

5.4.2. Eine Seele von Teufel

5.4.3. Der Teufel als Lehrmeister

5.5. Baumeister Luzifer

5.5.1. Der Teufel als Freund

5.5.2. Der religiöse Teufel

5.5.3. Der dialektische Teufel

5.5.4. Der überbiblische Teufel

5.6. Der fromme Teufel

6. FORSCHUNGSFELD

6.1. Ausgangsposition

6.2. Horizont

6.3. Wissenschaftlicher Atheismus

6.3.1. Perspektive der Gotteserkenntnis

6.3.2. Perspektive des Sündhaften

6.4. Gesellschaftspolitische Perspektiven

6.5. Luzifer-Forschung

6.5.1. Stilistisches

6.5.2. Position der Luzifer-Forschung

6.5.3. Methode der Luzifer-Forschung

6.5.4. Theoretische Luzifer-Forschung

6.5.5. Praktische Luzifer-Forschung

6.5.6. Perspektiven der Luzifer-Forschung

6.5.7. Soziokulturelle Perspektive

6.5.8. Konzeptuelle Intentionen

LITERATUR

FUSSNOTEN

___________________

VORWORT

Die nachstehende Arbeit ist zunächst ein noch unausgearbeiteter Entwurf, in dem zuerst die Linienführung der Gedankengänge abschnittweise festgehalten, und allenfalls nur an den markanten Punkten mit den später einzuarbeitenden Zitaten provisorisch "befestigt" wird. Vorgesehen sind mindestens vier durchgehende Arbeitsgänge, von denen das schriftliche Festhalten des (zunächst bausteinartig geschlichteten) laufenden (argumentativ beschreibenden) Textes der Erste ist. Die teils schon thesenhaft formulierten Sätze können vor der Ausarbeitung als Arbeitshypothesen angesehen werden, auch wenn einige Abschnitte einigermaßen abgesichert sein mögen. Auch wenn streckenweise schon viele Zitate beigefügt sind oder sogar Abschnitte einen halbwegs fertigen Eindruck erwecken, sind für die Gesamtheit der Arbeit die übrigen Durchgänge vorgesehen. Hinsichtlich Zitate sollte nach dem ersten themenschwerpunktmäßigen Durchgang (Arbeitsgang) im zweiten Arbeitsgang - noch immer themenorientiert - eine Abstützung der bisherigen Zitate erfolgen, so daß einzelne Themen halbfertig geschrieben werden. Danach soll ein Durchgang für die Gesamt-Koordination stattfinden, in dem vor allem terminologisch die einzelnen Themen aufeinander abgestimmt werden. Danach soll ein eigener Arbeitsgang für die Ausarbeitung der bisher nur stellenweise (themenbezogen) zitierte Literatur vonstatten gehen, woraus eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den Querverbindungen (im Kontext) in der herangezogenen Literatur und - reflexiv - auch für die nachstehende Arbeit resultieren soll. Hierbei können auch einzelne oder mehrere Abschnitte gänzlich verschoben oder umbenannt werden, aber auch die Zitierte Korrespondenz und eigene (unpublizierte) Arbeiten ans Ende der Arbeit (Anhang) könnten verschoben werden. Danach ist eine absatzweise Ausarbeitung vorgesehen, in dem auf den didaktischen Gesichtspunkt, wie die Geschlossenheit der Argumentation, berücksichtigt werden möge. Spätestens in diesem Arbeitsgang sollten die aus Sekundärliteratur zitierten Quellen aus dem Original zitiert werden und mit einer Auseinandersetzung mit den Primärquellen verbunden sein. Zuletzt sollte dann ein wissenschaftlicher Apparat mit getrenntem Index für Personen und Liste der zitierten Bibelstellen folgen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht das Konzept großteils aus früheren Arbeiten und Korrespondenz entnommenen Textbausteinen, ohne daß immer der Zitatcharakter aus den eigenen Vorarbeiten hervorgehoben worden wäre. Weil die "zitierten" eigenen Arbeiten jeweils in einem anderem Zusammenhang standen, unterschiedliche Zweckbestimmungen hatten, weichen sie im Stil (Linienführung) und in der Methodik voreinander mitunter erheblich ab. So kann noch von keinem unbedingt einheitlichen Erzählstrang die Rede sein und sogar Stilbrüche können vorkommen. Die hier zusammengetragenen Ansätze sollten inhaltlich zunächst das Forschungsfeld ausloten und - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einen repräsentativen Überblick zu verschaffen helfen.

Die spärliche und äußerst lückenhafte Forschung und Fachliteratur, sowie das Fehlen von Standardwerken über Sondermeinungen, konkret über das Böse in der Theologie, bedingt, daß die vielfach die ergiebigere Literatur der konkurrierenden Sondermeinungen über andere Sondermeinungen als Sekundärliteratur benützt wird. Da es aber zu weit führen würde, auf Widersprüche in der zitierten Sekundärliteratur jeweils näher einzugehen, aber in der etablierten Forschung üblich zu sein scheint, nur Zitate aus dem eigenen Meinungsblock nicht zu kommentieren und gegenteilige Ansichten anzumerken, soll hier allen Zitaten vorausgeschickt werden, daß unkommentierte Autoren oder unwidersprochene Zitate, und die jeweils denen eigene Grundposition, grundsätzlich immer als den eigenen Ansichten und Grundposition widersprechend anzusehen sind, außer wenn ausdrücklich einer Aussage oder Meinung beigepflichtet wird. Selbst in diesem Fall gilt die Zustimmung in dem jeweiligen Kontext konkret erkennbaren Rahmen.

Wien, 28. Februar 1997



ABKÜRZUNGEN

A. A. B. Alice A. Bailey

a. a. O am angegebenen Ort

Abb. Abbildung

Abs. Absatz

AEWK Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste

ALGM Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie

Anm. Anmerkung, Fußnote

AT Altes Testament

atl alttestamentlich

Aufl. Auflage

BE Brockhaus Enzyklopädie

Bd. Band

BHS Biblia Hebraica Stuttgartensia

BRD Bundesrepublik Deutschland

BZ Biblische Zeitschrift

col. Kolonne

ed. edited

DAP Deutsche Arbeiterpartei

DEK Deutsche Evangelische Kirche

ders. derselbe

Dipl. Diplomarbeit

Diss. Dissertation

EEPhW Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaft

EKD Evangelische Kirche Deutschlands

EKL Evangelisches Kirchenlexikon

ELThG Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde

EWNT Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament

f. folgende

ff. fortlaufend

geb. geboren

gest. gestorben

Hb. Halbband

Hl. Heilige(r)

H. P. B. Helene Petrovna Blawatsky

Hrsg. Herausgeber

HTR Havard Theological Review

HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie

Jg. Jahrgang

Jh. Jahrhundert

JL Jüdisches Lexikon

Kap. Kapitel

LÄ Lexikon der Ägyptologie

LB Lexikon zur Bibel

LThK Lexikon für Theologie und Kirche

LÜ Luther-Übersetzung

LXX Septuaginta

MA Mittelalter

MT Masoretischer Text

n. note (Fußnote)

NF Neue Folge

No Numero

NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NT Neues Testament

Nr. Nummer

ÖDP Ökologisch-Demokratische Partei (Deutschlands)

ONT (Neue) Templer-Orden

OP Ordenspriester

ORF Österreichischer Rundfunk

österr. österreichische

O. T. O. Ordo Templi Orientis

ÖV Ökumenisches Verzeichnis

parr. parallel

Patr. Or. Patrologia Orientalis

Pkt. Punkt

Prol. Prolegomena

prot. protestantisch

RAC Reallexikon für Antike und Christentum

RGG Religion in Geschichte und Gegenwart

S. Seite

SA Sturmabteilung

Sp. Spalte

SS Sturmstaffel

St. Sankt

Suppl. Supplement

ThBNT Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament

ThWAT Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament

ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament

ThZ Theologische Zeitschrift

TRE Theologische Realenzyklopädie

V. Vers

Vol Volume

VT Vetus Testamentum

VWKL Wetzer und Welte's Kirchenlexikon

Umgangssprachliche Kürzeln

ca. circa (zirka)

bzw. beziehungsweise

d. h. das heißt

d. i. das ist

m. E. mit Erlaubnis

sog. sogenannt(e)

u. a. unter anderem

u. U. unter Umständen

vgl. vergleiche

z. B. (zB) zum Beispiel



Abkürzungen der biblischen Bücher

Am Amos 2 Makk 2 Makkabäer

Apg Apostelgeschichte Mal Maleachi

Bar Baruch Mi Micha

1 Chr 1 Chronik Mk Markus

2 Chr 2 Chronik Mt Matthäus

Dan Daniel 1 Mose 1 Mose (Genesis)

Eph Epheser 2 Mose 2 Mose (Exodus)

Esr Esra 3 Mose 3 Mose (Levitikus)

Est Ester 4 Mose 4 Mose (Numeri)

Gal Galater 5 Mose 5 Mose (Deuteronomium)

Geb Man Gebet Manasses Nah Nahum

Hab Habakuk Neh Nehemia

Hag Haggai Obd Obadja

Hebr Hebräer Off Offenbarung

Hes Hesekiel 1 Petr 1 Petrus

Hiob Hiob 2 Petr 2 Petrus

Hld Hoheslied Phil Philipper

Hos Hosea Phlm Philemon

Jak Jakobus Pred Prediger

Jdt Judit Ps Psalmen

Jer Jeremia Ri Richter

Jes Jesaja Röm Römer

Joe Joel Rut Rut

Joh Johannes Sach Sacharja

1 Joh 1 Johannes 1 Sam 1 Samuel

2 Joh 2 Johannes 2 Sam 2 Samuel

3 Joh 3 Johannes Sir Sirach

Jona Jona Spr Sprüche (Sprichwörter)

Jos Josua St zu Dan Stücke zu Daniel

Jud Judas St zu Est Stücke zu Ester

Klgl Klagelieder 1 Thess 1 Thessalonicher

1 Kön 1 Könige 2 Thess 2 Thessalonicher

2 Kön 2 Könige 1 Tim 1 Timotheus

Kol Kolosser 2 Tim 2 Timotheus

1 Kor 1 Korinther Tit Titus

2 Kor 2 Korinther Tob Tobias

Lk Lukas Weish Weisheit

1 Makk 1 Makkabäer Zef Zefanja

Abweichende Abkürzungen in der katholischen Bibel(2)

Gen Genesis (1 Mose) Koh Kohelet (Prediger)

Ex Exodus (2 Mose) Ijob Ijob (Hiob)

Lev Levitikus (3 Mose) Ez Ezechiel (Hesekiel)

Num Numeri (4 Mose) Offb Offenbarung (Off)

Dtn Deuteronomium (5 Mose)



1. DAS UNGUTE

Den äußeren Anlaß der gegenständlichen Untersuchung gab das von dem katholischen Sektenreferat in Wien herausgegebene Informationsheft über Satanismus(3), das unter dem Niveau der in der gleichen Heft-Serie erschienenen Dutzenden anderen Informationshefte - davor und danach - war, die in der Regel zusammen mit den evangelischen Sektenreferaten in Deutschland und der Schweiz erstellt wurden. Nachdem von mehreren Seiten Kritik an der Broschüre über Satanismus laut geworden ist, zeigte sich die Leiterin des Sektenreferats, Frau Dr. Friederike Valentin, aufgeschlossen gegenüber weiterreichenden Anregungen, wollte allerdings Zitate mit genauen Literaturangaben als Vorlage haben.

Der Horizont der im Konzept apologetisch geratenen Arbeit ist die wissenschaftliche Vertretbarkeit der sogenannt traditionalistischen Grundposition des Protestantismus(4), aber auch des etablierten Christentums insgesamt(5), (in Theorie und Praxis) zu untermauern und zeitgenössisch neu zu akzentuieren, wonach die göttliche Offenbarung(6) (in der bekannten und doch noch kanonisch allgemeingültig anerkannten - biblischen - Form) die ausschließliche Primärquelle alles Christlichen (sola scriptura) in dem Sinne ist, daß sie erstens die einzige ihrer Art, und zweitens ausschließlich in sich selbst (und aus sich selbst) begründet ist(7), und die daran anschließenden Lehrinhalte der christlichen Tradition(8) mit Offenbarungscharakter (Dogmatik und Mystik) nur soweit sie mit der direkten (biblischen) Offenbarung nicht unvereinbar sind, oder sich davon nicht zu weit - oder unnachvollziehbar - entfernt haben, als wissenschaftliche Informationsquelle (Sekundärquelle) über das Christliche, wie etwa in der historischen Betrachtungsweise(9), methodisch allgemein zugelassen ist.

1.1. Das Unwirkliche

In wissenschaftlich-theologischer Hinsicht lag eine der entscheidenden umgestaltenden Wirkungen, die von der Aufklärung ausgingen, im Ersatz des Glaubensbegriffs durch den Religionsbegriff(10). Damit wurde die archaisierend-humanistische neuheidnische Tradition der Renaissance wieder aufgenommen, die vor allem Luther und der Pietismus beiseite gedrängt haben(11). Am ausgeprägtesten erschien diese Ausformung der Aufklärung in der neu entstehenden Religionsphilosophie und in der Theologie Schleiermachers. Religion wurde mehr eine Angelegenheit des Menschen (Subjektivismus(12)), als die strenge Bindung an den Gott des Glaubens (der den Glauben gab). Es entstand zwar besonders in Mitteleuropa eine naturverbundene (tierfreundliche) Frömmigkeit, so als habe Gott sogar die Haupthaare der Frommen gezählt(13) (Mt 10,30//Lk 12,7), solche (naturschwärmerische) Optimismus hatte aber das schwerste Versäumnis zur Folge, die nahezu völlige Verständnislosigkeit nämlich für die Wirklichkeit des Bösen und der Sünde(14). Für die Aufklärer verschwand der Teufel im Nichts und mit ihm alles Dämonische(15), was für den christlichen Theologen nur die eine logische Erklärung hat, daß nämlich der Teufel in dem Gott der Aufklärung aufging, wie dieser Schwerpunkt weiter unten noch ausführlicher expliziert werden soll.





Systematisch ist die urchristlich orientierte Grundposition(16) mit dem methodischen Ansatz verknüpft, daß soweit (etwa mit Wenz) objektiv die angebliche Fragmentierbarkeit der vormals unverrückbar offenbarungszentrischen protestantischen Grundposition(17) auf Semler zurückgeht(18), und die heute vorherrschende Lehrmeinung in der Forschung die vom nämlichen Semler initiierte sogenannte historisch-kritische Grundposition ist(19), dann kann mit der Widerlegung Semlers (als pseudowissenschaftlich), oder vielmehr mit der Nachweisbarkeit der wissenschaftlichen Unhaltbarkeit der Semlerschen (historisch-kritischen) Grundposition(20), die offenbarungskritische Grundposition insgesamt(21), und sämtliche daran anknüpfende theologischen Systeme, insbesondere. die sog. Aufklärung und Moderne, oder die Neologie in der Theologie, ab ovo als unhaltbar und pseudowissenschaftlich nachgewiesen werden. Abgesehen von den weiter unten im Kapitel über den Kanon eingehender Behandelten - wissenschaftlich untolerierbaren - Schwächen der Semlerschen (historisch-kritischen) Position und daran anschließendem Beweis des Schwindelcharakters dieses Mißbrauchs der Freiheit der Wissenschaften, ist durch die a priori vorausgesetzte Leugnung des Lehrkanons bei Semler und in der historisch-kritischen Methode insgesamt (bis heute), nämlich die Leugnung eines vorgegebenen festumrissenen Inhalts der Offenbarung(22), und durch die dergestalt folgerichtige aber ansonsten ungerechtfertigte Absolutsetzung des (historisch gewachsenen) Gebrauchskanons, nämlich der Form, d. i. der bedarfsgerecht angewandten Form, ist ein alles Weiterem zugrundegelegter Widerspruch(23), welche Voraussetzung eben alles Weitere an Historisch-kritischem "a priori" zum Pseudowissenschaftlichen stempelt. Denn durch die erschwindelte angebliche Pervertierbarkeit des Kausalzusammenhangs, wonach nicht mehr die Offenbarung die Kirche bedingt, sondern die Kirche die Offenbarung(24), nicht der Lehrkanon den Gebrauchskanon(25), sondern umgekehrt(26), wird von der Neologie (logisch) widersinnig die Form dem Inhalt vorgeschaltet. Von einem falschen Apriori (hier die Leugnung der Lehrkanons) ausgehend ist sowohl die darauf beruhende Grundposition, wie alles Weitere an Ableitung vorweg falsch, bzw. widersprüchlich. Eine Apologie der offenbarungszentrischen Grundposition kann sich allerdings nicht mit der bloßen Feststellung der Widersprüchlichkeit oder Schwächen der offenbarungskritischen Grundposition(27) zufrieden geben, sondern fragt sogleich nach der Möglichkeit eines bloßen (gutgläubigen) Irrtums. Die Frage nach der Redlichkeit des Irrenden ist integrierender Bestandteil der Fragestellung, und geht sodann, soweit die "Irrlehre" nachweisbar ist, von der nachweislichen Unmöglichkeit der Gutgläubigkeit der Irrtümer dieser Art, also von der Notwendigkeit der Annahme des Mißbrauchs der Freiheit der Wissenschaften, nämlich in dieser Dimension der grundlegenden Abweichung aus(28), die - mit dem "bekennend" historisch-kritischen Professor Niederwimmer - als die abweichende theologische Grundposition bezeichnet werden kann. Auch wenn im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Offenbarungskritik der Moderne die Pseudowissenschaftlichkeit weiter unten im Detail praktisch nachgewiesen werden soll, ist für die hier angesprochene Apologie vorweg die theoretische Ausgangsposition zu beziehen, bzw. zu deklarieren, daß soweit nachweisbar jede scheinbar vertretbare neologische Offenbarungskritik die Verabsolutisierung des (historisch in der sich entwickelnden Kirche "gewachsenen" und sich an der Wortverkündigung und am Kultgebrauch orientierenden) Gebrauchskanons voraussetzt(29), kann zunächst die Relevanz jeder Offenbarungskritik an der Relevanz des (pseudowissenschaftlich) verabsolutisierten Gebrauchskanons verbindlich gemessen werden. Diese Aussage meint weiters nicht minder verbindlich implizite, daß sobald der Absolutheitsanspruch des Gebrauchskanons fragwürdig wird, erweist sich die (hieraus resultierende) Offenbarungskritik (Kritik des Lehrkanons) als unhaltbar, weil ein auch nur fragliche Absolutheitsanspruch (hier des Gebrauchskanons) ab dem fraglichen Zeitpunkt kein Absolutheitsanspruch mehr sein kann, zumindest haben die Kanonkritiker den vorbehaltlosen Vorrang des Lehrkanons in der Urkirche und Reformation mit ebendieser Logik (und damit den Lehrkanon selbst) ad absurdum geführt(30). Logisch folgerichtig kann also durch das Hinterfragen der Stichhaltigkeit der Begründung des Absolutheitsanspruchs des Gebrauchskanons allein die Stichhaltigkeit der Offenbarungskritik insgesamt hinterfragt werden. In der eingehenderen Analyse der logischen Zusammenhänge zeigt es sich logisch zwingend, daß die Absolutsetzung des Gebrauchskanons logisch unmöglich mit der Voraussetzung eines Gottes der Offenbarung einher gehen kann, sondern setzt logisch absolut verbindlich die Leugnung des Gottes der Offenbarung voraus. Damit ist der schon eingangs zu der apologetischen Frage genannter grundlegende Wiederspruch von einer anderen Seite her angenähert, bzw. erschlossen, welcher Widerspruch nunmehr in diesem Zusammenhang unabdingbar den betrügerischen Vorsatz, zu einer angeblich möglichen Interpretation der Offenbarung ohne den Offenbarenden, voraussetzend einschließt. Man kann sich auf den formallogischen Standpunkt zurückziehend aussagen, daß sofern die Offenbarung den sich dergestalt mitteilenden Offenbarer so voraussetzt, daß die Mitteilung einen erkennbaren Inhalt hat (Lehrkanon), so kann sowohl vom nämlichen Inhalt wie auch vom Sinngehalt und Zweck der Mitteilung (Botschaft) nur mit Rücksicht auf den Mitteilenden (Offenbarenden) über die Mitteilung (Offenbarung) befinden. Die pseudowissenschaftliche Suggestion des Absolutheitsanspruchs des Gebrauchskanons als Form würde aber die Mitteilung vom Empfänger der Mitteilung abhängig machen(31), und damit sowohl an dem sich Mitteilenden (Offenbarer), wie auch an der Logik, bzw. Wissenschaftlichkeit, vorbeigehen. Es sei denn, den sich Mitteilenden könne es unmöglich geben. Jeder real existente Mitteilender würde nämlich eine vom Mitteilenden abhängige Mitteilung voraussetzen, was jedoch etwa beim empfängerorientierten Gebrauchskanon mit Absolutheitsanspruch logisch unmöglich ist. Der betrügerische Vorsatz zeigt sich also in der für die Offenbarungskritik unabdingbare pseudowissenschaftliche Manipulation der verbal "nur" geleugneten Verifizierbarkeit der Authentizität der Mitteilung, die aber - in der Form - nonverbal das Leugnen der Verifizierbarkeit überhaupt eines Mitteilenden zwingend voraussetzt. Steht es aber fest, daß mit der Leugnung der Verifizierbarkeit der Mitteilung verdeckt (indirekt) aber logisch zwingend die Verifizierbarkeit des Mitteilers geleugnet werden soll, zeigt sich der Zugszwang der Offenbarungskritik, keine alternative Interpretation der Offenbarung (dem Inhalt nach) auch nur theoretisch zulassen zu können, und mit dem unabdingbar vorausgesetzten Ausschluß jeder (inhaltlich) mitteilungsorientierten Alternative den Absolutheitsanspruch des (mitteilungs- und mitteilerunabhängigen) Gebrauchskanons der Offenbarung (pseudowissenschaftlich) zu begründen. Der hier vertretene apologetische Ansatz dagegen widmet sich also nicht dem positiven Beweis oder Verteidigung der Offenbarung, sondern dem Nachweis der Unmöglichkeit einer Offenbarungskritik mit gleichzeitigem wissenschaftlichen Anspruch und ohne betrügerischen Vorsatz. Es soll aufgezeigt werden, daß schon seit Semler bis heute(32) durchgehend die protestantische Grundposition mit der Auslegung der Offenbarung aus der Offenbarung als allein zulässige Auseinandersetzung mit dem Inhalt(33), mit pseudowissenschaftlichen Argumenten fragmentiert worden ist. Diesem pseudowissenschaftlichen Schwindel soll zunächst das formallogische Argument entgegengehalten werden, daß jede die Leugnung der Offenbarung voraussetzende Beurteilung der Offenbarung ein logisches Unding ist. Haben auch die Väter der Kirche und die Reformatoren der rein inhaltlichen Beurteilung der Offenbarung (Lehrkanon) allein den Vorrang gegeben(34), und sei auch die formale Überprüfbarkeit in der Zeit (Kanonkritik) noch so legitim, die Vorrangstellung der formalen Beurteilung der Offenbarung anhand der kultischen Anwendung in der Zeit(35) (Gebrauchskanon), ist zunächst nur unter der Voraussetzung der Leugnung der Vorrangstellung der inhaltlichen Beurteilung(36), und diese wiederum zwingend nur unter der Voraussetzung der Leugnung des Inhalts (und des Inhalt Mitteilenden) schlechthin möglich. Schützt zwar auch die historisch-kritische Methode heuchelnd der Anforderung der Untrennbarkeit der inhaltlichen und formalen Beurteilung gerecht werden zu können vor(37), sie kann es aber ausschließlich unter der Voraussetzung eines ebenso alterierenden wie fiktiven Inhalts tun: auch wenn der Begriff der Offenbarung als Inhalt mit dem Hinterfragen von der Form her nicht an und für sich unvereinbar(38), und ein logisches Unding wäre. Die sogenannte Kanonkritik der Subkultur tut so, als könnte der historische Entwicklungsprozeß der Formgießung (Gebrauchskanon) eines von Anfang an vorgegebenen festen Rahmens für den Inhalt (Lehrkanon) unmöglich miteinander vereinbart werden, und erhebt diesen betrügerisch vorgespiegelten Trugschluß zur Maxime und Ausgangsposition alles Alternativen(39). Es liegt auf der Hand, daß dieser Stumpfsinn unmöglich mit seriösen Mitteln seit Jahrhunderten über die Distanz gehalten werden konnte, sondern den betrügerischen Vorsatz zur Pseudowissenschaftlichkeit - auch methodisch - zwingend voraussetzt.

Von der nämlichen - hier logistisch apologisierten - altchristlichen Grundposition(40)ausgehend, ist die Arbeit der erschöpfenderen Explikation der Nachweisbarkeit der direkten Ableitbarkeit der resultierenden These gewidmet, wonach die wissenschaftliche (nichtspekulative) Vertretbarkeit jeder (von dem offenbarungszentrischen protestantischen - und seit dem Zweiten Vatikanum(41) auch weitgehend katholischen(42) - Glaubensverständnis) abweichenden Grundposition absolut unmöglich, geschweige denn wissenschaftlich, und daher ausschließlich durch den bösen Vorsatz zur betrügerischen Absicht geleitet, also immer nur pseudowissenschaftlich, möglich ist. Anders ausgedrückt, gilt den hier folgenden Explikationen jede direkte oder indirekte Infragestellung oder Umgehung (insb. exegetische oder hermeneutische, also pseudowissenschaftliche Umgehung) der Offenbarung als ausschließliche Primärquelle alles Christlichen, als pseudochristlich, und alles Pseudochristliche immer und ausschließlich dem nämlichen betrügerischen Vorsatz alles Subkulturellen verpflichtet(43). Damit soll die theoretische Möglichkeit des gutgläubigen Irrtums, oder andere Varianten des Selbstbetrugs, nicht überhaupt ausgeschlossen werden, wo in der Regel die eigenen guten Absichten des "Irrenden" den guten Absichten Gottes vorangestellt, bzw. vorgezogen werden, sondern der traditionalistischen Grundposition das Wort geredet werden, wonach es absolut unmöglich einen "zufälligen" Selbstbetrug, oder durch den trügerischen Schein verursachten Irrtum geben kann, sondern all diese Manifestationen der Unordnung Teile eines geordneten Ablaufs (im etwaigen Sinne von Nebenprodukt oder unerwünschte Nebenwirkung) sind, sozusagen die Schattenseite der Ordnung, und diese Ordnung ist durch den menschlichen Verstand soweit nachvollziehbar(44), bzw. erkennbar, daß er die Ordnung von der Unordnung, gut und böse, voneinander unterscheiden kann (1 Mose 2,9.17; 3,5.22). Diese Gabe der Unterscheidung von gut und böse (Ordnung und Unordnung) setzt allerdings aus dem traditionalistischen (christlichen) Gesichtspunkt auch schon eine unabdingbare Ordnung voraus(45), und schließt sie so mit ein, daß die Unordnung in ihrem Wesen (begrifflich) ausschließlich mittelbar über die Ordnung dem erkenntnisorientierten Denken zugänglich ist.

Eine dergestalt unumgängliche Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie einerseits, und mit den in der Ausgangsposition ins Blickfeld gebrachten betrügerischen Vorsatz samt Pseudowissenschaftlichkeit als unentbehrliches Grundelement subkultureller Umtriebe andererseits, kann der Arbeitshorizont vor der Berührung mit der Wissenschaftstheorie nicht halt machen. Vielmehr soll die Immunschwäche des Hochschulsystems als Kult- und Werkstätte der Wissenschaftlichkeit, mit einem unkontrollierbaren Vertrauensgrundsatz in die eigene Funktionstüchtigkeit, mit allem Nachdruck aufgezeigt werden. Ohne hier auf die derzeit vorhandenen legistischen und administrativen Möglichkeiten einzugehen, dem Mißbrauch der Verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Wissenschaften und der freien Meinungsäußerung einen Riegel vorzuschieben, sei hier als Faktum festgehalten, daß das System (der Immunisierung von Pseudowissenschaftlichkeit) gegenwärtig nicht funktioniert. Die aufklärerische Heuchelei hat reichlich Früchte getragen und zunächst alles unverhältnismäßig schwer Hinterfragbares als freie Meinungsäußerung eines allenfalls sich irrenden Wissenschaftlers umfunktionieren können. Die Entziehung von akademischen Titeln wegen wissenschaftlicher oder charakterlicher Unzulänglichkeiten ist inhaltlich so gut wie abgeschafft, selbst wenn sie formell noch als Erinnerungstatbestand dahinfristen. Die Begriffe Pseudowissenschaftlichkeit oder gar betrügerische Manipulation oder Wissenschaftsbetrug scheinen aus dem Wortschatz akademischer Instanzen spurlos entschwunden zu sein, um formalistischen Spitzfindigkeiten als Alibi Platz zu machen. Die angestrebte Untersuchung stellt sich also themenorientiert auch der weiterreichenden Herausforderung, auf die Frage der Anfälligkeit und Durchlässigkeit der Wissenschaftstheorie für das Böse, mit besonderer Berücksichtigung der Erkenntnistheorie, grundsätzlich einzugehen, ohne eine erschöpfendere Abhandlung dieser Vorfrage zu geben.

So definiert sich aus diesem Gesichtspunkt das Böse - alle spätere Ableitungen vorwegnehmend - in der nicht allzu komplizierten theoretischen Feststellung, daß jede zur Ausgangsposition genommene Unordnung (Chaos), oder jede der Ordnung - wie auch immer - systeminhärent vorangestellte Unordnung, das schlechthin Böse ist, unabhängig davon, ob das Böse die Vorrangstellung der Ordnung durch Negierung der Erkenntnisorientiertheit des Denkens indirekt, oder direkt durch die Absolutsetzung der Unordnung (etwa in der Zeit) als "Ursprung", also letzte Ursache, vorzieht. Weniger unkompliziert zeigt sich die praktische Faßbarkeit des Bösen über das Ordnungsprinzip: in der sich schelmisch auf das Ordnungsprinzip berufenden Neuplatonismus stützt sich aber die vorgeschützte Ordnung(46)des Seins auf das Nichtsein(47), bzw. auf Nichts als das absolute Nichtsein, also auf die Unordnung im christlichen Sinne(48) (nach Augustinus).

Methodisch baut also die hier ansetzende Arbeit auf die These, daß nichts, aber auch gar nichts in der biblischen Offenbarung gibt oder geben kann, das den wohlverstandenen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht wäre. Und es gibt nichts, aber auch gar nichts in der aufklärerischen Moderne, die Naturwissenschaftlichkeit heuchelnd vorschiebt, ohne im entferntesten mit der Naturwissenschaft vereinbar zu sein, die irgendwie dem vollmundig vorgeschützten wissenschaftlichen Anspruch gerecht wäre. Vielmehr kann die neuerdings Aufklärung (im Sinne von Erleuchtung) genannte Gnosis (Neugnosis, in der Theologie Neologie genannt) nur von und für den betrügerischen Vorsatz "seiend" sich irgendwie behaupten, und folglich würde sie jede wirkliche Wahrheit oder echte Wissenschaftlichkeit eigentlich außerhalb der Aufklärung und Moderne stellen. Ausgehend von der Faktizität des Subjektivismus als Ausgangs-, bzw. Grundposition der aufklärerischen Moderne(49) und Neologie, kann der vorliegenden Arbeit die methodische These zugrundegelegt werden, daß sofern eine subjektivistische Grundposition zwangsläufig nur subjektivistische Resultate hervorzubringen vermag, ähnlich einer fehlerhaften Grundrechnung, die nur mehr fehlerhafte Resultate zeigen kann, so zeigt sich in der Summe die aufklärerische Kritik an der traditionalistischen Grundposition (d. i. die Orientierung nach der Offenbarung) vorweg als immer und ausschließlich (in der Summe) pseudowissenschaftlich. So kann auch der Subjektivismus als die Pervertierung der Geisteswissenschaften schlechthin definiert und in der sozialen Dimension als Weltanschauung (im unvereinbaren Gegensatz zum Weltbild) genannt werden. Auf der Grundlage dieser Einsicht ist auch nachvollziehbar, daß die Subkultur die Wegrationalisierung der Geisteswissenschaften, d. i. die Wegrationalisierung des Intelligiblen (Verstandes), mit Hilfe des (auf Absolutismus fixierten) Subjektivismus nur durch mißbräuchliche (weltanschauliche) Entfremdung der Naturwissenschaften als Vorfeld hat - so weit so gut - bewerkstelligen können, obgleich der Subjektivismus (zumeist, bzw. grundsätzlich immer weltanschaulicher Prägung) mit den Naturwissenschaften noch weniger gemein hat, als mit den durch vorgeschützten naturwissenschaftlichen Argumenten ausgehöhlten und entfremdeten (d. h. aufgeklärten) Geisteswissenschaften.

Die christliche Offenbarung lehrt über sich und über die Welt, daß die wahre höhere Ordnung, zwar im Lichte der natürlichen Vernunft sehr wohl, doch durch die natürlichen Sinne nicht (unmittelbar) erkennbar ist, und daher eine Offenbarung über den (intelligiblen) Gemeinschaftssinn unabdingbar ist(50), die sowohl zu der wesenhaft als Kommunikation verstandene Gemeinschaft, wie auch zu der Kommunikation selbst, bzw. zum Erkennen der Möglichkeit und der eigenen Fähigkeit (auf der intelligiblen Ebene) zu kommunizieren, aber auch zum Erkennen der Bedingtheit der nämlichen (intelligiblen) Erkenntnisfähigkeit durch die (nichtbereinigte) Sünde, befähigt(51). Erkenntnistheoretisch stützt sich die hier in Angriff genommene Arbeit auf die zutiefst christliche These, daß der menschlichen Erkenntnisfähigkeit im höchstentwickelten (christlichen) Sinne eine soziale Dimension, also gleichsam ein (intelligibler) Gemeinschaftssinn, theologisch Liebe (als Bindung) genannt, neben den natürlichen (individuellen) Sinnen (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Spüren) so zugrundeliegt, daß asoziales Verhalten (Sünde) unweigerlich die Beeinträchtigung (bis zum gänzlichen Verlust) des intelligiblen Gemeinschaftssinns (man kann den Gemeinschaftssinn gegenüber dem natürlichen Sinn des Gespürs mit dem Terminus Gefühl abgrenzen) bedingt(52).

Dementsprechend definiert sich die höchstentwickelte Stufe des Bösen, nämlich auch die niedrigste Stufe des Menschen, als die Infragestellung der menschlichen (intelligiblen) Erkenntnisfähigkeit, und oder die der darauf aufbauenden intelligenten Ordnung der menschlichen Gesellschaft im Kleinen und im Großen, im Diesseits und im Jenseits. Aus dem logischen Gesichtspunkt der hier eingenommenen Grundposition gibt es also nichts grundlegend böseres, als die Leugnung der Erkennbarkeit der Wirklichkeit durch Kant, worin sich zumindest die betrügerische Absicht manifestiert, die "Unwirklichkeit" (also Nichtigkeit, bzw. Bosheit) dieses Kantschen Postulats vorgeblich nicht (wirklich) erkennen zu können.

1.2. Die Unordnung

Ähnlich (grundlegend) widersprüchlich bis widersinnig, bzw. pseudowissenschaftlich ist die evolutionistisch abgeleitete Ordnung aus der Unordnung, bzw. die evolutionistische Rückführung der empirisch erkennbaren Ordnung auf die Unordnung (Chaos) im Materialismus(53), der systematisch als der naturalistische Flügel des (gnostischen) Neuplatonismus(54) erkennbar ist. Denn die Evolution widerspricht naturgemäß weder sich noch der Offenbarung, geschweige denn der wohlverstandenen Wissenschaft, wohl aber der Unordnung, weil sie selbst die Manifestation einer, bzw. der Ordnung schlechthin ist(55). Und der biblische Gott ist der Gott der Ordnung, der sich atl in der historisch dargebotenen Entwicklung seines Verhältnisses zum Menschen manifestiert, ob er als derjenige erkannt wird oder nicht.

Die Evolutionstheorie(56) bildet grundsätzlich nicht einen Gegensatz zu der wohlverstandenen Religion der christlichen Offenbarung an sich, sondern ist nach dem eigenen aufklärerischen Selbstverständnis mit der Pseudoreligion der Aufklärung absolut unvereinbar, und führt diese - mit der ihr zugrundeliegenden streng antiteleologischen Grundposition(57) - ad absurdum. Die Lehre von der Evolution trifft den Existenznerv der Aufklärung, konkret den religiösen Anspruch der Aufklärung, oder auch nur den transzendentalen Anspruch der Aufklärung, dessen Galionsfiguren wie Hegel, Kant, Schleiermacher u. a., in der Teleologie zu Recht die Existenzbedrohung der Aufklärung erkannten, und ihr aufklärerisches Programm der Naturverherrlichung global auf eine spekulative Antiteleologie abgestellt hatten(58), indem sie zynisch die "Emanzipation der Naturtheorie aus den Zwängen der Teleologie"(59) postulierten.

Man kann es auch als grotesk ansehen, daß der die Naturwissenschaftlichkeit vorschützende Materialismus mit dem pseudoevolutionistischen Schema "Ordnung aus der Unordnung" bestenfalls in dem Mythos über den Chaos im Anfange, auf jeden Fall jedoch in der Unlogik gründet, aber dem Schöpfergott genau die eigenen Mängel (zumeist als Theodizee ausformuliert) unterstellt. Soweit gesichert annehmbar in der vorhistorischen Entwicklungsgeschichte des Menschen der Homo sapiens (Verstandesmensch) auf den Homo erectus (Willensmensch) folgte, und nicht umgekehrt, kann der naturalistisch aufklärerische Versuch, die willensorientierte Vernunft dem verstandesorientierten Glauben vorzuziehen, als ein Rückschritt, und die Aufklärung als ein verhängnisvoller Ausrutscher der Evolution des Intelligiblen, betrachtet werden.

1.3. Das Unerkannte

Die inhaltliche Ausgangsposition ist der von Anselm von Canterbury(60) prägnant ausformulierte anti-neuplatonische Metaphysik des Augustinus(61), wonach das viel Verwirrung stiftende Gegenüber von "gut und böse", in der möglichst undurchsichtigen Analogie zum "Sein und Nichtsein" auf der rationalen Ebene, nur auf der erkenntnistheoretischen (intelligiblen) - und nur auf der erkenntnistheoretischen - Ebene objektiv verbindlich aufgelöst werden kann(62), indem jede Negation, jeder Widerspruch, ausschließlich von dem Negierten oder Widersprochenen her (mittelbar) begreiflich (erkennbar) sei, so daß jede ausgesagte Verneinung (über Nichtsein) logisch zwingend das Verneinte (das Sein verbal oder nonverbal) voraussetzt(63). Sonach setzt die Aussage über das Nichtsein immer das Sein implizite (inhärent) so voraus, daß jede Aussage über das Nichtsein immer und ausschließlich eine indirekte (mittelbare) Aussage (in der Sprache prädikativ) über das Sein meint(64), und nur das und so meinen kann, und unmöglich anders. Also ist diese Aussage absolut unumkehrbar.

Dementsprechend wäre also die (neuplatonisch-gnostische) Umkehrung der selben Aussageweise, wonach nunmehr jede Aussage über das Sein zwangsläufig eine indirekte Aussage über das Nichtsein - etwa in dem Sinne - impliziere, daß alles was ist (oder alles was soundso ist), zugleich bedeute, daß das alles nicht (anders) ist, also eine Aussage über das Nichtsein so impliziere(65), als könne das Nichtsein (als das Andere) genauso hinter jedem Sein (oder Sosein) stehen, wie das Sein (bei Anselm) hinter jedem Nichtsein(66), logisch ein Unding, nämlich das ("substantielle", bzw. existentielle) Sein des Nichtseins. Folgerichtig ist auch die Grund- und Ausgangsposition des von Augustinus als Nichtsein definierten Bösen(67), will es sich selbst rechtfertigen, eine die Erkenntnistheorie umgehende Finte, wonach das Nichts genannte absolute Nichtsein formallogisch scheinbar doch Etwas sein müsse, auch wenn "es" nicht im (seienden) Sein - also ohne Substanz - "ist", sonst wäre die Aussage über das Sein des Nichtsseins nicht möglich, so daß sich die Philosophie des Nichtseins (Neuplatonismus) prädestiniert sieht, das Nichtsein (Nichts) als den (logischen) Vater alles Seins anzusehen, zumal die scheinbar sinnwidrige Aussage, daß das Nichtsein sei (das Nichts ist) doch (verbal) möglich sei. Die dergestalt (subjektivistisch) im Absoluten Nichts gründende hohe Schule des Stumpfsinns(68), sozusagen die Satire der (von Augustinus und dann von der Scholastik forcierten) aristotelischen Metaphysik (der übernatürlichen Substanz), die sich in der Kurzform auch als das Absolute, oder die Lehre vom Absoluten, zu nennen pflegt, ist der rote Faden der Subkultur von der Gnosis her über Manichäismus und Neuplatonismus, Mystik (vornehmlich Jakob Böhmes) und Aufklärung bis hin zum Nihilismus (Moderne), und meint ursprünglich und eigentlich ganz bewußt das Absolut Böse, das dergestalt zunächst (öffentlich) unerkannt zur Geltung kommen soll(69). Der scheinbare Erfolg und relative Existenz des Bösen hängt kausal immer mit der Trennung von der - für die Theologie untrennbaren - Substanz und Sein zusammen, und von dieser alles weitere entscheidende Abweichung abgesehen ist (als Form ohne Inhalt, nämlich Bild, Abbild, Spiegelbild) analog folgerichtig wie die aristotelisch-augustinische-scholastische Substanzmetaphysik.

Strukturell benützt der das Nichts verabsolutisierende Neuplatonismus die Aristotelische Metaphysik unterlaufende oder umgehende Platonische Logik(70), wonach die von Parmenides (über Aristoteles bis Augustinus und Anselm) vorgegebene Ausschließlichkeit der ontologischen Wahrheitsfindung vom Sein her(71), also erkenntnistheoretisch von der substanzorientierten (seinsorientierten) Verstandeslogik her, mit der substanzunabhängigen reflexionsorientierten (seinsunabhängigen) Vernunftslogik umgehbar sei(72), um die platonisch noch relativ wirkliche Transzendenz(73) (Sein des Übernatürlichen, oder das höchste Sein, von Platon das Gute genannt, jenseits vom Sein) mit dem Nichts der Gnosis zu ersetzen. Schon bei dem von Platon zitierten Parmenides(74) stehen terminologisch unausformuliert aber im Kontext unverkennbar die erkenntnisorientierte Verstandeslogik und reflexionsorientierte Vernunftslogik (jeweils für sich betrachtet) einander als die Repräsentanten von gut und böse gegenüber(75). Bei Aristoteles kommt durch das entgegengesetzte Substanzverständnis in der Metaphysik (einerseits) und in der nicht minder berühmten Kategorienlehre (andererseits) das faktisch gleiche Gegenüber von Denklogik und Sprachlogik zum Vorschein, das Gegenüber vom direkten und indirekten Erkennen, so daß fortan vom (gleichen) Gegenüber der Verstandeslogik des Denkens und der Vernunftslogik der Sprache die Rede sein kann, wobei die gleiche Wirklichkeit die Verstandeslogik des Denkens vom Dasein her, also direkt, während die Vernunftslogik vom Sosein her, also indirekt, begreift(76). Dadurch kann der eingangs genannte Gegensatz von Verstandeslogik (des Denkens) und Vernunftslogik (der Sprache) als der Gegensatz von

-Sein und Wesen (der Wirklichkeit)

-Wandelbar und Unwandelbar

-Ding und Phänomen (der Naturwissenschaft)

-Metaphysik und Kategorienlehre (des Aristoteles)

-einfache Substanz (des Subjekts) und zweifache Substanz (des Prädikats und des Prädizierten) in der Sprache

aufgefaßt werden. Immer dort, wo die Verstandeslogik des Denkens nur eine einzige einfache Substanz kennt, kommt die Vernunftslogik der Sprache unmöglich ohne die Gegenüberstellung der prädikativen Substanz mit dem prädizierten (seienden) Substanz aus. Die weltbewegende erkenntnistheoretische Frage nach dem Bösen gründet also in dem unvereinbar gegensätzlichen Substanzverständnis in der Verstandeslogik einerseits und in der Vernunftslogik andererseits. Die Vernunftslogik der Sprache, anders als die vom Erkennen ausgehende und vom substantiell einfachen Sein auf die vorhergewußten Phänomene (Prädikate) des Seins schließende Verstandeslogik des Denkens, geht reflexiv vom Prädikat (Phänomen) oder Wesen aus und unternimmt das Sein (des Prädizierten) indirekt (über das durch Prädikate erschlossene Wesen mittelbar) zu erkennen. So hat ein die Vernunftslogik verabsolutisierender Kant solange absolut das Recht auf seiner Seite mit der (agnostischen) Unerkennbarkeit der Wirklichkeit (des Seins), bis die Usurpation der Vernunftslogik nicht länger gewährt und die exilierte Verstandeslogik des Denkens restauriert wird, womit auch die Erkenntnisfähigkeit des Menschen respektive göttliche Offenbarung (implizit) "wieder" legitimiert werden. Selbst in der Sprache ist die seinsorientierte Denklogik in allen unprädikativen Sätzen wie "das Sein ist", oder "die Substanz ist", manifest, und kann mit der auch in der Theologie üblichen totalitären Leugnung der Leugnung der Existenz und Relevanz von nichtprädikativen (ontologischen) Aussageweisen der Absolutheitsanspruch der Vernunftslogik postuliert werden. Sämtlichen die Vernunftslogik verabsolutisierenden Richtungen ist also das Verschweigen oder Verleugnen der Parallelität von Verstand und Vernunft oder Sein und Wesen (Dasein und Sosein) gemeinsam, um die Denklogik mit der Sprachlogik manipulierend die wirklich vorausgesetzte Substanz (als Gegenstand) der Denklogik mit der imaginären (immer und ausschließlich nur relativen) zweiten Substanz (des Prädizierten) der Sprachlogik zu ersetzen. Die revolutionäre Errungenschaft der aufklärerischen Moderne kann also als die Einführung der Soseinsmetaphysik (der Vernunftslogik) und das Vertauschen der Soseinsmetaphysik mit der Daseinsmetaphysik (der Verstandeslogik) bezeichnet werden, zumal ebendas die unverträgliche Einverleibung des Daseins durch das Sosein, des Seins durch das Werden, und damit faktisch die Vernichtung der Daseinsmetaphysik zur Folge hatte. Weil aber der traditionalistische Gesichtspunkt ausschließlich eine Daseinsmetaphysik zuläßt und das Sosein nur einer Pseudometaphysik für fähig stempelt, hält er grundsätzlich jedwede Pseudometaphysik ohne betrügerischen Vorsatz, sei es auch nur um sich selbst zu betrügen, für nicht möglich.

Ein Böses nämlich, dessen Lippen sich scheinbar offen bekennen, nicht, nicht wirklich, oder gar absolut Nichts zu sein, ist in der (aufklärerischen) Vulgärlogik solange unanfechtbar, absolut harmlos und über jede Kritik erhaben, bis ihm die Befähigung zu dieser Selbstaussage genau dann (als eine Aporie) abgesprochen werde, wenn es genau das und genau so wäre was es von sich (implizit vorausgesetzt) behaupte. Wohl hat noch die Kirchenversammlung von Florenz dem Bösen jedwede Natur (Substanz im eigentlichen Sinne) abgesprochen, "weil alle Natur, insoweit Natur, gut ist"(77), doch so wie die Lüge oder Unwahrheit eine relative Existenz hat, eine Form ohne Inhalt ist, und die Möglichkeit der Lüge zu leugnen die Lüge schlechthin ist, hat die Lüge keine "Natur", keinen (wirklichen) Inhalt, bzw. Substanz, weil die Substanz der Wahrheit (d. i. Gott) vorbehalten ist. Die Aussage, daß die Lüge kein Sein hat, bedeutet anders ausgedrückt, daß die Lüge nicht (wahr oder wirklich, eben "nichts") ist.

Methodisch funktioniert das Alternativsystem der Ersetzung der Metaphysis (als Substanz(78)) durch das sogenannte (absolute) Nichts, das ist die Ersetzung der metaphysischen (göttlich-übernatürlichen) Substanz(79) durch das imaginäre Abstraktum (im Sinne des Gegenübers von dinglicher Wirklichkeit und abgebildeter Wirklichkeit in der Wahrnehmung des Subjekts(80)), indem die Unwirklichkeit der Imagination(81) in der Perversion auch dem aristotelischen Original, und zwar so unterstellt wird, als würde etwa Aristoteles oder Augustinus (und die Scholastik) eine übernatürliche Substanz aus einer logischen Verlegenheit heraus vorlügen(82), welche übernatürliche Substanz es aber unmöglich wirklich (nachweisbar) geben kann. Denn das aufgeklärte Sein bestimmt nicht mehr das eigene Wesen (Sosein), sondern das Wesen (Prädikat) das (aufgeklärte) Sein. Nicht mehr das (aufgeklärte) Sein tritt in Erscheinung, sondern die Erscheinung (Wesen/Prädikat/Kategorie/Phänomen/Sosein) verleiht (dem Seienden) das (aufgeklärte und dadurch mögliche) Sein, weil sie (als Voraussetzung) "logisch" danach verlangt, womit (kantianisch) die erkenntnistheoretische Grundposition Anselms in den Subjektivismus der Moderne pervertiert werde.

Nicht zufällig setzte also der Exmanichäer Augustinus (antimanichäisch) gegen den Neuplatonismus hier an, der die Sprachlogik unzulässig vorschiebend das Nichts und oder Nichtsein als doch scheinbar Etwas(83) (dem Sein zumindest ebenbürtiges, aber in der Kausalordnung sogar vorgeordnetes) behauptet und diese Fehlansicht - über die sprachliche Imagination - verabsolutisierend, die aus Natur (Physis) und Übernatürliches (Metaphysis) bestehende ambivalente Wirklichkeit der aristotelischen Metaphysik so (monistisch(84)) kurzschloß, daß er das Metaphysische (Übernatürliche) schlechthin mit dem Nichts (Nichtsein) definitiv gleichgesetzt hatte. Die von der Gnosis übernommene neuplatonische Gleichsetzung der jenseitigen (transzendenten) Substanz der Metaphysik und Theologie mit dem substanzlosen "Etwas" des (imaginär wirklichen) Nichts (und oder Nichtsein) ist bis heute die wichtigste Tarnung des von und für diese Lüge (scheinbar) "seienden" nämlichen Bösen (Gnosis), das spätestens seit Augustinus in der Theologie mit dem Nichts und oder Nichtsein terminologisch (bis heute theoretisch als Lehrtradition gültig) gleichgesetzt wurde(85). Zu der Erhellung dieses Schwindels ist zu vergegenwärtigen, daß die Gnosis, und mit ihr der Neuplatonismus, das Nichts mit der Materie gleichsetzt, also alles Mentale als Phänomen der Materie erklärt. Die Neugnosis setzt die Materie mit Natur gleich, und faßt das Stoffliche als niedere Manifestation der Materie auf, während die Spirituellen Dinge Manifestationen der gleichen Materie nur höherer Ordnung wären(86).

1.4. Die Uneinheit

Strukturell spaltete sich die stets auch die übrigen Grundbegriffe des abendländischen Kultur-Etablissements analog umkehrende (pervertierende) - mehr oder minder verdeckte - Kultivierung des Bösen als (vorgeblich) substanzloses Nichts (Nichtsein) in die scheinbar polaren Gegensätze des mystischen, bzw. des mystizisierenden Fundamentalismus einerseits, und der philosophischen Aufklärung (Säkularismus) andererseits, wobei die gleiche neuplatonische "Mystik" (Gnosis) Jakob Böhmes sowohl dem pseudochristlichen (chiliastischen) Pietismus wie auch dem pseudometaphysischen Nihilismus, aber auch der pseudophilosophischen Aufklärung (und anderen - abgeleiteten oder kombinierten - Spielarten) zugrundelag. Diese Entwicklung entspricht der - historisch bedingt - unterschiedlichen Rezensionen des Neuplatonismus im Mittelalter, nämlich

die theologische (theosophische) nach dem Chiliasten Dionysos Aeropagita,

die philosophische des Humanisten Pico der la Mirandola,

und das mystische (psychosophische) nach der jüdischen Kabbala,

die - jeweils für sich schon synkretisierend - bei Jakob Böhme synthetisch auf die neuplatonische Ureinheit des Nichts (als Gott) gebracht wurden. Ginge man auf das überhebliche Selbstbewußtsein der gnostischen Subkultur ein, und wäre etwa die sogenannte Neuzeit der Historiker kulturhistorisch, bzw. soziokulturell als die (bipolar) dualistische Alleinherrschaft (Monismus(87)) von Säkularismus und Fundamentalismus verbindlich charakterisierbar(88), dann wäre die von der abendländischen Kultur stark geprägte Neuzeit verallgemeinernd als das Zeitalter Jakob Böhmes, als die Nachfolge des mit dem Mittelalter und Reformation auslaufenden christlichen Zeitalters zu bezeichnen, und müßte mit dem Geburtsjahr Jakob Böhmes, oder mit dem Geburtsjahr seines Erstlingswerks, "Morgenröte" (bezogen auf den Morgenstern, auf den Lichtbringer, nämlich den Planeten Venus, dessen Mutter in der lateinischen Tradition Aurora, die Morgenröte war, wobei Lichtbringer im Lateinischen, und daher der Name des Planeten Venus, Lucifer war), beginnen. Denn so wie auf den biblischen Jesus (Christus) einige Jahrzehnte später das Interregnum des Antichristen so folgte (vgl. Off 11,1-8), daß dessen geistiges Erbe in der Gnosis (und dann Manichäismus und Neuplatonismus) fortbestand, und von Anfang an das Christentum mit wechselndem Erfolg - einem Schatten gleich - begleitete, so folgte auf die Reformation die Pseudoreformation Jakob Böhmes, den fortan alle vom Kultur-Etablissement Abweichenden zitieren und oder auf ihn zurückführbar sind.

Schematisch dargestellt steht aus der Sicht der wohlverstandenen Theologie dem Monopol des Guten (Gottes) strukturell ein Dipol des (in sich polar gespaltenen) Bösen so strukturell absolut unvereinbar gegenüber, daß das dipolare/bipolare (in sich gespaltene und sich selbst "polar" widersprechende und den Wiederspruch so zur dipolaren Einheit führende) Böse in sich selbst den unvereinbaren Gegensatz zum Monopol des Guten zu repräsentieren vermeint(89). Das allerdings ist in allen erdenklichen Varianten nur unter der Voraussetzung der Leugnung des (Monopols des) Guten möglich, und zwar insb. auch dann, wenn das Böse die eigene Einheit in den polaren Gegensätzen erkennt und sich monistisch(90) an die Stelle des in seiner Existenz global geleugneten (monopolaren) Guten setzt(91) (indem das Gute/Übernatürliche als ein Pol des bipolaren Bösen/Natürlichen aufgefaßt wird(92)). Die - wie auch immer - als monistische Einheit aufgefaßte Bipolarität(93) des Bösen hat (inhaltlich) mit dem Monopol des Guten absolut nichts zu tun(94), und ist damit logisch absolut so unvereinbar, wie in der Theologie Schöpfer und Geschöpflichkeit. So steht also für die metaphysische Betrachtung dem Monopol des Seins im Seienden der Dipol des Monismus(95) (als die Ganzheitliche Betrachtung des Dipols) im Nichtsein gegenüber.

Gilt also in der wohlverstandenen Theologie mit Augustinus und Anselm die Verifizierbarkeit des Bösen so ausschließlich mittelbar über das (erkenntnistheoretisch begriffene) Gute, daß ohne einen Begriff über das wirklich (wahrhaft) Gute das Phänomen und Begriff des Bösen absolut unmöglich (der Erkenntnistheorie) zugänglich ist, so gilt seit der Hochgnosis bis heute (Moderne/Neugnosis) für das mit Vorliebe die Philosophie entfremdende Böse alles genau umgekehrt (pervers), indem das Übel in der Welt zur bleibenden Ausgangsposition der Spekulation über Gott (Theodizee) und die Welt geworden ist(96).

Für die Neugnosis stellt sich das Unlösbare Problem in der Fiktion einer einzigen Substanz der Emanationslehre dar, während die christliche Theologie zwischen der Substanz des Schöpfers und die der Schöpfung als einander ausschließende und unvereinbare Größen schärfstens unterscheidet. Treffend faßt Bailey die Gnostische Tradition zusammen: "Es besteht in unserem offenbaren Universum die Wesensäußerung einer Energie oder eines großen Lebewesens, das die verantwortliche Ursache für die verschiedenen Formen und für die ungeheuere Rangordnung empfindender Wesen ist, welche die Gesamtheit all dessen ausmacht, was existiert. Dies ist die sog. hylozoistische Theorie (die Theorie vom Belebtsein allen Stoffes), obwohl die Bezeichnung nur zu Verwirrung Anlaß gibt. Dieses große Leben ist die Grundlage des Monismus, und alle erleuchtete Menschen sind Monisten. »Gott ist Eins«, das ist ein wahrer Ausspruch. Eine einzige Lebensessenz durchdringt alle Formen, und diese Formen sind die Ausdrucksmittel der zentralen universellen Energie in Zeit und Raum. Schöpferisches Leben bringt Existenz und Beschaffenheit hervor. Es ist darum die tiefste Ursache der Dualität. Diese Dualität, die in Erscheinung tritt, wen Objektivität vorhanden ist, und die verschwindet, wenn der Formaspekt vergeht, wird mit vielen Ausdrücken bezeichnet, von denen die gebräuchlichsten um der Klarheit willen hier angeführt werden sollen:

Geist Materie

Leben Form

Vater Mutter

Positiv Negativ

Dunkelheit Licht."(97)

In diesem (gnostisch-neuplatonisch-emanatorischen) Schema ist die Substanz von Geist und Materie dem Sein nach ident, indem Materie als manifester Geist (auf einer niedrigeren Stufe der gleichen Substanz) erklärt wird. Ja sogar, und darauf kommt es an, Geist und Materie werden gnostisch als die beiden Pole eines einzigen Seins hingestellt. Demgegenüber unterscheidet die christliche Theologie schärfstens zwischen der Substanz des Schöpfers und die der Schöpfung, und teilt die Schöpfung - und nur die Schöpfung - (auch substantiell) für sich in die polaren Gegensätze wie Mann und Frau. Eines der wichtigsten Voraussetzungen der christlichen Theologie ist die Unterscheidung in der Schöpfung einer himmlischen und einer irdischen Ordnung der Schöpfung, wobei beide Ordnungen der Schöpfung, wiewohl substanziell, nicht ident mit Gott sein können. Die himmlische Ordnung mit den Engeln ist sehr wohl, wie der Säkularist das ausdrücken würde, Vorbild, Idealbild, der irdischen Ordnung, ist aber trotzdem selbst geschöpflich.

Gilt also in der wohlverstandenen Theologie mit Augustinus und Anselm die Verifizierbarkeit des Bösen so ausschließlich mittelbar über das (erkenntnistheoretisch begriffene) Gute, daß ohne einen Begriff über das wirklich (wahrhaft) Gute das Phänomen und Begriff des Bösen absolut unmöglich (der Erkenntnistheorie) zugänglich ist, so gilt seit der Hochgnosis bis heute (Moderne/Neugnosis) für das mit Vorliebe die Philosophie entfremdende Böse alles genau umgekehrt (pervers), indem das Übel in der Welt zur bleibenden Ausgangsposition der Spekulation über Gott (Theodizee) und die Welt geworden ist(98). Wenn nämlich mit dem Theodizee-Problem das philosophisch Böse auch tatsächlich hinreichend erfaßt ist, indem alles moderne Philosophie die absolut unmögliche Sisyphusarbeit der immer neu versuchten Annäherung Gottes vom Bösen (in der Welt) her unternimmt, und so nicht nur (vorhersehbar) immer zwangsläufig scheitert, sondern in dem (wissentlich absolut sinnlosen) Versuch des Wiedersinns schon sich als das Böse (schlechthin) manifestiert(99). Denn zynisch verhöhnt die Theodizee den Glauben durch die schleichende Umdeutung des Begriffs, so als sei Glaube ein subjektives Trotzdem wider das objektiv Unmögliche, so als wären Glaube und Utopie synonym.

Verblüffend übereinstimmend kommen die Verfechter beider miteinander unvereinbaren Grundpositionen der wohlverstandenen Theologie und die Neologie der (theosophisch entfremdeten) Philosophie(100) (als die derzeit vorherrschende Spielart der Gnosis/Neugnosis oder Säkularismus) - auf noch so unterschiedlichen Wegen - früher oder später zu dem immer gleichen alles überragenden Schluß, daß nämlich ein von dem Übel (in der Welt) ausgehend gewonnener Gottesbegriff (Theodizee bedeutet etwa: die Rechtfertigung Gottes) weder irgendeinen Sinn noch (adäquate) Wirklichkeit haben kann(101): also der Gott der Theodizee in allen Varianten immer und ausschließlich ein (logisches) Unding sein kann(102), der (in sich) Widerspruch par excellence(103). Außer vielleicht damit Bibliotheken zu füllen und eine wirtschaftliche und kulturelle Präsenz (durch die Inanspruchnahme der Förderungen für die Wissenschaft und Forschung) so zu demonstrieren, daß einerseits die wirklichkeitsfremde Sinnwidrigkeit (zumindest als "möglicher", also potentieller Teil des Sinns) allezeit demonstrativ im Raum steht, und andererseits die konkurrierende Grundposition die scheinbare Allpräsenz des Phänomens zur Rechtfertigung, zur Legitimierung der Sinnwidrigkeit an sich als Primärursache (und erkenntnistechnische Ausgangsposition der verstandlosen, weil den übergangenen Verstand bevormundenden Vernunft) vorschieben kann.

In dem augustinisch vorgegebenen logischen Schema, bzw. Struktur, wonach Sein gut und Nichtsein ungut bedeute(104), steht dem Monopol des (höchsten) Seins der Dipol des Nichtseins (relativen oder "schattenhaften" Seins) so gegenüber, daß nur im seinsunabhängigen System des (wirklichkeitsfeindlichen) Nichtseins (als Primär- oder Kausalursache), in dem Spannungsfeld der Polarität des maximalen (absoluten) Nichtseins (Nichts) und minimalen Nichtsein (Phänomen), ein relatives Sein fälschlich so vorausgesetzt wird, als könne ein Mehr oder Weniger an Nichtsein das Sein (im Verhältnis zueinander) scheinbar ersetzen. Daß natürlich im vorgenannten geschlossenen System des Nichtsseins relativistisch (qualitativ) simulierte Sein (Quantität/Substanz) kein wirkliches Sein haben kann, auch und gerade dann, wenn im geschlossenen System des Nichtseins selbst der unendliche Mangel an Sein (erkenntnistheoretisch) nicht systemkonform bejaht oder verneint werden kann, also der Schein des relativen Seins als die ausschließlich systemkonforme Erklärung des Seins (systemintern) unwidersprochen bis unwiderlegbar in dem (nichtseienden) Raum steht, zwingt (den Neuplatonismus unter dem modernen Namen Nihilismus) systemkonform zu der dergestalt unausweichlichen Annahme (a priori), daß das (absolute) Nichtsein der Vater alles Seins sei, das ja hinter diesem Zwiespalt von mehr oder weniger Sein stehe. Das nämliche System des Nichtsein, das auch als das System des relativen Seins, oder polemisch als die Relativitätstheorie des Seins bezeichnet werden kann, ist also in sich geschlossen und von innen her absolut unwiderlegbar, es sei denn, es ist (insgesamt), in der Grundposition (Apriori), absolut falsch, d. h. wirklichkeitsfremd. Es ist eine Frage der theologischen Grundposition, und nur der Grundposition. Nämlich eine Frage des Verstandes, ob er die Vorherrschaft der Vernunft über sich zuläßt oder nicht. Denn die zur höchsten Denkinstanz erhobene Vernunft (deren kantianisch aufgeklärt untergeordneter, bzw. entmündigter Teil, der Verstand ist) könnte dingunmöglich das Nichtsein vom Sein her zufriedenstellend erklären, bzw. begreifen, und es zwingt sich ihr (systemkonform) der unausweichlicher Schluß auf, daß das Sein von Nichtsein her begründet sei. Ein Kunststück, das wiederum der Verstand - als höchste Denkinstanz - dingunmöglich schaffen könnte, ohne sich selbst, die eigene Identität zu verleugnen.

1.5. Die Unvernunft

Aus diesem Gesichtspunkt kommt der Wirklichkeit, das ist, in unserem - der Aufklärung kritisch folgenden - Verständnis, der Umgang mit der Wirklichkeit(105), die entscheidende Bedeutung zu. Die aufklärerische Moderne stellt nämlich der metaphysischen (ontologischen) Fassung der Wirklichkeit von und für das Sein die phänomenologische (subjektivistische) Fassung des Wesens der scheinbaren Wirklichkeit des Seins so gegenüber, daß die für den Vorzug vorgeschützten Bequemlichkeits- oder Vernunftsargumente den Souveränitätsanspruch verschleiern sollen. Diese zwei Wirklichkeiten sind zwar die zwei Seiten der gleichen Wirklichkeit, allerdings nur unter Wahrung der zugrundeliegenden Ordnung, nämlich der Wirklichkeit der Ordnung, in welchem Verhältnis die Beiden Seiten der Wirklichkeit zueinander stehen. Diese Unterscheidung bringt das Spannungsfeld zwischen gedanklicher und sprachlicher Reflexion des Erkennens über die gleiche Wirklichkeit zum Ausdruck, daß nämlich Denken und Sprache unterschiedlichen, ja wohlunterschiedenen Strukturen unterliegen und infolgedessen unterschiedlich (über den gleichen Gegenstand) reflektieren(106). Die grundlegende Frage der Legitimität von Kultur entscheidet sich an der Frage, ob und welcher Kausalzusammenhang zwischen Verstand und Vernunft besteht, und ob dieser Kausalzusammenhang umkehrbar ist oder nicht.

Bis zu der abendländischen Aufklärung galt die Verstandeslogik (Intellekt) der Denklogik adäquat und die Vernunftslogik (Ratio) der Sprachlogik entsprechend. Zwar überlappen sich die beiden logischen Strukturen weitgehend und sind auch einander unwandelbar zugeordnet, aber sie zeigen auch Unterschiede, die das manipulative Auseinanderdividieren (paradoxerweise etwa durch die an sich unmöglichen Gleichsetzung oder Tausch der beiden) scheinbar ermöglichen. Die Verstandeslogik orientiert sich am Sein, an der Faktizität, am "Objekt", am Ding, an der Dinglichkeit schlechthin, während die Vernunftslogik an dem Verhältnis des Faktums (zu sich un zu anderen Fakten), und auf sich gestellt nur den indirekten Umgang mit den Fakten aus ihren Verhältnissen heraus (indem sie aus dem Umstand des Seins, aus dem Prädikat, aus dem Verhältnis, vom Wesen her auf das Sein schließt). Die vom Verstand abgekoppelte Vernunft kann also logisch folgerichtig nur zu dem Schluß über die Wirklichkeit kommen, den sie a priori voraussetzt und voraussetzen muß, daß ihre Faktizität, ihr Sein, eine Funktion der Verhältnisse, also das Sein insgesamt schlechthin relativ ist. Die Abkoppelung der Vernunft vom Verstand setzt von da an, nämlich vom Anfang (der Abkoppelung) an, gleichsam aus sich selbst (a priori) unausweichlich voraus, und führt unausweichlich zwingend zu dem Schluß, daß jedes (aus den Verhältnissen) resultierende Sein zwingend einen (logischen) Grund (Verhältnis) voraussetzt, was zunächst in der Gnosis und dann im Neuplatonismus philosophisch in die (logische) Begründung des Seins aus dem Nichtsein ausformuliert und festgeschrieben wurde.

Demgegenüber kann die Denklogik des Verstandes nur von Fakten ausgehen und hieraus alle Verhältnisse bestimmen, so daß die Wirklichkeit der Verhältnisse von den (dieser Logik, der Logik schlechthin) zugrundegelegten Fakten bedingt ist. Der Verstand kann schon deswegen schwer von der ihr innewohnenden Vernunft abgekoppelt werden, weil er im Gegensatz zur Vernunft auch die Verhältnisse als Faktum begreift, also mit der ihm untergeordneten Vernunft eine integrierend unauflösliche Einheit bildet. Der Unterschied zwischen bedingten und unbedingten Fakten verträgt sich sowohl mit der Wirklichkeit wie auch mit dem Faktum, daß die Vernunft integrierender Bestandteil des Verstandes, und dessen eine, wenngleich die wohl wichtigste Funktion ist. Der Verstand ist absolut unfähig zur Unvernunft, und kann nur über die verfälschten Fakten und über die relative Wirklichkeit getäuscht werden, so wie etwa Kant die Erkennbarkeit der Wirklichkeit leugnet (und damit den Verstand außer Gefecht setzt), während die Vernunft ohne Verstand unmöglich die eigene Vernünftigkeit verbürgen oder widerlegen kann und daher auf sich gestellt die Unvernunft auch dann par excellence ist, wenn sie in sich eingeschlossen sich selbst nicht nachweisbar systemkonform widersprechen könnte. Hierin ist also die Erklärung der theologischen Kritik an dem revolutionären Postulat Kants, daß die Absolutsetzung der Vernunft die Befreiung des Menschen aus der unmündigen Abhängigkeit des von alters her dem Verstand zugeordneten Glaubens sei, weil die Vernunft ohne Verstand keine wirkliche Vernunft, geschweige denn mündig (autonom) sein kann. Die kürzeste Formel der Gottlosigkeit wie überhaupt des Bösen ist also Unverstand. Denn auch die Unvernunft ist integrierender Bestandteil des Unverstands, wie die Vernunft integrierender Bestandteil des Verstandes ist: dessen wesentlichster (essentieller) Teil.

1.6. Der Unverstand

Der systematisch wichtigste Aspekt der erkenntnistheoretischen (Anselmschen) Grundposition ist der als Verstandesfunktion vorausgesetzte (christliche) Glaube(107). Mit Anselms "fides quaerens intellectum" ist dem Verstand bibelkonform so die Schlüsselfunktion in der Theologie (und Glauben) zuerkannt worden(108), daß die schelmischen Rezensenten oder Kritiker Anselms durch die Diskreditierung des (logisch unzulässig zur Vernunftsfunktion degradierten) Verstandes den christlichen Glauben aushöhlen und ad absurdum führen konnten.

Die geistige Sterilisierung durch die Desavouierung des Verstandes - soweit erfolgreich - verdankt die Menschheit Kant, der schlicht und einfach den Verstand (Intellekt) mit der Vernunft (Ratio) vertauscht(109), und damit den Verstand im eigentlichen Sinne faktisch abgeschafft, indem er den cartesianischen Subjektivismus verabsolutisiert hat (und damit den Verstand in der Vernunft "für immer" verschwinden ließ). Der kümmerliche Rest des ins Unwirkliche (Pseudo-Jenseits) beförderten, sozusagen transzendierten Verstandes, im Schatten der absolutgesetzten Vernunft der aufgeklärten Moderne, reicht kaum noch aus, um sich darüber lustig zu machen. Und während die neuzeitlich abendländische Zivilisation so - dank Kant und Aufklärung - sozusagen den Verstand verlor, beeilte sich die gleiche Aufklärung den ursprünglichen Kausalzusammenhang von Verstand und Vernunft so in den Kausalzusammenhang Glaube und Vernunft umzudefinieren(110), daß der in "Glaube" umbenannte Verstand pauschal als "Aberglaube" interpretiert(111) und gleichzeitig in der hegelianisch von der Philosophie vereinnahmten Theologie die religiöse (christliche) Position (samt Offenbarung) als sektirische Sondermeinung abgetan wurde(112).

Treffend hat Hegel die allgemeine Lage der Aufklärung als infektiöse Krankheit beschrieben, so als sei der Glaube durch die aufklärte Vernunftskritik angesteckt(113). Die sich krankhaft infektionsartig (unterschwellig) einschleichende Einsicht (über das in sich Geschlossensein des Unverstandes) erzwingt also nach der verhängnisvoll irreversiblen Inkubationszeit den Ort, die Art, und vor allem das (niedrige) Niveau der Auseinandersetzung mit der schon ebenso ausgewachsen wie (bis zum totalen Triumph) feindselig in Erscheinung tretenden Bewußtseinsveränderung, und diktiert schon nach den Gesetzen der initiativen Handlung die Neubestimmung der Innen-Außen-Beziehung von Verstand ("Glaube") und Vernunft(114).

Die so durch Überrumpelung (von innen her) um den Verstand gebrachte Bewußtsein ist mit dem Verstand des Kernstücks seines gesamten Immunsystems beraubt, und kann außer der totalitären Übermacht der Infektion nichts mehr wirklich erkennen, bis es sich vollends mit der (schizoid) krankhaften Veränderung des eigenen Bewußtseins als neue Identität abfindet und die als totalitär erfahrene Übermacht der infektiösen Krankheit zwanghaft als die unbeschränkte (weil subjektiv unbeschränkbare) Überlegenheit des neuen Bewußtseins "erkennt", und es schließlich das unvermeidlich Erfahrene als Aufklärung (Erleuchtung) wertet. Der (gleichsam infektiös) veränderte, im Klartext: verdrehte bis umgedrehte Bewußtsein mit der aufgezwungenen fremden (schizoid kranken) Identität wertet nun - ohne (eigenen) Verstand - die eigene Vernunft als Unvernunft und die Unvernunft als Vernunft um, bzw. ist im umgepolt verändertem Bewußtsein (ohne funktionierenden Verstand) diese Perversion der Vernunft zwingend (unabdingbar, bzw. unumgänglich) vorgegeben. Hegel beschreibt aus eigener Erfahrung plastisch den nämlichen Vorgang als die Aufhebung des vormals externen Verhältnisses von Glaube (Verstand) und Vernunft in ein Binnenverhältnis, durch das Glaube und Vernunft gleichermaßen und jeweils für sich bestimmt sind(115): "Über den alten Gegensatz von der Vernunft und des Glaubens, von Philosophie und positiver Religion hat die Kultur die letzte Zeit so erhoben, daß diese Entgegensetzung von Glauben und Wissen einen ganz anderen Sinn gewonnen hat und nun innerhalb der Philosophie selbst verlegt worden ist." (d. h. die Philosophie habe die Theologie so geschluckt, daß sie als Teil der Philosophie, als interne Teil-Disziplin der Philosophie, noch eine nominelle Eigenberechtigung habe, oder mit den zynischen Worten Kants ausgedrückt: mündig geworden ist). Für die dergestalt auf den Kopf gestellte Vernunft(116) gilt nach Löwith(117) der - ähnlich dem bisherigen unwiderstehlich aufzwingenden - Grundsatz, daß sobald alles andere in der - aus der (subjektivistischen) Kopfstandposition aus gesehen - verkehrten Welt der bisherigen Kulturtradition auch auf den Kopf gestellt wird, hätte wider alles seine (ganzheitlich subjektivistische) Ordnung(118).

Es mag eine schicksalhafte Fügung sein, daß bei der Beschreibung der Aufklärung als die in dem Unabwendbaren gipfelnde Einsicht, der davon selbst betroffene Hegel den Prozeß des Durchdringens, oder eher (passiv) Durchgedrungenseins, nicht etwa als eine medikamentöse Wirkung oder ähnlicher Heilprozeß, sondern als krankhafte Veränderung unter Ausschluß der (auch nur denkbare Möglichkeit) Heilung beschrieben hat. Damit offenbart Hegel den Sinngehalt und Wesen der Aufklärung, nämlich als die befreiende Einsicht über die Unheilbarkeit des Unheils, über die alle Betroffenen künftiger Generationen aufgeklärt, bzw. missioniert, gleichsam infiziert werden müssen, weil jeder Versuch des Heils eine Zunahme des Unheils bedinge. Auffallend ist dabei, daß etwa der Vergleich Jesu über den Sauerteig (Mt 13,33) zur bildlichen Beschreibung ähnlicher technischen Abläufe des fortschreitenden Durchdringens (auch im Negativen zur Beschreibung des Zweifels und Unglaubens: Mt 16,12; Mk 8,15) einen positiven Gehrungsprozeß heranzieht.

1.7. Das Undefinierbare

In der eingehenderen Auseinandersetzung mit dem komplexen Stoff der Satanskunde zeigte es sich, daß es nicht nur an seriösen und erschöpfenden Standardwerken fehlt(119), sondern das - von der modernen theologischen Forschung ausgeblendete, bzw. wie nach einer verlorenen Schlacht verlassene, um nicht zu sagen verschämt geräumte Forschungsfeld, von der Subkultur, nicht zuletzt von den davon betroffenen Kreisen(120), regelrecht verheert(121) und noch unzugänglicher gemacht worden ist(122), als es ohnehin schon war(123). Teils durch den Schwung der euphorischen Aufbruchsstimmung(124) der aufklärerischen Neuerer der letzten Jahrhunderte verdrängt(125) teils durch die latent drohende Emotionalisierung von der seriösen Forschung gemieden(126), geriet die Erforschung des wirklich Bösen auch in der Theologie mittlerweile so sehr ins Abseits, daß es heute schwer wäre jemanden fehlenden Überblick vorzuwerfen, der trotzdem einigermaßen sachlich versucht das Forschungsfeld zu betreten(127), weil es kaum etwas an Erforschtem zu überblicken gibt(128). Vielmehr betont die etablierte Sektenforschung selbst, daß das Feld (des Unerforschten) einfach schon quantitativ so unübersichtlich geworden ist(129), daß selbst Spezialisten nur mit Vorbehalt von genügenden relativen Kenntnissen(130)(nämlich über den Grad ihrer Unkenntnis) sprechen wollen. So kann die seriöse Sektenforschung weniger nach dem Stand des wohlverstandenen Wissens, sondern viel eher nach dem offen deklarierten Grad des Unwissens gemessen werden.

Nach wie vor scheint der Zugang zu der Erforschung des Bösen nur deduktiv gegeben, was eine anwendbare Theorie des Bösen voraussetzt(131), also eine konkret umrissene Vorstellung (und Begriff) darüber, was denn eigentlich (ursächlich) Böse sei, doch schaffte es der Zangenangriff des pietistisch-mystischen Fundamentalismus und der aufklärerischen Moderne, ebendiese Voraussetzung des als allgemeingültig begriffenen Bösen, den allgemeingültigen Begriff des Bösen, zu verteufeln(132). Anstelle einer allgemeingültigen Definition des Bösen wurde von den Anhängern des (relativ) Bösen ebendiese allgemeingültige Definierung des (wirklich) Bösen - unter falschem Vorwand - als das allgemeingültige Böse definiert(133). Solange nun dieser Widerspruch (seitens der Rehabilitierungsbewegung zugunsten des relativ Bösen) nicht als die Manifestation des wirklich Bösen schlechthin definiert, besser gesagt redefiniert wird, wonach die Leugnung des allgemeingültig definierbaren wirklich Bösen exakt die Definition des Bösen impliziert, die sie zu negieren vorgibt, wird das Forschungsfeld kaum entsprechend zugänglich sein. Die Möglichkeit der allgemeingültigen Definierbarkeit des wirklich Bösen zu leugnen ist eben jener "perverse" Zirkelschluß, der nur per definitionem aufrechterhalten werden kann, nämlich durch die vorausgesetzte Definierung des Bösen als die Definition des Bösen. Die Verteufelung der Definition ist selbst eine Definition.

1.8. Das Unnatürliche

Die Bibel gibt im NT eine Definition des Bösen als "die Lüge" schlechthin(134) (Joh 8,44), wobei Lüge als die bewußte Abweichung von objektiver und subjektiver Wirklichkeit im Erkenntnisprozeß des Subjekts verstanden wird, und bestimmt den Anfang vom Ende in der Priorität der Physis(135) (Natur) auf Kosten der dadurch - ohne Umkehr (im Extremfall) - dem Untergang geweihten, zumindest jedoch gestörten Psyche(136) (Seele) und Spirit (Geist(137)), bzw. Pneuma(138) (Jak 1,13-15). Faßt man "Psyche" und "Spirit" (im Erkenntnisprozeß) hilfsweise als das "Mentale" in einem Begriff zusammen(139), dann kann die bibeltheologische Definierung des Guten(140) als eine Ordnung(141) (1 Kor 14,33; vgl. Röm 13,2) der vom hierarchisch übergeordneten, bzw. kausal vorgeordneten Mentalen (als Urheber(142)) her bestimmten Physis(143) wiedergegeben werden(144), wobei der biblische Sprachgebrauch allgemein die Termini "himmlisch"(145) und "irdisch"(146) für das entsprechende Gegensatzpaar(147) verwendet(148). Obgleich das als Unordnung (vgl. 1 Kor 14,32) aufgefaßte Böse (Diabolos(149) bedeutet wörtlich etwa das Durcheinanderwerfen(150), also sinngemäß etwa: das Umwerfen, das Umstoßen, das Umstürzen, etwa im heutigen Sinne des Begriffes Revolution, was ursprünglich wörtlich übersetzt bloß Umdrehung, bzw. Umkreisung, bedeutet) bei der Physis ansetzt (vgl. Jak 1,14), bzw. dortselbst so verankert ist, daß es kaum um die (kausale) Absolutsetzung der Natur (Physis) umhin kann(151), bewirkt die (aus der Sicht der sich verselbständigenden Physis) in ihrer Unter-Ordnung veränderte Physis - im Verhältnis - zwangsläufig ein (scheinbar) verändertes, gestörtes Mentale (Jak 1,15), eine alterierende, "sekundäre Mentalität", die nicht mehr ursächlich die Physis bestimmt, sondern (im Alterieren) zunächst von der Physis her bestimmt wird(152), und sodann nunmehr als Sekundärmentalität wiederum auf die Physis (zurück) wirkt. Nicht als ob das Mentale selbst (quantitativ) in der Sekundärmentalität verändert sei, denn die Theologie setz im Verhältnis zwischen Mentale und Physis das Mentale (als Primärursache) als unwandelbar voraus, sondern das durch die Störung des ursprünglichen Verhältnisses ausgekoppelte, sozusagen abgefälschte, verfälschte, "abgefallene", in der Theologie "unrein" genannte, also sekundäre Mentale, das Negative, wird durch eine Alternative ersetzt, bzw. ist die (sich selbständig machende) Alternative. Diese vom Bösen als die Befreiung von der unmündigen Abhängigkeit(153) gefeierte schizoide(154)Entfremdung stützt sich auf eine dem Wunschdenken der entfesselten Physis entspringende Projektion des alterierenden (sekundären) Mentalen(155), das sich zu Recht als von der Physis her ursächlich bedingt begreift(156), aber zu Unrecht das Wunschdenken der christlichen Religion unterstellt. Ob sich diese mentale Alternative nach außen als der Physis unter- oder übergeordnet gibt, sie ist immer das von der vorgeblich "befreiten" Physis abhängige (substanzlose) Trugbild (wie im Spiegelbild oder Foto-Negativ) des primär Mentalen(157), das Sekundär-Mentale(158).

Natürlich kann mit der neuerlichen Differenzierung im Mentalen zwischen Psychischem und Spirituellem eine beliebig lange Liste der Typologie des Bösen konstruiert, bzw. rekonstruiert werden. Die Bibeltheologie kennt aber nur dieses eine einzige Böse, das die hierarchisch vorausgesetzte Ordnung zwischen dem Mentalen und Physischen stört, durch seine Existenz in Frage stellt. Es ist auch das gleiche Böse, das versucht diesen Widerspruch sodann auch mental zu rechtfertigen, unabhängig davon, auf welcher Ebene dieser - immer ursächlich gleiche - eine einzige Widerspruch sich manifestiert und wie er vom Bösen artikuliert wird. Die Abweichung von dieser vom Guten für wahr(haftig) und einzig wirklich gehaltenen Ordnung des Mentalen, also die Unordnung gegenüber der Wahrheit (über die Wirklichkeit des primär Mentalen), sei es in Worten oder Werken, hält die Bibeltheologie für die nämliche Lüge, der den biblischen Teufel ausmacht, ob nun das Mentale gänzlich als wirklich geleugnet, oder als von der Physis - über beliebig viele Stufen - abgeleitet wird.

In der später zumeist auf mentaler Ebene ausgetragenen Kontroverse zwischen Gut und Böse stellt die Bibeltheologie entschieden in Abrede, daß die Kluft zwischen den Mentalitäten der Lüge und der Wahrheit irgendwie - von der Lüge her - überbrückbar wäre (vgl. Lk 16,26), spricht dem Bösen gewissermaßen die (überzeitliche) Existenzberechtigung ab(159), weil für sie die vom Bösen verlassene Ordnung unwandelbar (ewig), und nur das Unwandelbare wahrhaft (ewig) existenzberechtigt ist. Damit wird die zeitliche Existenz des Wandelbaren keineswegs in Abrede gestellt, sondern als eine andere, die zeitliche Dimension des Daseins aufgefaßt.

Nach Anselm von Canterbury kann (in der Denklogik des Verstandes) der noch von Platon (in der Vernunftslogik) zuerst aufgeworfene scheinbare Widerspruch in der Sprachlogik, wonach zwar mit dem Wort "ist" nur das bezeichnet werden kann was wirklich ist, aber mit dem "Nichtist" (Nichtsein) etwas Unmögliches bezeichnet wäre(160), wenn die Sprachlogik das "Nichtist" ("Nichtsein") nicht als "etwas" voraussetzte, das "ist"(161) ("sei"), woraus dann die abenteuerlichsten Spekulationen der Gnosis und Neuplatonismus über das Nichts als den Vater aller Dinge, sozusagen die Wahrheit hinter der Wahrheit, abgeleitet wurden(162), sehr wohl (nämlich nur erkenntnistheoretisch) aufgelöst werden: "Wie jede andere Negation (z. B. non-homo), nur dann erkannt werden kann, wenn das, was negiert wird, schon positiv erkannt ist, so muß auch schon das Etwas erkannt sein, um den Begriff 'Nichts' verstehen zu können. «Destruendo non significat nihil sed aliquid, et constituendo non significat aliquid sed nihil» (indem er zerstört, bezeichnet er [der Ausdruck Nichts] nicht nichts, sondern etwas, und im Zusammenbringen bezeichnet er nicht etwas, sondern nichts). Daß aber der Eindruck entsteht, das Nichts sei selbst etwas, liegt, wie bei vielen anderen Privationen, in der «forma loquendi», nicht in der Sache (secundum rem) begründet, denn wir sprechen über solches, was nicht «etwas» ist, «wie über existierende Dinge»."(163) Damit ist aber der wichtigste (Augustinische) Grundsatz in der traditionellen christlichen Theologie über das Böse (d. i. das Nichts(164) des Augustinus) ausformuliert, wonach das Böse aus sich selbst keinen Sinn haben kann (und folglich die Leugnung des Bösen die Leugnung des - dem logisch vorangestellten - Guten voraussetzt).

1.9. Das Unerforschliche

Es wurde von der Subkultur nicht ganz ohne Erfolg unternommen, die traditionellen Ressentiments gegen das Böse auf die Erforschung des Bösen zu übertragen(165). So blickt etwa die jüngste Forschungsgeschichte, die eine auch nur ähnlich lautende Bezeichnung gar nicht verdient, auf eine - in jüngster Zeit - beispiellose Hetzkampagne gegen alles, was das Böse beim Namen nannte, zurück(166). So übertraf etwa die Verteufelung der Inquisition, wäre seelische Grausamkeit als der physischen Folter gleichwertig anzusehen, bei weitem die inquisitorischen Übergriffe.

Die neugeschaffenen Strukturen der Moderne erlauben unter dem Vorwand eines vorgeblich für alle geltenden grenzenlosen Freiheitsideals jedem finanziell gutdotierten Stumpfsinn(167)beliebig viele seelische Beeinträchtigungen unters Volk zu bringen, weil in der gleichgelagerten Engführung der modernen Ideologie das Böse (ursächlich) ausschließlich im Physischen(168), bzw. im Sinnlichen(169) lokalisiert wird (so als könnte seelisches und geistiges Übel ausschließlich physische Ursachen haben). Die dergestalt gewillkürt vorgebliche Exilierung des Bösen in das Materiell-Sinnliche beschert dem nämlichen Bösen eine noch in der Weltgeschichte kaum jemals da gewesene totalitäre Freiheit im Reich des Seelischen und Geistigen. Eine fragwürdige Freiheit des geleugneten (sekundär) Mentalen, die außer dem nämlichen psychischen und spirituellen Übel nichts und niemand so vollkommen auskosten kann. Diese vorgebliche Dienstbarmachung des Spirit und Psyche durch den Zauberlehrling Physis ist aber gar nicht so modern, wie es der Schein verheißt. Oder wie der Traditionalismus, wenn er noch etwas zu sagen hätte, es ausdrücken würde: die älteste Methode das Gleichgewicht der natürlichen Kräfte zu stören ist, bei der vorgeblich absoluten Physis anzusetzen, zumindest steht das schon in den ältesten Beschreibungen des Bösen.

Entsprechend vielschichtig - wenn nicht chaotisch - wäre das noch nicht hinreichend erschlossene Forschungsfeld(170), so daß gegebenenfalls jede noch so gültige Aussage im Kontext sich zunächst etwas verloren ausnehme. Die Hauptschwierigkeit sind aber die unbewußten Wirkmechanismen eines oft und gerne wissenschaftlich verbrämten Propagandaapparates, in diesem Fall des Bösen, das sich nicht nur selber leugnet, sondern natürlich auch sein Propagandaapparat(171), den getäuschten Opfern des Propagandaapparates (des Bösen) plausibel zu machen, daß die auf dem Bildungsweg zur Selbstgerechtigkeit aufgestachelte Kontrollinstanz(172) des dadurch subjektivierten(173) Subjekts(174) die Kulturmanipulation - weil durch das besagte Propagandaapparat vernebelt - nicht mehr registriert. Es mußten also vor einer (allgemein) gültigen Aussage über das Böse Rahmenbedingungen für die nämliche Aussage geschaffen werden, die sonst, wollte sie vor den alles überschattenden Rahmenbedingungen der sich modern gebenden Subkultur abheben, im leeren Raum gestanden wären.

Die andere Schwierigkeit, man kann sie die zweite Hauptschwierigkeit nennen, ist die Aushöhlung von Kirche und Theologe (durch das Böse von innen und außen her), so daß die Schätze der Kirche, weil gewissermaßen eingemottet, unzugänglich sind. Inzwischen sind die an sich richtigen Lehren der Kirche - etwa über das Böse - in der vom liberalen Medienmonopol dominierten öffentlichen Meinung soweit vorurteilsbeladen, daß eine sachliche Diskussion auf der Ebene der kirchlichen Lehre nicht einmal mehr in der Wissenschaft und Forschung, geschweige denn in der Öffentlichkeit möglich scheint. In der Handhabung ist die Lehre der Kirche auf die solidarische Koordination durch befugten Theologen ausgelegt, früher hieß so etwas "brüderlich", eine Voraussetzung, die heute so gut wie nicht mehr zu geben scheint. Zumindest nicht im Hinblick auf die Lehre der etablierten Kirche, sondern wurde die sog. "Brüderlichkeit" - mehr oder minder offiziell - für die Abwandlung der unwandelbaren Werte entfremdet.

Für den Bibeltheologen ist das Gesetz unwandelbar, daß jede auch nur versuchte Wandlung des Unwandelbaren zwingend den Verlust der Unwandelbarkeit, also den Verlust der unwandelbaren Existenz bedingt. Und das so gewandelte Mentale (unwandelbare Form ohne - unwandelbarem - Inhalt) kann nichts mehr mit dem mental Unwandelbaren zu schaffen haben, auch wenn das wandelbar Mentale nach dem unwandelbaren Gesetz immer wieder im Zeitlichen verpufft und alles Wandelbare den unwandelbaren Widerspruch zum Unwandelbaren manifestiert. Die Bibeltheologie ruft vielmehr zur Umkehr, denn das von der (in ihrer Abhängigkeit) veränderten Physis her bestimmte (sekundär) Mentale ähnelt dem über die Physis bestimmenden (primär) Mentalen spiegelbildlich. Das Böse ist sonach gleichsam das (Spiegel-) Bild oder Photonegativ des Guten ohne die Substanz (des Unwandelbaren) und (spiegel-)verkehrt (auf Latein: "pervers").

1.10. Das Unerklärliche

Der Kampf des Guten gegen das Böse kann also allgemeinverständlich als das eiserne Gesetz bildlich veranschaulicht werden, indem etwa ein zweidimensionales Abbild dem dreidimensionalen Original den Rang streitig machen oder wenigstens auch ihm nur Zweidimensionalität bescheinigen will. Es gibt auch Eigendefinitionen des Bösen, vor allem in der Theosophie, wo alles genau verkehrt (pervers) und das Gute (zumeist dem Christentum gleichgesetzt) als zeitlich begrenzt und die Naturkräfte der Physis als die einzig Unwandelbaren dargeboten werden(175). Aber genau daran ist aus dem christlichen Gesichtspunkt die Lüge der Theosophie ersichtlich, das die Mentalität des Bösen sich immer nur über die christliche Mentalität erhebt, aber niemals über die eigene Physis(176), denn das Böse könnte unmöglich über das Energiefeld der Physis hinausdenken und eine über die Physis hinausgehende Primärursache außerhalb der Imagination "wirklich" annehmen(177). Das Böse kann den Spirit ausschließlich als Neben- oder Endprodukt, bzw. Phänomen der Physis, also geschöpflich und nicht als Schöpfer, als eine vom Physis abhängige Größe, voraussetzen(178), auch wenn scheinbare Vermittelbarkeit vorgetäuscht wird(179). Und wenn neuerdings dieser Zusammenhang agnostisch(180) verschleiert werden soll, so als wäre die Abhängigkeit der Mentalität des Bösen von der Physis nicht hinterfragbar(181), so weiß die Bibeltheologie diese Lüge auch als die Älteste und Wohlbekannteste zu entlarven.

Auch versäumt das Böse selten sich selbst grundsätzlich zu widersprechen, und so ist diese Arbeit auch dem Nachweis gewidmet, daß das Böse kaum jemals widerspruchsfrei agieren kann, und in den meisten Fällen sich vor allem selbst nachweisbar widersprechen muß. Es soll nachgewiesen werden, daß das Böse sich notorisch als das Neueste vom Neuen ausgibt (vgl. New Age, Neologie, Neugnosis, Neosatanismus usw., wobei natürlich der Glanz des Neuen sich nicht in der Namensgebung erschöpft), so daß dies die älteste Tradition des Bösen ist, die Tradition des Guten mit dem Argument des immer Neuen zu bekämpfen, und diese immer neu präsentierte älteste Lüge - naturgemäß - stets zeitbezogen (eschatologisch) zu tarnen(182). Demgegenüber geht das Gute von dem unwandelbaren Gesetzt der Entwicklung aus (vor allem ist das ganze AT insgesamt eine Entwicklungsgeschichte schlechthin), allerdings von einer Entwicklung, die auf dem besagten unwandelbaren Gesetz beruht. Deswegen gibt es für den Guten nur einen Garant der unaufhaltsamen Entwicklung, nämlich das unwandelbare Gesetz der Entwicklung unwandelbar zu belassen, zu konservieren und zu tradieren. Wenn nämlich das Unwandelbare als solches erkannt und respektiert wird, dann ergibt sich die (mental vorgegebene) Entwicklung aus sich selbst ohne aktives Zutun (als Vorsehung), und alle Aktivitäten von außen sind nur passiv begleitender Nachvollzug(183) im "Gehorsam", bildlich ausgedrückt etwa wenn im Frühjahr gesät und im Herbst geerntet wird. Jede Manipulation der Zeit - die ehedem der Entwicklung (als Fortschritt) synonym Verwendung fand - wertet das Gute als die Entfremdung des Unwandelbaren: also wertet das Gute etwa im Sommer zu sähen und im Winter zu ernten als böse, weil die Entfremdung des Unwandelbaren die Entwicklung verhindert, die er zu erneuern verheißt. Die Früchte der Zeitverschiebung im Namen der Manipulierten Entwicklung (Pseudofortschritt) sind auch in der Landwirtschaft, in der physischen Natur, Tod und Verderben.

Weil das Gute nur eine sich mit unwandelbarer Konsequenz immer wieder manifestierende Entwicklung kennt, einen physischen Nachvollzug des mental Vorgegebenen, wie es z. B. im biblischen Sabbatgebot (2 Mose 20,8.11; 23,10-12; 31,12-17; 35,1-3) urtypisch zum Ausdruck kommt, muß das Gute zwangsläufig alles außerhalb dieser lebendigen Ordnung der unwandelbaren Entwicklung als dem Tod geweiht, als das Böse betrachten. Nur eine dem übergeordneten Mentalen konforme Physis ist Teil, hat Anteil an der unwandelbar lebendigen Ordnung der Entwicklung, während jede dem Unwandelbaren nonkonforme Mentalität böse, im wahrsten Sinne des Wortes dem Tode geweiht ist. Wichtig ist allerdings den Kausalzusammenhang zu beobachten, wonach jede zum Unwandelbaren alterierende Mentalität nicht die Physis bestimmt, sondern zunächst selbst von der Physis her bestimmt ist: denn obwohl in der Bibeltheologie landläufig von den Bösen Geistern, also scheinbar auch von der mental dirigierten Physis die Rede ist, gehört es zum Wesen der Sekundärmentalität, daß sie ursächlich, bzw. kausal mit der von der Primärmentalität abgekoppelten Physis zusammenhängt, welches Übergewicht die Sekundärmentalität in der Folge über die Physis auch gewinnt, also in der spiegelverkehrten(184) (und der Dimension der substanziellen Wirklichkeit ledigen) Welt des Bösen der scheinbar gleiche Kausalzusammenhang zwischen Mentalem und Physischem gewissermaßen auf dem Kopf steht. Das christliche Evangelium betont aber konsequent, daß die Macht der Bösen Geister über den Menschen immer und ausschließlich von der Sünde, nämlich von der Störung der mental vorgegebenen natürlichen Ordnung bedingt ist, und die Sünde immer im (bevorzugten) Physischen wurzelt, auch wenn die fatalen Folgen der Sünde einen Widerspruch zum Mentalen zeitigen. Wenn jedoch die Sünde sich als die mit dem mental Unwandelbaren nonkonforme Physis definiert, aus der erst dann zwangsläufig der mentale Widerspruch, die Lüge resultiert, dann verdirbt zwar die Lüge (Alternativmentalität, Sekundärmentalität) einer Kettenreaktion gleich immer mehr die Physis, wie bei der Fäulnis (aber auch in der sog. Psychosomatik) allgemein zu beobachten ist, aber ähnlich wie die Fäulnis sich in der Regel um eine physische Verletzung herum ausbreitet, so leitet die Theologie den Ursprung der Macht des mental Bösen von der Erbsünde, also von der alterierenden Physis her, die sich - die unwandelbare Ordnung des wirklich Lebendigen verletzend - von seiner Bestimmung durch den Unwandelbaren sich (widersetzend) verselbständigt, sich verändert hat. Im säkularen Sprachgebrauch heißt das etwa bildlich die eitrige Entzündung um eine Wunde, nämlich als Folge einer Verletzung, die bis zu der Heilung die Physis gewissermaßen beherrscht.

Die hier in Angriff genommene Untersuchung geht zunächst davon aus, daß ein Widerspruch in dem Sprachgebrauch des Säkularismus - oder dem einer anderen Häresie - auch nur ein Widerspruch ist, und das Böse auch dort Böse. Zumindest müßte aber die Überlappung der jeweiligen Begriffsinhalte für die einleitende Verständigung reichen, und der babylonischen Sprachverwirrung (1 Mose 11,1-7) in der Forschung, durch kulturelle Entfremdung durch sog. Paradigmenwechsel und Aushöhlung der herkömmlichen Begrifflichkeit, soll erst später gedacht werden. Oder anders ausgedrückt: kann zumindest das Böse auch außerhalb dem - von der Kirchentradition entwickelten - theologischen Sprachgebrauch begrifflich adäquat erfaßt, und damit der Macht des agnostischen Naturalismus(185) und aufklärerischen Gnosis entrissen werden. Das größere Übel ist nämlich der innere Feind, das die Kirchen unterwanderte und aushöhlende Böse. Soweit also die Arbeit auch ein apologetisches Ziel verfolgt, dann etwa durch die Reklamierung der Freiheit im Namen einer höheren Gerechtigkeit, das Übel wieder beim Namen nennen zu dürfen, ohne dafür diskriminiert und verfolgt zu werden. Deswegen soll auch in der Untersuchung - gegen den Strom schwimmend - das Böse konsequent Böse geheißen werden, und die ehedem gebräuchlichen prämodernen Synonyma wie Teufel, Satan, Luzifer als legitime Termini wieder eingeführt werden. Die nämliche Renaissance der unmodernen Begrifflichkeit des Übels sollte nunmehr die Teufelskunde soweit revolutioniert haben, daß dem Forschungsfeld sodann zu Leibe gerückt werden kann.

1.11. Das Nichtsein

Durch die Moderene wurde die von der Aufklärung unterschwellig eingeführte babylonische Sprachverwirrung (1 Mose 11,1-7), und damit die vorgeblich permanente Aufklärungsbedürftigkeit in der sog. Metaphysik so konserviert, daß es schwer fiele von keiner absichtlichen Täuschung über den Zugang zur Philosophie, und zu der von der Philosophie dergestalt vereinnahmten Theologie, zu sprechen. Kurz gesagt - geht es der aufklärerischen Moderne um die methodische Leugnung des Wesens und Grundvoraussetzung der antiken Philosophie und Metaphysik, nämlich um die Leugnung der vom Übernatürlichen als Primärursache bestimmten Natur(186), die Leugnung der Ordnung der von dem Mentalen her bestimmten Physis, indem das Übernatürliche als Primärursache generell geleugnet wird(187). Paradox und quantitativ ins Unermeßliche Aufgebläht ist die Problematik deswegen, weil diese Aushöhlung, Entfremdung und Zerschlagung der antiken Philosophie heuchlerisch im Namen der nämlichen Philosophie und mit dem pathetischen Erbanspruch der Erbschleicher geführt wird(188), die sie sozusagen buchstäblich "ins Jenseits befördert", sozusagen transzendiert haben (was sie leugnen). Diese heuchlerische Pseudophilosophie und Pseudometaphysik(189) der aufklärerischen Moderne, die sich auch noch zynisch Transzendentale Philosophie nennt(190), das betrügerisch erschlichene Erbe der klassischen Metaphysik mit zwei - allenfalls drei - sich ergänzenden Methoden an, indem das (früher Immaterielle genannte) Übernatürliche:

Gänzlich als Wirklichkeit(191) geleugnet wird (Naturalismus)(192).

Nach dem Schema der platonischen Dreiteilung des Übernatürlichen, Psyche, Polis (Staat) und Kosmos(193) (Universum), die Beiden letzteren, also das autonome Mentale des Sozialen und Kosmischen, so als Wirklichkeit geleugnet werden, daß sie als Projektion, oder Teil der menschlichen Psyche(194) hingestellt werden (Subjektivismus)(195).

Eine "agnostische" Übernatur(196) (rational a priori oder spekulativ immanent) so vorgespiegelt wird, daß ein unabdingbares Sekundärwesen als Mittler (zumeist Demiurg(197) genannt) dazwischengeschoben und als der menschlich erkennbare Schöpfer (mit dem Anspruch, Gott der Religion schlechthin zu sein) so vorgetäuscht wird, daß dann in der pantheistischen (monistischen) Perspektivierung die Übernatur als Imagination mit der Natur ineinsgesetzt wird(198) (Gnostizismus/Agnostizismus).

Diese Dreiteilung entspricht übrigens der schon aufgezeigten Platonischen Gliederung der Metaphysik, bzw. des Metaphysischen, in Psyche, Staat (Polis) und Kosmos(199) (Universum), so daß die übergreifende Argumentation in den drei Gruppen ebenso wenig schwer fällt, wie die Abgrenzung des Naturalismus gegenüber der Aufklärung oder Universalismus, weil sie die drei Ebenen der gleichen Gnosis schlechthin sind.

1.11.1. Das Nichts

Nichts beleuchtet im Lichte der natürlichen Vernunft die metaphysischen Zusammenhänge rund um das Sein als (ontologischen) Zentralbegriff mehr, als die Genese und Metamorphosen des Begriffes des Nichts, und die des Nichtsein(200). Ausgangsposition in dem hier gesuchten Zusammenhang rund um das Böse ist die Rezipierung und gänzliche Umdeutung des neuplatonischen Begriffs des Nichts durch Augustinus, die für den theologischen Sprachgebrauch ausschlaggebend gewesen wurde(201). Augustinus prägte der Theologie nach ihm mit seiner Auffassung von Gott als dem höchsten Sein, "daneben", bzw. dem gegenüber das Nichtsein oder Nichts keinerlei Substanz hatte(202), die bis heute für authentisch gehaltene theologische Interpretation auf. Der Tod der Seele ist - augustinisch - die Abwendung von Gott (Sein) zum Nichts(203) (Nichtsein). Weil die Sünde nichts ist, werden auch die Menschen zu Nichts, wenn sie sündigen. Diese These Augustins von dem Nichtigkeitscharakter der Sünde wurde in der protestantischen Orthodoxie wieder aufgenommen und kontrovers diskutiert(204).

Die nachvollziehbare metaphysische Genese des Begriffes Nichts geht wohl auf des Parmenides ebenso simples wie offenbares «Nichts ist nicht» zurück(205), und wird zum ersten Mal erkennbar zum Problem in dem nichtmetaphysischen "Nichts als Leere" der Atomisten gegenüber dem eleatischen "Nichtsein ist nicht", wobei Platon die (sprachlogisch bedingte) gedankliche Abstraktion und Reflexion scheinbar (nur verbal) zum Reich des Nichtseins, wenngleich auch nur zur Hälfte, erklärte(206). In dem von einem gewissen David aufgezeigten Gegensatz zwischen Platon und Aristoteles, wonach Platon das Nichtsein als das verstanden habe, was weder gedankliche oder vorstellungsmäßige noch aktuelle Existenz hat, umfaßte nach Aristoteles dieser Begriff all das, was keine aktuelle Existenz in der Naturwirklichkeit, aber doch ein Sein in Gedanken oder in der Einbildungskraft hat(207).

Soweit erstens das Sein oder Nichtsein die zentralen Begriffe der Metaphysik sind(208), und zweitens die Metaphysik als das Herz- oder Hauptstück der Philosophie gilt(209), kann an der Entwicklung der nämlichen Begrifflichkeit rund um das Nichtsein als an dem Begriff die Geistesgeschichte besser abgelesen werden(210), als an dem Begriff des Seins. Aus dem logischen Gesichtspunkt ist klar erkennbar, daß je nach dem ob das Sein, und dementsprechend das Nichtsein, entweder ausschließlich auf die natürliche Wirklichkeit (Dinglichkeit, das ist in der philosophischen Fachsprache der gedanklichen Reflexion als "Gegenständlichkeit" terminologisiert), oder aber auch auf die Abstraktion bezogen wird, die im Denken eine doch andere, reflektierende (bildliche) Wirklichkeit hat. Es ist erstaunlich, wie viele Varianten diese - lediglich abgezählt zwei - Komponente hervorzubringen vermochten, aber alles Metaphysische und damit Philosophische läßt sich auf diese zwei Komponente mit mathematischer Exaktheit zurückführen, und wird auch mit unablässigem Eifer (unvermeidlich) zurückgeführt(211).

Mit dem Verhältnis zwischen dem Sein in der Natur (einerseits) und dem Sein im Denken (andererseits) ist nämlich schon eine dritte Komponente aufgetreten, nämlich das Sein im Verhältnis der Beiden ersteren, die scheinbar zu beliebig vielen Ableitungen Anlaß gab. Die Unübersichtlichkeit begann aber erst mit der Übertragung des vorgegebenen Verhältnisses von "natürlichem Ding" und "gedachtem Ding" auf das Denken selbst (das Denken denken), so daß mit dem sogenannten Selbstbewußtsein eine vierte Komponente zu der Gesamtbetrachtung hinzugekommen ist, indem das gedachte Ding zugleich die ursprüngliche Funktion des natürlichen Dinges (im Denken) übernahm.

Doch wie viele Komponente auch immer eine Rolle spielen, entscheidend war Platons in manchem mißverständliches "Nichtsein ist" für die Abstraktion(212), dem dann des Aristoteles ambivalentes Sein, nämlich einerseits in der Physis (Natur) und andererseits in der Metaphysis (Übernatur, bzw. jenseitigen Natur), gegenüberstand, neben der gar kein (platonisches(213)) "Sein des Nichtsein" geben kann(214). Die terminologische Umdefinierung von Platons Nichtsein in metaphysisches Sein des Aristoteles, so daß übernatürliches, bzw. abstraktes Sein nicht "Nichtssein ist", sondern "jenseits vom Sein ist", definiert wird(215), ist und bleibt das ganze Problem der zwar abgeklärten, jedoch von der Subkultur von außen mit manchem Erfolg (durch Verfälschung) bekämpften Begrifflichkeit bis heute. Aristoteles hat nämlich die sprachliche Umständlichkeit rund um die Begrifflichkeit, auch die des Nichtseins, aus der Metaphysik ausgegliedert, bzw. jener vorausgeschickt, und in seiner Kategorienlehre abgehandelt(216). Die aristotelische Neudefinierung dient im wesentlichen einer klaren Trennung zwischen der Denklogik und der Sprachlogik, die ein und das selbe Ding anders erkennen und reflektieren, aber in der Synthese wieder einheitlich sein müssen (so wie heute noch von diesen zwei Wegen zur Fassung der Wirklichkeit(217) gesprochen wird).

Wichtig für die spätere Betrachtung ist die Vorbemerkung, daß der Unterschied zwischen der platonischen und aristotelischen Begrifflichkeit bei weitem nicht so groß ist, wie es seit dem Neuplatonismus zur Leugnung bis Pervertierung der Wirklichkeit entfremdet wurde. Zu dem Problem der Begrifflichkeit kommt noch die unterschiedliche inhaltliche Auffassung vom Übernatürlichen und Abstrakten, womit die fünfte Komponente, die in der aufklärerischen Moderne so entscheidende Rolle spielen sollte, in die Gesamtbetrachtung hineinkäme. Eine Unterscheidung, die von der Aufklärung (Kant) so wieder rückgängig gemacht wurde, daß das Übernatürliche im Abstrakten (Apriori) verschwand. Und zwar so, daß dabei die eingangs aufgezeigte Komponente der unterschiedlichen Begrifflichkeit mißbraucht wurde(218).

Mit den bisherigen fünf Komponenten ist gewissermaßen die erste Runde abgeschlossen und die Argumentation so im Kreis geschlossen, daß die Deduktion auf einer neuen Ebene der Wirklichkeit von vorne beginnen kann. Weil bisher alle vier Komponente zum Bereich des Formalen gehören, kann mit der fünften Komponente logistisch eine neue, zweite Ebene, die Ebene des Inhaltlichen, eröffnet werden, so daß die fünfte Komponente in der Gesamtbetrachtung die erste Komponente der zweiten Ebene ist.

Herrschen nun einmal von Anfang an zwei konkurrierende Begrifflichkeiten in der gleichen wissenschaftlichen Disziplin, und bedenkt man, daß das menschliche Denkvermögen so beschaffen ist, um einen einfachen Vergleich für dessen Begrenztheit heranzuziehen, daß auch der beste Schachspieler nur maximal vier Züge im voraus denken kann, dann wird dem Hinzukommen der sechsten Komponente der bisherigen Betrachtung, die zweite Komponente der zweiten Ebene der Komponenten, nämlich der Unterscheidung vom menschlichen Denken und übernatürlichen Denken(219), die einfachste Sache der Welt, für das menschliche Denken einfach methodisch vollends unübersichtlich (weil nicht unmittelbar nachvollziehbar) und somit der Haupteingang jeglicher Bewußtseinsmanipulation. Die scheinbare Unübersichtlichkeit in der modernen Denkdisziplin ist allerdings dadurch bedingt, daß der moderne Mensch kaum mehr eine Ahnung etwa davon hat, was eine juristische Person wirklich ist. Selbst für den antiken Denker wie Platon war es selbstverständlich, daß der Wille, und daher auch das Denken des Gemeinwohls (Allgemeinheit) eine andere ist, als das Denken und Wollen des Einzelnen(220). Und da kommt die ursprüngliche Differenz in der Begrifflichkeit rund um das Sein oder Nichtsein im Jenseits zum Vorschein. Denn so wie die Seele des Einzelnen denkt, so denkt für Platon die Seele der Gemeinschaft, der Allgemeinheit, und sogar - unabhängig von den Erstgenannten - die Universalseele des Kosmos jeweils für sich, so wie wir heute sagen würden, als Person(221).

So wie auf der ersten Ebene die konkurrierenden Begriffe Nichtsein und Jenseits in dem "Verhältnis" eine zweite Komponente hatten, so hat die zweite Ebene, nämlich das über sich selbst inhaltlich reflektierende Denken, in der Unterteilung der wesentlichen Charakteristika der Person, nämlich Wollen und Denken, bzw. Erkennen, das sind das praktische (rationelle) Denken und theoretische (intelligible) Denken, ihre dritte Komponente, die in der Gesamtbetrachtung die siebente Komponente ist. In diesem dritten, bzw. siebenten Stock der Metaphysik erkennt wiederum der Rationalist, daß das Nichtsein nicht ist, außer als Abstraktum, so als sei das Abstraktum das Nichtsein schlechthin, und bleibt in den logischen Denkbahnen seiner Begrifflichkeit Gefangen. Demgegenüber erkennt auf gleicher Höhe die zwischen Physik und Metaphysik real differenzierende Intelligenz in dem gleichen Zusammenhang etwa, daß das jenseits von ihm Denkende, wie der Staat, auch tatsächlich ist, nämlich unabhängig von der Einbildung der natürlichen Person, völlig autonom. Profanisierend ausgedrückt geht es darum, ob und wie der Wille einer juristischen Person wirklich ist, oder man (materialistisch) nur so tut, als ob. Wenn nämlich der autonome Wille der Allgemeinheit (Staat) wirklich ist, dann ist das Denken jenseits des Denkens des Einzelnen auch wirklich, und ist der Einzelne dem Allgemeinen als Mit-Glied nachgeordnet. Dann ist der Staatsmann ausschließlich als Vollstrecker des staatlichen Wollens tätig, und selbst als gesetztgebendes Organ versucht er das mental oder ideell Vorgegebene nachzuvollziehen und umzusetzen, nämlich nicht den Inhalt, sondern bloß die Form (Gesetz) zu geben. Wenn hingegen der Wille der Allgemeinheit bloß Einbildung, Konsens, und nicht mehr als die Summe und Produkt von Einzelnen ist, also die Einheit von den Vielen abgeleitet wird, dann ist der Staat ein Machtinstrument, dem nicht der Einzelne dient, sondern das dem Einzelnen zu dienen habe.

Weil Platon schon von drei "metaphysischen" Ebenen, von drei Vernunftswesen spricht, nämlich Seele, Polis (Staat) und Kosmos(222) (Natur- oder Weltseele), ist mit dem Denken der Weltseele(223) die achte Komponente, die vierte Komponente der neuen (zweiten) Ebene, zu alldem hinzugekommen. Und da erst kommt mit voller Schärfe der ursächliche Unterschied von platonischem "Nichtsein" (Nichts(224)) und aristotelischem "Jenseits", die jeweils scheinbar das selbe begrifflich ausdrücken wollen, zum Vorschein, indem die Idee der Schöpfung aus dem Nichts(225) in die Welt eintritt.

Nirgends kommt so klar und so grundlegend die Unvereinbarkeit des Platonischen mit dem Neuplatonischen zum Vorschein, wie in der Plotinschen Neudefinierung der Materie als das "Nichtsein im primären Sinne"(226). In dieser - zumindest aus platonischer Sicht - verkehrten (perversen) Welt des Neuplatonismus ist jede mit Körper (Physis) bestückte Seele dem Tod geweiht, indem die materielle Verwirklichung des Mentalen, das als vorhergehend angenommen wird, den Tod des Mentalen bedeutet.

Nirgends kommt so klar und so grundlegend die Unvereinbarkeit des Platonischen mit dem Neuplatonischen zum Vorschein, wie in der Plotinschen Neudefinierung der Materie als das "Nichtsein im primären Sinne"(227). In dieser - zumindest aus platonischer Sicht - verkehrten (perversen) Welt des Neuplatonismus ist jede mit Körper (Physis) bestückte Seele dem Tod geweiht, indem die materielle Verwirklichung des Mentalen, das als vorhergehend angenommen wird, den Tod des Mentalen bedeutet. Die Materialisation ist der Tod des Geistes des Neuplatonismus: das vollkommene Nichtssein des Seins. Das absolute Nichts.

Das Kennen und Verstehen der neuplatonischen Pervertierung der bis dorthin vielleicht strittigen oder unklaren Wirklichkeit im historischen Kontext, ist wohl die schlechthinnige Voraussetzung zum Verständnis der abendländischen Geistes- und Kulturgeschichte(228). Denn solange der Neuplatonismus nicht kategorisch als absolut mit alles davor und danach Unvereinbare kritisch erkannt und terminologisch als das philosophische Gewand der Gnosis(229) bestimmt wird, ist jede auch nur entfernte Berührung des Themas Neuplatonismus als pseudowissenschaftlich zu verwerfen. Mit dieser neunten Komponente, und fünften Komponente der zweiten Ebene, ist die begriffliche Genese rund um das Sein oder Nichtsein abgeschlossen, und damit auch schon die neue (dritte) Ebene, die Ebene der Begrifflichen Inflation, eröffnet. Die Ebene der bunten Vielfalt der sogenannt freien Meinungsäußerungen über das Sein, oder auch Nichtsein, die man je nach dem, als die Epoche der unentbehrlichen oder entbehrlichen Wichtigkeit der Philosophen charakterisieren könnte. So erscheint den Einen die Schließung der (platonischen) Akademie in Athen(230) (529) als Untat, den anderen als Wohltat durch den christlichen Kaiser.

Auf ebendiese neuplatonische Begriffsbestimmung griff nun der Exmanichäer Augustinus zurück, um Gott und die Welt des Gedachten und Wirklichen wieder zurückzupolen, wofür er - oft auch falsch zitiert - von der modernen Pseudophilosophie fälschlich als bloßer Rezensent der neuplatonischen Begrifflichkeit hingestellt wird(231), so als wären seine Änderungen das Neuplatonische weiterentwickelnde Neuerungen. Die Materie des Augustinus ist nämlich (absichtlich im Gegensatz zum Neuplatonismus) aus dem Nichts geschaffen, und ist das Nichts (im Sinne von Form ohne Inhalt) im Reich des geschaffenen Seins auch noch in der Form der Hinfälligkeit, Verächtlichkeit, Defizienz, Vergänglichkeit, als eine »andere« anwesend. Weil die Sünde nichts ist, so Augustinus, werden auch die Menschen zu Nichts, wenn sie sündigen, und der Tod der Seele ist die Abwendung von Gott (der das höchste Sein ist) zum Nichts(232)(zum Nichtsein), also genau gegenteilig als bei den Neuplatonikern(233).

Die nächste Etappe ist die Rezipierung von Dionysios Aeropagita durch Thomas von Aquin(234), der dem Neuplatoniker Proklos folgend Gott nicht nur als Jenseits vom Sein expliziert, sondern von da ausgehend auch als Nichtsein des Seins(235). Während die Frühscholastik (besonders Anselm von Canterbury) die Augustinische Terminologie weitgehend übernimmt, wird das neuplatonisch-gnostische Verständnis der Schöpfung aus dem Nichts in der jüdischen Kabbala rezipiert und von Jakob Böhme vermittelt; von diesem übernahmen die Pietisten (Oetinger) und Aufklärer (Baader, Fichte und Cohen u. a.)(236). Anselm zeigt den logischen Zusammenhang auf, wonach etwas negativ als Nichtsein nur erkannt werden kann, wenn es zuvor schon als positiv (Sein) erkannt worden ist. Daraus folgt aber schlüssig, daß das Negative (Böse) nicht geleugnet werden kann, ohne implizit, d. h. vorher das Gute (Gott) verleugnet zu haben.

1.11.2. Das Unkategorische

Die "eine" Substanz in der aristotelischen Schrift über Metaphysik und die "zwei" (bis "viele") Substanzen in der aristotelischen Kategorienschrift(237) scheinen - beim ersten Hinsehen - miteinander wohl deswegen nicht vereinbar zu sein(238), und ließen daher zu Unrecht an der Echtheit der aristotelischen Kategorien in der Neuzeit aufkommen (eigentlich ließ die Neuzeit künstlich die nämlichen Zweifel(239) wieder aufkommen), weil die seiende Substanz der Metaphysik nicht ident mit der prädikativen Substanz der Kategorien sein kann(240), und die Moderne durch Umgehung des Substanzbegriffs das Sein (zugunsten des Nichtseins) aus der Welt schaffen möchte (weil das Sein traditionell das Gute/Gott ist). Auch die Wirklichkeit wird in den Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften verschiedentlich angenähert und interpretiert, nämlich einerseits dem Sein (Dasein) nach, und andererseits dem Wesen (Sosein) nach(241), also entweder ontologisch (metaphysisch) oder phänomenologisch (empirisch, zugespitzt im Positivismus)(242): d. h. entweder nach dem Dasein, oder aber nach dem Sosein (Wesen) beurteilt(243), wobei nur das Dasein (in der Aussage) die Primärbestimmung sein kann und das Sosein (in dem sprachorientierten Denken) stets nur Sekundärbestimmung ist(244). Diese Zweiteilung hat allerdings den Subjektivismus der Moderne nicht daran gehindert, durch die Absolutsetzung der Sekundärbestimmung beide Wirklichkeiten unwiderruflich zu "verlieren"(245). Sozusagen einen Bogen (auf krummen Wegen) um die Wirklichkeit machen.

Zum Verständnis muß die Grundlage der klassischen (aristotelischen) Metaphysik vergegenwärtigt werden, wonach Metaphysik von der gegenseitigen Bedingtheit von Wirklichkeit, Denken und Sprache im menschlichen Erkennen ausgeht(246), und diese seine Grenzen nicht "wirklich" transzendiert(247). In der Frage der Substanzen geht es - simpel ausgedrückt - um die der Sprache (und folglich dem begrifflichen Denken) innewohnende Gesetzmäßigkeit, wonach die gleiche Wortbedeutung funktionell (im Syntax) entweder als Subjekt(248) oder als Prädikat ("Objekt") verwendet werden kann, jedoch so im Syntax (je nach der Stellung im Satz, relativ zum Verb) grundverschiedene Bedeutungen hat. In den zwei (schematisch "X ist Y") Beispiel-Sätzen:

"Das Organische ist leben(dig)" ("Organisches ist Leben")

"Das Leben ist organisch" ("Leben ist Organisches")

sind beide Satzsubjekte (als Begriffe) - im Syntax vertauscht - jeweils einmal als Subjekt und einmal Prädikat ("Objekt") verwendet worden: das erste Wort, bzw. der erste Halbsatz(249), »"X" ist ...«, ist eine ontologische (daseinsmetaphysische) Aussage, während der zweite Halbsatz, »... ist "X"«, oder »... ist "Y"«, ist keine ontologische sondern (prädikativ) kategoriale (soseinsmetaphysische) Aussage(250). Die zitierten aristotelischen Unterschiede in den Subjektbestimmungen, metaphysisch (ontologisch) oder kategorial, sind also solche, die eine Substanz entweder seinsmäßig (ontologisch) als Subjekt(251) (seiendes Sein), oder kategorial als Prädikat (als Wesen) fassen. Der Begriff "Substanz" als (inhärentes) Subjekt(252)der jeweiligen Aussage ist (durch sich) selbst bestimmt (faktisch), während der (gleiche) Begriff "Substanz" als Prädikat der Aussage nicht selbst bestimmt ist, sondern bestimmend: also (nicht naturwissenschaftlich, sondern sprachlogisch) eine (gleichsam virtuelle) "zweite Substanz", die nur relativ zu der "ersten Substanz" (denklogisch und sprachlogisch dadurch bedingt) "ist"(253). Die Ontologie (Seinslehre) der Metaphysik hat direkt das Bestimmte (Sein) an sich zum Gegenstand, während die Kategorien als Prädikate (Wesen), nämlich als die (wesentlich) Bestimmenden, indirekt das Bestimmte (das Sein) - durch Näherbestimmung - "ermöglichen", nämlich dem Erkennen (indirekt) zugänglich machen sollen(254). Alles was ist (daseinsmetaphysisch), so auch die Substanz (als seiend), ist "einfach"(255). Während alles sprachlich und erkenntnistechnisch vom Sosein her angenäherte, und so (begrifflich-erkenntnismäßig) abhängig gemachte Dasein, so auch die Substanz, ist (soseinsmetaphysisch) mindestens zweifach(256), also immer vielfach(257). In der obigen Aussage im Beispielsatz, daß "das Organische ist X", bezeichnet "das Organische ..." (begrifflich) eine einzige "einfache" Substanz, während in der Aussage, daß "X ist organisch" steht (begrifflich) der einfachen Substanz des "X" die "zweite Substanz" des Organischen der Aristotelischen Kategorielehre gegenüber. Substantiviert (ontologisch) kann es also immer nur eine einzige einfache Substanz (in der Begriffswelt der Sprache) geben(258), während prädikativ (wesenhaft) muß es - sprachlogisch - mindestens zwei einander zugeordnete (in Beziehung gestellte) Substanzen geben(259), nämlich die Substanz des Beschriebenen (Prädizierten) und die Substanz des Beschreibenden (Prädikativen), deren Identität (Einfachheit) unmöglich prädikativ (kategorial), sondern nur ontologisch (metaphysisch) behauptet, ausgesagt werden kann. Wenn also - beispielsweise in einer "X = Y" Identitätsaussage - auch nur von einer einzigen "einfachen" naturwissenschaftlichen Substanz die Rede ist, kann unser sprachlogisch orientiertes erkennende Denken nur von zwei Substanzen ausgehend optional auf die Einfachheit der zwei - oder mehreren - Substanzen zugehen, indem die Aussage der Einfachheit (Identität) zweier Substanzen (sprach- und denklogisch) die zwei Substanzen (die sodann ineinsgesetzt werden) voraussetzt. So mußte die Kategorienlehre des Aristoteles von der "zweiten Substanz", während die Metaphysik des gleichen Aristoteles von einer einzigen Substanz ausgehen(260), weil er das erkennende Denken an die Sprachlogik gekoppelt hat, bzw. so voraussetzt.

Mit Hilfe dieser Einsichten, kann die Daseinsmetaphysik als Ontologie, während - davon begrifflich (als Teil) abgegrenzt - die Soseinsmetaphysik, auch (und insbesondere) wenn sie die Erkenntnisfähigkeit oder die Ontologie selbst zum Gegenstand hat, als die Negation der Ontologie bezeichnet werden(261). Ebenso kann die Kantsche Revolution der Metaphysik und die von ihm in Anspruch genommene (aber neuplatonische) Begriffskreationen wie "Onto-Theologie"(262), als die Negation der Ontologie und Theologie, aber auch der sogenannten Ontotheologie somit näher bestimmt werden. Denn die revolutionäre Errungenschaft Kants kann einfachst so zum Ausdruck gebracht werden, daß er die Soseinsmetaphysik absolut setzend die Daseinsmetaphysik faktisch, und damit die Möglichkeit der Ontologie als Fassung der Wirklichkeit, global, selbst für die Naturwissenschaften, abgeschafft, ad absurdum geführt hat. Die erkennende Vernunft wird heuchlerisch so absolut gesetzt(263), daß sie praktisch nur als sklavisch abhängig von den Sinnen, und weniger von der Wirklichkeit Natur (Physis), überhaupt eine Existenzberechtigung zugewiesen bekommt(264). Die ad absurdum geführte Daseinsmetaphysik wird von Kant kartesianisch durch die absolutgesetzte Soseinsmetaphysik so ersetzt, daß nunmehr die Wirklichkeit vom Erkennen, und nicht das Erkennen von der Wirklichkeit bestimmt wird (Subjektivismus, bzw. Weltanschauung statt Weltbild). Dieser aufklärerische Teufelskreis, mit dem menschlichen Erkennen (als die vorgeblich einzige wirklich verifizierbare Wirklichkeit seit Descartes) im statischen Mittelpunkt, um das herum sich das natürliche Universum des dinglich Wirklichen zu drehen hat(265), kann in dem Terminus "Weltanschauung" begrifflich gefaßt werden. Kants vorgeblich neue Metaphysik und Onto-Theologie ist also eine salonfähig gemachte Weltanschauung mit dem obligaten (der Weltanschauung innewohnenden) Absolutheitsanspruch, der in der diesseitigen (pseudometaphysischen und damit faktisch antimetaphysischen) Betrachtungsweise jeglicher Weltanschauung als Machtanspruch zu verstehen ist.

Anhand der hier aufgezeigten Denkvoraussetzungen kann auch - in der historischen Betrachtungsweise(266) - der unheilbare Bruch der Aufklärung mit der klassischen Metaphysik aufgezeigt, und die Aufklärung als Verfechter einer Pseudometaphysik und Pseudophilosophie nachgewiesen werden. Die schon zitierte Kantkritik Oehlers zeigt einige markante Reibungsflächen auf:

"Der Anfang des Kategorienproblems ist nicht identisch mit dem Anfang der Philosophie. Erst als das Denken sich selbst als Gegenstand entdeckte und sich der Beziehung zwischen Sein, Denken und Sprechen bewußt wurde, begann die Untersuchung der Formen des Logos, der in der für griechisches Welterleben charakteristischen Weise beides ist; Sprache und Gedanke. In Zusammenhang mit der Reflexion auf Strukturen des Logos entstand das Kategorienproblem, das fortan die Philosophie als eines ihrer Hauptprobleme begleitete, und zwar so konstant, daß seitdem an der Geschichte des Kategorialproblems die Geschichte der Philosophie ablesbar ist."(267)





Die Entwicklung in der Antike gipfelte in der weiteren, allerdings unzulässigen, Differenzierung der Kategorien durch den Neuplatonismus (Plotin), die sowohl Aristoteles wie auch Platon pervertiert(268). Platons Zweiweltenlehre (das Mentale und das Materielle(269)) wurde von Plotin dergestalt mit dem aristotelischen Gegenüber von Metaphysik und Kategorienlehre synkretisiert, daß er für die sogenannte sichtbarte Welt (reduziert) die Kategorien des Aristoteles beibehielt, und für die denkbare (unsichtbare) Welt die "obersten Gattungen" des Platon als Kategorien (des Denkens) adaptierte(270), bzw. entfremdete. Damit hat Plotin der Philosophie sozusagen ein Ei gelegt, das - von Simplikios kritisch verworfen - erst von Plotins Schüler Porphyrios ausgebrütet(271), von Augustinus als ungeeignetes Instrumentarium beiseite geschoben(272), bzw. abgeschafft, fortan bis zu der spekulativen Philosophie des deutschen Idealismus das Geschehen in der Philosophie bestimmend geprägt hat, weil im lateinischen Mittelalter die gängige Übersetzung der Kategorienschrift des Aristoteles von dem Kommentar des (Übersetzers) Boethius zur Porphyrios begleitet wurde(273), während die Kirche sich theoretisch stets an Augustinus orientierte. Noch "Thomas von Aquin geht bei seiner Deduktion der Kategorien von der prinzipiellen Parallelität von Sein, Denken und Sprache aus und begründet so, indem er die Seinsweisen (modi essendi) den Aussageweisen (modi praedicandi) entsprechen läßt, mit den Arten der Prädikation die Anzahlt der Kategorien. [...] Für die Geschichte der Kategorienlehre in der Folgezeit war im Mittelalter der wichtigste Schritt die allmähliche Außerkraftsetzung des Parallelismusschemas von Sein, Denken und Sprache."(274) Der Dammbruch erfolgte in der Bezeichnung der "Kategorien als Bezeichnung der Bezeichnung" durch Ockham(275). "Dieser Ansatz hat nicht nur Folgen auch für das Verständnis von erster und zweiter Substanz, sondern auch für das Verständnis von erster und zweiter Substanz selbst, denn »die ersten Substanzen sind nicht Gegenstände, die den zweiten Substanzen wirklich subsistieren, sondern sie sind Gegenstände aufgrund der Prädikation« (substantiae primae non sunt subjectea realiter subsistentia substantiis secundis, sed sunt, subjecta per predicationem, Wilhelm von Ockham, S. Logica I 42, 122-124). Ockhams Unternehmen, die Kategorien zum integrierenden Bestandteil der Konstitutionsleistung des Subjekts des Erkenntnisvorganges zu machen und ihren systematischen Ort im Denken, im Geist des Menschen auszumachen, weist bereits über sich hinaus auf die neuzeitliche Erkenntnistheorie, insonderheit auf die transzendentalphilosophische Erkenntniskritik Kants, in der sich der Status des Kategorienbegriffes entscheidend verändert durch die Bestimmung der Kategorien als reine Verstandesbegriffe."(276) Nach der wechselvollen Entwicklung(277)erreicht (über Descartes) also in Kants Kritik der reinen Vernunft (1781) die Diskussion ein neues Niveau(278). "Das Hauptwerk Kants bedeutet auch in der Geschichte der Kategorienlehre eine Zäsur und teilt diese Geschichte in eine vorkantische und eine nachkantische. Nach der Grundlegung der Kategorienlehre durch Aristoteles ist die Neufassung derselben durch Kant das zweite große Ereignis in dieser Geschichte gewesen."(279) Der ganze Kunstgriff Kants, alles bisher in der Philosophie Dagewesene außer Gefecht zu setzen, und etwas (vorgeblich) noch nie Dagewesenes (und natürlich alles Überragendes) von sich selbst zu behaupten(280), war, den vielzitierten Parallelismus von Sein, Denken und Sprache(281) über Bord zu werfen(282), und der - nach der Sprachstruktur orientierte Kategorienlehre - als unzulängliche Denkstruktur der Klassik zu disqualifizieren(283), damit die Kategorienlehre mitsamt wohlverstandener Philosophie und Metaphysik abzuschaffen(284), um schließlich die Kategorien im - ohne die traditionellen Korrelationen - isolierten Denken als deplaziert zu konstatieren. Kant schritt sodann zu der Begründung seiner alternativen Kategorienlehre, die, so versichert Kant, als "bloße Gedankenformen" die "Bedingungen der Möglichkeit der Objektivität zu Ordnungsbegriffen in Bezug auf die erfahrbare Welt" abgäben(285). In der Neuschöpfung der Kategorienlehre imitiert Kant formal das Vorbild des Aristoteles(286), um dem neuzeitlichen Denken (Aristoteles vollinhaltlich widersprechend) drei grundlegende Unterschiede zu dem klassischen (antiken) Denken zugrundezulegen: "(1) das Problem des Ursprungs, (2) der Nachweis der Vollständigkeit und (3) die Rechtfertigung der Kategorien als Bedingungen der Objektivität der Erfahrung. [...] Daß Kant bei diesem gewaltigen Unternehmen an für ihn zentralen Punkten aus heutiger Sicht scheiterte, ist eine andere Sache, wenn auch eine Tatsache. So fällt letzten Endes Kants Kritik an Aristoteles, dieser habe die Kategorien zu »rhapsodisch« aufgerafft (KdrV B 107), in gewissem Sinne wieder auf Kant selbst zurück; denn sein Versuch, die Kategorien aus einem Prinzip abzuleiten, und zwar mit Hilfe einer für vollständig gehaltenen Urteilstafel, gilt als mißlungen, und auch die Konsistenz der viel von ihm aufgestellten Kategoriegruppen sowie das Verhältnis der drei Kategorien in jeder der vier Kategoriengruppen zueinander ist alles andere als »artig« (Proleg. ' 39), wenn auch nicht, das sei eingeräumt, ohne »eine gewisse Schönheit« (Proleg. ' 39). Aber nicht nur die Systematik der Kategorien ist Problematisch. Nimmt man mit Kant an, daß die Identität des Selbstbewußtseins die Notwendigkeit der Kategorien begründet, so gilt diese Notwendigkeit doch nur für Kategorien allgemein, denn warum es genau nur die in der metaphysischen Deduktion enthaltenen Kategorien sind, die als Kategorien sollen gelten können, wird in der transzendentalen Deduktion gar nicht bewiesen. Der Anspruch der Vollständigkeit ist nicht erst aufgrund der Weiterentwicklung der Logik unhaltbar; er ist schon gemessen an Kants eigenen Maßstäben."(287) Dementsprechend turbulent ging es bei den immer mehr zum Flickwerk entartenden Versuchen in der Nachfolge Kants zu. Wie es sich bei Hegel zeigt, war "der Gedanke Schellings (1800) folgenreich, daß die Funktionalität der Kategorien nicht verstehbar ist, solange man sie auf den bloßen Gegensatz zwischen logischen Begriffen und sinnlicher Anschauung beruhen läßt. Hier bahnt sich das Hegelsche Verständnis des Kategoriebegriffes an, das sich von dem Gedanken der Selbstkonstitution des endlichen Bewußtseins löst und die Kategorien als Grundbestimmungen des absoluten Wissens begreift. [...]Die Kategorien werden zu Strukturmomenten des absoluten Wissens, das als sich selbst bestimmendes Denken sich selbst zum Gegenstand hat(288) und sich dabei mittels der Kategorien in verschiedenen Weisen der Gegenstandsbeziehung bewegt. [...] Als die wichtigste Konsequenz der Hegelschen Kategorienlehre erscheint die Aufhebung des Unterschiedes von Verstandesbegriff und Anschauungsform, indem die Momente der reinen Anschauung und des reinen Begriffs in den Gesamtprozeß der sich begreifenden Vernunft vollständig integriert werden. Damit hängt zusammen, daß die Kategorien nicht mehr, wie bei Kant, Intentionsgeltung für Objekte haben, sondern in dem Prozeß der sich selbst vermittelnden Subjektivität nur noch auf sich selbst bezogen werden, d. h., sie verlieren ihren logischen Status im erkenntniskritischen Sinne. [...] Das gilt auch für die zahlreichen weniger gewichtigeren Entwürfe einer Kategorienlehre, die im Kielwasser der großen Systeme der Deutschen Idealismus entstanden. Ihnen allen ist gemeinsam, daß ihre spekulative Phantasie sich immer weiter entfernt von der Beantwortung jener Grundfrage, auf die die Kategorienlehre ihrer ursprünglichen Ansicht gemäß eine Antwort zu geben versuchte, nämlich der Frage nach der Genese und Struktur unserer Erfahrung im Zusammenhang von Sein, Denken und Sprache."(289) Als Ergebnis dieser Bestrebungen kann - außer der anrollenden historischen und sprachkundlichen Erforschung(290) der allgemeinen Begriffsverwirrung infolge der Aufklärung - die mitunter gegenteilige Umwandlung bislang gebräuchlicher Begriffe, wie z. B. die der Kategorien(291), deren eigentliche Bedeutung auch in der Gelehrtensprache erblaßt ist. Im Mittelpunkt dieser Umpolung von Gott und die Welt steht aber immer Kant, in Vergleich zu dem ein Hegel zwar als der große Verwirklicher dasteht, gleichsam als die Manifestation des Kantschen (auch und gerade als Anti-Kantsches), mit allenfalls anwendungsbedingten Modifizierungen, nicht jedoch als der "Unbewegte Beweger"(292), nicht als (statischer) Urheber, der alles nur sola Kant sein konnte. Auch die zentralsten Begriffe der Aufklärung wie Vernunft hat Kant umgedreht, und mit dem Verstand bleibend vertauscht(293). "Im deutschen Sprachgebrauch ist von Meister Eckehart, Luther u. a. bis ins 17. Jh. und noch darüber hinaus Vernunft die Übersetzung für ratio, Verstand die Übersetzung für intellectus. Nach dem Vorgang der Aufklärungsphilosophen war es besonders Kant, der die Bedeutungen von Vernunft (ratio) und Verstand (intellectus) umkehrte, indem er dem Verstand die Konstituierung der Erfahrung auf Grund der Sinneseindrücke und der Kategorien zuschrieb, der Vernunft aber als dem »oberen Erkenntnisvermögen« die Ideenerkenntnis und die Bildung der metaphysischen Begriffe zuwies. »Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande, und endigt bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns angetroffen wird« (Kritik der reinen Vernunft B 355). Die Idee einer intellektuellen Anschauung, eines intuitiven »urbildlichen Verstandes (intellectus archetypus)« wird von Kant nur als »Dagegenhaltung« gegen den diskursiven menschlichen, »der Bilder bedürftigen« Verstand (intellectus ectypus) bestimmt (Kritik der Urteilskraft ' 77). Nach Kant kommt diese Anschauung nur Gott zu. Obwohl Kant bezüglich seiner Lehre von der intellektuellen Anschauung die Nachfolge versagt blieb (vgl. Goethes Aufsatz »Anschauende Urteilskraft«, 1817), ist die Umkehrung des Verhältnisses von Vernunft und Verstand in der deutschen Philosophie nach Kant beibehalten worden. Ausnahmen von dieser Erscheinung sind vor allem Fr. Schlegel und Schopenhauer, die an dem älteren Sprachgebrauch bewußt festhielten. Für Hegel, der die Kantische Umkehrung nachvollzieht, ist die Vernunft das Vermögen des dialektischen Denkens der lebendigen Ganzheit und Einheit der Gegensätze im Unterschied zum fixierenden, festlegenden, isolierenden, gleichsam tötenden Verstand. Seit Hamman und Herder bezeichnet Vernunft auch das Vermögen des Vernehmens und Empfangens des Transzendenten, Ewigen und Göttlichen. In der Gegenwart ist eine zunehmende Unsicherheit im distinkten Gebrauch der Ausdrücke Vernunft und Verstand deutlich spürbar. Diese Unsicherheit hat zwei Ursachen: einmal historisch die ziemlich willkürliche Umkehrung des traditionellen Verhältnisses der Bedeutungen beider Ausdrücke durch Kant, zum anderen sachlich der Umstand, daß das Wissen um die ontischen Sachverhalte, die ursprünglich das philosophische Denken zum Ansatz dieser beiden geistigen Vermögen veranlaßte, mehr und mehr aus dem philosophischen Bewußtsein unserer Zeit entschwunden ist. Dieser begriffsgeschichtliche Tatbestand steht in einem eklatanten Mißverhältnis zu der Aktualität bestimmter erkenntnistheoretischer Fragen in der modernen Physik."(294) Selbst wenn die betrügerischen Absichten Kants nicht als bekannt gelten würden, ist davon auszugehen, daß der gewillkürte Paradigmenwechsel von ihm keineswegs irrtümlich, sondern mit einer bestimmten - über terminologische Spitzfindigkeiten hinausreichenden - Absicht konsequent durchgeführt wurde, also Kant nicht etwa seine Weltanschauung nach seiner selbst erschaffenen Begriffswelt (Terminologie), sondern vielmehr seine Begriffswelt nach seiner Weltanschauung (neu) erschaffen hat. So ist auch verständlicherweise die Kantsche Unterteilung der Vernunft in theoretische (intelligible) und praktische (Wille), wobei er der nach dem Willen ausgerichteten praktischen Vernunft das Primat zuspricht(295), inhaltlich im Widerspruch mit der Absolutsetzung der Vernunft(296).

1.11.3. Das Unverwechselbare

Die von Kant "verwechselten", bzw. vertauschten Begriffe "Vernunft" und "Verstand" sind gerade - in einer neuerdings von der Subkultur heuchlerisch postulierten ganzheitlichen Betrachtungsweise - offenbar ein mindestens so großer Schwindel in der Philosophie, wie die Parusieverschiebung (d. i. Parusieverzögerung) in der Theologie. Es scheint auch, daß die aristotelische Unterscheidung zwischen Seinslehre (Metaphysik) und Kategorienlehre eben jenen Unterschied zwischen Intellekt und Ratio im Gesamtkontext meint. Der Naturalismus und hieraus (geistesgeschichtlich) resultierende Natürliche Religion (Deismus) der Aufklärung, auf jeden Fall jedoch Kant, hat mit der vorgeblichen Fixierung auf die Empirie, mit der Sinneswahrnehmung als einzige (objektive) Informationsquelle (von der Wirklichkeit her), die vermittelte Information in der begrifflichen Abstraktion unzulässig ausgeblendet.

Kant spricht da einerseits von der sinnlichen Wahrnehmung (Empirie) und andererseits von den Apriori(297), womit das Repertoire an - der Wirklichkeit adäquaten - Information an Denkbaren angeblich erschöpft sei, aber gerade die Methode der so unlauter Verschwiegenen vermittelten (begrifflichen) Information wendet er selbst an. In Wirklichkeit sind die sogenannten Sinneswahrnehmungen auch eine Art Informationsvermittlung, so daß die begrifflich wahrgenommene Sprache, nämlich weder als "nur" Ton (Phonem), noch (in der Schriftsprache) als "nur" Bild (Graphem), sondern eine eigene ebene der Wahrnehmung (mittels Begriffe), ebenfalls zu den Sinnen gehört, bzw. ist (als Wort - oder auf Griechisch - Logos, vgl. Joh 1,1-14; Off 19,13) der Sinn schlechthin. Selbst Kant spricht vom inneren Sinn(298), von der Vernunft, reduziert aber so alles auf die (rationelle) Reflexion über die Sinneseindrücke einerseits und von den Apriori her (als technische Voraussetzung der Reflexion über das empirisch Wahrgenommenen) andererseits, daß von ihm der ganze (intelligible) Sinn des Denkens auf der Ebene der Begrifflichkeit unzutreffend und unzulässig auch als Reflexion qualifiziert, bzw. als Reflexion vorausgesetzt wird. Damit geht der Kantianer der Wahrnehmung mittels Begriffe der intersubjektiven Kommunikation, und damit der eigentlichen Wirklichkeit der zivilisierten Gesellschaft im weitesten Sinne, unwiderruflich (gewissermaßen a priori) verlustig(299).

Man kann vielleicht Intellekt und Ration mit den Bedingten und Unbedingten Reflexen in Beziehung bringen, in dem die Sprache (mechanisch) ein Bedingter Reflex, aber ein Reflex ist, während die sogenannten Sinne unbedingte Reflexe darstellen. Nicht zufällig spricht man vom Denken als von der Reflexion schlechthin(300). Unser Denken ist eine Organfunktion, und kann Begriffe sowohl wahrnehmen, wie auch mit ihnen umgehen, sie reflektieren. Für Kant aber ist verbal alles über die (in der Sinneswahrnehmung eingeengte) Empirie und über den (unbewußten/unwillkürlichen) Apriori Hinausgehende ist reine (seelenlose) Funktionalität(301)(mechanische Reflexion) ohne sinntragenden Begriffen(302). Demgegenüber wird dann Hegel den Begriff als den Sinn schlechthin absolut setzen(303) und geht so gleichsam spiegelverkehrt der (gleichen) Wirklichkeit verlustig(304), weil in beiden großen Idolen der Subkultur siegt immer nur die ("bewußte") halbe Wahrheit. Denn "Begriff(sform)" ist sinnverwandt bis bedeutungsgleich mit "Kategorie(form)"(305). Also urteilt Hegel über die offenbare Begriffsstutzigkeit Kants: "Die Einschätzung des »erkennenden, diskursiven Verstandes« als »das Absolute des menschlichen Geistes« hat Kant dazu geführt, »dogmatisch« die Möglichkeit der »Vernunftserkenntnis« zu negieren, wobei er der Vernunft den Formalismus und die Abstraktion zuschreibt, die dem Verstand eigen sind (W 8,201; vgl. W 2,21; W 17,228), und wobei er vor allem »das höchst wichtige Resultat« verliert, das mit der Intuition der notwendigen Widersprüchlichkeit der Bemühungen erreicht worden war, das Unendliche durch die Kategorien zu bestimmen (W 20,352-63; vgl. W 5,38-9; W 11,472). Die realistische Auffassung des Widerspruchs - die Idee der konstitutiven Widersprüchlichkeit des Wirklichen (Landucci 1978, 71) - liegt gleichzeitig der gegen Kant gerichteten Psychologismus-Anklage und der Definition des Verstandes als Fähigkeit des abstrakten Bestimmens zugrunde. Gerade hier, wo es seine Verbindung zum spekulativen Kern der Dialektik offenbart, beweist das Thema des Verhältnisses von Verstand/Vernunft seine Zentralität: daß das Endliche den Unterschied in sich trägt, daß es »das andere seiner selbst« ist; daß diese Negativität - diese »Unruhe«, die das Endliche über seine Grenzen hinaus treibt (W 5,138) - »der einfache Punkt der negativen Beziehung auf sich [...], die dialektische Seele« ist, »die alles Wahre an ihm selbst hat, durch die es allein Wahres ist«; daß »Alles Konkrete, alles Lebendige« in sich »dieser Widerspruch« ist: dies ist für die »begriffslose Betrachtung« eines »toten Verstandes« unverständlich, der »die Identität zum Gesetze erhoben« hat und damit »den widersprechenden Inhalt [...] in die Sphäre der Vorstellung« hat fallen lassen; daher kann er nicht im »Denken des Widerspruchs« - durch das »der Gegenstand dialektisch und als anderer bestimmt« wird - das »wesentliche Moment des Begriffes« erkennen (W 6,560-6; W 17,230-2; vgl. W 18,100-1; Bodei 1981), erhebt sich die Macht der dialektischen Vernunft, um das Nichtsein der Verstandesbestimmungen zu beweisen (W 4,90)."(306) Während aber Kant lediglich die zwei Begriffe Verstand und Vernunft direkt vertauscht, reichert Hegel den gleichen Schwindel mit einigen spekulativen Varianten an, um durch seine Pseudokritik an Kant dessen (durch Tausch erschwindelten) Resultate für sich zu reklamieren. Richtig ist zwar von Hegel einerseits festgestellt, daß Kant Verstand und Vernunft vertauschte, und daß Kant dadurch der Möglichkeit der Vernunftserkenntnis (Sinn) dogmatisch leugnen muß, es ist aber andererseits falsch, daß die nichtvertauschten Vernunft und Verstand das von Kant so verlorene Resultat zeigten, wonach die Bestimmung des Unendlichen durch die Kategorien nicht möglich sei. Die Kontrarevolution Hegels gegen Kant bestünde demnach darin, nicht nur die Resultate durch den Kantschen Tausch der Begriffe, sondern auch die damit absolut unvereinbaren Resultate vor dem Begriff-Tausch zu versöhnen. Hegel relativiert also die Unterordnung von Begriffen (im Schema Unterbegriff-Oberbegriff), die als Teil von Oberbegriffen aufgefaßt werden, und erklärt (neuplatonisch), daß der Teil (Unterbegriff) die Ganzheit (Oberbegriff) als sein ganz Anderes in sich trage (wie etwa - neuplatonisch - das Sein das Nichtsein). Das ist aber im wesentlichen nicht mehr und nicht weniger, als die bloße pseudokritische Verwischung der Spuren des für Hegel viel zu exakten und daher viel zu leicht nachvollziehbaren Kantschen Schwindels, nämlich mit dem Austausch der Begriffe Verstand und Vernunft. Folgerichtig macht also Hegel das (logisch) Unmögliche (spekulativ) möglich, indem er sich von der (Kantschen) Selbstkonstitution des endlichen Bewußtseins lösend, die Kategorien als Grundbestimmungen des absoluten Wissens begreift(307): "Die Kategorien werden zu Strukturmomenten des absoluten Wissens, das als sich selbst bestimmendes Denken sich selbst zum Gegenstand hat und dabei mittels der Kategorien in verschiedenen Weisen der Gegenstandsbezeichnung bewegt. Danach lassen sich drei Kategorienbereiche unterscheiden: in der Seinslogik, in der Reflexionslogik und in der Begriffslogik. Die jeweilige Bedeutung der Kategorien hängt ab von ihrer Stelle im System Hegels (1807, 1812-1816, 1817). Als die wichtigste Konsequenz der Hegelschen Kategorienlehre erscheint die Aufhebung des Unterschiedes von Verstandesbegriff und Anschauungsform, indem die Momente der reinen Anschauung und des reinen Begriffs in den Gesamtprozeß der sich begreifenden Vernunft vollständig integriert werden. Damit hängt zusammen, daß die Kategorien nicht mehr, wie bei Kant, Intentionsgeltung für Objekte haben, sondern in dem Prozeß der sich selbst vermittelnden Subjektivität nur noch auf sich selbst bezogen werden, d. h., sie verlieren ihren logischen Status im erkenntniskritischen Sinne. Kategorien, aufgefaßt als Reflexionsstufen des zu sich kommenden Geistes, vermögen zwar noch kategorial differenzierte Regionen der Subjektivität zu bezeichnen, aber die Bestimmung dessen, in bezug worauf die Kategorien denn nun eigentlich objektiv gelten, gelingt nicht mehr. Das gilt auch für die zahlreichen weniger gewichtigen Entwürfe einer Kategorienlehre, die im Kielwasser der großen Systeme des Deutschen Idealismus entstanden. Ihnen ist allen gemeinsam, daß ihre spekulative Phantasie sich immer weiter entfernt von der Beantwortung jener Grundfrage, auf die die Kategorienlehre ihrer ursprünglichen Absicht gemäß eine Antwort zu geben versuchte, nämlich die Frage nach der Genese und Struktur unserer Erfahrung im Zusammenhang von Sein, Denken und Sprache."(308)





Es scheint, daß die seit Descartes vorgeschobene mathematische Logik als Maßstab der Erkenntnis(309), natürlich unter dem Vorwand der Naturwissenschaftlichkeit, lediglich dem an der Sprachlogik orientierten Erkennen des Übernatürlichen (und damit auch des Begrifflichen) den Boden entziehen soll, bis schließlich Kant die Sprachlogik und das darauf aufbauende System der Erkenntnistheorie durch den Tausch der Begriffe Vernunft und Verstand(310) ad absurdum führt. Also schon Descartes liefert für Kant die methodische Handhabe, die bestehende sprachorientierte Denklogik als erkenntnistheoretische Grundlage abzuschaffen, indem er an der Mathematik orientierte Denklogik als für das naturwissenschaftliche Erkennen besser geeignet vorschiebt(311). Hat die spätere Wissenschaftstheorie zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften sodann klar unterschieden, so lag dem offensichtlich der erkenntnistheoretische Grundsatz von der Unterschiedlichkeit der Erkenntnismethodik zweier komplementärer Wissenszweige zugrunde. Ging nämlich diese wissenschaftstheoretische Zweiteilung in Natur- und Geisteswissenschaften von den konträren Erkenntnismethoden aus, bzw. gründet die Unterscheidung in dem Unterschied der Erkenntniswege, so kann die Revolution (zu Deutsch: "Umdrehung", "Umsturz") der Aufklärer(312) als die Vereinnahmung der Geisteswissenschaften durch die Naturwissenschaften(313), vermittels der unzulässigen Verdrängung des an der Sprachlogik orientierten Denkens(314) durch das an der mathematischen Logik orientierte Denken(315), verifiziert werden. Die Zahl gegen das Wort, oder das Symbol gegen den Begriff(316). Es könnte zu weit führen nachzuweisen, daß allein schon das Dezimalsystem der Zahlen der Sprach- und natürlichen Denklogik entlehnt ist, da ansonsten wohl ein binäres Zahlensystem von Anfang an eingeführt und tradiert worden wäre. Es geht aber hier weniger um die technische Seite des Schwindels, sondern um die inhaltliche, substanzielle Seite. Soweit also - erkenntnistheoretisch - die ontologisch metaphysische einerseits, und die aristotelisch kategoriale andererseits(317), der intelligiblen (denkorientierten) und rationalen (sprachorientierten) Fassung (Reflektierung) der Wirklichkeit jeweils entsprechen(318), so daß ("vorkantianisch") sowohl erkenntnistheoretisch wie auch wissenschaftstheoretisch von der Intelligiblität (Verstandesorientierung) der Geisteswissenschaften und Rationalität (Vernunftsorientierung) der Naturwissenschaften die Rede sein kann, dann definiert sich der bei Descartes ansetzende und mit Kant vollbrachte(319) (nachkantianisch(320)) aufklärerische Schwindel als die Wegrationalisierung der Geisteswissenschaften: nämlich als die logisch dingunmögliche Vereinnahmung der Intelligiblität durch die Rationalität. ... Das ist die totale Vereinnahmung des Verstandes durch die Vernunft(321). Die Vereinnahmung der unmittelbaren Erkenntnis (Intellekt) durch die mittelbare Erkenntnis (Rationalität). Das alles bisher Dagewesene überragende Genialität Kants gründet also in der bewußten Lüge, wonach die Intelligiblität (Verstand) der untergeordnete Teil der Rationalität (Vernunft) sei(322), und nicht umgekehrt. So also ist Kants berühmt berüchtigter Agnostizismus zu verstehen, wonach alles Intelligible unmöglich "wirklich" erkannt werde(323) und daher auch unmöglich (als Wirklichkeit) verifiziert werden könne(324), so daß - mit dieser Kantschen Einsicht - der Wirklichkeit an und für sich verloren ginge. Alles was einmal im Denken abstrahiert ist, wäre nach Kant (agnostisch) endgültig für die Wirklichkeit (im Schwarzen Loch der rational-universalistischen Transzendenz) verloren. So auch Gott, insbesondere als Wort (Off 19,13, vgl. Joh 1,1 ff.). Von dieser Position aus kann unmöglich der Umkehrprozeß, nämlich ob und wieweit ein Abstraktum realistisch sei, auch nur als kontrollierbar behauptet werden(325), so daß der Agnostizismus absolut, um nicht zu sagen absolut unhinterfragbar erscheint, womit der unbegrenzte, weil in diesem System unbegrenzbarer Machtanspruch des gewillkürten Abstraktums (Idee, bzw. Idee der Idee) totalitär gesichert wäre. Kant bezeichnet zwar verbal das Denken als innerer Sinn(326), so als sei außer den sinnlichen Sinnen noch ein übersinnlicher Sinn in der Erkenntnisinventur des menschlichen Denkens, nämlich dessen eigene Reflexion über sich selbst, und in seiner Sinnorientierung vorhanden, doch koppelt Kant den nämlichen inneren Sinn (Denken) vollends von der Wirklichkeit (des begrifflich Reflektierten) ab, so als sei die begriffliche Abstraktion generell unumkehrbar, und selbst wenn, dann unnachvollziehbar (agnostisch). Das methodische Erfolgsrezept der Kantschen Lüge ist sonach: das begriffliche Erkennen als mittelbare Wahrnehmung mit dem dazu eigens vorhandenen Sinnesorgan (Denkorgan) außer, bzw. neben den sogenannten natürlichen Sinnesorganen, als die eigentliche Wahrnehmungsfunktion und wirkliche Erkennbarkeit der Begriffsinhalte hinter der Begriffsform so zu leugnen(327), daß gleichzeitig von Kant alles an Lügen dem Leser (genauso) begrifflich (wie geleugnet) vermittelt wird. Geht nämlich der Leser von Kant kantianisch davon aus, daß durch begriffliches Erkennen kein Erkennen der Wirklichkeit wirklich möglich sei, dann erkennt er die Lüge Kants nicht, nämlich als wirklich das, um es metaphysisch auszudrücken, was es wirklich ist, nämlich (als) Lüge. So wie der Magier auf der Bühne immer die Zuschauer ermuntert, ihm auf die Finger zu schauen, so suggeriert Kant auf die sinnliche Wahrnehmung (Empirie) - als (vorgeblich) ausschließliche Möglichkeit ihn zu übertölpeln - zu achten. Kant belügt nämlich nicht die Sinne, sondern das Denken, die von ihm vorgeschützte Logik(328) und Vernunft. Das dergestalt Übersinnliche. Und er leugnet daher nicht die Relevanz der natürlichen Sinne, sondern den Sinn im Denken, die Begriffe mit erkennbarem Inhalt. Denn die natürlichen Sinne können niemals das Denken kontrollieren, wohl aber kann das Denken (weltanschaulich) die Sinne (etwa durch unbewußte Selektion der Information) kontrollieren. Deswegen schützt Kant die Abhängigkeit des Denkens von den Sinnen und Sinnlichen so vor, daß er mit seinen tückisch ausgedachten Lügen (weltanschaulich) blenden kann(329). Mit welchem Sinn wohl hat Kant erkannt, daß angeblich nicht die Vernunft (Ratio) dem Verstand (Intellekt), sondern der Verstand der Vernunft (als integrierender Teil) untergeordnet sei? Er spricht von "synthetischen Urteilen a priori" (unhinterfragbar vorausgesetzt) und erklärt kurzerhand alles komplett verkehrt (pervers) für Apriori(330), nämlich unhinterfragbar (agnostisch). Also sprach Kant: "Aristoteles hatte zehn solcher reinen Elementarbegriffe unter dem Namen Kategorien [...] zusammengetragen. [...] allein diese Rhapsodie konnte mehr für einen Wink für den künftigen Nachforscher, als für eine regelmäßig ausgeführte Idee gelten und Beifall verdienen, daher sie auch bei mehrerer Aufklärung der Philosophie als ganz unnütz verworfen worden. Bei einer Untersuchung der reinen (nichts Empirisches enthaltenden) Elemente der menschlichen Erkenntnis gelang es mir allererst nach langem Nachdenken, die reinen Elementarbegriffe der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) von denen des Verstandes mit Zuverlässigkeit zu unterscheiden und abzusondern. Dadurch wurden nun aus jenem Register die 7te, 8te, 9te Kategorie ausgeschlossen. Die übrigen konnten zu nichts nutzen, weil kein Prinzip vorhanden war, nach welchem der Verstand völlig ausgemessen und alle Funktionen desselben, daraus seine reinen Begriffe entspringen, vollzählig und mit Präzision bestimmt werden könnten. Um aber ein solches Prinzip auszufinden, sah ich mich nach einer Verstandeshandlung um, die alle übrige enthält und sich nur durch verschiedenen Modifikationen oder Momente unterscheidet, das Mannigfache der Vorstellungen unter der Einheit des Denkens überhaupt zu bringen, und da fand ich, diese Verstandeshandlung bestehe im Urteilen."(331) Hierauf beschreibt der "Richter" (Kritiker) Kant narrativ wie er - nachdem Todesurteil über die Antike und Mittelalter - spekulativ ein alternatives System von Kategorien schuf, das er a priori als das Bessere postuliert, um von dieser unhinterfragbaren Position aus mit der Begründung seines vernichtenden Urteils über die bisherige Philosophie ein für allemal ein bleibendes Exempel zu statuieren: "Das Wesentliche aber in diesem System der Kategorien, dadurch es sich von jener alten Rhapsodie, die ohne alles Prinzip fortging, unterscheidet, und warum es auch allein zur Philosophie gezählt zu werden verdient, besteht darin: daß vermittels desselben die wahre Bedeutung der reinen Verstandesbegriffe und die Bedingung ihres Gebrauchs genau bestimmt werden konnte. Denn da zeigte sich, daß sie für sich selbst nichts als logische Funktionen sind, als solche aber nicht den mindesten Begriff von einem Objekte an sich selbst ausmachen, sondern bedürfen, daß sinnliche Anschauung zu Grunde liege, und alsdann nur dazu dienen, empirische Urteile, die sonst in Ansehung derselben zu bestimmen, ihnen dadurch Allgemeingültigkeit zu verschaffen und vermittels ihrer Erfahrungsurteile überhaupt möglich machen. Von einer solchen Einsicht in die Natur der Kategorien, die sie zugleich auf den bloßen Erfahrungsgebrauch einschränkte, ließ sich weder ihr erster Urheber, noch irgendeiner nach ihm etwas einfallen; aber ohne diese Einsicht (die ganz genau von der Ableitung oder Deduktion derselben abhängt) sind sie gänzlich unnütz und ein elendes Namensregister ohne Erklärung und Regel ihres Gebrauchs. Wäre dergleich jemals den alten in den Sinn gekommen, ohne Zweifel das ganze Studium der reinen Vernunftserkenntnis, welches unter dem Namen Metaphysik viele Jahrhunderte hindurch so manchen guten Kopf verdorben hat, wäre in ganz anderer Gestalt zu uns gekommen und hätte den Verstand der Menschen aufgeklärt, anstatt ihn, wie wirklich geschehen ist, in düsteren und vergeblichen Grübeleien zu erschöpfen und für wahre Wissenschaft unbrauchbar zu machen."(332) Kant scheitert aber nicht nur in der mehr oder minder phantasievollen Ausgestaltung seiner Neogenese bei der Pioniertat der phantastischen Expedition ins Transnirwana, sondern schon im Ansatz, indem er seinen eigenen Grundsätzen widerspricht, bzw. denen argumentativ zuwiderläuft(333).

1.11.4. Das Unbestimmbare

Weil die Scholastik mit Thomas von Aquin das Verhältnis von Vernunft (ratio) und Verstand (intellectus) mit dem Verhältnis von Zeit (ratio) und Ewigkeit (intellectus) verglich(334), kommt dem revolutionären Paradigmenwechsel Kants, in dem jener, ebenso bewußt wie willkürlich, Verstand und Vernunft - ohne eine sonst nachvollziehbaren vernünftigen Grund - vertauscht hat(335), eine grundlegende Bedeutung zu. Denn offensichtlich galt der klassischen Erkenntnistheorie das Nebeneinander und Gegenüber, bzw. Ineinander von Verstand und Vernunft, analog für die Methoden der Ontologie (Seinslehre) und Kategorienlehre(336). Der Ort des Erkennens und Reflektierens ist umgangssprachlich als das Denken, und die Art des Erkennens und Reflektierens ist grundsätzlich metaphysisch(337). Nun gliedert sich das Denken funktionell in den Verstand und Vernunft(338), und methodisch in die seinsmäßige und wesensmäßige Erkennung, bzw. Reflektierung der Wirklichkeit(339). Hieraus ergibt sich, daß das Erkennen im Denken die Verstandesfunktion schlechthin, während das Reflektieren die Vernunftsfunktion ist(340), so daß die Begriffspaare:

ratio intellectus

Vernunft Verstand(341)

Reflektieren Erkennen

Wesen(342) (Qualität) Sein (Quantität) Zeit Ewigkeit(343)

Kategorienlehre Metaphysik(344)

Vieles (Substanzen) Eins(345) ("einfache" Substanz)

(Erde Himmel)

Immanenz Transzendenz

Form Inhalt(346)

eine übersichtliche Ordnung zeigen, die nicht ohne die Zerstörung des gesamten Weltbildes, nicht ohne die Zerstörung der Erfassung der - so bestehenden - Wirklichkeit (Ordnung) vertauscht werden können. Denn dieses optische Nebeneinander ist in Wirklichkeit ein Übereinander in dem Sinne, daß die Vernunft (und die jeweiligen Glieder der darunter liegenden Spalte: Begreifen, Wesen, etc) nur jeweils ein (untergeordneter) Teil des Verstandes (und der jeweiligen Glieder der darunter liegenden Spalte: Erkennen, Sein, etc) ist (sind), also die paarweise angeordneten Begriffe jeweils Oberbegriff und Unterbegriff sind (zB ist die Zeit Teil der Ewigkeit, oder ist Form Teil des Inhalts, oder Vernunft ist Teil der Vernunft, oder ist Kategorienlehre Teil der Metaphysik, Erde ist Teil des Himmels, und nicht umgekehrt). Kehrt man also das Ineinander von Vernunft und Verstand um, dann wird in dieser von der Antike festgeschriebene Gesamtordnung auch die Ewigkeit zu einem Teil der Zeit(347), und wird das Ewige in der Zeit begriffen(348). Und ebenso wird es einleuchtend, warum der selbe Kant, der Vernunft und Verstand vertauscht, sowohl die antike Kategorienlehre, wie auch die Metaphysik als vollkommen unbrauchbar verwirft, und eine eigene Kategorienlehre erschaffen muß(349), die sodann die Metaphysik in sich schließt, die Metaphysik Kants begründet. Hier ist die Erklärung dafür, warum der gleiche Kant als der Vater der Unerkennbarkeit des Seins (Agnostizismus) gilt, wie überhaupt der Menschheit die (transzendentalphilosophische) Neuerschaffung der Wirklichkeit(350) (als Wesen statt Sein), einen neuen Himmel und eine neue Erde (vgl. Off 21,1), sogesehen Kant zu verdanken hat. Deswegen ist der Erfinder der Transzendentalen Philosophie der gleiche Kant, wie überhaupt von alles Revolutionärem (Umgedrehtem) und Perversem (Verkehrtem), wie etwa der zwar denkbare, aber nicht erkennbare (agnostischer) Gott, oder in der Pervertierung der Wirklichkeit mündig gewordene Mensch(351). Weil die Forschung die Geschehnisse soweit nachvollzogen hat, daß einerseits (rückblickend) Kant lediglich den von Descartes zugrundegelegten Ansatz(352) ganzheitlich umgesetzt (verwirklicht hat), und andererseits - trotz formaler Scheingefechte gegen Kant(353) - auch Hegel (und Marx) den nämlichen Tausch von den Begriffen Verstand und Vernunft inhaltlich übernommen(354) hatte(n)(355), so daß von den wiederum nur formalistisch Begründenten Ausnahmen (Schopenhauer(356), Friedrich Schlegel) abgesehen(357), die Gesamtheit der fortan fast nur mehr die großen Idole reflektierende aufklärerische Philosophie der Moderne(358), die sich so gut wie geschlossen als dem "revolutionärem" Ideal ergeben versteht(359), aus dem eigentlich philosophischen Gesichtspunkt der Antike, in der Pervertierung der Wirklichkeit gründet. Es wäre eigentlich die Aufgabe der Philosophie, die sogenannte humanistische Aufklärung als die angebliche Renaissance und angebliche Erneuerung und Weiterentwicklung des antiken Kulturgutes, kategorisch als die unzulässige subkulturelle Verfälschung der Antike, mit unverkennbar betrügerischer Absicht, zu "verurteilen", bzw. kritisch zu erhellen: über die Aufklärung als vorsätzlicher Betrug aufzuklären. Nachdem aber die Metaphysik, die Erste Philosophie, (aristotelisch) als Theologie verstanden wird(360), kann die Theologie der Philosophie gut und gerne als Ausgangsposition zu einer Diskussionsbasis bescheinigen, daß die neuere Metaphysik und Ontologie mitsamt Transzendentaler Philosophie und Ontotheologie noch weniger mit Theologie etwas tun hat, als mit der wohlverstandenen Philosophie. Sollte diese Klarstellung von der gelehrten Welt allgemeingültig akzeptiert werden, kann man künftig, vorausgesetzt der einvernehmlichen Aufkündigung des aufklärerisch erschwindelten Ineinanders, mit einem friedlichen Nebeneinander von Philosophie und Theologie in der wohlverstandenen Metaphysik(361)rechnen(362), weil und soweit sie sich faktisch beide auf ihre eigenen (ihnen jeweils eigentümlichen) Positionen zurückgezogen haben. So könnten allfällige künftige (aufklärerische) Grenzüberschreitungen von beiden Seiten gemeinsam (als unzulässig, bzw. pseudowissenschaftlich) deutlichst zurückgewiesen werden. Die Kantsche Betrügereien waren nur durch Apriorismus möglich und so begann auch die Analytische Philosophie(363) (ähnlich der historischen Betrachtungsweise) in jüngster Zeit allmählich auf die methodische, bzw. strukturelle Widersprüchlichkeit in der sogenannten Philosophie der Neuzeit aufmerksam zu werden(364), ohne allerdings die aufdämmernde Ernüchterung in die Stürzung der aufklärerischen Idole direkt überzuleiten. Den Denkmüll und die spirituelle Umweltvergiftung der Aufklärung zu beseitigen, und nicht zuletzt künftighin für eine gesunde und verträgliche Denkökologie Verantwortung zu übernehmen, ist aber die gottverdammte Pflicht der Philosophie, denn - so könnte Manus meinen - es stinkt bis zum Himmel.

1.11.5. Die zeitlose Unzeit

Dadurch etwa, daß Kant zunächst die Zeit als (ebenso substanzlose wie unwirkliche) Voraussetzung (a priori) des Begreifens des Raumes deklariert(365), aber dann den Raum als schlechthinnige Voraussetzung der Zeit(366), ergibt sich der Raum als Kants geheimnisvolles (agnostisches) Apriori der Zeit: nämlich als dingliche Wirklichkeit jenseits vom Denken und also - vom Denkenden aus formallogisch gesehen - in der Transzendenz. Die Zeit sei also nach Kant die subjektive, und der Raum die objektive (sogesehen transzendente) Seite der Betrachtung. Dadurch gibt Kant seine einseitig (festgefahrene) statische Position preis, die - ähnlich dem erdzentrischen Weltbild des Mittelalters (Ptolemaios) vor Kopernikus - von einem statisch absolut unbeweglichen (absolut egozentrischen) Beobachter(367) (unbewegten Erde) ausgeht und das Wahrnehmbare (in jenem Fall die "bewegte" Sonne) in das Vokabular des statischen Beobachters übersetzt. Und so wie mit der kopernikanischen Wende der bewegte Beobachter aus dem (statischen) Mittelpunkt gerückt(368) und eine neue Dimension der Wirklichkeit für die gleiche sinnliche Wahrnehmung eröffnet hat, so wandelt Kant (mit Hilfe der statischen Empirie) - umgekehrt - den bewegten Beobachter des Denkens zurück in einen Unbewegten (Statischen), um ihm den wohl wesentlichsten Teil der übergeordneten natürlichen Wirklichkeit zu nehmen.

Des dynamischen Elements - gleichsam seiner besseren Hälfte - beraubt, erstarrt die von Kant denkerisch (durch den "inneren Sinn"(369)) wahrgenommene Natur zum Schatten ihres Selbst und geht der Wirklichkeit gänzlich verloren, bzw. schafft die Wirklichkeit unwiederbringlich ab. Neben der alles bisherige überbietende Kantsche Einsicht, als menschliche Vernunft der souveräne Herr des Erkennens zu sein, dem sich das empirisch Wahrnehmbare sowohl, wie auch das Denkbare (durch den sog. inneren Sinn Kants wahrnehmbare), zu Beurteilung darzubieten habe(370), verbannt Kant die "unbequeme", gleichsam unhöfischere (dynamische) Wirklichkeit(371) in die Transzendenz. Ausgehend also von der kategorischen Negation der Wirklichkeit der Zeit an sich durch Kant(372), kann festgehalten werden, daß sofern Kant ebendort alles nur in der Zeit fassen zu können behauptet(373), dann seine Aussagen im Einzelnen und gemeinsam nur bestenfalls die halbe Wahrheit (über die Wirklichkeit) sein können. Wenn nämlich Kant im Denken die Grenzen der Statik nicht "wirklich" überschreiten zu können vermeint(374), und alles jenseits der Statik als unwirklich postuliert, dann erweist sich Kants Transzendenz, zumal als vorgeblich schlechthinnige Grund von alles denkbar Wirklichem, als Farce(375).

Wenn jedoch der Kausalzusammenhang zwischen Statik und Dynamik (Materie und Energie), im Gegensatz zu Kants statischem Denken (in der die Zeit nur im Raum "begreifbar", also denkbar ist(376), also der Begriff der Zeit den Begriff des Raumes unabdingbar voraussetzt), zugunsten der Dynamik entschieden, und also nicht die Zeit im Raum, sonder der Raum in der Zeit in dem Sinne begriffen wird(377), daß die Wirklichkeit des Dynamischen, die Wirklichkeit der Zeit, dem Raum erst Wirklichkeit verleiht, dann sinkt (hegelianisch) die physische Natur (war kantianisch einseitig als "reiner" Raum begriffen) zum Phänomen der Energie (Dynamik(378), Zeit) etwa in der Weise herab, wie eine stehende Welle in der Physik nur scheinbar statisch, also die Statik bloß ein Sonderfall der Dynamik ist(379).

1.11.6. Das Unvereinbare

Methodisch könnte das friedliche Nebeneinander von Philosophie und Theologie mit einer neuerlichen Terminologisierung beider Disziplinen beginnen, sofern sie zueinander in Beziehung gesetzt werden, indem besonders die neueren Termini kritisch gesichtet und die traditionellen etymologisch durchleuchtet und auf das Bedeutungsspektrum sowie auf Bedeutungsschwankungen untersucht werden. Um etwas begründetere und legitime Unterschiede in der Terminologie zu veranschaulichen, kann der Begriff Parusie, der in der Philosophie (insb. bei Platon) eindeutig "andauernde Gegenwart" und "Gegenwärtigkeit", während in der Theologie (dem Sprachgebrauch der Zeitwende - Koine - entsprechend) eindeutig "Ankunft" (Advent), und nicht einmal eine mit Ankunft beginnende Gegenwart, bedeutet, sondern sinngemäß etwa "Einzug", "Einmarsch", herangezogen werden. Weniger verträgliche Unterschiede in dem terminologischen Sprachgebrauch sind an dem Begriff "Dualismus" zu demonstrieren, der in der Theologie, eingebürgert zur Bezeichnung des in etwa ebenso gleichwertigen wie autonomen Nebeneinander zweier obersten Götter, oder personifizierten Prinzipien(380) des Guten und des Bösen der altpersischen Religion (Ahuramazda und Ahriman) und dann des Manichäismus, nicht für die Bezeichnung zweier einander hierarchisch untergeordneten, oder zwar polaren aber heteronomen Subjekte verwendet werden kann, wird dagegen von aufgeklärten Philosophen, in den Fußstapfen der Esoterik(381), in der prädikativen Form "dualistisch" querfeldein auch auf untergeordnete oder polare und heteronome Subjekte der Theologie, wie Himmel und Erde, Gute und Böse, Vater und Sohn, (theologisch unzulässig) angewandt(382). Nirgends in der herkömmlichen Theologie konnte und durfte das (aus der diesseitigen Perspektive) polar anmutende Verhältnis von Gutem und Bösen als Dualismus oder auch als dualistisch bezeichnet werden, weil der Begriff der persischen Analogie in der Gnosis und Manichäismus - bis zu der Aufklärung - vorbehalten war. Der theologisch so genannte Dualismus meint immer und ausschließlich ein (autonomes) polares Nebeneinander auf der gleichen Rangstufe, während philosophisch auch ein Ineinander oder Übereinander als Dualismus bezeichnet und (theologisch unzulässig) auf jede paarweise erfolgte Zuordnung verallgemeinert wird. Die (philosophisch) aufgeklärten, sogenannten modernen Theologen wie Bultmann, sprechen aber - terminologisch unzulässig - von dem Dualismus(383) vor allem in der Theologie des Johannes (wo schematisch Himmel und Erde gegenübergestellt werden). Die Übereinkunft zwischen Theologie und Philosophie mußte also darin bestehen, daß die Theologen Bultmann weder der Sprache noch dem Inhalt nach als den ihrigen anerkennten, während die Philosophen zwar der Sprache nach wohl, nicht jedoch dem Inhalt nach als den ihrigen anerkennen. Denn die Religionswissenschaft bedient sich der Sprache der Philosophie, ohne allerdings Philosophie im eigentlichen Sinne zu sein, auch zu der Beschreibung theologischer Inhalte, und ist heute eine eigene theoretisch (von den Grundlagen her) unabhängige Disziplin(384).

Noch bedeutungsschwerer ist der Begriff Glaube, umgangssprachlich mit einem weiten Bedeutungsspektrum, der für den christlichen Theologen grundsätzlich immer nur als Kurzform des Begriffes Glaubensgewißheit(385) geläufig ist, als eine sichere Annahme (intelligibles Wissen) ohne empirischen Beweis (Hebr 11,1), eigentlich sogar ohne Notwendigkeit des empirischen Beweises, während der Glaube der Philosophen, zumindest der heute Sogenannten, etwas durchaus Subtiles und vor allem Ungewisses bedeutet. Solange z. B. von der Kugelgestalt der Erde keine Satellitenaufnahmen gab, mußte man eine Theorie darüber glauben, zumal die Hohlwelttheorie nicht widerlegt werden konnte. Deswegen auch war der Herausgeber des Kopernikus, Osiander, und Luther, nicht bereit dem Kopernikus zu glauben, weil für sie sogar das zu wenig zum Glauben war, so daß erst das Fernrohr Jahrhunderte später die Glaubensgewißheit über die kopernikanische Wende besorgt hat. Im theologischen Verständnis sind auch die mathematischen Axiome, die ja bekanntlich (aus logistischen Gründen) nicht Gegenstand des Beweises sein können, Gegenstand des Glaubens. Nur drückt sich der Theologe zum gleichen Sachverhalt verbal anders aus als der Mathematiker. Es kommt eben darauf an, wie man Wissen definiert. In solchen Fragen könnten aber Theologie und Philosophie einander - unter Wahrung der nötigen Distanz - näherrücken, wenn die Philosophie von sich aus die auffallende Nähe des antiken Glaubensbegriffs der Philosophie (Platon(386), Aristoteles) zu dem der Theologie inne wird, und des ebenso unerklärlichen wie unzulässigen Unterschieds zum ausgehöhlten modernen Glaubensbegriffs gedenkt. Der gordische Knoten bei dieser Annäherung in der Erarbeitung der Unterschiede zwischen Theologie und Philosophie ist die gemeinsame Qualifizierung des Neuplatonismus als Theosophie (Selbstbezeichnung der Neuplatoniker wie Iamblichos), also Religionswissenschaft(387), die weder zu der Theologie, noch zu der eigentlichen Philosophie gehört. Und da könnte sogar zu einem Schulterschluß zwischen Theologie und Philosophie in der vielleicht sogar gemeinsamen oder überlappenden Erklärung kommen, daß der auf dem Neuplatonismus fußende Renaissance-Humanismus und Aufklärung zu Unrecht der Philosophie unterstellt wurde. Denn so wie der Räuber gewöhnlich mit einem gestohlenen Wagen zur Bank vorfährt, so plündert die Theosophie(388) die Theologie im Namen (mit einem "philosophischen Kennzeichen" am Gefährt) der zuvor entfremdeten Philosophie. Eine Debatte darüber, ob - in dem bildlichen Vergleich - nun der gestohlene Wagen vielleicht mehr Wert war als das geraubte Bargeld aus der Bank, dürfte sich erübrigen, wenn sich die gegeneinander ausgespielten Theologie und Philosophie merken, daß sie da etwas gemeinsam haben, daß sie etwas wirklich verbindet, wenngleich nicht so, wie sie es vielleicht bisher "geglaubt" haben.

Von da an könnte die (neuplatonische) Theosophie mit dem Angriffspunkt von Theologie und Philosophie in die Zange genommen werden, daß der Neuplatonismus seinerzeit ganz simpel den von Platon(389) irrig so vorausgesetzten Naturalismus (Naturphilosophie) der Vorsokratiker als Monismus(390) mit dem Unterschied neu Adaptiert hat, daß die alt-neue ("absolute") Einheit(391) nunmehr auch Inklusiv-Anspruch auf Gott und die Religion (über die gnostische Emanationslehre(392)) erhebt(393). Dieses Hinterfragen des Naturbegriffs (Natur ist Physis) der Vorsokratiker durch die spätere Metaphysik(394) und dann die neuerliche Vereinnahmung der Metaphysik durch eine "neue" Physik mit (untergeordneten, bzw. inklusiven) metaphysischem Anspruch (also eine alte Physik mit neuem Anspruch auf Metaphysik) des Neuplatonismus, hat sich im postmittelalterlichen Naturalismus und Aufklärung im modernen Abendland wiederholt(395), und ist, zumindest theologisch und philosophisch, nicht minder verwerflich (Pseudometaphysik), wie dann die Neugnosis(396).

Strukturell ist in der pseudowissenschaftlichen Methodik in der sogenannten Metaphysik-Forschung die Manipulation aufzudecken, daß die aristotelische Metaphysik, als eine wirklichkeitsadäquate "Physik" (Naturkunde) des Übernatürlichen, die von diesem namentlich zum ersten Mal so begründet wurde(397), spekulativ auf Platon (über Parmenides) zurückgeführt wird(398), um den durch nichts begründeten und sogar sinnwidrigen Anspruch des Neuplatonismus auf die monistische Entfremdung der Metaphysik plausibel zu machen, und so den modernen Anspruch auf die naturalistische Erklärung Gottes(399) (natürliche Religion des Deismus) und der Metaphysik in der Aufklärung (Kant) zu legitimieren. Denn sogar die monistische Synthese der platonischen Zweiweltenlehre ist selbst dann außerhalb der davon synkretistisch beanspruchten aristotelischen Metaphysik, wenn die nämliche Synthese der zwei platonischen Welten nicht ein Unding, auf jeden Fall jedoch antiplatonisch, wäre. Danach ist der Neuplatonismus als das philosophische Gewand der fortan bis zur Moderne hier zu ortenden Gnosis(400), die exakt um diese Zeit angeblich aus dem Gesichtspunkt der Forschung verschwunden sei. So kann in der historischen Betrachtungsweise die direkte Entwicklungslinie von der Gnosis über Manichäismus und Synkretismus bis zum Aufgehen im Neuplatonismus nachgezeichnet werden. Und fortan kann faktisch alles Philosophie oder sogenannte Platonismus mit Neuplatonismus gleichgesetzt werden, also mit Gnosis, denn die dem Neuplatonischen entgegengesetzte Philosophie des Aristoteles, die eigentliche Metaphysik des wirklich göttlichen Seins, wird in der Scholastik des Mittelalters, aber schon bei Augustinus, gewissermaßen vereinnahmt.

Es ist darauf hinzuweisen, daß die Gnosis vom Anfang bis zum Ende synkretistisch vorging, so daß der Synkretismus das Erkennungszeichen der Gnosis schlechthin ist. Unter dieser Voraussetzung ist aber der direkte Schluß unausweichlich, daß die Gnosis immer mit einem wandelbaren Äußeren aber mit einem doch unwandelbarem Inhalt einhergeht, sofern überhaupt von einem Inhalt der Gnosis, über das "Absolute Nichts", zu sprechen zulässig ist.

1.12. Das Unglaubliche

In dem vom Referat für Weltanschauungsfragen der katholischen Kirche Wien 1991 herausgegebenen nämlichen Informationsheft leugnet Wenisch (zwar nicht unumwunden) letztlich doch Teufel und böse Geister(401), und in schwammige Formulierungen eingebettet "bekennt" er schlußendlich(402) "Gestaltungsprinzipien des Kosmos" als "Geistwesen" in der Form "anzunehmen", wie es (von ihm wohlwissend hervorgehoben) nicht "unmittelbare (kirchliche) Glaubenswahrheiten" sind(403). Damit ist aber schon gesagt, daß er sie in der Form einer Glaubenswahrheit, d. h. die Geister der Glaubenslehre, von "dem" Geist einmal ganz zu schweigen, eben nicht "glaubt". Um es mit Hilfe des Sprachgebrauchs des zitierten Autors auszudrücken; Geister im Sinne von Glaubenswahrheit könnten nur "Fundamentalisten" und "Traditionalisten" ernst nehmen, mit denen aber der Autor der zitierten Broschüre über Satanismus nichts zu tun haben will. Mit seinen nebulosen "Wesenheiten" steht Wenisch aber auch nicht ganz auf der Seite der säkularen Spiritualität(404), sondern im Dunstkreis des Esoterisch-Gnostischen(405), bzw. auf der Seite des nämlichen Okkulten, das er hätte kritisch abhandeln sollen, und das er zur Kirchenkritik und zum Kritik an Gott pervertiert, mißbraucht hat.

Die ebenso klare wie deklarierte Distanzierung von Glaubenswahrheiten wäre im Namen des kirchlichen Lehramtes(406) formal bereits bedenklich genug(407). Die Termini "Gestaltungsprinzip" und "Geistwesen"(408) (statt "Geist") können in Fachkreisen als bestenfalls zur Sprache der Philosophie(409), viel eher aber der Sprache der Esoterik und Neugnosis(410)(Okkultismus) angehörend(411) verifiziert werden(412). Es gibt sehr wohl jede Menge Geister, die unabhängig von qualitativen Unterschieden - Gegenstand des lehramtlich oder bibeltheologisch vertretenen Glaubens sind, von dem Evangelium ganz zu schweigen. Wenn also Wenisch Prinzipien(413)und Wesen anführt, die nicht Gegenstand des Glaubens sein sollen, die er aber als einzige "Möglichkeit" gelten läßt, weil alles Geglaubte sonach rein subjektivistisch(414) zu verstehen, und daher Gegenstand der Para- und sonstigen Psychologie sei, dann dokumentiert er einen klaren Bruch mit der christlichen Tradition(415) (insb. mit der Überlieferungstradition des Evangeliums). Dies ist gewissermaßen der entschiedenste Bruch mit dem (überkommenen) Christentum, den es überhaupt gibt. Der zynische Versuch alles Christliche als "Traditionalismus" zu diskreditieren(416), macht Wenisch zu einem Überchristen aus eigenen Gnaden, der einem verheißungsschwangereren Gottesverständnis nacheifert, als das "traditionalistische" Evangelium zu bieten vermag. Die Behauptung etwa, daß Satanisten und Satansgegner in dem Irrglauben "einig" seien, daß der von ihnen verehrte oder verfolgte Satan tatsächlich (als solchen) gäbe(417), ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen, womit sich Wenisch "rationell" jenseits von gut und liberal begibt(418).

Charakteristisch in der Systematisierung für beide Autoren der kritisierten Arbeit über Satanismus, Wenisch(419) und Massimo Introvigne(420), ist die Engführung über Crowley und dem kultischen Satanismus, die einer Vertuschung der Gesamtdimension der von der Satanskunde zu erfassenden Phänomene des Bösen gleichkommt(421). Mit der methodischen Übersicht(422), die aber dann in der Auseinandersetzung gekonnt umgangen wird, ist die Vereinnahmung alles Satanischen versucht, so als sei mit der vorgelegten Abhandlung in der zitierten Broschüre nicht nur alles Satanische(423), sondern alles Böse "erledigt"(424), und das Böse gewissermaßen (in der Harmlosigkeit der Bedeutungslosigkeit) "aufgehoben". Eine kurze Einblendung der weiteren Verfächerung der Satanskunde durch die zitierten Autoren, so als sei der Luziferismus ein völlig harmloser Teil des Satanismus und nicht umgekehrt, überführt aber die dann folgende Einengung der Sicht auf auffällige Extremformen und Kuriositäten im Bereich des Satanischen als Alibihandlung. Willkürlich herausgegriffene Kuriositäten dort zu verallgemeinern, wo auch noch ganz andere übergroße Bereiche als zum Thema gehörend genannt werden, ist pseudowissenschaftlich. Insb. dann, wenn die mehr als oberflächlich "erledigten" zentralen Teile zuvor vom gleichen Autor aus dem Themenkreis herausdefiniert worden sind(425). Es ist u. a. schelmisch, den Forschungsgegenstand als "Phänomenologie [...], die als Satanismus einzig und allein jenes Phänomen bezeichnen darf, indem man die Person verehrt, die die Bibel Satan oder Teufel nennt", einzuengen(426), und gleich anschließend den in der Forschung als größten modernen Satanisten gehandelten Crowley(427), den selbst die Autoren der zitierten Broschüre überstrapazieren, mit der Begründung als keinen eigentlichen Satanisten methodisch auszugliedern, daß Crowley ja den biblischen Teufel als existent leugne. Nachdem die von Introvigne zitierte Bibel den Satan als "Vater der Lüge" (Joh 8,44) definiert, überführt sich Introvigne selbst der Lüge, wenn er den bekennenden Satanisten und Satan selbst danach qualifizieren will, was jener über sich selbst sagt. Zynisch zitiert sodann Introvigne Worte und Werke Crowleys, die betont den nämlichen (von ihm zitierten) biblischen Kriterien entsprechen, aber nach Introvigne nicht satanisch sein können, weil ja Crowley den Teufel der Bibel als existent leugnet.

Ausgehend von der von Introvigne nach dem Lehrinhalt als Beurteilungskriterium gegebenen "Typologie"(428) (Systematisierung), wonach vier Haupttypen des Satanismus ("rationalistischer", "okkulter", "acid" und "luciferistisch") gäbe, ist in dem zitierten Informationsheft über Satanismus(429) nachweisbar, bzw. erwiesen, daß der Satanismus als Phänomen "okkulter" und "drogenabhängiger" ("acid") Kreise(430), mit allfälligen Querverweisen auf den "rationalistischen" Satanismus, verharmlost und mit pseudokritischen Effektenhascherei von dem "Luziferismus" (d. i. nämlich der "geglaubte", dem jeweiligen Glauben realen Teufel, sowohl dem der Gegner, wie auch dem der Anhänger) abgelenkt werden soll(431). Besonders der Versuch von Introvigne, den "geglaubten" Teufel mit C. G. Jung zu "wegrationalisieren", bzw. zu "subjektivieren"(432) (d. i. als subjektivistische Einbildung umdeuten), macht die Manipulation offenkundig, und ist genau in dem Sinne satanisch, wie etwa die bekennenden Satanisten den von Ihnen mehr oder minder phantasievoll verehrten Satan (subjektivistisch) für ein psychisches Phänomen (Einbildung) ausgeben. Wenn nämlich das Satanische den biblischen Satan leugnet, dann leugnet er nicht wirklich die "Person" (Wesen) des biblischen Teufels, wie es Introvigne dem Leser teuflisch vorlügt, sondern das schlechthin Böse in Satan (weil für ihn der Widerspruch zu Gott eine andere Bedeutung hat als dem Theologen). Auffällig schelmisch ist die Terminologisierung des Bösen durch Introvigne als Person, und ausschließlich als Person(433), da das Hauptcharakteristikum alles "wahrhaft" (wesenhaft) Satanischen ist eben die Leugnung der Personalität von Gott und Teufel(434). Wo immer der Theologe von Person spricht oder eine Person meint, meint der Satanist immer und ausschließlich Wesen oder Wesenheit. Verlogen ist also die Behauptung Introvignes, wonach der Satanist mit Wesen (Unperson) nicht das selbe meine, wenn er alterierend terminologisiert, wenn der Satanist sich nicht in der Sprache der Theologie ausdrückt(435). Der Satanist wäre, im Gegensatz zu Introvigne, gerade dann kein richtiger Satanist, wenn er das Weltbild und Sprache des Theologen hätte. Es gibt zwar Satanisten wie de Sade, die das Böse als die ausschließliche und absolute Macht ansehen, und sogenannte Startheologen wie Bultmann, A. Schweitzer und andere(436), die ihren Alternativgott vor der Kulisse des christlichen Weltbildes im hellen Schein des Lichtgewandes der theologischen Sprache erscheinen lassen (2 Kor 11,14), ohne allerdings ihr pseudochristliches Wesen, nämlich die Lüge wirklich verleugnen zu können. Eine Lüge sagt zwar sehr viel über den Lügner aus, sie offenbart aber gleichsam dessen Wesen, dies allerdings nur unter der Bedingung, daß die Lüge als Lüge, infolgedessen der Lügner als Lügner erkannt und anerkannt wird. Wenn jedoch Introvigne die Lüge aus dem Munde des Lügners zu einer Grundwahrheit seines wissenschaftlichen Erkennens über den Lügner macht, dann pervertiert er das religiöse Bekenntnis an sich, und macht den Wahrhaftigen zum Lügner.

Im übrigen besteht zwischen "rationalem" und "okkultem" Satanismus kaum ein sachlicher Unterschied, denn vor allem der von den zitierten Autoren viel strapazierte und als "okkult" eingestufte Crowley sich selbst als "Rationalist" deklariert(437) und als solcher dem "Okkulten" - ebenfalls erklärtermaßen - anhängt. Eine Unterscheidung der Alt- und Neo-Crowleyaner als "Rationalisten"(438) und "Okkulten"(439) erscheint als an den Haaren herbeigezogen. Auch zwischen dem "Okkulten" und "Luziferischen" wäre schwer eine klare Grenze zu ziehen(440), denn den "Glauben" an der personalen Wirklichkeit haben sie beide gemeinsam(441), und sich nur allenfalls im Verhältnis zur gnostischen Offenbarungstradition unterscheiden. Auffällig an der Typologie von Introvigne ist, daß faktisch alle von ihm näher bezeichneten Typen des Satanischen eigentlich nicht den Voraussetzungen des von ihm zuvor so definierten Satanischen entsprechen, daß diejenige satanischen Phänomene, die auch nur teilweise außerhalb seiner Definition geraten, keine Satanisten und daher nicht Gegenstand seiner Untersuchung sein könnten. Wäre auch nicht die klassische Definition des Teuflischen in der Theologie der Widerspruch, müßte Introvignes Untersuchung satanischer Phänomene, von denen er zuvor definitiv ausgeschlossen hat, daß sie satanisch sein können, sprachlich als schelmisch bezeichnet werden(442).

Die Kritik kann noch damit ergänzt werden, daß alle neugnostischen ("luziferischen") Richtungen (offen oder verdeckt) jeweils Variationen (Verästelungen) der manichäisch-gnostischen(443)Linie sind(444), und die "okkulte" und "luziferische" Richtung sich nur durch ein verschiedentlich fortgeschrittenes Offenbarungsverständnis unterscheiden. Vor allem die kategoriale Unterscheidung, wonach die "Luziferisten" das Böse im Teufel leugnen würden, die "Okkulten" aber nicht, ist schwer in dieser Form zu halten, denn es geht auch bei den "Okkulten" immerhin um Hilfe und Beistand des Bösen, wenngleich mit einer intensiveren Relation von "Kosten-Nutzen", und mit einer angepaßten "Administration" des Bösen. Die okkulte Theosophie der Blawatsky, und die ist die mit Abstand Repräsentativste von allen, leugnet das Böse in Luzifer, die sie ausdrücklich als den Satan der Bibel ausweist, und zum obersten Herrn hoch über dem biblischen Gott erklärt. Schon anläßlich des Psycho- und Okkultbooms(445) in den 20ern wies der von Introvigne zitierte Gnostiker(446) C. G. Jung(447) auf die Wechselbeziehung zwischen Okkultismus und Gnosis (Luziferismus) hin(448), was also fortan größere Aufmerksamkeit verdient(449).

Gänzlich verschwinden zu scheinen allfällige Trennlinien angesichts der verbindenden Gemeinsamkeit im Hinblick auf das Wassermann-Zeitalter, das - "Rationalisten"(450) wie "Okkulten"(451) - den Quantensprung zum neuen Menschen(452) (vor kurzem noch offen "Übermensch" genannt) mit dem revolutionierten Bewußtsein gleichermaßen verheißt. Daß die Luziferisten sich stets mit dem Wassermann-Zeitalter legitimieren, dürfte allgemeinbekannt sein.(453)

Wie schon der von Introvigne gewählte Name besagt, hätte sich die eigentliche Satanskunde mit dem Luciferismus (Introvigne schreibt "Luziferianismus") zu befassen, dessen bloße Randerscheinungen die übrigen (drei) "Typen" (des Satanismus) sind. Obwohl die Gnosis (Luziferianismus) weder mit C. G. Jung beginnt, noch mit ihm aufhört, ist in dem durch Introvigne vorgegebenen Zusammenhang wohl - auch in der Kritik - von der Position des von ihm vorgeschobenen C. G. Jung(454) auszugehen. Die zentrale theologische Frage bei Jung ist demnach die Aufstockung der Trinität - mit Luzifer (als dem älteren Sohn Gottes vor Jesus) - auf eine Quaternität. Zu der nämlichen - numerisch der Trinität eindeutig "überlegenen" - (bekennend gnostischen) Quaternität(455) C. G. Jungs bekennt sich u. a. ausdrücklich Karl R. H. Frick in seinem fünfteiligen Werk(456) (2 Bände mit je 2, bzw. 3 Teilen), "Satan und die Satanisten", gibt aber eine übersichtlichere und umfassendere Typologie des Satanismus(457).

Auch dieser fünfteilige Wälzer eines modernen Gnostikers über die Schwarzen Künste ist alles andere als auch nur annähernd vollständig, bietet aber trotz schwerer Verdaulichkeit und Weitschweifigkeit, wenn vielleicht keinen tieferen Einblick, so doch zumindest - allein schon quantitativ - einen besseren Überblick als vergleichbare Arbeiten(458), zumal die gnostische Grundposition des Verfassers (Frick) darin nicht geleugnet wird. Außer den historischen Streifzügen wird in der Untersuchung durch Frick laufend auf neuere Richtungen Bezug genommen und im letzten Teil, nach einer allzu ausführlichen Abhandlung über die Freimaurer, das Hyper-Moderne an Bösem abgehandelt(459). Die Grundthese von Frick, wonach der moderne Satanismus praktisch ausschließlich französischen Ursprungs, und de Sade der geistige Vater von allem Bösen sei, dürfte kaum unkritisch übernommen werden können(460), obgleich manche Argumente und der diachrone Aspekt (Zeit der Französischen Revolution) in Teilbereichen einiges für sich zu haben scheinen, bzw. für de Sade als eine Orientierungsgröße des Satanismus sprechen. Immerhin verdankt die Systematik Sade die - einigermaßen artikulierte - Souveränisierung des Bösen als das Böse schlechthin, neben dem das ohnmächtige Gute gar nicht, auf keinen Fall jedoch wirklich, bestenfalls als Abglanz, bzw. als trügerischer Schein geben könne.

Die philosophische Aufarbeitung des Themas unter dem Titel "Das Problem des Übels" in drei Bänden von Billicsich geht thematisch vollinhaltlich an der theologischen Fragestellung nach dem Bösen vorbei, liefert aber mit dem Hinweis auf die Theodizee als der immer gleiche Ausgangspunkt der Gottesfrage in der Gnosis und Moderne(461) die methodische Grundlage für die Beurteilung der modernen Philosophie insgesamt, sofern sie nach Billicsich tatsächlich nach wie vor vom Bösen (Übel in der Welt) ausgehend nach dem Guten (Gott) fragt, als eine Manifestation des Bösen, weil nach dem hier zugrundegelegten (Anselmschen) Grundsatz(462)ein logisches Unding ist vom Bösen her nach dem Guten zu fragen. Soweit also einerseits die Theodizee (und damit das Böse) mit Billicsich die Ausgangsposition der modernen Philosophie ist (um das Gute zu Begründen oder zu Ergründen), aber andererseits mit Anselm das Böse logisch unmöglich die Ausgangsposition (geschweige denn Grund) in Richtung Gutes sein kann, kann jede Philosophie, soweit von der Theodizee (vom Bösen) ausgehend oder darin gründend, als eine Manifestation des Bösen verifiziert werden, zumal eine vorhergewußte dingunmögliche Sisyphusarbeit in ihrer Sinnlosigkeit die Manifestation des Bösen ist. Der Gott der Philosophen kann also den Gott der Offenbarung formal scheinbar noch so annähern, aber niemals mit ihm ident sein. Soweit treffend zeigt also Billicsich ebendort die abzählbar endliche Möglichkeiten auf(463): "Denn man kann, wie es geschehen ist, durch die Tatsache des Übels bis zur Annahme eines bösen Schöpfergottes gedrängt werden, man kann aber auch das Schlechte rundweg ableugnen, es als bloß subjektiv erklären, es als ein Unvollkommenes neben dem Vollkommenen, es als Durchgangsstufe in der Entwicklung zu immer Besserem und Höherem auffassen. Alles dies sind Antworten auf unsere Frage. Freilich kann nicht auf jeden Lösungsversuch der Name »Theodizee« in strengem Sinne angewendet werden. Denn eine solche liegt gemäß der Prägung des Begriffes durch Leibniz nur dann vor, wenn der Glaube an einen allmächtigen, allweisen und allgütigen Gott angesichts der Übel verteidigt wird. Wer überhaupt keinen Gott annimmt oder keinen solchen, dem er die erwähnten Eigenschaften zuspricht, der braucht ihn nicht zu rechtfertigen." Richtig schlägt Billicsich an der Leibnizsche Terminologie vorbei den Begriff "Theodizee" im Sinne von "Kosmodizee" weiter zu fassen und so auf das Böse (Übel in der Welt), bzw. auf die Erklärung des Bösen schlechthin zu verallgemeinern(464).

1.13. Das Unbeschreibliche

Beizupflichten ist dem eingangs zitierten Autor der Broschüre über Satanismus(465), wonach es an einem wirklich akzeptablen Standardwerk mangelt, welche Schlüsse hieraus immer gezogen werden können und sollen. Nachstehend soll nun das für relevant gehaltene Forschungsfeld abgesteckt werden, es sollen zuvor allerdings einige Gedanken zu einer ergänzenden oder auch "neuen" Broschüre über das "Böse" vorausgeschickt werden (Pkt. 1-2).

Es gäbe theoretisch zumindest zwei Möglichkeiten ergänzende Information über den "Luziferismus" (Gnosis) breiteren Leserschichten näher zu bringen. Entweder eine Neuauflage der Broschüre 59/1991 - wegen der laut werdenden Kritik und wegen objektiv feststellbarer Unvollständigkeit - herauszubringen, oder eine zweite Broschüre mit einem abgewandelten Titel herausgeben, wie das etwa bei den Broschüren über "Neugnosis" und "New Age" der Fall war. Im letzteren Fall wäre etwa ein Titel zu bevorzugen wie "Neuheidentum und Luziferismus", oder besser "Neuheidentum und Liberalismus als Vorfeld und Tarnung des Luziferismus", sofern der Wortlaut in einer anderen Broschüre noch nicht besetzt ist.

2. DAS TABU

Es ist zunächst zu klären, ob das Resultat der Untersuchung vorweggenommen und aufgezeigt, oder erst als aus der Beweisführung gewonnen dargestellt werden soll. Denn obgleich eine große Anzahl Vorarbeiten die fertige Theorie - mit dem räumlich nachgeordneten Beweis - vorauszuschicken erlaubt, könnte aus didaktischen Erwägungen der demonstrativ vorangestellte Nachweis der zugrundegelegten (ursprünglichen) Arbeitshypothese zielführender sein.

Die Arbeit verfolgt das Ziel, die komplexe Materie über die Erforschung des Bösen strukturanalytisch zu erschließen. Ausgehend von einer Schwachstellenanalyse der etablierten Forschung ergab sich, sofern nicht gewissermaßen das Thema insgesamt eine einzige Schwachstelle ist, eine Notwendigkeit der Neuorientierung hinsichtlich der Kriterien der Untersuchung. Es sind vor allem Vorfragen im Hinblick auf die Ausgangsposition zu klären, ob etwa vom Religiösen her auf das Säkulare zu, oder vom profanen Verständnis des Bösen her auf den Teufel der Religion hin das Forschungsfeld untersucht werden soll.

Bedauerlicherweise zeigte sich aber auch während der in Angriff genommenen Untersuchung, daß eine zwar theologisch fundierte aber einer breiteren Leserschicht zugängliche Arbeit über das Böse gewissermaßen die Enttabuisierung der Fragestellung als Vorfrage der Vorfragen erfordert. Die Auseinandersetzung mit dem an sich Bösen ist bestenfalls zur medialen Kommerzialismus verflacht und der lange Schatten der Moderne läßt ein propagandistisch triumphal verabsolutisiertes Wertesystem ohne Reflexion über das Böse an sich als unhinterfragbar erscheinen. Diese auf die politische und mediale Macht der Profanität in der Welt gestützte Entspiritualisierung der Kultur, die sogenannte Säkularisierung, zeitigt aber - gleich der positiven Hälfte eines Dipols(466) - zunehmend gegenteilige Auswüchse und fördert die Wucherung spiritueller oder spiritualisierender Sondermeinungen(467), die unter dem Namen Esoterik und Okkultismus leider allzu gut bekannt sind. Hinter der Tarnung dieser überschäumenden Oberflächlichkeit ist aber eine schier allgegenwärtige Kultivierung des Bösen zu beobachten, die sich - unter dem Deckmantel der Aufklärung als Naturalismus - aus dem Untergrund in den Hintergrund aufgearbeitet hat, und sich nun vorerst als die Graue Eminenz der Welt in Kultur und Politik, aber auch in der Religion gefällt, ohne sich damit in der Langzeitperspektive zufrieden zu geben. Hier soll aber auf die selbstgefällige Überheblichkeit der Moderne verzichtet, und ohne Pathos ein wenig Rampenlicht hinter den Kulissen zugelassen werden. Es soll u. a. gezeigt werden, daß das Böse selbst von der Totalität der eigenen Illegalität in der menschlichen Gesellschaft so ausgeht, daß es ihm logisch der ausschließliche Weg über die Kontrolle der hierarchischen Spitze der menschlichen Gesellschaft erscheint, so daß für ihn über die absolute Macht in der Welt kein Weg zu der eigenen Legalisierung vorbei führt.

2.1. Das Unbegreifliche

Sofern es eine Typologie des Bösen geben soll, wäre zwar als Orientierung die von Frick vorgenommene grobe Unterteilung in religiöse und areligiöse Satanismus(468) der von Introvigne(469) vorzuziehen, für die eingehendere Auseinandersetzung und für die Beurteilung ist dieses Schema der Zweiteilung auch nicht ganz hinreichend. Ausgehend von einer groben Unterteilung des Bösen nach seiner Bedeutung für den Einzelnen und dem Allgemeinen, ist für die strukturelle Auseinandersetzung einerseits das Kriterium entscheidend, ob der jeweilige Anhänger das Böse als real oder unreal (Phänomen), und andererseits, ob er das Böse als personifiziert voraussetzt. Eine Unterscheidung kann also kaum verbindlich nach den äußeren Merkmalen erfolgen, vielmehr muß nach der Art und Weise des Satanischen an sich die Typologie des Satanismus vorgenommen werden. Eine Typologie des Satanismus hat sich also nach der Typologie des Satans selbst zu orientieren. Und obwohl es natürlich nur einen Teufel in dem Sinne gibt, meint hier die Typologie des Satans die Auffassungen über den Satan, wie er wohl sei. Die Typologie von Frick ist also insofern hilfreich, als die von ihm gezeigte grobe Unterteilung in religiös und areligiös auch hier als die Position des Beobachters aufgegriffen wird, jedoch von da aus - gegebenenfalls grenzüberschreitend - nochmals die gleichen Gruppen und Meinungen behandelt, bloß aus einem anderen Blickwinkel.

Es sind natürlich noch andere Typologien des Bösen im Umlauf. Äußerst oberflächlich und irreführend ist z. B. die Einteilung der Teufel nach dem literarischen Gebrauch der Romantik in "komische" und "schaurige" Gestalten(470), die von diesen als Alibihandlung selbstporträtierten Teufelsbildern der Romantik her eine landläufig angenommene tiefere Beziehung der Romantik zum Satanischen in Frage stellen soll(471). Bezeichnend für solche mehr Verwirrung als Klarheit schaffenden Unterscheidungen, die sodann unzulässig als Unterteilungen gehandhabt werden, daß die auch von der Bibel apostrophierte innere Spaltung und Zerrissenheit des Teuflischen (Mt 12.25) umgedeutet, und die Gespaltenen nicht als Teile des selben Wesens angesehen werden sollen. Typisch ist in diese Richtung etwa eine Typologie, die das Hexentum und Ritualmagie insgesamt - von dem Boden des Pseudoschamanischen her - mit der Begründung aus dem Satanischen ausgliedern und zu einer unabhängigen Größe machen will, daß der Satanismus dem Teufel diene, während das Hexentum sich den Teufel dienstbar machen wolle, also seien das zwei konträre Dinge(472), die methodisch streng getrennt werden müßten.

Weniger von den Autoritätsverhältnissen und von der Dienstleistungsseite im Geschäft (Pakt) mit dem Teufel her hat Aristoteles eine Typologie des Bösen zu geben unternommen. Auch Aristoteles ging zuerst von der Definition des ethisch Guten als "Gerechtigkeit" und "Freundschaft" (also von zwischenmenschlicher Bindung, Verbundenheit, bzw. von der Gerechtigkeit gleichsam als Handhabung der Bindung) aus, um eine Art Theorie des Bösen als die "Charakterschwäche", die "Zügellosigkeit" und eine durch normwidrige Erziehung bedingte "perverse Lebensorientierung" (kurz "Perversion"), zu liefern(473). Bei Platon erklärt Sokrates das Böse(474) soweit trefflich aus dem Guten, bzw. ebenfalls aus der Gerechtigkeit(475), das, bzw. die als (absolute, alles-durchdringende) Dynamik aufgefaßt wird und den Anaxagoras mit der Vernunft gleichgesetzt habe(476). Die traditionell orientierte Handlungstheorie überbot Hegel mit der einübungsbedingten Einsicht, daß Freundschaft die Gerechtigkeit überflüssig mache(477). Die kopernikanische Wende war jedoch die Aufwertung der Freiheit (Liber) durch Kant, die als Selbstbestimmung die Autonomie der philosophischen Ethik begründet (wobei allerdings Kant stets Autonomie sagt wenn er Souveränität meint). Alle bisherigen sittlichen Maßstäbe, mit Einschluß des Höchsten, der Glückseligkeit, fallen damit der Heteronomie, d. h. der (a priori unerwünschten) Fremdbestimmung anheim(478). Die Glückseligkeitsethik der (christlichen) Tradition erfährt (durch Kant) eine besondere Zurückweisung(479), weil sie sich an einem Prinzip orientiert, das die "Neigung"(480) nicht dem guten Willen zugeordnet hat(481).

Der Satanismus etwa eines Baudelaire ergeht sich zwar in pseudoreligiösen, jedoch nicht minder "echt" hingebungsvollen Emotionen, leugnet aber die objektive Realität jedweder Religion dem Wesen nach, so auch der satanischen "unter anderen", sowie deren Inhalt, all deren ausschließlicher Ort für den Satanisten, wenn überhaupt, dann in der menschlichen Psyche (als Imagination), im bloßen Phänomen zu suchen sei(482). Religion oder Glaube entspringt für das Böse aus einem - wie immer gearteten - seelischen (psychischen), also subjektiven Bedürfnis, so daß die Befriedigung dieses Bedürfnisses - für den säkularen Gnostiker - als Glaube oder Religion aufzufassen ist(483), wobei Glaube und Religion und deren Inhalte als bloße (subjektivistische) Phänomene aufgefaßt werden. Sonach haben Glaube und Religion (respektive Inhalte der Religion und des Glaubens, wie etwa Gott oder Teufel) nur in der Empfindung (Erfahrung) des psychischen Subjekts, als Phänomen des Scheinbaren eine "reale" Existenz. Damit ist zwar noch nicht ausgesagt, daß jede Empfindung eine Fiktion sein muß, sondern, daß fiktive Empfindungen, wie z. B. die Befriedigung des Bedürfnisses nach Glaube und Religion, (für Satanisten) sich durch ihren fiktiven Charakter von den übrigen Empfindungen (Erfahrungen) unterscheiden.

Die theologische Position wüßte zwar sehr wohl um die reine Subjektivität solcher Religiosität, kann aber die Unterstellung des rein subjektiven Charakters alles Religiösen schon aus logistischen Gründen nicht hinnehmen,(484) weil pseudoreligiöse Einsichten, aus welcher Richtung auch immer betrachtet, nicht auf die Religion übertragbar sind. Das theologische Eingehen auf die Pseudoreligion, wonach das personale Böse zu leugnen nur unter der Voraussetzung der Leugnung des personalen Gottes möglich ist, wiewohl zutreffend, stellt aber scheinbar nur die theologische Argumentation zufrieden. Die methodische Frage also ist, ob die theologische Rüstung genügt, oder das Böse mit den eigenen Waffen, auf seinem eigenen Terrain zu begegnen ist.

Das Zweite Vatikanum etwa forciert zwar die zeitgemäße Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist, allerdings gewiß nicht, um die Theologie und die eigentlichen theologischen Positionen preiszugeben, zumal wenn sie das Unwandelbare und Ewige betreffen. So soll in dieser Arbeit sehr wohl große Aufmerksamkeit der konsequent destruktiven und asozialen Charakter des sich als human und sozial - oder zumindest harmlos - gebärdenden Bösen, gewidmet werden. Der strukturelle Schwerpunkt hat aber auf dem Nachweis zu liegen, daß ebenjener Böse, der auch der profanen Welt Geißel ist, sich - auch in der vorsichtigsten Formulierung - in nichts von dem Teufel der Religion unterscheidet. Ja die Theologie betont sogar, daß sich die Macht des Bösen der Religion im Niederen manifestiert, obgleich sein Ursprung wesenhaft im Widerspruch zum Höchsten (zum höchsten Gut) liegt.

Hier muß allerdings vorausgeschickt werden, was eine weiterführende Auseinandersetzung erst zeigen wird, daß die Beschreibung des Teufels von der Position des Beobachters abhängt, so daß der Teufel für den Theologen etwas anders aussieht als für den Satanisten, und so werden auch die Unterteilungen von den verschiedenen Positionen her anzunähern sein. Der Unterschied zwischen dem gnostisch-luziferischen (satanischen) und dem christlichen Standpunkt kann vorerst begrifflich mit den Termini Weltanschauung(485) und Weltbild(486) zum Ausdruck gebracht werden. So sollen im Folgenden zuerst die Perspektiven des Bösen aus dem weltanschaulichen und sodann aus dem theologischen Gesichtspunkt untersucht werden.

2.2. Die Unperson

Es gibt Satanisten, und das sind heute die bekanntesten, die zwar einen satanischen Kult pflegen, aber sein "Wesen" auf das Sinnliche (Materielle) beschränken, um das Spirituelle als Anomalie des Materiellen zu erklären(487). Es gibt Anhänger des Satanischen, die als solche eher unbekannt und eher unter dem Terminus Luziferisten einzuordnen sind, die einen Kult für ein Sonderbedürfnis innerhalb des Satanischen (Luziferischen) halten (z. B. die Liberal-Katholische Kirche(488) der Theosophie), aber alles Materielle (die sog. Natur) - mit Goethe(489) - für die Manifestation (Materialisation) des von der christlichen Religion sogenannten Teufels (Luzifer), also für die Verfestigung eines ureigentlich spirituellen (gefallenen) Wesens, sozusagen einem anderen (niedrigeren, d. h. grobstofflicheren, festeren(490)) Aggregatzustand(491) des Teufels halten(492). In beiden Fällen versagt also die Unterteilung des Bösen in religiös und areligiös, wie sie von Frick vorgenommen wurde(493). In beiden Fällen geht aber das Satanische von einem Innewohnen des Bösen der Materie, von einer gegenseitigen Bedingtheit vom Mentalen und Materiellen (Sinnlichen) aus. Nur sehen den Kausalzusammenhang der gegenseitigen Bestimmtheit von Sinnlich und Übersinnlich die beiden Satanismen scheinbar diametral entgegengesetzt. In diesem Sinne kann also in einer ersten groben Unterteilung von dem realen (existenten) und von dem unrealen Satan (als bloßes Phänomen) - natürlich aus der Sicht der Satanisten selbst - gesprochen werden, wobei wohlgemerkt, von der den beiden (polaren) Teilen des Selbigen die Rede ist(494).

Es würde zu weit führen hier nachzuweisen, daß es sich auch statistisch auf tatsächlich so verhält, aber kann mit dem Vernunftsargument darauf hingewiesen werden, daß die gleiche Zweiteilung aus dem Weltanschaulichen Gesichtspunkt von der einander bedingenden Gegenüber von Mikrokosmos(495) und Makrokosmos - im traditionellen Sinne(496) - herrührt(497), zumal ausschließlich Sinnliches wahrzunehmen aus dieser Sicht nur die mikrokosmische Seite imstande ist(498). Wo der Theologe von einem Gegenüber von Dämonischen (Mentalen) und Leibhaftigen spricht, kommt der Gnostiker mit dem Begriffspaar kosmisch und psychisch aus(499), ohne auch nur die psychische Wesenheit personifizieren zu müssen(500).

2.2.1. Das Individuum

Die Frage stellte sich unter Satanisten allerdings anders, denn auch die Anhänger des realen Teufels sprechen grundsätzlich die Personalität im theologischen Sinne Gott und Teufel ab. Es geht vielmehr darum, ob Satan als Individuum, gewissermaßen als organisches Wesen oder anorganisches Wesen (quasi Wesenheit), vorausgesetzt wird(501). Es ist aber daran wiederum ersichtlich, daß sich beide Teufelsauffassungen des Satanismus wieder in dem Begriff der Natur treffen(502), ob diese nun als "organisch" oder "anorganisch" (ursächlich) bestimmt vorausgesetzt wird.

Im weiteren Vorgehen muß näher auf die Sprache des Satanischen eingegangen werden, wo "organisch" oft und gerne synonym zu "energetisch" verwendet wird(503), so als sei dem Gnostiker die energetisch bestimmte und sinnlich wahrnehmbare Veränderung der materiellen Dinge geordnet, und daher sozusagen als organ-isch, weil organ-isiert(504). Das sinnlich Satanische begreift beispielsweise das Organische ähnlich dem Biochemiker nicht vom eigentlichen Wesen des Organischen, sondern von den Merkmalen, von den sinnlich erfahrbaren biochemischen Prozessen, von den Phänomenen her, nämlich als eine Anomalie der Chemie(505). Für den spirituellen Satanisten ist - umgekehrt - ein chemischer Prozeß, um bei dem nämlichen bildlichen Vergleich zu bleiben, bloß Teil des Organischen (Ablaufs) und das Anorganische bloß Abfall, ein Herausfallen aus dem Organischen, oder Abseits vom Organischen.

Geht man weiter auf diese äußerlich naturorientierte Weltanschauung des Bösen ein, dann kann direkt auf die sogenannten Grundkategorien der Natur zurückgegriffen werden, die auch von der modernen Naturwissenschaft so vorausgesetzt werden. Das sind einerseits Raum und Zeit(506), und andererseits Materie und Energie, wobei die beiden Letzteren von der modernen Physik per definitionem wiewohl empirisch (trotz aller Veränderlichkeit, d. i. Wandelbarkeit) als "ewig" (an sich - quantitativ/substanziell(507) - unwandelbar, ewig "seiend") vorausgesetzt werden(508). Das mehr Ineinander als Nebeneinander dieser zwei unwandelbaren "Ewigkeiten" der Materie und Energie(509) wird meistens logistisch vorausgesetzt(510), da man eine einzige absolute Ewigkeit anzunehmen geneigt ist, und die Atomphysik inzwischen auch Nachweise des Übergangs zumindest von der Materie zur Energie erbracht hat(511), so daß dieser Teil übersprungen werden kann, wenn sodann z. B. Hegels Raum in Zeit übergeht.

Etwas kniffliger ist die Zeitbedingtheit - im Sinne von Zeitlichkeit - alles Materiellen wie auch Energetischen der sinnlichen Wahrnehmung(512), wodurch sich auch Raum als zeitbedingt erweist(513). Die vielzitierte Einsteinsche Gleichung (e = m x c5, oder verbalisiert: Energie = Masse Mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit) veranschaulicht(514), daß eine Veränderung im Raum von der Energie und Masse (Materie) als Variablen abhängt, wobei im mathematischen Abstraktum auch das Kausalprinzip (Materie oder Energie als das Ursächlichere) variabel erscheint. Einstein hat auch nicht gezögert die Vorstellung des absoluten Raumes und der absoluten Zeit, d. h. der absolut gleichförmig ablaufenden Zeit(515), als unhaltbar nachzuweisen(516), so als sei die absolute Zeit und Raum nur analog axiomatisch vorauszusetzen, wie die absolute Gerade, absolute Parallele, der absolute Punkt und die absolute Einheit, bzw. Zahl, in der Geometrie und Mathematik(517).

Versucht man nun Raum und Zeit einerseits, sowie Materie und Energie andererseits, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so zeigt sich, daß die zwei - für den Naturalisten - "ewigen" (unvergänglichen) Komponente des (natürlichen) Daseins, nämlich Materie und Energie, so wie sie in ihrem Dasein unwandelbar sind, so sind sie in ihrem Sosein wandelbar, gleichsam die Manifestation der ewigen Wandlung schlechthin. Sind also Materie und Energie die höchsten Kategorien des Daseins, so sind Raum und Zeit die höchsten Kategorien des Soseins(518)(der Wandlung). Und so wie der Kausalzusammenhang zwischen Materie und Energie das Ventil war für das Begreifen, so ist er nun das Ventil zwischen Dasein und Sosein.

Es sollte sodann ersichtlich sein, daß der naturalistisch am Naturbild weltanschaulich orientierte Satanismus mit seiner Zweiteilung in der Annahme des teuflischen Wesens, nämlich als real und unreal, den aufgezeigten zwei Grundkategorien, Materie und Energie, bzw. Raum und Zeit, entsprechend, die nämliche unwillkürliche Zweiteilung vornimmt. Je nach dem, ob er das Materielle vom Energetischen oder das Energetische vom Materiellen her bestimmt voraussetzt, hält er den Teufel für real oder unreal(519). Etwa entsprechend dem, ob er - umgangssprachlich - den Weltraum (Kosmos) als (materielle) Leere oder als (energetische) Fülle(520)voraussetzt. Anders ausgedrückt, kann das Böse entweder als eine stoffliche oder als eine energetische Anomalie, also entweder als eine quantitative oder qualitative Anomalie betrachtet, und je nach Beobachterposition für real (wirklich) oder unreal (surreal) gehalten werden, ohne daß dieser Satanismus-internen Kontroverse, etwa in der Art, ob das Huhn oder das Ei Kausalursache war, der Theologe etwas abgewinnen könnte(521). Für den Theologen ist die physisch verfügbare oder sonstwie allzu unmittelbare Energie das nämliche Sekundär-Mentale, das er für das Böse hält, zumal in dieser autonomen Form als (vorgeblich) letzte Ursache.

Analog ist dem Materialisten Zeit nur im Raum vorstellbar(522), d. h. greifbar, und ist für ihn die Zeit von dem Raum her bestimmt(523) (weil ohne räumliche Orientierung wäre Zeit nicht meßbar, d. h. nicht faßbar)(524). Der Spiritualist kann hingegen Raum nur als zeitbestimmt, als die Funktion der Zeit vorstellen(525), und mehr oder minder bewußt die Zeit mit "Gott" (als "Höhere Gewalt") gleichsetzt(526) (indem er den Raum als "Zeitlichkeit" schlechthin auffaßt(527)). An einem naturwissenschaftlichen Vergleich könnte dieses Dilemma veranschaulicht werden, wenn das sogenannte elektromagnetische Feld herangezogen wird. Die neuere Physik hat nämlich gezeigt, daß die zunächst als unabhängige Kräfte erfahrene Elektrizität und Magnetismus sich stets gegenseitig bedingen und keiner der beiden Wirkkräfte ohne der anderen vorkommen kann(528) (Induktion). Jede Veränderung des magnetischen Feldes ruft unweigerlich eine elektrische Veränderung hervor und umgekehrt. Nur sind die beiden Kräfte immer senkrecht zueinander, also in einer anderen Dimension. Sie bilden aber eine unauflösliche Einheit(529). Sie sind die Einheit der Gesamtheit der Natur durchwaltenden physischen Kräfte, die zwei unabdingbare Hälften der Energie schlechthin.

2.2.2. Das Subjekt

Vor allem Hegel, im bewußtem Gegensatz zu dem statisch-raumorientierten Kant, unternahm es - Aristoteles äußerlich nachahmend - Gott und die Welt von der Zeit her zu erklären(530), oder wie er meint: zu begreifen(531). So ging er zunächst von der Definition des Punktes als Negation der Ganzheit aus, um die Ganzheit und überhaupt alle Oberbegriffe - logisch unzulässig - wiederum als die Negation der Negation(532) zu begreifen(533). Dieser Punkt repräsentiert für Hegel sowohl Raum wie Zeit und seine zentrale Bedeutung besteht in seiner Rolle als das Zentrale (Punkt) schlechthin definiert worden zu sein. In der Tat hebt Hegel nun die bisherige Welt mit diesem Punkt durch eine weitere Definition aus den Angeln(534), wonach nämlich dieser Punkt gegenüber dem Ganzen sich als ein anderer erkennt. Denn, so Hegel, sich als ein anderer kann der Punkt nur unter der Voraussetzung erkannt (begriffen) haben, daß er etwas außerhalb seines Selbst als ein anderer erkannt hat. Dieses Erkennen des Unterschieds als Unterschied schließt für Hegel ein doppeltes Erkennen, nämlich das Erkennen des Unterscheidenden durch das Erkennen des Unterschiedenen, ein(535). Also, keine Selbsterkenntnis(536)(als möglich) ohne etwas außerhalb vom Selbst, das auch noch vorher erkannt werden müsse, so daß das Absolute, das alles in sich schließend gedacht wird, "logisch", bzw. "definitiv" aus der Selbsterkenntnis ausgeschlossen ist. Selbst das Selbsterkennen des Punktes wird dahin relativiert, daß die Subjektivität des (dynamischen) Vorganges des Selbsterkennens eine Bewegung sei, die unmöglich dem Punkt selbst zukommen könne, der statisch vorausgesetzt wird, so daß die Subjektivität im Selbsterkennen lediglich ein ephemerer Schein ohne Wirklichkeit, und also der Punkt nicht wirklich Subjekt sei, sondern nur von der Religion irrig (als Schöpfer) dafür gehalten(537).

Des weiteren definiert nun Hegel den "Begriff" als den sich selbst begreifenden Punkt(538), also den berühmt-berüchtigten sich selbst denkenden Gedanken(539), der sodann als das Wesen des Geistes definiert wird, der aber pardoxerweise kein Subjekt sein kann(540), auch wenn der nämliche Punkt in der Folge als der Schöpfer erscheint(541). Der mittlerweile auf ein halbes Dutzend spekulative Definitionen gestützte Geist Hegels schreitet sodann zur Selbstoffenbarung(542), indem da - abgekürzt ausgedrückt - ein Unterschied zwischen dem wahren Begriff der Ganzheit über sich, und dem relativen Begriff des Punktes über die Ganzheit per definitionem konstatiert wird. Der wahre Begriff der Zeit steht über der Zeit, so Hegel, während der Geist sich als der relative, also unvollkommene Begriff der Ganzheit definiert. Daraus folgt für Hegel, daß die Existenz des Geistes ausschließlich durch ihre Unvollkommenheit (d. i. bei ihm einfach quantitativ die Nicht-Ganzheit) bestimmt ist, und in der Vollkommenheit der Geist sich zwangsläufig aufheben würde. Die Existenz des Geistes ist absolut durch seine eigene Unvollkommenheit bestimmt, bzw. ist die Unvollkommenheit des Geistes schlechthinnige Existenzvoraussetzung (seiner Existenz). Nichtsdestotrotz tendiert der Geist Hegels definitionsbedingt zur Vollkommenheit, nämlich wie zwei Linien einer im Koordinatensystem dargestellten Exponentialgleichung, die sich zwar theoretisch ebenso immer mehr annähern, wie sie sich sicher nie berühren, nie übereinstimmende Punkte besetzen können.

Diese hochtrabende und die Wissenschaftlichkeit - sozusagen als die graphische Linie der oben zitierten Exponentialgleichung - immer mehr annähernde aber nie erreichende Erklärung des Geistes, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als so gut wie deckungsgleich mit der Definition des Dämonischen und Satanischen(543) in der Theologie. Denn die sich selbst begreifende Zeit stellt Hegel über die Zeit(544) und noch mehr außerhalb dem Geist, als den Unterschied par excellence. Geist definiert Hegel als die Aberration im Selbstbegreifen der Zeit in seiner Negation (Punkt), als den Inbegriff der Unvollkommenheit, die ja dessen Wirklichkeit, die Realität der Existenz bedingte.

Zu Recht bemängelt auch Heidegger, daß die Herkunft der Weltzeit bei Hegel völlig im Dunkel bleibt und a priori vorausgesetzt, bzw. dann später als "schicksalhaft" hinzunehmend definiert wird. Deswegen muß der Geist Hegels "in die Zeit fallen", um zu "Sein", wobei er dieses Fallen (luziferisch, bzw. neuplatonisch als Emanation)(545) mit "Verwirklichung" gleichsetzt(546). Auf das Wesen der Verwirklichung als Unvollkommenheit, und das Wesen der Vollkommenheit als unreal, sowie auf die deckungsgleiche Definition Hegels für den "Punkt", "Zeit", "Raum", "Geist", "Begriff", "Selbst", "Gott", jeweils als "Negation der Negation", soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Lediglich die Bedingtheit des "Selbst" von der "Verwirklichung", also von der eigenen "Unvollkommenheit", verdient Aufmerksamkeit, womit die "Selbstverwirklichung" Hegels unmittelbar von der "Unvollkommenheit" abhängt, weil die Vollkommenheit von der Selbstverwirklichung, wie überhaupt aus jeder Wirklichkeit (als Realität), ausgeschlossen ist. Ansonsten kann die Summe der mit Negation der Negation bezeichneten Dinge (im Einzelnen und gemeinsam) mit der Feststellung beiseite gelassen werden, das sie schon deswegen ein spekulatives Husarenstück Hegels ist, weil logisch ein Unding. Sofern etwa der Punkt als Negation der Ganzheit als Ausgangsposition genommen wird, dann gilt die Negation des Punktes, das ist die Negation der Negation, nur für Hegel als wiederum die Ganzheit, nicht jedoch für den Rest der Welt. Auf keinen Fall jedoch für die Logik, zumal Hegel selbst den Begriff der Ganzheit von sich selbst und den Begriff der Ganzheit für die Nichtganzheit (Punkt) als wohlunterschieden definiert hat, und er die Negation der Negation sehr wohl detailliert von der Negierung der Nichtganzheit her begreift (so daß die Negierung der Nichtganzheit ebensowenig zwingend die Ganzheit ergibt, sondern eine andere Nichtganzheit(547), wie etwa das Leugnen des Leugnens die Wahrheit ergibt, oder der Widerspruch zum Widerspruch Gott: der Hegelsche Terminus "Negation der Negation" täuscht zwar die "doppelte Verneinung" als Affirmation vor, ist aber in Wirklichkeit eine verdoppelte Verneinung, und keine - affirmative - doppelte Verneinung). Hegel hat vordefiniert, daß der Begriff der Ganzheit über sich selbst ein anderer ist, als der Begriff des Punktes über die Ganzheit, woraus zunächst Zwingend ein Unterschied in den beiden Nichtganzheiten zu konstatieren ist, so daß die Frage im Raum schwebt, welche Nichtganzheit der Punkt negieren muß, um zu wirklicher Ganzheit zu mutieren, bzw. welche Ganzheit kann die negierte Nichtganzheit meinen. Ob der Punkt die Ganzheit als wirklich begreifen könnte, um die wirkliche Nichtganzheit zu negieren, oder ist der Punkt durch den unvollkommenen Begriff der eigenen Nichtganzheit unmöglich selbige so negieren kann, um wirklich die Ganzheit zu repräsentieren. Feuerbach nämlich wird später in der Kritik der Theologie, aber auch (zugleich implizit) der Philosophie, den Gedanken aufwerfen, daß die Nichtganzheit, das begrenzte Bewußtsein (d. i. die Negation der Ganzheit bei Hegel), unmöglich die Ganzheit (Unbegrenztheit) fassen kann, am wenigsten durch Gegenüberstellung mit der eigenen Nichtganzheit (Negation der eigenen Nichtganzheit, mit Hegel(548): "Negation der Negation"), weil jede Nichtganzheit nur so viel von der Ganzheit fassen kann, wie er selbst ist, so daß alles über den Punkt hinausgehende für den Punkt - als Erkennender - jenseits des Erkenntnishorizontes steht und daher unmöglich erkennbar ist. Aus der Hegelschen Definition der Negation, bzw. des Punktes, folgt die Unmöglichkeit die Ganzheit vom Punkt her als Wirklichkeit zu begreifen. Selbst die innere Logik der Sprache setzt voraus, daß die Negation der Negation niemals Wirklichkeit begreifen kann, sondern nur eine utopische, imaginäre Möglichkeit. Das gesamte System Hegels, mag es abstrakt für sich ein geschlossenes Ganzes bilden, es ist aber nicht wirklich, und mit der Wirklichkeit, im Gegensatz etwa zur Mathematik, auch nicht vereinbar, weil die Voraussetzungen (axiomatische Apriori) nicht der Wirklichkeit adäquat sind, und die von Hegel spekulativ vordefinierten Scheinwirklichkeit naturgemäß sogar miteinander im Widerspruch stehen. Vergeblich versucht also Hegel die inneren Widersprüche mit immer neuen Definitionen zu überbrücken, die letztlich doch zu einer Vermehrung der Widersprüche führen. So definiert auch Hegel vergeblich noch so spitzfindig, "daß das Endliche den Unterschied in sich trägt, daß es »das andere seiner selbst« ist; daß diese Negativität - diese »Unruhe«, die das Endliche über seine Grenzen hinaus treibt (W 5,138) - »der einfache Punkt der negativen Beziehung auf sich [...], die dialektische Seele« ist, »die alles Wahre an ihm selbst hat, durch die es allein Wahres ist«; daß »Alles Konkrete, alles Lebendige« in sich »dieser Widerspruch« ist:"(549), die so definiert vorausgesetzte (neuplatonische) monistische Einheit(550), die das Endliche (Punkt) als "das andere seiner selbst" in sich trage und daher über sich hinaus strebe, kann - unter den Hegelschen Bedingungen - von der Ganzheit nur ein Begriff haben, ohne die Ganzheit wirklich begreifen zu können. Und da ist noch gar nicht vom Unterschied im Begreifen und Erkennen die Rede.

Weil Anselms axiomatischer "Beweis" Gottes - besonders in den aufklärerischen Rezensionen "seines" sog. ontologischen Gottesbeweises - etwas unglücklich Gott "als das Größte was man sich denken kann" definiert(551), folgt daraus noch lange nicht, daß das Größte, was sich Hegel so denkt, auch tatsächlich Gott ist. Am wenigsten dann, wenn er die Wirklichkeit des Gedachten a priori leugnet. Anselm hat nämlich ausdrücklich die Wirklichkeit(552)(Dinglichkeit) zu der nämlichen Bedingung der Vollkommenheit gemacht, und meinte, daß nur der vollkommenste aller Möglichkeiten an Gedanken auch tatsächlich ("natürliche", existentielle) Wirklichkeit habe, so daß die Wirklichkeit das schlechthinnige Kriterium der Vollkommenheit sei. Offenbar deswegen meidet Hegel also den Namen Anselms direkt zu nennen, wenn er dessen halbe Wahrheit entlehnt, um seine zentrale Idee über seinen halbstarken Gott, der ganz und gar unwirklich ist, darauf zu gründen. Denn Hegels Vollkommenheit setzt die mangelnde Existenz unabdingbar voraus, und keine dingliche (existenziale) Wirklichkeit kann je vollkommen sein.

Wichtig scheint in unserem Zusammenhang, daß für Hegel das Wesen des Geistes "Begriff" meint, und der Begriff ein Begreifen als Selbst (durch den Unterschied zum Selbst), den sich selbst denkenden Gedanken, meint(553). Daß Hegel selbst seinen (absoluten) Geist als mit sich selbst (nämlich mit der eigenen Vollkommenheit) im permanenten Widerspruch, also als endlich, charakterisiert(554), als das unüberwindbare Hindernis des eigenen Zwecks, nämlich sich selbst (ganz) zu begreifen. Daß die Verwirklichung des Geistes für Hegel ein "harter, unendlicher Kampf gegen sich selbst" ist, weil die Selbstbestimmung des Geistes, vollkommen (als die Ganzheit) begreifen zu müssen, trotz der ständigen Annäherung, ein Unding (absolut unmöglich) ist. Daß aber der Geist solange existiert, bis das Unmögliche erreicht, und von ihm die Zeit, die nur von sich selbst vollkommen begriffen werden könne, vom (aus der Zeit-Ganzheit herausgefallenen) Geist vollkommen begriffen ist.

2.2.3. Der Kosmopolit

Diesen Geist des Widerspruchs definiert Hegel sodann als den Geist der Geschichte(555), weil für ihn die Geschichte "definitiv" eine Geschichte des Geistes ist. Der Geist ist - nach Hegels historizisierendem Konzept - im Abendland, namentlich im Christlich-Germanischen, zur Vollendung gelangt, um den Weg alles (hegelianisch) Vollendeten (in die Auflösung, bzw. Aufhebung) zu gehen(556). Dergestalt ist für Hegel das Christentum die Religion der Vollendung schlechthin(557), denn schon mit dem Eintritt des Christentums in die Welt diese zum Geist (des Widerspruchs und des in der Unvollkommenheit vollendeten Geistes) befreit worden sei, nämlich von der "Selbst-losigkeit" des Heidnischen.

Weil Hegel eine Orientierungsgröße der modernen Geistesgeschichte schlechthin ist, und die Welt seiner Gedanken in seiner Geschichtsphilosophie komprimiert ist, die - nach ihm - eine Philosophie der Geschichte des Geistes ist(558), kann hier mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß der nämliche Geist (das "Absolute als Weltgeist")(559), den er ausdrücklich als christlich vorgibt, von ihm direkt und unmittelbar aus der Zeit abgeleitet ist(560). Diese Zentrierung der Zeit an sich in der Philosophie und Lebenswerk Hegels kann als der Angelpunkt für die Auseinandersetzung mit dem Bösen genommen werden, denn Hegels Beschreibung des Geistes an sich deckt sich mit der Beschreibung des Teufels in der Theologie(561), bzw. ist die Überlappung so groß, daß von einer faktischen Deckungsgleichheit gesprochen werden kann(562).

Raum, also Schöpfung, ist für Hegel, wie für alle luziferischen Gnostiker, die Verwirklichung des höchsten Wesens, nämlich durch Herabsinken (Abfallen, Herabstürzen) in die Existenz, in die Materie, d. h. durch Herabsinken des Subtilen zum Stofflichen(563), zur Existenz. Dies höchste Wesen ist für Hegel die Zeit, wobei die sich verwirklichende Zeit immer nur ein Teil der Ganzheit sein kann(564) (das Überzeitliche wird zwar bei Hegel per definitionem verbal vorausgesetzt, bleibt aber völlig im Dunkel, so als sei die Zeit an sich die Manifestation des Überzeitlichen), der sich selbst (als davon unterschieden) begreifen kann. Um aber Mißverständnisse zu vermeiden, sei hier darauf hingewiesen, daß Hegel zwar - wie alle Gnostiker vor und nach ihm - ebenfalls eine eigene chiliastisch-eschatologische Linie vorgibt(565), aber es hier vorrangig um seine allgemeingültige Rückkoppelung an die Zeit - als die schlechthinnige Ausgangsgröße - in der Theorie geht, und weniger um seine persönliche (subjektive) Ableitung des obligat Chiliastischen, bzw. Eschatologischen(566).

Die große Schwäche und Stärke der von Hegel absolutgesetzten Zeit ist die nur a priori definierte "vorhandene Begrifflichkeit" der Zeit(567). Denn zuvor erklärte Hegel das Begreifen aus der Relation(568) (zum Unterschied), woraus zwingend folgt, daß ein absolut alles in sich Begreifende, der nichts außerhalb von sich hat, also nichts von sich unterschiedenes, wie der absolutgesetzte Natur-Begriff des Gnostikers, der wirklich alles nur als in sich selbst vorhanden begreifen müßte, der kann unmöglich sich selbst (nämlich als Selbst) begreifen, außer - natürlich - per definitionem (a priori)(569) von außen(570). Begreifen setzt - in den Definitionen Hegels - Abgrenzung voraus, so daß etwas absolut Unbegrenztes nicht als Selbst begriffen werden kann. Am wenigsten aber kann sich Hegels Grenzenlose, geht es nach Hegel, sich selbst (als Selbst) begreifen. Deswegen definiert Hegel das sich selbst Begreifen als Unruhe und Unfreiheit, die gegen das unendliche Begreifen tendiert, wo sich dann alles Existierende aufhebt, bzw. aufheben würde, wenn es (außer in der Zeit) erreichbar wäre(571).

2.2.4. Der Spaltgeist

Deswegen kann für den Gnostiker, hier konkret für Hegel, das Absolute, das alles nur innerhalb von sich selbst begreifen könnte(572), keine Personalität (die im gnostischen Sprachgebrauch das Selbst meint) haben. Wenn Heidegger meint, daß das Grenzenlose (das Absolute) wohl Bewußtsein habe, während Selbstbewußtsein nur einem Teil der Ganzheit (in der Relation) vorbehalten ist, dann spricht er von der Ganzheit als Unperson (Selbst=Person), weil sonach nur ein Teil der Ganzheit Personalität (Selbst) haben kann.

Deswegen wohl kennt Hegels Jesus, wie der Jesus des - von Hegel als sein Vorläufer hochgelobten - Jakob Böhme, keinen eigentlich persönlichen Gott, weder als Vater, noch als Sohn(573), und "Der Glaube an das Göttliche stammt also aus der Göttlichkeit der eigenen Natur"(574). Hegel widerspricht sich aber vollends im Konzept, wenn er einerseits der Vollkommenheit der Zeit - im Gegensatz zum in die Zeit gefallenen und sich selbst dort verwirklichenden Geist - das Wort redet, und andererseits das eschatologische Ende des Christentums durch die Verwirklichung ebendieses Geistes (in der Zeit) postuliert. Hegel meint zwar zum Ausdruck gebracht zu haben, daß am Anfang der Zeit die Verwirklichung des Unvollkommenen die Manifestation (d. i. die materielle Existenz) bedeutet, aber am Ende der für den Geist bestimmten Zeit die gleiche Verwirklichung so nahe an die Vollkommenheit herangereicht sei(575), daß schon alles wieder aufgehoben werden könne und müsse(576).

Der Gipfelpunkt der Entwicklung vor der Talfahrt des Geistes war für Hegel die Französische Revolution und die Vermittlung(577) des Geistes durch Rousseau, bis auf der allerletzten Stufe der Geschichte des europäischen Geistes sich endlich der "reine freie Wille" hervorbringt, "der sich selber will und weiß was er will". Der Mensch stellt sich damit zum ersten Mal "auf den Kopf", und das Geschehen in der Welt wird identisch mit dem Gedanken der Philosophie. "[...] Die sogenannte Säkularisierung des ursprünglichen Christentums - seines Geistes und seiner Freiheit - bedeutet also für Hegel keinen verwerflichen Abfall von seinem ursprünglichen Sinn, sondern im Gegenteil: die wahre Explikation dieses Ursprungs durch seine positive Verwirklichung. Und wie die Geschichte der christlichen Welt eine Bewegung des Fortschritts ist über die Antike hinaus, so ist sie auch die wahre Erfüllung der Sehnsucht der alten Welt. Die griechisch-römische Welt ist in dem christlich Germanischen aufgehoben [...]" Also wie das Christliche die Antike Vollendet und dem Untergang geweiht hat, so ist im Germanischen die Vollendung des Christlichen nach Hegel zu sehen(578), wenngleich Hegel da etwas schwammig formuliert.

2.3. Das personale Böse

Das zweite Kriterium der Unterscheidung im Satanischen ist die Frage der Personalität. Diese kann natürlich aus der Weltanschaulichen Sicht kaum angenähert werden, denn das christliche Weltbild von einer realen Substanz durchwaltet ist, die in der weltanschaulichen Dimension zur Gänze fehlt(579), bzw. ausgeblendet (geleugnet, oder "uminterpretiert") ist(580). Kant hat einmal den Unterschied so formuliert: "Der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott", womit er gar nicht so Unrecht hatte(581). Aus der Sicht des Theologen ist die mangelnde Akzeptanz gegenüber dem Urheber des besagten Lebens das an sich Böse, und eine Typologie richtet sich nach dem Grad oder Art und Weise der Leblosigkeit.

Die Theologie geht von der substantiellen Wirklichkeit der (für die Natur) transzendenten Energie aus(582), die auch eine sinnlich wahrnehmbare Lebensform ursächlich bewirkt (vgl. 1 Kor 1,24; 4,20), während der Gottesleugner Leben nur als Sekundärursache(583) (hinter dem Sein) auffassen kann(584). Der Theologe nimmt das werdende Leben so in der Primärursache vorgegeben, wie im aufkeimenden Samen auf der materiellen Ebene (vgl. Mt 13,18-13,39; Mk 4,1-31). Analog ist dem Theologen das Sozialgefüge etwas Vorgegebenes, und zwar wohl in Entwicklung begriffen, aber gerade deswegen nur als organische Wirklichkeit, lebendig im wahrsten Sinne des Wortes. Liebe ist nicht geworden, sondern sich fortschreitend manifestierend. Liebe kann nicht entstehen und ebensowenig vergehen (1 Kor 13,8), sonst wäre sie nicht. Allerdings kann sie von dem Seinsbegriff der Philosophen und von der Ontotheologie(585)(Ontosophie(586)) nicht eingefangen und verfügbar gemacht werden. Diese Unverfügbarkeit nämlich dessen, der über alles verfügt, ist der sprichwörtliche Stein des Anstoßes (Lk 20,17-18; Ps 118,22), der Anlaß zum Widerspruch, Grund der mangelnden Akzeptanz, der Ansatz des sogenannten Bösen (zum Widerspruch). Der scheinbare Widerspruch zwischen Autonomie des lebendigen Individuums einerseits, und Heteronomie alles Lebens an sich andererseits, überfordert das Selbstempfinden eines in Entwicklung befindlichen Bewußtseins(587), das (noch) mit dem Unterschied von Autonomie und Souveränität nicht umgehen kann(588) (Sündenfall, die sog. Erbsünde). Das Böse ist, soweit die Personalität als das Kriterium und die Ebene der Beurteilung herangezogen wird, sozusagen ein autonomie-nonkonformes Bewußtsein, die Usurpierung der Souveränität durch die Autonomie (der Vernunft), die Revolte gegen die Heteronomie alles Lebens im Namen der Individualität. Die entfesselte, die (von der Realität) entbundene Vernunft. Die von Kant zynisch als angebliche "Mündigkeit"(589) postulierte Akkulturation. Die Opposition der Vernunft zur Realität; wobei die (subjektive) Realität(590) (gegenüber der objektiven Wirklichkeit) sich (für gewöhnlich in der Zeit) - mit den zur Rede stehenden ("das Böse" genannten) fatalen Folgen - verschiebt. Das an das Personale schlechthin gebundene Phänomen (das Böse), zumal an die Vernunft geknüpft ("gebunden"), die Theologen in der Person, Gnostiker jedoch - aus dem nämlichen Grunde - auch in der Unperson(591) (Natur) voraussetzen. Kurzum: Immer wenn die an die Personalität gekoppelte Vernunft in der nämlichen Verbindung einen Mangel der Vernunft als Mangel der Person fehlinterpretiert, spricht der Theologe vom (personalen) Bösen, weil nicht die Personalität (des Bösen) an sich ist mangelhaft, sondern die daran gebundene Vernunft, das Bewußtsein der (mangelhaften) Vernunft über die Personalität.

Den lebendigen Gott zu akzeptieren bedeutet sonach von ihm und für ihn zu leben, im eigentlichen Sinne zu leben, während die mangelnde Akzeptanz das Absterben (vom Leben im lebendigen Gott) besagt, dessen auch mehrere Varianten gibt. Um aber an den über die Satanisten - aus der Sicht der Satanisten - bisher Gesagten nicht vorbeizugehen, könnte einfach das Böse in der Theologie typologisch in die vorchristliche und nachchristliche Widersacher Gottes eingeteilt werden, die landläufig unter dem Namen Atheist (eigentlich Gottloser) und Antichrist bekannt sind. Doch diese Einteilung wäre auch der biblischen Beschreibung des Teufels, die in der Offenbarung drei Abstufungen (Off 12,1-13,18: Satan, Antichrist und falscher Prophet) aufzählt, scheinbar nicht auf Anhieb ganz gerecht.

2.3.1. Der Widersacher

Allgemeinverständlich definiert sich das Böse als der Gegensatz, der Widerspruch zum Guten (das Ungute), und zwar so, daß - zumindest in der Theologie - diese Aussage nicht (direkt) umkehrbar ist(592). Der simpelste profan umgangssprachliche Ausdruck für den höchsten Wert der Religion, für das höchste Gut, ist Bindung (Hebr 4,14-10,18; vgl. Mk 14,24//Mt 26,28; Lk 17,2; 22,20; Apg 3,25; Röm 9,4; 11,27; 1 Kor 11,15; 2 Kor 3,6.14; Eph 2,12; 10,29; 13,20, und im AT: der Bund mit Noah in 1 Mo 6,18; 9,1-17; der Bund mit Abraham in 1 Mo 15,1-21; 17,1-27; 2 Mo 2,24; der Bund mit Mose in 2 Mo 19,1-24,18; der erneuerte Bund in Hes 16,8-60; Jes 42,6; Hos 2,18-25). Die christliche Religion geht davon aus, daß die höchste und reinste Form (und zugleich Inhalt) der Bindung, das eigentliche (wahre) Wesen der Bindung, die Liebe ist, die einzig wahre (reine) Form der Bindung, in dem Gott selbst manifestiert ist, bzw. in dem sich (seiner Natur gemäß) Gott selbst (persönlich) manifestiert, denn er ist Liebe (1 Joh 4,8). Aus dieser Sicht der Dinge kennt und anerkennt die christliche Religion abgewandelte Formen der Bindung, die trotz gelegentlichem, oder durch die Schwachheit des Menschen sogar permanenten Mißbrauch (Sünde) die Existenzvoraussetzung (des Daseins) sowohl im Jenseits wie im Diesseits, bis in den profansten Teil des Alltags hinein, sind.

Das umgangssprachlich beschriebene Böse definiert sich also aus der Sicht der christlichen Religion als die Abweichung von der oben beschriebenen "sozialen" Grundposition(593) (der Bindung(594)), die Opposition zur Gebundenheit (in der Liebe), wobei die Theologie sowohl aus den geoffenbarten, wie auch von den tradierten Erfahrungsschätzen her den Standpunkt zu vertreten sich gezwungen sieht, daß bei den beiden genannten Größen um sich gegenseitig ausschließende konträren Wertvorstellungen handelt, die jeweils für sich Absolutheitsanspruch erheben, bzw. dies ihnen jeweils unabdingbar innewohnt (wie Leben und Tod). Aus der Sicht beider geht es in der alltäglich kontroversiellen Auseinandersetzung im wesentlichen nur darum, welche von Beiden den anderen gewissermaßen mit einschließt, um den Absolutheitsanspruch legitim zu vertreten, und welcher ist der "abgefallener" Teil des Absoluten. In dieser Fragestellung zeigt es sich, daß das Gute durchaus neben sich das Böse kennt und als solches anerkennt, den er aber - bis auf die sprichwörtliche Ausnahme - als einen gewissermaßen verlorenen und wiederzugewinnenden Teil beansprucht. Das Böse hingegen anerkennt das Gute nicht neben sich, nicht als solches, sondern höchstens als einen mit ihm "einvernehmlich (zum Ganzen) verbundenen" Teil. So verhöhnt das Böse den Absolutheitsanspruch des Guten, der selbst offen zugibt, das mit ihm Unvereinbare auszugrenzen. Das Gute wiederum mahnt vor dem trügerischen Schein der vorgeblich absoluten Einheit im Bösen, das angeblich nichts und niemanden ausgrenze, das aber zu diesem Zweck das wirklich Gute aus der Welt schaffen, total ausgrenzen müßte ("provisorisch" durch das Leugnen der Existenz des eigentlich Guten, das die absolute Ausgrenzung ist), ohne das offen zuzugeben. Dieses auch das nämliche Gute in sich miteinschließen zu wollen, das jedwede Böse von ebendiesem Guten ausgrenzt, ist solange ein logisches Unding, bis das nämliche wirklich Gute, so wie das wahrhaft Gute (der Theologie) sich selbst definiert, auch tatsächlich (wirklich) ist. Nur durch die Leugnung des an sich Guten in dessen Eigendefinition als überhaupt existent, ist der Absolutheitsanspruch, die duale Einheit von Gut und Böse(595)(im Bösen), überhaupt logisch denkbar. Anders ausgedrückt: Das Böse rechtfertigt seine dem Guten konträre Eigendefinition des (relativ) Bösen durch die Umdefinierung des (somit geleugneten) Guten. Die weltanschauliche Entfremdung des Guten durch das Böse, die Legitimierung des Bösen als "halb so schlimm", ist aber das Hauptcharakteristikum des Bösen aus dem Gesichtspunkt des (wirklich) Guten.

Vor dem theoretischen Hintergrund dieses (quer über die Jahrtausende) prolongierten Geplänkels manifestiert sich die permanente Auseinandersetzung der alltäglichen Praxis in dem Für-und-Wider zur (persönlichen) Bindung. Das Gute lebt von und für die Bindung, versteht Freiheit proportional zur Bindung (Röm 6,15-22; 1 Kor 9,19; vgl. Phil 2,7), bildlich symbolisiert etwa durch die Nägel im Kreuz Christi, allerdings als eine andere Dimension (Jenseits). Das Böse versteht demgegenüber Freiheit als Losbindung(596) (nicht zu verwechseln mit "bindungslos") und Lieblosigkeit (assoziiert mit Individualität, bzw. Fürsichsein) als die "Natur" des ("vernünftigen") Absoluten(597). Das genannte Paradoxon in der Position des Bösen ist, daß die Utopie der Bindungslosigkeit einen Weg mit bösen Überraschungen dem Adepten verheißt, den er gewiß nicht ginge, wenn er nicht sozusagen "absolut" an die Bindungslosigkeit gebunden wäre(598). Diese trübe Suppe der "Bindung" des Bösen an die Ungebundenheit versucht nun das Gute dem Bösen zu versalzen, während das Böse insb. mit Pseudobindungen als Umgehung der Bindung kontert.

2.3.2. Das 1001. Reich

Aus den bisher Gesagten ist nicht nur für Theologen und Gläubige, sondern aus Vernunftsgründen einigermaßen ersichtlich, daß keine lebensfähige politische Ordnung offen und auf Dauer Position gegen die Bindung beziehen kann, womit in dem hier sogenannten Bösen jede Politik (als Handhabe der allgemeinen Bindung) und jede wohlverstandene Religion (als verinnerlichende Vergegenwärtigung der allgemeinen Bindung) einen gemeinsamen Feind hat. Mit der Einbeziehung der Politik in die Betrachtung empfehlt es sich nun differenzierter vorzugehen und zumindest teilweise zu theologischen Ausdrucksweisen zurückzukehren. Es soll ein Versuch unternommen werden, die Struktur des logistischen Aufbaus der Untersuchung zu skizzieren.

Im Zentrum des didaktischen Vorgehens ist das Hervorheben der markantesten Punkte eines seit Jahrtausenden währenden Stellungskampfs der Geistesgeschichte. Es klingt zunächst vielleicht zu theoretisch, daß die wichtigste Komponente einer jeden Bindung die Zeit ist (Mk 1,15; Lk 21,8; vgl. Apg 3,21), und so faktisch jede Bindung an der Zeitkomponente am einfachsten und verbindlichsten beurteilt werden kann. Im Alten Testament kann die Zentrale Stellung der Zeit im sog. Dekalog (2 Mo 20,1-17; vgl. 2 Mo 20,22-23,19) gezeigt werden, wo das Sabbatgebot an erster Stelle steht und faktisch besagt, daß - simpel ausgedrückt - alles räumliche Geschehen nach der Zeit verbindlich auszurichten ist (alles zu rechten Zeit ist Leben und zu Unzeit der Tod), womit die Zeit gewissermaßen über den Raum gestellt wird(599). Die Positionierung des Sabbatgebotes an erster Stelle im Dekalog bringt formal zum Ausdruck, daß bei der Bindung an Gott, nicht für Gott, sondern für den Menschen, an erster Stelle die Zeit steht. Auch etwa wenn die Übertretung des Sabbatgebots mit dem Tode bestraft wird, bringt zum Ausdruck, daß der Abfall vom Bund vor dem lebendigen Gott dem Tode gleichkommt, und der Sinn eben zeitbedingt ist: gestörte Zeit bedeutet den Tod.

Inhalt der Bindung (d. i. im AT das Gesetz) ist Liebe (Gott, vgl. 1 Joh 4,8) und das Gesetz ist die Form (Heb 10,1), wobei natürlich der Inhalt aus der christlichen Sicht absolute Priorität hat (vgl. Heb 7,12; 8,4), zumal sie der (äußeren) Form vorangeht (weil innen mit der Form eins ist). Und weil der Inhalt allein vollkommen ist, kann der Form (Gesetz) nichts und niemand außer dem Inhalt (Gott in Christus) selbst gerecht werden (Röm 8,2-7). Wenn jedoch im mosaischen Gesetz die Allgemeinheit des Volkes Israel an die Form (Gesetz), und dadurch mittelbar an den Inhalt (Gott) gebunden wurde, so ist die Bedeutung des Christus und die sog. Überwindung (Röm 10,4; Gal 3,24) des Gesetzes (Form) die, daß der Inhalt (Gott) als König (stellvertretend) die Gestalt des gebundenen Volkes annimmt (Gal 4,4), weil nämlich der Form (Gesetz) nur der Inhalt (Gott) selbst wirklich gerecht wird. Durch das Christusereignis wird die Form (Gesetzt) nicht aufgehoben, sondern erfüllt (Mt 5,17-20; Röm 3,31), nämlich stellvertretend für das Volk durch den Christus vollkommen erfüllt, so daß von da an das Gottesvolk nicht mehr direkt an das Gesetzt (Form) und dadurch indirekt an Gott (Inhalt) gebunden ist (Röm 10,4), sondern durch Christus direkt an Gott, der für das Volk (in Christus) das Gesetz erfüllt (Apg 13,38; Röm 8,2-7). Es geht also um den bibeltheologischen Grundsatz, daß jeder immer ausschließlich daran teilhat, woran er gebunden ist. Der in Christus an Gott gebundene Christ hat Anteil an der Erfüllung (Inhalt) des Gesetzes (Form) durch Christus und muß sich im wesentlichen nur mehr um seine Bindung an Christus kümmern, die auch für ihn persönlich (durch die Teilhabe an Christus) die Erfüllung des Gesetzes mit einschließt. Würde er sich nämlich nicht sosehr um seine Bindung an Christus kümmern, sondern selbst das Gesetz erfüllen wollen, könnte er das nicht (Röm 3,20; 8,3; vgl. Gal 2,16) und würde sich nur an seine eigene Eitelkeiten binden und die Bindung an Christus verlieren (Gal 5,4). Damit also, daß der Christ sich nicht mehr im Besonderen um äußere Erfüllung des Gesetzes (Form) bemüht, kommt nicht zum Ausdruck, daß das Gesetz und die Bindung an die Zeit aufgehoben seien, sondern vielmehr, daß es für ihn durch Christus erfüllt sei, und er sich nicht mehr darum eigens zu bemühen habe, außer die Bindung zu Christus zu erhalten. Methodisch besteht nun zwischen den beiden Bünden durch Mose und Jesu der wesentliche Unterschied, daß Gott sich über den Mittler Mose nur mit der Allgemeinheit verband (Bund mit dem Volk; Gott band den Einzelnen an die Allgemeinheit und damit an das Gesetz, und nicht an sich direkt), während in Jesus sich Gott an jeden einzelnen Band, so daß die Gesamtheit der Gebundenen das neue Volk ergibt. Nur ist die Bedingung nicht mehr die Bindung der Allgemeinheit an Gott, sondern der Bindung des Einzelnen (durch Christus) direkt an Gott (Gal 5,4.14).

Um aber die zwingende Notwendigkeit auch im Profanen einzusehen, daß nämlich die alterierende Zeit vor allem für den Bösen der Politik das schlechthinnige Charakteristikum ist, zumal ja Christus in der Zeit kam, muß eine theologische Typologie des Bösen vorausgeschickt werden.

Wenn eine Typologie des Bösen nach den Maßstäben der Theologie erstellt wenden soll, dann immer nur nach dem Kriterium eines gestörten Verhältnisses zur "Bindung" (Bund). Will also das Böse in Kategorien eingeteilt werden, müssen zunächst die Kategorien der Bindung untersucht werden. Es kann hier abkürzend die Rechtswissenschaft als die Disziplin für die Lehre über die Bindung im Profanen angenommen und die ihr eigene Unterteilung (als anschaulich genug) übernommen werden. Die Lehre der Rechtswissenschaft verwendet allgemein für Bindung die Begriffe "Verhältnis" oder "Beziehung", so daß der Gegenstand der Rechtskunde in zunächst zwei Gruppen eingeteilt ist, je nach dem, ob es um ein Verhältnis zwischen den Einzelnen, oder zu der Allgemeinheit geht(600). Ist im Bilde der Familie die persönliche Bindung (des Einzelnen) an Einzelne anschaulich genug, so kann die Bindung (des Einzelnen) an das Allgemeine etwa am profanen Beispiel der Vaterlandsliebe demonstriert werden, die zumindest theoretisch das genannte Verhältnis (in der Religion gilt die Liebe zum himmlischen Vaterland) zum Ausdruck bringt. Aus dem religiösen Standpunkt kann dem ergänzend hinzugefügt werden, daß die Bindung des Einzelnen sowohl über einen Einzelnen, wie auch über das Allgemeine (Kirche) erfolgt. Es geht nämlich weniger um den Gebundenen, und auch nicht darum, mit wem sich der Einzelne bindet, sondern um die Bindung (dazwischen), denn das Wesen der Bindung bleibt gleich.

Das soll und kann keineswegs die Undifferenziertheit der Bindung und der Bindbarkeit bedeuten, im Gegenteil. Jede authentische Bindung setzt gewisse unabdingbare Voraussetzungen voraus. Das bedeutet praktisch, daß so wie z. B. auch die Feinde vom Christen geliebt und nicht gehaßt werden sollen (Mt 5,43-48//Lk 6,27.35), so doch nicht, um mit dem Feind eine Bindung vor der Versöhnung einzugehen (vgl. Lk 10,19), sondern um vorweg auch nur einseitig versöhnt zu sein, damit im Falle der dann beiderseitigen Versöhnung die Bindung eigendynamisch sogleich zustandekommt, bzw. wirksam wird (die juristische Legaldefinition der Bindung im Profanen, grundsätzlich jedes zweiseitigen Vertrages, ist die Willensübereinstimmung, in unserem Fall also müssen beide Willen mit einem dritten Willen, nämlich mit dem Willen Gottes übereinstimmen, der will, daß die zwei sich lieben, daß sie sich um seinetwillen lieben, also binden: Joh 13,34-35; 15,12.17; 16,27; 1 Joh 2,10.15; 3,10-18; 4,7-16.20-21). Theoretisch bedeutet das gleichzeitig, daß ohne eine Bindung an den Nächsten, ohne wahre Nächstenliebe die Bindung an Gott, und auch die wahre Bindung an die Kirche Christi dingunmöglich ist. Aus der Sicht der Bibeltheologie ist absolut unmöglich, eine Bindung mit Gott einzugehen, ohne zugleich mit allen in Gott verbundenen verbunden zu sein, vielmehr setzt die persönliche Bindung an den jeweils einzelnen Nächsten die Bindung an das Allgemeine voraus. Und die Umkehrung, so als könnte die Bindung an die Allgemeinheit die Bindung an den einzelnen Nächsten legitimieren ist - in einem weiterem Sinne - vom Teufel, auch wenn dieser auf der Hand liegende Zusammenhang fälschlich zu der Verteufelung des alten Bundes am Sinai mit Moses, ja sogar zu der Verteufelung des Gottes des Alten Bundes bei den Gnostikern (Marcion), geführt hat. Nur wer sich an den "einzelnen" Jesus und dementsprechend an den "einzelnen" Bruder und Schwester bindet, ist dadurch - und nur dadurch - Teil der Allgemeinheit, und ist durch seine Bindungen an Einzelne an die Allgemeinheit gebunden (Gal 5,14). Der Grund warum die Theologen der Vernunft nur begrenzte Kompetenzen bei der Beurteilung dieser Zusammenhänge zugestehen wollen ist, daß die Bindung an den Nächsten als unabdingbare Voraussetzung der Bindung an die Allgemeinheit (Gal 5,14) nach außen den Schein erweckt, als wäre die Bindung an die Allgemeinheit nur eine mittelbare: dem ist aber nicht so (Mt 25,31-46). Bildhaft kann das etwa so veranschaulicht werden, als sei der Christ ein Gefäß (vgl. Röm 9,21-23; 2 Kor 4,7; 2 Tim 2,20-21), durch dessen Öffnung der Inhalt, in unserem Fall Gott, d. h. Gottes Liebe, direkt und unmittelbar zum nächsten Gefäß gelangt (Röm 13,8; vgl. Gal 5,14). Die Theologen sagen, daß so wie der Einzelne in Jesus Christus direkt Gott unmittelbar so gegenübersteht, daß die nämliche Unmittelbarkeit Gottes durch Christus Jesus, und nur durch diesen (1 Tim 2,5), "vermittelt" wird (Hebr 8,1-13; 9,15; 12,24), sozusagen die ansonsten dingunmögliche Unmittelbarkeit Gottes wird durch Christus - der mit Gott eins ist - zugänglich, genauso begegnet ein Christ auch schon durch die immanente Bindung Gottes durch Christus an jeden Menschen, in jedem noch so ungläubigen Menschen (durch Christus vermittelt) unmittelbar seinen Gott und Herrn (Mt 25,40.45; vgl. Joh 14,9; 15,23). Ähnlich wie eine Biene nicht anders kann, als - aus eigner Interesse - Blütenstaub zu sammeln und so gleichsam "unbewußt" die jeweils nächste Blume zu befruchten, so Befruchtet die menschliche Kommunikation - scheinbar nur in eigener Sache unterwegs - jeden Einzelnen mit Gottes Liebe, so als sei das Graue des allzu profanen Alltagsgeschäfts ein himmlischer Garten. Die Bibel spricht da mehr von Samen säen in den Acker (Spr 11,18; Sir 7,3; Jes 55,10; 61,11; Jer 31,27; Hos 8,7; Mt 13,1-23.37-39; Mk 4,1-9.14.26-31; Lk 8,4-8; 1 Kor 9,11; 15,36-44; 2 Kor 9,10; Gal 6,7; Jak 3,18; 1 Petr 1,23; 1 Joh 3,9), so als dankte die von der bereuten Sünde zerfurchte morsche Boden der menschlichen Seele mit der größten Frucht für Gottes Mühsal, aber für unseren profanen Gebrauch reicht der Blütenstaub als Analogie des christlich Unbewußten zum biblischen Sämann (Mt 13,1-23.37-39; Mk 4,1-9.14.26-31; Lk 8,4-8). Schließlich kann die Saat des Sämannes auch nur Früchte tragen, wenn sie zuvor selbst befruchtet wurde.

Wenn wieder auf ein naturwissenschaftliches Bild zurückgegriffen werden soll, um die Unterscheidung der persönlichen (einzelnen) und der allgemeinen Bindung zu veranschaulichen, dann kann die derzeit gängige Ansicht über die biologische Evolution herangezogen werden, wonach jeder biologisch komplexe Organismus als eine Entwicklungsstufe der Einzelle anzusehen ist, wobei dieses Verhältnis des Einzelnen zum allgemeinen Komplex relativ zur Zeit steht. Die Entwicklungsstufe des Organismus wird verallgemeinernd als zeitabhängig bestimmt, woraus der bestimmende Charakter des Zeitfaktors für die in Entwicklung begriffene menschliche Gesellschaft (in der Religion Heilsordnung und Heilsgeschichte genannt) folge, so als sei Entwicklung eine Funktion der Zeit, so als könne an der Zeitskale auch der exakte Ort der Entwicklung (zumindest rückwärts) verbindlich abgelesen werden. Etwas abgekürzt lautet das Resultat der theoretischen Überlegung so: Auch wenn die Entwicklung nicht zeitbedingt wäre, geht das Böse der Allgemeinheit immer davon aus, dem sei es so, und so manifestiert sich sein gestörtes Verhältnis zu der Allgemeinheit stets in seinem gestörten Verhältnis zur Zeit. Eine weiter ins Detail gehende Typologie der Zeit, als periodische und lineare Zeit, kann größere Übersichtlichkeit schaffen, um das gestörte Verhältnis zur Zeit besser fassen zu können, wobei natürlich beide als variabel weitere Kombinationen ergeben.

2.3.3. Das Wort

Außer einer Typologie des Bösen ist noch der kommunikative Charakter der Bindung als Denkvoraussetzung der Gesamtbetrachtung zu vergegenwärtigen, also die Bindung als Inbegriff der Kommunikation schlechthin. Die Bindung lebt gewissermaßen von und für die Kommunikation, die Bindung ist die manifeste Kommunikation. Ohne hier auf die Kommunikationswissenschaft näher einzugehen, kann die Kommunikation dem Begriff "Austausch" synonym verwendet werden. Denn Warenaustausch z. B. ist ebenfalls Kommunikation, ein Verhältnis, obgleich in der Moderne Kommunikation eher (assoziativ) auf eine Untergruppe der Kommunikation, nämlich Informationsaustausch, eingeengt wurde. Erst in jüngster Zeit, etwa bei Geldüberweisungen über das Datennetz, bekommt Kommunikation als Informationsaustausch wieder Substanzcharakter in der Sinngebung, auch in der Abstraktion. So kann also Nahrungsaufnahme auch als eine Spezialform der Kommunikation, wenn nicht die Urform (sprachlich konserviert in Ausdrücken wie "Geschmack haben", "zum Fressen gern haben" und ähnliches), verifiziert werden.

In diesem erweiterten Verständnis der Bindung kommt der Information als Verhältnis von Abstraktion und Realität zentrale Bedeutung zu, wobei die Abhängigkeit der Information von der Wahrnehmung auf der Hand liegt. Im Idealfall sind Wahrnehmung und Wahrgenommenes (Information) ident, und das bildet nun die ideale Voraussetzung der Kommunikation, während eine gestörte Wahrnehmung gewöhnlich eine gestörte Kommunikation bedingt. Demgemäß nimmt der optimal gebundene Mensch die Bindung (Liebe) als die schlechthinnige Voraussetzung seiner (als gesund vorausgesetzten) Existenz wahr, während der in seiner Bindung Gestörte die Bindung sozusagen als die Störung seiner Existenz wahrnimmt, und nicht was es real ist.

Der in seiner Bindung Gestörte weiß zwar abstrakt, daß die in ihrer Bindung Nicht-Gestörten der Bindung Priorität geben und in dieser Dimension einen Einzelnen (Ungebundenen, d. i. Unkommunikativen) gar nicht als (in ihrer Realität) Existent akzeptieren (ein Einzelner, d. h. Unkommunikativer, kann demnach kein richtiger Mensch sein, sondern macht sonach die Bindung, die Kommunikation den eigentlichen Menschen - gegenüber der simplen Anima - aus), er kann aber diese Form der (gebundenen) Existenz nicht real wahrnehmen, sondern ist gewissermaßen genötigt das für ihn subjektiv nicht Wahrnehmbare für objektiv unwahrnehmbar, und für die subjektiv-unreale Wahrnehmung der (ungestört) Gebundenen zu halten. Deswegen kann das sogenannte Böse stets seine eigene Aberration nur unter der Voraussetzung der - dem Guten unterstellten - mangelnden Realität negieren.

So setzt die Leugnung des Bösen das Leugnen des Guten voraus, auch wenn gerade die Satanisten mit Vorliebe zynisch darauf hinweisen, daß sie - durch ihre Existenz - aus der Sicht des Guten der (mittelbare) Beweis des Guten sein müßten. Der Satanist höhnt also, daß das Leugnen nonverbal immer den Geleugneten zwingend voraussetzt, weil kein Leugnen ohne den Geleugneten denkbar wäre. Nach den Gesetzen der Logik ist der Zusammenhang darin begründet, daß das Gut und Böse der Theologie sich auf der Ebene jenseits der Profanität befindet, nämlich im übernatürlichen Wesen der wahren (reinen) Liebe, deren Wirklichkeit auch nur teilweise geleugnet, wie z. B. durch die Leugnung des Bösen (Lieblosigkeit), die Wirklichkeit der ganzen Ebene (der Liebe), bzw. die ganze Ebene der Wirklichkeit (der Liebe), geleugnet wird.

Charakteristisch in dieser Relation ist, daß die Gebundenen, die im Mann-Frau Verhältnis ein Urbild der Bindung(601) ein Urbild der Bindung (Hos 1,1-3,5 vgl. Mt 9,15//Mk 2,19-20; Lk 5,34-35; Mt 25,1-10; Joh 3,29; Gal 4,21-31; Off 21,2.9.17), den Bundesbruch (sinnbildlich) als Ehebruch verstehen (vgl. Jer 3,1-13; Hos 1,1-3,5; Hes 16,8-60), und selbstredend die Bindung selbst, den Sinn der Bindung, in dem gemeinsamen Kind als dritte Person (physisch) manifestiert sehen (vgl. Mt 18,20), auf der Ebene der Allgemeinheit nur von der Personalität der Bindung (umfassende Liebe) ausgehen können(602) (versinnbildlicht im Christkind: vgl. Jes 7,14; 9,1-6; Gal 4,21-31; Off 12,1-5). Die Ungebundenen (Bindungsgestörten) können (und "wollen") hingegen keine (Substanz der Bindung und) Personalität außer sich selbst (und der natürlichen Person an sich) wahrnehmen (allenfalls nur gedanklich voraussetzen), und so - mehr oder minder aufrichtig - die Personalität des Bösen, allerdings nach der Negierung der Personalität des Guten, leugnen. Es wäre vielleicht an dieser Stelle zu prüfen, ob die Personalität nicht überhaupt ursprünglich und eigentlich - für die menschliche Erkenntnisfähigkeit - der Dritte im Bunde, nämlich der Bund selbst war (vgl. Mt 18,20), und ist so auf die zwei Gebundenen übertragen worden, so daß die Bindung die Denkvoraussetzung der Personalität überhaupt ist.

An dieser Stelle könnte es aber zu weit führen, die Faktizität und Bedingtheit der Person (an sich) in und durch die Bindung beweismäßig aufzurollen. Dem Theologen genügt die Feststellung, daß Bindung und Personalität sich gegenseitig bedingen und die Unperson eben außerhalb der Bindung zu orten ist(603). So kann der Theologe nur davon ausgehen, daß die gestörte Bindung zwar nicht der wohlverstandenen Bindung gleichkommt, aber auf gar keinen Fall mit einer Nichtbindung verwechselt werden kann, auch wenn dabei Phänomene der Bindungslosigkeit auftreten. Vielmehr gilt es für den Theologen, daß in der Zivilisation die von dem Bösen (unter dem Namen Freiheit) angestrebte Bindungslosigkeit dingunmöglich ist. Und eine gestörte Bindung gewissermaßen zwangsläufig die anderen Bindungen stört, ja gefährdet. Eine andere Frage ist die von den Theologen nicht nur geduldeten, sondern geförderten Pufferzonen, sog. scheinbar bindungsfreie Räume im Alltag, in denen die Bindung nicht unmittelbar und aufdringlich als Existenzvoraussetzung erscheint, um den zwingenden Charakter der Bindung nicht zu Unzeit aufzudrängen.

Sofern die zentrale Rolle der Wahrnehmung für die Kommunikation gleichsam als Wesen der Bindung gewichtet werden soll, so kann aus der Sicht der Theologie eine besondere Wahrnehmungsfähigkeit des sogenannten Gläubigen angenommen werden, die in der Kunst bildlich mit dem absoluten Gehör des Dirigenten vergleichbar ist. Oder wenn nicht so hoch gegriffen werden soll, dann mit der Reaktion der Hunde auf eine Ultraschallpfeife oder mit jeder anderen über die für Menschen sinnlich als normal angenommene Wahrnehmung liegende Wahrnehmung. Gleichzeitig soll dieser bildliche Vergleich dahingehend ergänzt werden, daß aus der Sicht des Gläubigen nicht der Gläubige über dem Wahrnehmungsniveau des Ungläubigen liegt, sondern der Ungläubige unter dem normalen Wahrnehmungsniveau.

Für den Theologen ist es daher auch selbstredend, daß jemand mit einer gestörten Wahrnehmung, das gleichsetzbar mit Beziehungsgestört (Bindungsgestört) ist, seine Mängel im Wahrnehmungsbereich anderweitig, oft intellektuell, kompensiert. Offensichtlich versucht das Böse deswegen seinerseits jenseits, bzw. abseits der Wahrnehmung durch den Guten zu kommunizieren, d. h. die Kommunikation zu manipulieren, wobei allerdings diese Umgehung der Wahrnehmung in der Regel auf dem Niveau von Zauberer bewegt, die sogar lebende Tauben und Hasen aus einem Zylinderhut hervorzaubern können, ohne daß der Schwindel direkt sinnlich wahrnehmbar wäre(604) (optische Täuschung).

Die besondere, scheinbar der des Gläubigen analoge - wenn nicht jene überflügelnde - besondere Wahrnehmungsfähigkeit des Esoterikers soll allerdings hier nicht übergangen werden. Im Gegenteil. Denn genau dort, wo sich der Geist Gottes wegen der Sünde verweigert(605), haben andere (alterierende) Geister um so mehr freie Bahn. Und diese können vieles nachmachen, ja sogar in den allzu menschlichen Praktiken den Geist Gottes scheinbar übertreffen (vgl. 2 Mose 7,10-12.22; 8,3.14), weil sie sich unmittelbarer und gebrauchsfreundlicher geben. Diese Fragen allerdings sind nur soweit Gegenstand der hiesigen Untersuchung, als es grundsätzlich gut zu wissen ist, daß nicht jede Wahrnehmung eines Geistes der Geist Gottes ist(606). Man verabsolutisiere nicht die Wahrnehmung, die zwar unentbehrlich ist, aber nicht der Wahrgenommene ist für die Wahrnehmung da, sondern umgekehrt. Die weiter oben öfter erwähnte Mangel der Wahrnehmung bezog sich vor allem auf das Säkulare Umfeld. Für den Bereich der sogenannten übersinnlichen Wahrnehmung gilt sie auch, aber anders, indem die Substanz der Bindung hier auch nicht real (d. h. ungetrübt) wahrgenommen werden kann (wegen der Sünde(607)), sondern nur allenfalls (indirekt) als Phänomen, und das übersinnlich Wahrgenommene ist einfach außerhalb dem Gesichtskreis des Gebundenen (vgl. 1 Sam 28,5-19). Wohl kennt der Glaube (der Gebundene) verschiedene Charismen (1 Kor 12,1-11.28-30), doch die scheinbar gleichen Charismen, aber durch einen alterierenden Geist (als der Geist der Bindung), sind das schlechthin Böse (vgl. Apg 16,16-18).

Aus der Sicht des Theologen folgt aus den bisher Gesagten auch schlüssig, daß der in seiner Wahrnehmung Gestörte nicht leicht einsehen kann, daß durch den nämlichen Mangel (der Wahrnehmung) zusätzlich viel Unheil angerichtet wird (weil er seinen Mangel an Wahrnehmung eben nicht wahrnimmt), und der Mangel nur unter der Voraussetzung der Einsicht, nämlich darüber, daß es sich dabei um einen Mangel (der Wahrnehmung) handelt, heilbar ist, daß man diese Fähigkeit wahrzunehmen sich selbst und anderen schuldet, und man, wie man das immer auch dreht und wendet, schuldig ist, die Möglichkeit der Wahrnehmung nicht wahrgenommen zu haben. Profanisierend ausgedrückt besagt nämlich das Evangelium von Jesus Christus nichts anderes, als daß die Wahrnehmbarkeit (der Wirklichkeit lebensspendender Substanz - oder Wirklichkeit - der Bindung) für jeden (in seiner Bindung gestörten) möglich wurde (weil eigentlich jede von uns irgendwo irgendwie in seiner Bindung gestört ist), der diese Möglichkeit der Wahrnehmung wahrnimmt: sozusagen glaubt. Daß es sich dabei sozusagen nur um eine Verstopfung oder Störung in der Leitung der Kommunikation handelt, die von den Theologen Sünde genannt wird, und im wesentlichen nicht mehr und nicht weniger meint, als daß - im wahrsten Sinne des Wortes - ein tödlicher Fehler (Sünde, bzw. Todsünde) ist, die Möglichkeit der Wahrnehmung nicht wahrzunehmen, d. h. zunächst (die vom Evangelium postulierte bedingte Wahrnehmbarkeit) nicht zu glauben(608) (ähnlich wenn der Patient dem Arzt, oder der Klient dem Anwalt nicht glaube, daß etwas helfe, bzw. daß man "schuldig" ist etwas zu tunt oder zu lassen).

2.3.4. Der Mikrokosmos

Es kann in der Kürze der nächste logische Schritt im Verständnis wiederum nur bildlich veranschaulicht werden, und das soll auf das in der Philosophie und Theologie parallel (aber aus verschiedenem Blickwinkel) gebrauchte Bild vom Mikrokosmos(609) (Kirche etwa ist für den Theologen der Leib Christi(610)) zurückgegriffen werden, so als sei die Zeit der sprichwörtliche rote Faden, gleichsam der Blutkreislauf, die Sehnen oder das Rückgrat der Geschichte (Entwicklung), also ein integrierender Teil, so daß die Durchtrennung oder Deformation (Verschiebung der Zeit) Verhängnischarakter für den räumlichen Ablauf (aber auch Dasein) hat. Ein wesentliches Charakteristikum der biologischen Körperlichkeit ist das (organische) ineinander Verwobensein der Leitungsbahnen (Adern, Nerven) mit Knochen, Sehnen und Muskeln, so daß die Deformation einer Komponente (z. B. Nerven) das Verhältnis (Bindung), und dadurch mittelbar die anderen Komponente stört. Das Wesen jeder Bindung - wie schon weiter oben gesagt - ist die Wechselwirkung, die ebenso als Kommunikation bezeichnet werden kann. In jeder zeitgebundenen Entwicklung bewirkt die Zeitstörung eine Entwicklungsstörung. In diesem bildlichen Vergleich gleicht die Verletzung des Sabbatgebotes sinngemäß etwa einer Herzrhythmusstörung der alttestamentlichen Gesellschaft, nämlich als Körper(schaft).

Obwohl die Kommunikation grundsätzlich als wechselseitig vorausgesetzt wird, punktuell wechselt die aktive und passive Seite sich gegenseitig ab (man denke z. B. an den überaus "kommunikativen" (elektrischen) Wechselstrom aus der Steckdose, der zwar insgesamt konstant als Verbindung anzusehen ist, jedoch die Richtung ständig wechselt). Die passive Seite der Kommunikation als Subjekt hat außer dem Wahrnehmenden selbst die Komponente

Wahrnehmung und

Gegenstand (das Wahrgenommene, Objekt)

wobei der Gegenstand (Objekt) in

Konstante und

Variable

unterteilt werden kann. Demgemäß können theoretisch auch die Störungen der Kommunikation in solche unterteilt werden, die durch die Mängel der Wahrnehmung, oder durch die Mängel des Wahrgenommenen bedingt sind, wobei die hieraus resultierenden Mängel des Wahrnehmenden außer acht gelassen werden, bzw. wird der Wahrnehmende in der Wahrnehmung mit inbegriffen.

Die Mängel des Wahrgenommenen (Objekts) können - in der Bindung - im konkreten Fall lediglich als Folge der überforderten Wahrnehmung aufgefaßt werden, etwa wenn der Bindungsgestörte die Bindung (als Objekt der Wahrnehmung) auch bei anderen nicht richtig wahrnehmen kann, denn er schließt von sich auf andere. Trotzdem kann diese Komponente differenziert behandelt, und analog in konstante oder variable Mängel des Gegenstandes unterteilt werden.

Demnach negiert der Ungebundene "konstant" die Personalität außerhalb dem Wahrnehmenden als Voraussetzung der richtigen Wahrnehmung, doch "variiert" er ebendies in Bezug auf die Allgemeinheit in der Zeit. Die Zeit ist gewissermaßen der Angriffspunkt, mit deren Hilfe der Ungebundene die Bindung samt Personalität aus den Angeln (der Wahrnehmbarkeit) heben möchte.

So ist der Ungebundene "konstant" im schelmischen Bestreben, die Bindung als (in der Zeit) "variabel" so hinzustellen, als könne das von ihm variierte Unvariable(611) in der Vergangenheit, vor allem aber in der Zukunft wahrnehmbarer sein(612), bzw. wahrnehmbar werden. Mit dieser Scheinherrschaft über die Zeit wähnt sich der Ungebundene dem vernichtenden Urteil des Gebundenen entziehen zu können, wonach er ungebunden menschenunwürdig animalisch sei, weil ja die Tiere an die Zeit gebunden sind, er aber scheinbar nicht. Kurzum, der Ungebundene meint die Zeit unabhängig von der Realität, also ungebunden an den Gegenstand, wahrnehmen zu können. Zumindest meint er das behaupten zu können.

Die in der Moderne unauffälligste aber mit Abstand effektivste Form Inhalte ad absurdum zu führen ist die Variierung der (unvariablen) Zeitkonstante. Soweit also der Ungebundene von den Variablen (der Evolution) als Funktion der Zeit ausgeht, braucht er nur die Zeit zu manipulieren, um ansonsten alles bestechend exakt und folgerichtig vorzuexerzieren. Deswegen versucht das Böse die Ungebundenheit als eine (meist vorweggenommene) Phase der Entwicklung hinzustellen und legitimiert sich durch die (manipulierte) Zeit, oder geht von der (nonverbal) als manipuliert vorausgesetzten Zeit aus, und spricht kryptisch vom "Werden", oder "(geworden) Sein", vom variierten Invariablen, als vorgeblich "variabel".

2.3.5. Sola solo

Das christliche Schuld- und Sühneverständnis geht - in dem hier dem Säkularismus angepaßten Sprachgebrauch - von der Unabdingbarkeit der Bindung aus, und weiß ebenso von unabdingbaren Voraussetzungen der Bindung. Dieser Bindung "schuldet" der Gebundene nicht nur sich selbst, sondern auch dem anderen Gebundenen, der ja unabdingbare Voraussetzung der Bindung ist. Aus der Unabdingbarkeit der Bindung folgt zwingend die Unabdingbarkeit der Exekutierbarkeit der Bindung (am Kreuz). Dieses Schuldverständnis ist bildlich am ehesten so erklärbar, als würden die Christen sinngemäß meinen, daß jedermann schuldig ist zu atmen(613), weil durch sein Atmen sich an die Welt und ans Leben bindet, bzw. durch seinen Atem an die Welt (und an das Leben darin) gebunden ist, und die Unterlassung zu atmen Sünde (sozusagen eine Todsünde im wahrsten Sinne des Wortes), in diesem Fall durch schuldhafte Unterlassung, sei. Jemand anderen am Atmen zu hindern ist lediglich ein qualitativer Unterschied (im Hinblick auf die Sünde), was einen noch nicht selber zu Atmen entsühnen kann. Also ist alles was gegen die Liebe, gegen die Bindung (hier - bildlich ausgedrückt - durch Atem) ist, sei es aktiv oder passiv, sei es die eigene oder fremde Bindung, sei es persönlich oder die Allgemeinheit betreffend, ist immer Sünde, sozusagen Todsünde. Im AT wurden die Gebote gleichsam novelliert (2 Mo 20-31; 3 Mo 17-26; 5 Mo 12-26), während Jesus auf diese Frage den Kernsatz akzentuierend antwortete: In der Liebe, nämlich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten (Mt 22,34-40), ist alles zusammengefaßt, was zu dieser Frage über die Gebote der Bindung (also auch über die Übertretung der Gebote, über die Sünde) zu sagen wäre. Sünde ist also ein Mangel an Liebe (Lieblosigkeit), doch ist die Unterlassung mindestens so Sündhaft wie die Mängel im aktiven Bereich. Alles Weitere ist nur mehr unvermeidliche Konsequenz, nur soll der Mensch nicht (pharisäisch) die (unvermeidliche) Konsequenz über die Primärursache stellen, und lieber den ohnehin unvermeidlichen Komplex der negativen Konsequenz ausblenden, die ihn überfordern würden, während die Liebe (Primärursache) niemanden wirklich überfordert.

Auch Mängel in der Wertung der Hierarchie der Bindungen, etwa wenn "pharisäisch" niedrigere (profane) Bindungsebenen der übergeordneten in der Orientierung vorgezogen werden, gehören hierher. An dieser Stelle wird aber unter dem Begriff Sünde nur die eigentliche Ursache der im Profanen so genannten Sünde angesprochen, die im Bibeltheologischen Sinne die eigentliche Sünde, die Wurzel alles Bösen ist. Denn gänzlich anders als das Profane wertet die Bibeltheologie die lieblose Gesinnung, den Vorsatz, als die Kausalursache für das eigentliche Böse oder Sünde, während eine wesentlich härter ausfallende aber nicht (durch einen Vorsatz) kontrollierte Handlung zwar auch Sünde ist, aber nicht so eigentlich Böse wie aus Vorsatz. Der Vorsatz, der sich naturgemäß in der Lüge manifestiert, ist eine eigene Kategorie der Sünde, um nicht zu sagen die eigentliche Kategorie des Bösen schlechthin.

Und weil es bisher alles noch fast harmlos, oder zumindest in den Folgen unabsehbar aussehen mag, sei auf den christlichen Grundsatz hingewiesen, daß für den wohlverstandenen Menschen die Bindung ebenso Existenzvoraussetzung ist, wie für den biologischen Menschen das Atmen. Liebe ist Leben, und mindestens so wichtig wie das Atmen, und es gibt kein wie immer geartetes menschliche Leben (im eigentlichen Sinne) außerhalb der Liebe (nur die Wirkung der Lieblosigkeit ist oft längerfristig registrierbar als etwa bei der Atemlosigkeit). Vielmehr schädigt Lieblosigkeit immer und überall die Liebe, weil diese zwei konträren Größen sich gegenseitig ausschließen, wie Leben und Tod.

So kann das christliche Personen-Verständnis auch das Böse schon allein deswegen persönlich nehmen, weil der Gebundene den Ungebundenen nur als den Scheinbar-Ungebundenen auffaßt, der von der Bindung gewissermaßen abfiel, und so seine Personalität nicht, wohl aber die übrigen Konsequenzen der Bindung verlor, bzw. beschädigt hat. Der Gebundene geht nämlich davon aus, daß von der unabdingbaren Bindung nicht wirklich, auf keinen Fall vollständig und spurlos abgefallen werden kann (vgl. Mt 19,3-9//Mk 10,2-9), und gewisse Merkmale der gestörten Bindung dem sogenannten Ungebundenen immer anhaften. Deswegen kann aus dem Gesichtspunkt des Gebundenen das personale Böse als die unzulässige (irreale) Negierung der Bindung aufgrund deren Gestörtheit (kurz "Abfall") definiert werden.

Um diese Zusammenhänge sinngemäß zu veranschaulichen hat auch Luther die Bezeichnung des Evangeliums, das von den Katholiken damals als (Neuer) Bund bezeichnet wurde, als Testament forciert, weil das Testament ein zunächst einseitiger Bund (Bundesangebot) ist, der durch die Annahme durch den Zweiten zum eigentlichen (zweiseitigen) Bund wird. In den meisten Fällen kann nämlich der Abgefallene wieder zum Bund zurückkehren und gewissermaßen wieder aufatmen. Es ist sogar ein Bund für Abgefallene, so daß der erneuerte Bund vorweg konzeptuell über den Abfall ventiliert wird. Auch ungeachtet dieser Zusammenhänge zeigt sich die Bindung im Evangelium als nur über die Verneinung des Abfalls (Sünde) überhaupt möglich. Denn so wie die Theologie davon ausgeht, daß die Bindung Existenzvoraussetzung ist, und in der Zivilisation Bindungslosigkeit dingunmöglich ist, so geht sie auch davon aus, daß es unmöglich ist die komplexen Bindungen nie zu verletzen. So ist die Erneuerung der Bindung für den Theologen immer über die Verletzung der früheren Bindung ventiliert, und ist anders gar nicht zugänglich. Ein Sowohl-Als-Auch (d. i. die gültige Bindung in der Bejahung der Sünde) ist dingunmöglich, weil es sich dabei um zwei sich gegenseitig ausschließende Größen handelt, und ist daher die größte Sünde, denn ohne die Reflexion über die Verletzung(sursachen) der früheren Bindung der Fehler nicht behoben werden kann, und es zur zwangsläufigen Kettenreaktion, zu einer eigendynamischen Eskalation der Verletzungen des Bindungsgeflechtes kommt. Ein von der Theologie beschriebener Typus des Bösen negiert demgemäß die Unabdingbarkeit der vorherigen Behebung von vormaligen Mängeln der Bindung, bevor die Bindung erneuert, oder (neu) eingegangen werden kann, d. h. leugnet (in der Sprache der Theologen) die Sündenvergebung als unabdingbare Voraussetzung(614).

2.3.6. Unheilszeit

Entsprechend predigt natürlich das absolut Böse das nämliche Sowohl-Als-Auch, (Bindung in der Bejahung der Sünde) natürlich nicht ohne das Terrain des Guten als Teil seines Reiches beansprucht zu haben(615), so als könne er ohne Reflexion über die Verletzung der Bindung (Reue) sich neu oder anders adäquat Binden, oder dies alles umgehen, oder gar negieren können. Hieraus folgt eine annähernd verbindliche Definition des Kultes des Bösen als die Kultivierung der Individualität, nämlich als ein Ausdruck der Bindungslosigkeit, so als könne die Subjektivität(616) sich über die Bindung erheben und letztlich ohne ihr auskommen.

Wo kein Bund, da kann auch keinen Bundesbruch (Sünde) geben, ist die Ausgangsposition des Bösen. Ohne Bundesbruch ist der Sünden- und Erlösungstheologie des Evangeliums der Boden entzogen. Die Legitimation des christlichen Evangeliums im Profanen hängt also von der Faktizität der bleibenden Schäden durch Bundesbruch, d. i. Lieblosigkeit, ab. Das Böse opponiert daher durch die globale Negierung der Liebe überhaupt, und definiert das Gute (d. i. die Liebe) - logisch unzulässig - in der Relation zum Bösen (d. h. als Nebenprodukt, Derivat, wenn nicht gar als bloßes Phänomen des Materiellen) um. Die gehobene Schule des Bösen täuscht dann in der sogenannten Transzendenz die agnostische Präexistenz als Möglichkeit einer nicht greifbaren Wirklichkeit(617) so vor, daß dann, durch die Zerstörung dieser weltanschaulich fiktiven Nachahmung des religiösen Weltbildes, der Untergang der Religion simuliert werden kann. Nur in der Pseudoreligion können Gut und Böse harmonieren, nur die wirklichkeitsfremd umdefinierten Gut und Böse lassen sich als verträglich aneinander Binden. Für den Theologen ist aber die Einheit von Gutem und Bösem, nämlich die Ver-Bindung von der Bindung und Nichtbindung (Pseudobindung), Leben und Tod, ein Nonsens, so als sei das Nichtsein des Seins sogenannte Transzendenz, und mit ihm Eins.

Das wirklich Gute ist immer - und nur - an das wirklich Gute gebunden, und niemals an das Böse. Ebenso kann das wirklich Böse nur an das wirklich Böse "gebunden" sein, auch wenn die Bindung an das Böse selbst dem Bösen nicht behagt, und daher überhaupt alle Bindungen befeindet, bzw. umgeht. An dieser Ausgangsposition ändert nichts die christliche Lehre von der Sündenvergebung, sondern ist vielmehr ihre Voraussetzung, indem sich das Gute nur unter der Voraussetzung mit dem "Bösen", bzw. dem Bösen Verhafteten, mit dem Sündigen verbinden kann, daß die Bindung an sich als die dritte Größe die Macht hat, das bis dorthin (dem) Bösen (verbundenen) augenblicklich und zur Gänze in das Gute (durch Sündenvergebung) hineinzunehmen (d. h. zu binden). Und ebendiese dritte Komponente, die eigene Substanz der Bindung, kann oder will das Böse nicht wahrhaben(618), bzw. wahrnehmen, die den Gebundenen vollkommen bestimmt und letztlich auch zu der eigentlichen (mentalen) Substanz des Gebundenen wird. Nicht der Gebundene gibt der Bindung die Substanz, sondern die Bindung dem Gebundenen. Deswegen predigt ein Antichrist wie Kant, daß der Gebundene unmündig(619) sei, weil der Gebundene wirklich von der Bindung (Liebe) her bestimmt, wie Kant sagt, Heteronom ist. Der Denkfehler des Teuflischen liegt in der Fehlannahme, daß der gebrochene Bund noch die ungewandelt gleiche Substanz haben könne, und interpretiert den intakten Bund, allerdings falsch, von seiner ("gestörten", getrübten, unreinen) Substanz her, weil er die Substanz des intakten Bundes nicht, auf keinen Fall wirklich, wahrnehmen kann. Das Evangelium ruft nun zum intakten Bund zurück, der von sich aus allein die Macht hat den Bruch des Bundes zu heilen. So ist die Liebe eine wirkliche Substanz, die wirklichste überhaupt, nach der alles ausgerichtet ist, weil alles wirklich Gute darin begründet ist und daraus hervorging, und die gleichsam nur von sich selbst (Mt 11,27), eigentlich nur durch sich selbst (Joh 14,21), bestimmt und wahrgenommen werden kann (Mt 16,17; vgl. Mt 11,27; Joh 14,21). Und natürlich sofern die Liebe durch einen souveränen Akt bisher außenstehende in die Wahrnehmung ihres Selbst einbindet.

Dieser Wirklichkeitscharakter der Liebe, die räumliche und zeitliche Dimension der Bindung, setzt gleichsam die Bindung der Liebe an Raum und Zeit voraus. Und weil die Zeit ungleich subtiler und von alters her nur unter besonderen Umständen zu handhaben ist, spezialisiert sich das Böse in der kontroversiellen Auseinandersetzung mit dem Guten auf die Manipulation der Zeit, um dem Wirklichkeitscharakter der Liebe scheinbar den Boden, bzw. den Raum zu entziehen. Obgleich diese Beschreibung der Geißel der Menschheit vielleicht noch immer harmlos anmuten mag, so als sei die Unterminierung der Bindung nur zu Unzeit aber ansonsten "nicht ganz ohne", und die wahre Liebe nur eine von vielen Möglichkeiten, so sei an den christlichen Grundsatz erinnert, daß man den schlechten Baum zwar an den Früchten erkennt (Mt 7,16-18//Lk 6,43-44; vgl. Mt 3,8//Lk 3,8; Mt 12,33; Joh 15,1-17), jedoch an den Wurzeln behandelt (Mt 3,10//Lk 3,9; vgl. Jud 12).

Solange das entwicklungsspezifische Zeitproblem als zentral in jedweder Subkultur nicht erfaßt wird, kann man der Lieblosigkeit in dem Raum der gesellschaftlichen Dimension schlecht beikommen. Die hier profanisierend unternommene Beschreibung, bzw. eher Umschreibung der Zeitbedingtheit des Bösen, soll eine wissenschaftliche Definition des Chiliasmus nicht ersetzen, sondern auf das statistische Phänomen des auffälligen Gedränges rund um die Zeitfragen hinter den Kulissen der Moderne aufmerksam machen.

2.3.7. Der Urtyp

Nach der bibeltheologischen Typologie des Bösen kann eine dreigliedrige Hierarchie angenommen werden, wo zuoberst der vom Himmel auf die Erde gestürzte Luzifer/Satan das "Christkind" samt Mutter (Kirche) als Frucht des Neuen Bundes befeindet (Off 12,1 ff.), in der Mitte der Hierarchie der aus den Gewässern emporgestiegene Antichrist, der mit der usurpierten politischen Macht die Gesellschaft (Reich) entfremdet (Off 12,18-13, und zu Unters an der Basis verführt der Falsche Prophet die Menschen (Off 13,11-18) mit (falschen) Versprechungen. Der gleiche aber hierarchisch gegliederte Böse bekriegt also als Luzifer/Satan den Gott der Offenbarung und Religion (im verherrlichten Christus), als Antichrist (falscher Messias) das messianische Reich (das ideell die konkrete politische Ordnung mit einschließt) und verführt schließlich an der Basis den Menschen durch Lüge (über die Zukunft). Eine analoge Dreiteilung, nämlich Einzelner, Gesellschaft und Kosmos(620), ist in der Eschatologie zu beobachten(621), was verständlich erscheint, da die Begriffe Apokalyptik und Eschatologie(622) bisweilen synonym verwendet werden(623). Es kann also eine verblüffende Struktur-Parallele zwischen Luziferismus und Eschatologismus konstatiert werden(624).

3. WAHNSINN MIT METHODE

Die Sondermeinungen(625) bedürfen - wie schon der Name besagt(626) - den besonderen Zugang, weil sie sich ansonsten zumeist mit Erfolg der tieferen Einsicht entziehen. Im Gegensatz zu der Typologie des Satanismus selbst (nach inhaltlichen Kriterien), wo der von Frick vorgenommene Unterteilung nicht angewendet werden konnte, kann diese Unterteilung (in "religiös" und "areligiös") bei der Untersuchung der Methoden des Satanismus(627), bzw. Luziferismus (nach den formalen Kriterien), angewendet werden. Der kultische Satanismus mit der radikalen Ablehnung religiöser Inhalte, der aus dem theoretischen Gesichtspunkt (trotz aufdringlicher kultischen Szenerie) als antireligiös bis areligiös behandelt werden mußte, kann aus dem praktischen (methodischen) Gesichtspunkt als pseudoreligiös, weil im religiösen Gewande, behandelt werden.

Ähnlich diesem durch persiflierten Kult verbrämten Materialismus kann die philosophisch verbrämte Satans-Ideologie, oder kosmologisch verbrämter Luziferismus, nunmehr von den methodischen Praktiken her beurteilt werden, so daß "praktisch" von dem Okkultismus (Theosophie), Philosophie (Humanismus) und Psychosophie (Esoterik/Humanistische Psychologie) als von den drei Typen in der Methode des Luziferismus mit dem Vorbehalt gesprochen werden kann, daß - durch die gegenseitige Bedingtheit dieser drei Ebenen - keine exakte, wohl aber eine grob angenäherte Unterteilung aus dem phänomenologischen Gesichtspunkt vorgenommen werden kann. Diese nach den praktischen Kriterien angenäherte und auch bei Platon vorgegeben angenommene Dreiteilung(628) des Metaphysischen (Psyche, Polis und Kosmos), aber auch Mythologischen(629), kommt bei dem jüdischen Gnostiker Taubes(630) nach dem theoretischen Gesichtspunkt - und etwas "aufgeklärter", bzw. ausgereifter - zum Tragen(631). Taubes definiert zunächst die Ewigkeit als Element der (absoluten) Freiheit (1), und Freiheit als frei "für sich" sein, woraus alles Heteronome, alles Geschöpfliche (2), als von der Freiheit her, und alles was frei ist, in der Notwendigkeit (3) begründet erscheint. Die "freiheit" Taubes ist sonach "also endlich unlösbar begründend und begründet", und ergibt im Verhältnis von Freiheit im Element des Endlichen (Zeit) und (absolute) Freiheit im Element des Ewigen drei Variationen: theistisch-transzendentale Metaphysik(632) (d. i. Theosophie), pantheistisch-immanente Schau(633)(subjektiv-psychische Betrachtung), atheistisch-materialistische Ideologie(634)(Philosophie):

"Die theistisch-transzendente und atheistisch-materialistische Philosophie sind apo-kalyptisch, denn sie stehen noch im Vollzug der Enthüllung. Theistisch transzendent enthüllt sich das Eschaton, die Mitte von Gott und Welt, von oben, atheistisch-materialistisch enthüllt sich die Mitte von unten. Von beiden Orten muß der Sprung getan werden, von oben: ins Absurde hinab, von unten: vom Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit hinauf. So entsprechen sich die Situationen von Marx und Kirkegaard. Das Wissen um die kausale Notwendigkeit und der Glaube an die Freiheit stehen sich unvereinbar gegenüber und dennoch »müssen« sich in einem Augenblick, der aller Zeit enthoben ist, Notwendigkeit und Freiheit vereinigen. Irgendwo muß die Freiheit den geschlossenen Kreis der Welt sprengen. Allein in den beiden Modifikationen erhält das Muß einen je verschiedenen Sinn. Marx will aus dem kreatürlich-gebrechlichen Menschen selbst das Absolute schaffen, während Kirkegaard sich auf einen Gott stützt, bei dem kein Ding unmöglich ist."(635)

Vor diesem Hintergrund der äußerlichen Unterteilungskriterien nach dem eschatologischen Schema kann die gemeinsame neuheidnische, bzw. orphische Beschaffenheit der jeweiligen Ebene angesprochen werden. Die nachstehende Untersuchung soll vor Augen führen, daß der Begriff neuheidnisch so gut wie synonym dem Begriff dionysisch, und in einem weiteren Sinne liberal, verwendet werden kann(636). Die logische Ableitung, bzw. Nachweis der Synonymität von neuheidnisch und dionysisch (orphisch) geht von der Favorisierung alles Hellenistischen in allen alternativen Geistesströmungen spätestens seit dem Renaissance-Humanismus (wiederbelebte Neuplatonismus) im Abendland aus, und konstatiert die Überbetonung der Dominanz (Kulturmonopol) des (politisch stets an zweiter Stelle hinter Sparta stehenden) Athenischen Kulturkreises(637) (Attika) Hellas, wo, zwar relativ spät, jedoch offiziell der Dionysos (mit Demeter und Persephone/Kore als Göttertrias) als (oberster) Gott des Staatskultes (in Eleusis) etabliert war, und ab dem Neuplatonismus orphisch (um)interpretiert wurde(638). Durch die Gleichsetzung des Dionysos schon in der Antike mit allen anderen dominierenden Fruchtbarkeitsgöttern, wie der ägyptische Osiris, der indische Schiwa, der lateinische Liber, der semitische Baal, um nur die wichtigsten - aus den umliegenden Hochkulturen - zu nennen, läßt das Hellenische auf alles Heidnische verallgemeinern, zumal alles noch kultivierte Neuheidnische im Dionysischen besonders ausgeprägten ekstatischen Zug, im Gegensatz zu der christlichen Spiritualität (mit Hilfe der Kontemplation oder Konzentration), mit dem Dionysischen gemein hat. Es gibt kaum je eine Sondermeinung ohne zumindest einer theoretischen Affinität zur Ekstase. Dieses Außerhalb (Avantgarde) ist etwa mit der biblischen Verzückung eines zur Ehren Gottes hinter der Bundeslade tanzenden König David (2 Sam 6,5-21), oder mit der christlichen Entrückung (2 Kor 12,2), nicht zu verwechseln. Der biblische Sprachgebrauch weiß zwischen echte (spirituelle) Verzückung (4 Mose 11,25-27; 1 Sam 10,5.10-13; 19,20-24; Apg 10,10; 11,5; 22,17; Off 21,10) und (ekstatischen) Raserei der Baalspriester (1 Kö 18,29) oder falscher Propheten (Weish 14,28) sehr wohl zu unterscheiden, und charakterisiert die Ekstase als die falsche Spiritualität schlechthin.

Schon die dionysische Klassik nahm drei Gestalten (und daher zwei Auferstehungen, bzw. Verklärungen) des erdgeborenen Sohnes des obersten Himmelsgottes Zeus(639) an, nämlich:

den noch allzu menschlichen und dann wahnsinnigen (rasend-ekstatischen) Göttersohn Dionysos, der sich (heilsgeschichtlich) allmählich als der Herr der Natur(640) enthüllt.

den gewandelten Herrn des ekstatischen Wahnsinns als triumphaler König bis zum schicksalhaften Untergang

den verklärten Schrecken der Feinde seiner Nachfolger, bzw. Anhänger seines Kults, zumeist als Fallus oder Kind veranschaulicht (kultisch verehrt)

womit zumindest durch das dreigliedrige Schema eine Parallele zu der pseudochristlichen (immanentistischen) Eschatologismus(641) (in umgekehrter Reihenfolge) gegeben ist. Eine weitere auffällige Parallele scheint zu sein, daß die Dreigliedrigkeit der klassisch dionysischen und "christlichen" Eschatologie jeweils nur auf den irdischen Laufbahn des Dionysos und Luzifer beschränkt ist, aber davor eine im mystisch-mythischen Dunkel weilende Präexistenz angenommen wird, während die Orphik zwar ebenfalls dreigliedrig, aber weit über den irdischen Laufbahn hinausgreift, daß der irdische Aufenthalt (Inkarnation) als Bindeglied aufscheint(642). In diesem kaum je einheitlichen Mythengeflecht des Orphischen zum Thema Präexistenz scheint als "Bringer des Lichts" (auf Latein: Luzifer) bei den Neuplatonikern(643), Phanes, als (zweigeschlechtliches) Lichtwesen und Schöpfer(644) hervor, als dessen irdische Manifestation der (auf Erden dreimal "geborene") Dionysos sodann landläufig gilt(645). Eine Reihe von mythischen Motiven lassen Varianten neuheidnischer Synkretisierung der christlichen Apokalypse aufzeigen(646).



Die ursprünglicher anmutende Bezeichnung des Schöpfers Phanes durch Aristophanes als Eros(647) bietet natürlich eine Angriffsfläche gegen das Christentum(648), das allzu Sinnliches niedrig bis widrig einstuft.

Eine große Rolle spielt beim Phanes in der orphischen Dichtung die Vierzahl: die orphische Theologie nennt ihn "viergesichtig"(649) und er bildet in der Schöpfung die vierte Stufe (nach Äther, Chaos und Licht)(650). Der Neuplatoniker Proklos bezeichnet dann Dionysos als Vierheit(651) (V), was der gnostisch-neuheidnischen Quaternität (d. i. die Dreifaltigkeit als "drei" mit Luzifer als "vierten") C. G. Jungs(652) oder Goethes, aber auch Jakob Böhmes, numerisch mehr als nahe kommt. Bedenkt man, daß unser Begriff "Person" von der griechischen Gesichtsmaske im Theater herrührt, und so etwa die Trinität (Dreipersonalität) Gottes wörtlich auch drei Gesichter meinen könnte, so leuchtet die Vierheit des viergesichtigen Dionysos und die gnostische Vorliebe führ ihn wohl ein.

Die Gleichsetzung des Phanes mit Pantheos(653) und Osiris(654) zeigt seine Identität mit dem von den griechischen Ptolemäern eingesetzten pantheistischen Allgott Serapis(655) (Osiris-Apis) in Ägypten, der seinerseits mit Pluto-Hades (Dionysos Pater) gleichgesetzt wurde(656), und erlaubt die heidnische Götterwelt in den Jahrhunderten des allgemeinen Synkretismus rund um Christi Geburt insgesamt als dionysisch zu bezeichnen, zumal Dionysos auch direkt mit Osiris(657) und Phanes(658) gleichgesetzt wurde(659).

Zu den hier aufgezeigten Zusammenhängen bedarf es auf einige Grundsätze der Orientierung hinzuweisen, und diese zu verdeutlichen, wie es nachstehen unternommen werden soll.

3.1. Der Teufelskreis

Eine informative Arbeit über das personale "Böse", unter welchem Titel auch immer, hat allem voran den Grundsatz dem Interessierten vor Augen führen, daß zu unserem (dreifaltigen) monotheistischen Gott selbstredend auch nur eine einzige Alternative gibt(660), welche äußeren Erscheinungsformen und wie viele Gesichter diese Alternative sich immer auch bedient, wie es bereits auch in der Broschüre "Esoterik und New Age" anklingt(661). Es ist daher strukturell und terminologisch zu verhindern, daß die Sondermeinungen das Forschungsfeld auseinanderziehen und dadurch unübersichtlich machen, so wie etwa die Aufklärung etwa im Rahmen der sog. Liberalen Theologie in jüngster Zeit so weit verzweigt und sich die merkwürdigsten Namen zugelegt hat (hauptsächlich Dialektische Theologie), daß ein Nachvollzug fast nur mehr hauptberuflich möglich ist. Der heutige Stand der Forschung erlaubt die verschiedenen Geistesströmungen als Typologie und historischen Entwicklungsstufen zu betrachten(662), und schon vorweg von dieser Einsicht aus deduktiv an die Einzelphänomene heranzugehen.

Es ist weiters zu klären, ob etwa der Begriff Moderne so weit alle "modernisierenden" Tendenzen als Oberbegriff abdeckt, oder durch eine Neudefinition des Begriffes erst abdecken kann. Vielfach wurde nämlich eine Spezialbezeichnung verwendet und nur in Einzelfällen der Begriff "modern" (Moderne) oder gar "Modernismus" allgemein gebraucht. Der Begriff Säkularisierung ist inhaltlich zu sehr mit Entspiritualisierung assoziiert, so daß die spirituelle (esoterische und okkulte) und schwärmerische Seite der Moderne(663), die nur in den Hintergrund gedrängt aber hinter den Kulissen (etwa in stets elitären Geheimbünden und Konventikeln) nicht minder Dominierend bleibt, unberücksichtigt bliebe.

Die Hauptschwierigkeit bei der synonymen Verwendung von "Moderne" und "Luziferismus" oder "Neugnosis" ist die in der katholischen Dogmatik abgegrenzte Unterbegriff "Modernismus" für eine chiliastische Untergruppe, die nicht klar genug abgegrenzt werden konnte(664), und noch nicht einmal als chiliastisch methodisch hinterfragt wurde. Vor allem hat die katholische Dogmatik den Begriff Modernismus in dem bisherigen theologischen Sprachgebrauch zu eng gefaßt, ohne sich dabei mit der unzureichenden terminologischen Greifbarkeit des sog. Modernismus ganz zufrieden zu geben(665).

Die gebräuchlichste Selbstbezeichnung der beginnenden (in Pico de la Mirandolas 930 Thesen aufdämmernde und in Jakob Böhmes "Morgenröte" verklärt artikulierte) Moderne ist "Aufklärung"(666), im Sinne von "Erleuchtung"(667), die sich vom Renaissance-Humanismus(668)her faktisch auf alle neueren Geistesströmungen (die sodann als Untergruppen, bzw. Verzweigungen aufgefaßt werden) - bis auf die Moderne - anwenden läßt, und auch angewendet wird(669). Doch landläufig meint Aufklärung stets die Grundlage und Voraussetzung der Moderne(670), während "modern"(671) eben verwirklichte, bzw. in Verwirklichung begriffene "Aufklärung" meint(672). Deswegen kann der Begriff "modern" ebensowenig von dem wesentlich enger gefaßten dogmatischen Begriff des (katholischen) "Modernismus" vereinnahmt werden, wie etwa der Begriff "Jesuiten" oder "Zionismus" und "Sozialismus" jeweils alles um Jesus oder um die Zionstheologie, bzw. etwa alles Soziale vereinnahmen kann.

Nachdem nun "Aufklärung" im eigentlichen Sinne den "Vorgang" (des Aufklärens) meint(673), wo es - mit den Worten Lessings - die Suche nach der Wahrheit wichtiger sei als die Wahrheit selbst(674), meint nun die Moderne den "Zustand" des sog. Aufgeklärtseins, nämlich als permanente Aufklärung ohne real faßbare zeitliche Begrenzung(675), wo der (permanente) "Vorgang" der Aufklärung als alleinseligmachend apriorisiert wird: so etwa im (analogen) Sinne der permanenten Kulturrevolution Maos in China(676), wo auch der (durch den Fiasko erzwungen) prolongierte "Vorgang als Ziel" (seines Selbst), zum "Zustand" erklärt wird(677). So kann ein "Vorgang", gewissermaßen "wie Gott" (vgl. 1 Mose 3,5), ihre Ursache (scheinbar) in sich selbst haben(678), bzw. wird - mit Lessing gesprochen - die Suche nach der Wahrheit sich selbst genug(679).

Es geht der Aufklärung also letztlich nicht um die Suche nach der Wahrheit, sondern gewissermaßen um die Suche nach der Wahrheitssuche, und so ist die Wahrheit selbst entbehrlich. Hat sich also der Vorgang der Suche nach der Wahrheit zum scheinbaren Zustand verfestigt(680), um nicht zu sagen "verklärt"(681), kann sogleich von der Moderne gesprochen werden, die ein Defizit an Wahrheit nicht mehr zur Entelechie benötigt, weil sie auch die Wahrheit zur Verwirklichung ihres Selbst nicht nötig hat. Der Mangel an Wahrheit ist durch die verklärte Suche nach der Wahrheit ausgefüllt(682), bzw. in der zum vollkommenen Kreis geschlossenen Suche nach der Wahrheit würde die Wahrheit die vollendete Harmonie der Suche (zer)stören(683). Zum Glück (für die aufklärerische Moderne) kann aber die Wahrheit nur außerhalb der dergestalt vollkommenen Suche danach gedacht werden, bzw. sozusagen als davon ebenso vollkommen unberührt wie eingekreist, im Mittelpunkt der darum kreisenden Suche stehend(684), ohne davon jemals erreicht (berührt) zu werden(685). Der mangelnde Berührungspunkt zwischen Wahrheit und Suche (danach) zeitigt nun (im Subjektiven) die Übermacht - bis zur Absolutheit - der Suche und die Relativität der Wahrheit, die - angesichts der beglückenden (erleuchtenden) "Erfahrung" der Suche - (etwa im Agnostizismus) zur Fiktion schrumpft, bis schließlich die Wahrheit als die Existenzbedrohung für die beseligende ("erleuchtete", d. i. aufgeklärte) Suche erkannt wird(686). In diesem Stadium der abklärten Erleuchtung kann die Aufklärung gleichsam als Schöpfer neuer Wahrheiten von der Moderne in die Hypermoderne so übergleiten, indem die Suche nicht einmal mehr um die Wahrheit kreisen muß, sondern sobald das Umkreisen, bzw. die Suche mit der Wahrheit assoziiert wird, gilt assoziativ alles Umkreiste oder Gesuchte als Wahrheit. In dieser von Kant stark geprägten Logik der pervertierten Anselmschen "Möglichkeit" gilt es, daß von der Suche auf Möglichkeit und von der Möglichkeit auf die Wahrheit geschlossen wird.

"Modern" meint also die vollkommene Suche nach der Wahrheit, die ihren Grund in sich selbst hat(687). Die Suche nach der Wahrheit als Vorgang ist Aufklärung und die Entelechie der nämlichen Suche ist die Moderne, der "vollkommene" Zustand, nämlich des permanenten Vorganges. Der verewigte Vorgang, oder der Fortschritt als Zustand. Der Teufelskreis(688). Die vollendete Verpackung der Wahrheit in der Suche danach, eine kunstvoll gestaltete Wegwirf-Verpackung, deren Inhalt weggeworfen wurde. Wenn es also etwas unmodern ist, dann ist das die Wahrheit. Deswegen ist Gegenstand der neuen Religion der Moderne nicht die Wahrheit, nicht Gott (vgl. Joh 1,17; 3,21; 3,33; 4,23-24; 5,33; 7,28; 8,26.32; 14,6; 14,17; 15,26; 16,13; 17,3.17.19.37; Röm 2,8; 3,4; 15,8; 1 Kor 13,6; 2 Kor 2,6; 13,8; Eph 1,13; 4,15; 4,21; 5,9; 6,14; 2,13; 2 Thess 2,10.12; 1 Tim 2,4; 4,3; 2 Tim 2,25; Hebr 10,26; Jak 1,18; 1 Petr 1,22; 2 Petr 1,12; 2,2; 1 Joh 1,6.8; 2,21; 3,19; 4,6; 5,6; 5,20; 2 Joh 1.4-6; 3 Joh 8; Off 3,7; 19,11), sondern die Suche nach Gott, die Suche nach der Wahrheit, die sogenannte Aufklärung. Daraus folgt wiederum zwingend, daß die bestehende, die vorhandene, die bereits erkannte Wahrheit (Gott) der selbstgenügsam-vollkommenen Suche im Wege steht, so daß zu der Vervollkommnung der Suche die im Weg stehende Wahrheit entweder (etwa durch Leugnung) umgegangen oder "verschoben" werden muß. Die Hauptaufgabe und Ziel (Telos) der perfekten Suche nach der Wahrheit ist: der Wahrheit aus dem Weg zu gehen.



Die einzig technisch reale Möglichkeit der "Gegenwärtigkeit" der Wahrheit mit Hilfe der perfekten Suche (nach der Wahrheit) auf die Dauer praktisch auszuweichen, der Weg um der Wahrheit aus dem Wege zu gehen, ist nun die Wahrheit als zukünftige Größe in der Zeit so vorauszusetzen(689), daß erst von hier aus, nämlich von der verabsolutisierten Zukunft her, die Projektion einer prähistorischen Wahrheit ebenfalls möglich (Goldene Zeitalter) ist(690), niemals aber die einer real-historischen Wahrheit(691). Und weil die vollkommene Suche scheinbar die Wahrheit im Mittelpunkt des Interesses hat und also sozusagen um die Wahrheit kreist(692), so steht die mit der Wahrheit assoziierte Zukunft scheinbar immer im Mittelpunkt der Aufklärung, aber auch der Moderne(693). Eine "Vergangenheit" zu haben ist (für die Moderne) immer schlecht, aber eine Zukunft zu haben gut(694). Das schließt auch ein, bzw. setzt zwingend voraus, daß die Wahrheit aus der realen (historischen) Vergangenheit (z. B. die erfüllte biblische Offenbarung) logisch unmöglich die (wirkliche/verwirklichte) Wahrheit in der sogenannten Zukunft sein kann(695), denn das wäre im Sinne der Aufklärung ein Nonsens(696): schlicht unmodern. Jede, aber auch wirklich jede erfüllte Verheißung ist für die Moderne eine Aporie(697). Jede an und für sich schon bestehende Wahrheit würde unmittelbar die Existenz der Suche, und damit die Existenzberechtigung der Moderne bedrohen(698). Bildlich veranschaulicht gleicht die Moderne einem (vom Teufel gerittenen) Zugtier, dem der Reiter auf einer langen Stange etwas Verheißungsvolles vor die Nase hält, um für den permanenten Fortschritt in eine bessere Zukunft zu sorgen. Und obwohl es zum Wesen des Chiliasmus (Moderne) gehört, die Zukunft als befristet (und damit die Wahrheit - hinter der Wahrheit - als in der Zeit erreichbar(699), nämlich in einer ebenso schillernden wie ungewissen Zukunft) so hinzustellen(700), als würde die Wahrheit nicht überhaupt, Soden nur in der Gegenwart fehlen, ist jeder Aufklärer und Modernisierer (etwa mit Hegel) von dem Moment an "überholt", bzw. unmodern, wo er zufällig die Wahrheit trifft, wo er sozusagen der Wahrheit nicht mehr ausweichen kann, wo er wirklich und eigentlich (im herkömmlich umgangssprachlichen Sinne) aufgeklärt hat. So etwa ist der Entdecker der Modernität, Friedrich Nietzsche, demnach seit 1934 nicht mehr eigentlich modern, weil er 1884 mit 50 Jahren befristet hat, bis "Einigen [...] die Augen dafür aufgehen" werden, "was durch mich getan ist"(701), und Hitler sich sodann um die Zeit als der von Nietzsche angekündigte (dionysische) "Künstler Politiker" erkennt(702). Typisch auch die Reaktion der chinesischen Kommunisten in den 70ern und dann von Kreisky, den Marxismus für "überholt" (unmodern, bzw. nicht mehr ganz so zeitgemäß) zu erklären. Das Aufklären ist der Tod der Aufklärung. Es ist auch auffällig, daß die Aufklärer von der Aushöhlung und Abschaffung der Metaphysik(703), das sind für sie die sogenannten "ersten Dinge"(704), so ausgehen, daß die "letzten Dinge", nämlich (auf Griechisch) die Eschatologie(705), so als die einzige Alternative erscheinen, daß Eschatologie(706) und Metaphysik ineins fallen.

Man kann bei der Terminologisierung der "Moderne" mit Löwith davon ausgehen, daß die Kritik an der christlichen Religion erstens stets eine philosophische war; zweitens ist sie als solche durchgehend von protestantischen Gelehrten getragen worden und sie daher das Christentum in der protestantischen Form voraussetzt(707); drittens könne der Bogen zwischen Hegel und Nietzsche als Brückenköpfe gezogen werden(708); viertens läßt sich das sich postchristlich gebärdende Pseudochristliche ebenso kontinuierlich von Descartes glaubenslosem Gottesbeweis über Kants vernünftigen Glauben, Fichtes Atheismus, Hegels philosophischer Theologie bis Nietzsches antichristlichem Weltkonzept nachweisen(709), wie auch bei jedem Einzelnen das Hauptcharakteristikum der Anderen, wie insb. Atheismus, Naturalismus, Antichristliches, Gnostisches, Luziferismus und nicht zuletzt Chiliasmus(710) (als die verschiedenen Perspektiven der gleichen Sache, als Attribute des gleichen Subjekts). Wenn Löwith also Nietzsche als den Entdecker der Modernität bezeichnet(711), in dem auch die (philosophische) Religionskritik für ihn gipfelt(712), dann müßte zunächst von einem abweichenden Sprachgebrauch rund um die "Moderne" zwischen katholischer und protestantischer Theologie die Rede sein. Weil gerade die katholische Dogmatik von sich aus um das Phänomen selbst und bei der Faßbarkeit des (dogmatisch) sog. Modernismus von Unklarheiten spricht, sowie ihre Zuflucht selbst in offiziellen Urkunden hierüber zu unvollständigen taxativen Aufzählungen nimmt, sei nun - wegen der größeren Transparenz - der protestantische Wortsinn des Modernismus auch auf gleichgelagerte Phänomene im Bereich der katholischen Theologie angewandt.

Leider entgeht es Löwith, daß Nietzsche (außer der Prolongation der Aufklärung zu Moderne als Zustand des Vorganges, nämlich durch die offene und absolutäre Leugnung der Wahrheit an sich) nichts wirklich neues hervorbrachte und selbst der von ihm zitierte neue "unbekannte Gott"(713) schon bei Hegel längst vorweggenommen wurde(714), so daß Nietzsche letztlich eine Karikatur Hegels ist, eine moderne Version der Aufklärung Hegels. Doch diese Frage soll weiter unten ausführlicher behandelt werden. An dieser Stelle kann man es dabei bewenden lassen, daß in dem Sprachgebrauch, also in der Terminologisierung durch Nietzsche, eine Radikalisierung (Emotionalisierung) der Sprache, und damit im gewissen Sinne eine die Verdeutlichung fördernde rhetorische Akzentuierung Hegelscher Inhalte (durch Nietzsche) zu beobachten ist. Die Gegenüberstellung von Nietzsche und Hegel ist für die Einsicht förderlich, daß eine antichristliche Größe nicht daran zu messen ist, daß er sich selbst als Antichrist entdeckt, wie etwa Nietzsche. Gerade das Pseudochristliche, der christliche Anspruch, das Schafspelz an Hegel macht ihn zum eigentlichen Antichristen(715) par excellence, der nämlich der allerchristlichste sein Will (Mt 24,24; Mk 13,22; vgl. 2 Thess 2,3-4), oder wie Schleiermacher sinngemäß meint, ein neuer Messias.

Der Begriff Modernismus kann also in unserem verallgemeinernden Sinne für die Moderne überhaupt, sowohl für die säkularistische, wie auch für die schwärmerischen (spirituelle) Richtungen(716), angewandt werden(717), zumal beide übereinstimmend irgendein aus der Kulturtradition abgezweigtes Kulturgut, nämlich mit Vorliebe etwas in der Kulturtradition für unwandelbar Gehaltenes, (dessen Zeitlichkeit damit vortäuschend) in die Zukunft projizieren, um unter dem Vorwand der (futuristischen) Verwandlung des Unwandelbaren, die Leugnung der Gegenwärtigkeit des nämlichen Unwandelbaren, (als vorgeblich künftige Verbesserung) zu kaschieren (ein ebenso markantes wie allgemeinverständliches Beispiel wäre die Propagierung der Euthanasie als Fortschritt, um das unwandelbare Gebot in 2 Mose 20,13//5 Mose 5,17, "du sollst nicht töten" zu unterlaufen). Es ist daher naheliegend, den Begriff "Eschatologismus"(718) (Chiliasmus) sogleich synonym für die "Moderne" zu verwenden(719), und diesen Sprachgebrauch während oder am Schluß dieser Abhandlung weitergehend zu begründen(720), sofern praktische Unklarheiten in der Anwendung sich zeigten.

Dabei soll allerdings Bedacht darauf genommen werden, daß ein noch unausgereifter Begriff "Eschatologismus" vielleicht Angriffsflächen für die auf Zersplitterung der Forschung bedachte Moderne(721) bieten könnte. Wenn z. B. eines der eschatologischen Gruppen diese Bezeichnung für sich selbst in Anspruch nimmt, oder in der Forschung, ob manipuliert oder gutgläubig, der Begriff Eschatologismus mit Hilfe von Attributen charakterisiert wird, die Teile des Eschatologismus auszugrenzen erlaubt, oder schwer als solche nachweisbar macht. So wie heute der Begriff Moderne in dem Sinne eines Zeitalters der Moderne gebräuchlich ist, so daß faktisch alles Zeitgenössische, daß irgendwie vom Früheren abhebt, als modern bezeichnet werden kann, so kann Eschatologismus als die modernste Bezeichnung für den Luziferismus verwendet werden. Umgekehrt kann die Moderne als die am besten getarnte luziferische Selbstbezeichnung des Eschatologismus bezeichnet werden, wie das die Wortetymologie des Begriffes "modern" (wörtlich "neuartig" oder "neuzeitlich", also sinngemäß "New Age") zeigt. In diesem Sinne kann also Eschatologismus als der adäquate theologische Ausdruck für die Moderne terminologisiert werden. Dabei meint Eschatologismus nicht simpel das ideologische Anhängen der Eschatologie, sondern im Gegenteil, das Entfremden, die Pervertierung der Eschatologie, wie es in der theologischen Terminologisierung durchaus nicht unüblich ist. So bezeichnet der Terminus Gnosis, das wörtlich Erkenntnis bedeutet, in der Theologie die Gruppe der vorgeblich Erkennenden, denen die Erkenntnis abgesprochen wird. Auch hat der Begriff Chiliasmus (wörtlich etwa Tausendismus) in der klassischen Theologie (im Gegensatz zur Moderne) immer und ausschließlich diejenigen bezeichnet, die dem originalen Jahrtausend der Bibel ein alterierendes Jahrtausend vorgezogen haben, während die Gnosis (theologisch unzulässig) die biblischen tausend Jahre als chiliastisch bezeichnet. Der hier definierte Terminus Eschatologismus meint also die moderne Sondermeinung, den sogenannten Eschatologismus, die mit der biblischen Eschatologie unvereinbar ist(722) und ihr - nicht ohne Stolz der Eschatologen - entgegengesetzt ist, wie das - vergleichsweise - auch beim Terminus Gnosis (Erkenntnis) der Fall ist (1 Tim 6,20). Dieser Terminus gilt insb. auch dann, wenn der Eschatologismus selbst leugnet, mit dem Christentum unvereinbar zu sein, und sich christlich gibt. Somit ist Eschatologismus in dem hier definierten Sinne ein Oberbegriff des Chiliasmus für den Fall, daß einzelne klassischen Merkmale des Chiliasmus nicht oder nicht vollständig nachgewiesen werden können. Die tatsächlichen Verhältnisse sprechen nämlich dafür, daß alles Chiliastische dem Eschatologismus frönt und die angebliche Neuentdeckung oder neuerliche Aufwertung der Eschatologie immer und ausschließlich chiliastisch ist, nur ist in dieser perfektionierten Tarnung der Nachweis oft zu aufwendig. Deswegen sollte zuerst der Terminus Modern mit dem Terminus Eschatologismus gleichgesetzt oder zumindest als sinnverwandt hervorgehoben werden, und sodann in Rahmen der folgenden Abhandlung zumindest der Vernunftsbeweis dargeboten werden, daß auch die Termini Chiliasmus und (neuzeitlicher) Eschatologismus so gut wie deckungsgleich, auf jeden Fall jedoch schwer gegeneinander abzugrenzen sind. Die schon von den Kirchenvätern verurteilten Hauptcharakteristika des Chiliasmus, Diesseitigkeit (Immanentismus) und die manipulierte Terminfrage der Parusie, sind auch die markantesten Wesensmerkmale des Eschatologismus.

3.2. Die Gnosis

Der zweite Grundsatz um die Sondermeinungen anzunähern ist die Vergegenwärtigung der "Historizität", bzw. Traditionscharakter der selbigen, wonach keine Kultivierung des Bösen, sei es individuell oder in Gruppen, sei es religiös oder areligiös, lebensfähig sein kann, es sei denn, sie greift auf die (subkulturelle) Tradition zurück, bzw. geht davon aus. Es gibt mehrere Merkmalkataloge von Sondermeinungen(723), die mehr den Istzustand zu erfassen suchen. Es gibt aber auch einige, die Eigenschaften und sonstige Voraussetzungen aufzählen, die (wahlweise) in jeder Sondermeinung seit Menschengedenken unentbehrlich sind (Sollzustand).

Falls notwendig, ist der Beweis darüber zu führen, daß ohne die (offene oder verdeckte) Abstützung einer Sondermeinung auf irgendein (alternatives) Traditionsgut, die Sondermeinung unausweichlich dem Untergang geweiht ist, und nicht einmal den Namen "kurzlebig" verdient. Man kann darauf hinweisen, daß wegen der harten Konkurrenz auf dem heißumkämpften Markt der wirtschaftlich meist autarken Sondermeinungen, jede "traditionalistisch" unfundierte Sondermeinung vor allem von den übrigen "traditionalistischen" Sondermeinungen im Handumdrehen eliminiert wird. So stützt dieser Grundsatz die Annahme der eingangs aufgezeigten Einheitlichkeit der Subkultur in der Vielfalt, bzw. leitet sich von da ab.

An unentbehrlichem Traditionsgut können zunächst die Stimulanzien sexueller, toxischer, psychischer, ritueller (zeremonieller), ästhetischer und nicht zuletzt spiritueller Natur genannt werden, die sämtlich dazu neigen Selbstzweck zu werden, so als sei "der Weg das Ziel" und die scheinbare "Endlosigkeit", das "Uferlose" im Zirkelschluß die Unendlichkeit (Ewigkeit) imitiert. Des weiteren kann auf die stets "elitäre" Deutung der "Andersartigkeit" hingewiesen werden, die - wie ein Schatten - einer jeden Sondermeinung untrennbar anhaftet und so mit der Subkultur stets einhergeht. Es ist eine unabdingbare Tradition der Sondermeinungen, etwas Besseres zu sein, alles besser zu wissen, und ähnliches(724). Charakteristisch ist aus ebendiesem Grunde die pathetisch angemaßte Pose des Kritikers, wobei das Horizont der noch so spitzfindig geübten Kritik kaum über die Schaffung des eignen Lebensraums und gerade noch für die unentbehrlichen Rechtfertigungsgründe für die eigene Unentbehrlichkeit ausreicht. Denn die in zumindest in der Anfangsphase und in der längeren Inkubationszeit parasitär strukturierte Sondermeinung ist nicht sofort an der Eliminierung der als Trägerorganismus fungierenden Hochkultur interessiert, sondern schützt Toleranz, Meinungsfreiheit und eine gewünschte Vielfalt vor, wo auch der Teufel eine Scheibe abschneiden dürfe, oder ähnlich.

3.3. Der Apriorismus

Der dritte Grundsatz hat die These zu sein, daß die Moderne (spätestens seit dem Ausklingen der klassischen Zeit des Renaissance-Humanismus und ihr Eintauchen in den Manierismus) die Forschung quantitativ zu überfordern sucht, indem sie als Grundsatz der Auseinandersetzung das Eingehen auf die Detailfragen postuliert, um widerlegt, um wirksam angefochten werden zu können. Demgegenüber ist davon auszugehen, daß sowohl jede modernisierende wie auch klassische Denkstruktur eine logisch geschlossene Einheit bildet, die immer auf einige Grundgedanken und methodische Grundsätze (Grund- oder Ausgangsposition) zurückgeführt werden, die nicht mehr ohne weiteres hinterfragt, sondern zumeist nur nonverbal vorausgesetzt werden. Demnach würde jede Änderung der Denkvoraussetzungen zwangsläufig die Änderung der gesamten Denkstruktur nach sich ziehen, und ebenso zwangsläufig ergibt sich aus der Geschlossenheit der Denkstruktur, daß mit den gleichen Denkvoraussetzungen jeder Denker zwangsläufig zu den gleichen Schlußfolgerungen kommen muß, wenn er schlußfolgernd unterwegs keine "Rechenfehler" macht.

Die allfällig feststellbaren Fehler bei der (schlußfolgernden) Entfaltung von Gedanken, wie es die Subkultur heuchlerisch fordert, ist also zweitrangig, die nämliche falsche Spur in der Auseinandersetzung, auf jene die Moderne ablenken möchte(725). Ist hingegen jede Denkstruktur auf ihre Denkvoraussetzungen (Apriori) zurückgeführt, kann sie nicht nur kinderleicht gehandhabt, sondern auch - wie beispielsweise in der Genforschung - die innere Struktur miteinander verglichen und im Gesamtzusammenhang gegenübergestellt, d. h. kritisch überprüft werden.

Sektenforschung, wie überhaupt die Erforschung aller Sondermeinungen, verlangt also nach einer eigenen Systematisierung ("Dogmatisierung"), ohne die sie heute kaum mehr zugänglich zu sein scheint. Diese Systematisierung kann von dem kirchlichen Standpunkt aus freilich nur nach der Gottesbeziehung und oder ähnlich grundlegenden (unverzichtbaren) christlichen Orientierungsgrößen beurteilt, "gemessen" werden. Und genau dies ist der wissenschaftlich einzig zielführende Zugang zu den Sondermeinungen, denn letztlich fußt jede (noch so politisch oder sonstwie profan agierende) Sondermeinung, wie z. B. der kürzlich noch hochtrabend bis selbstherrliche und heutzutage zunehmend ins Schleudern geratene Materialismus, auf einem, wohl alterierenden, Gottesverständnis.

Einige dieser Denkvoraussetzungen sind da etwa die Lehre von der Seelenwanderung und die Kosmologie(726), die - wie gut versteckt auch immer - integrierender Bestandteil faktisch jeder modernisierenden Richtung ist, insb. auch dann, wenn die Geistesströmung dies und ähnliches nur nonverbal voraussetzt, oder auf Apriori zurückgeht, die scheinbar das Leugnen der Relevanz jeglicher nicht materialistischen Kosmologie und Spiritualität (Seelenwanderung) ermöglicht, aber in Wirklichkeit in dem Apriori sich als Teilwahrheit (Häresie, d. h. Halbe Wahrheit) einer von einem geschlossenen Apriori-Block abgeleiteten (Werte-) Systems erweist, der natürlich nicht ohne dieses fundamentale subkulturelle Rüstzeug auskommt.

Die hier angesprochene These hat also etwa zu lauten, daß jede modernisierende Tendenz immer und nur als (Werte-)System angenähert werden kann und darf. Und sodann jedes System so auf die verbalen oder nonverbalen Denkvoraussetzungen zurückgeführt werden kann (und muß), daß die Abweichung und absolute Unvereinbarkeit mit den christlichen Denkvoraussetzungen jeweils nicht nur nachweisbar, sondern selbstverständlich ist. Die These geht also davon aus, daß es überhaupt keine modernisierende Tendenz, sei es philosophische Vernünftelei, sei es hyperreligiöse Schwärmerei oder materialistische Moralismus, oder was auch immer geben kann, die jemals mit den christlichen Denkvoraussetzungen (Grundposition) zurechtkommen könnte. Anders gesagt: jede denkorientierte (spirituell offene) oder voluntaristische(727) (auf Sinnliches fixierte) Richtung geht auf Apriori zurück(728), die in einem unvereinbaren Gegensatz zu den bibeltheologisch, also an der Offenbarung orientierten Grundsätzen des Christentums stehen.

Der wichtigste Zusatz zu den hier Gesagten ist, daß auch wenn die Grundsätze der christlichen und unchristlichen (respektive pseudochristlichen) Systeme nicht wirklich absolut unvereinbar wären, gehen die Verfechter der unchristlichen Systeme (auch innerkirchlich) immer davon aus, daß sie mit den christlichen Grundsätzen (Grundposition) unvereinbar sind, insb. auch dann, wenn sie sich dann als angeblich christlich vorgeben. Die kritische Untersuchung eines alterierenden Systems kann und darf also niemals bei der Gegenüberstellung der Resultate stehen bleiben, die wie bei vielen guten Fälschungen oft schöner sind als das Original, sondern hat die Abweichung an der Wurzel zu packen. Eine Auseinandersetzung etwa mit der Psychologie auf der Ebene des alterierenden Umganges mit der Seele ist solange fruchtlos, bis das Weltbild des Psychologen - mit den dieses tragenden Grundsätzen - dem Weltbild des Christen gegenübergestellt wird. Was hat die Seele des Psychologen mit der Seele eines Christen gemein? und was vor allem nicht!

3.4. Die Vernunft

Der vierte Grundsatz ist die angemessene Begegnung der obligatorischen Verblendungstechniken von Sondermeinungen, die auf die Manipulation jenseits der "Reizschwelle" spezialisiert sind, um Widersprüchliches möglichst unbemerkt, sozusagen unterschwellig anzubringen. In der Medizin spricht man vom Überreiz, von "jenseits der Reizschwelle", wo z. B. der von einer Gewehrkugel Getroffene nur einen dumpfen Schlag und keinen Schmerz empfindet. In der Elektromechanik kennt man Radarmeßgeräte, die im Bereich von Geschwindigkeitsbegrenzungen unter hundert Stundenkilometer nur bis ca. hundertvierzig Stundenkilometer die Übertretung registrieren, und darüber keine Übertretung mehr anzeigen. Wenn z. B. so unverschämt gelogen wird, daß der Hausverstand daran zweifelt, daß so unverschämt überhaupt gelogen werden kann, dann werden die Lügen - in der ersten natürlichen seelischen Reaktion - gewissermaßen unwillkürlich als (scheinbare) Wahrheit, nämlich als nicht hinterfragbare aber ansprechend-naheliegende Möglichkeit(729), akzeptiert, weil die kritische Instanz als "Immunsystem" überfordert ist. Eine falsche Behauptung durch das unvorstellbar Verlogene erscheint, weil unhinterfragbar, stets "zunächst" glaubwürdig, allen Anschein nach unwiderlegbar, zumal sich der Verlogene selbst - als die Möglichkeit eines solchen - konsequent leugnet. Die technische Unwiderlegbarkeit der Überdimensionierten Lüge blockiert das Immunsystem ihres Gegenüber etwa dergestalt, wie bei Überspannung im elektrischen Stromkreis die Sicherung durchbrennt, und einen "Blackout" verursacht. Oder: weil das Unhinterfragbare für die sich selbst überlassene Vernunft des Menschen scheinbar auf sich beruhen müsse, bis - wie durch ein Wunder - das Unhinterfragbare hinterfragt wird, liegt die Lösung und Widerlegung des Schwindels jenseits des Horizonts der beschwindelten Vernunft, und kann so nicht einmal den formalen - aber "transzendentalen" - Schwindel mit der Umkehr der Beweislast hinterfragen, weil er durch den gleichen Schwindel nur davon ausgehen kann, daß "für einen mündigen Bürger" einzig die eigene Vernünftigkeit (a priori) die höchste Instanz der Hinterfragbarkeit sein kann(730). Der natürlichen Vernunft, dem Verstand, wohnt zwar sehr wohl der Hang zur Logik inne, doch ist selbst die vollkommenste abstrakte (begriffliche) Logik des vernünftigen Denkens, sieht man von der Voreingenommenheit als Informationsfilter ab, absolut Informationsabhängig, gleichsam Informationsbedingt, also in der Effizienz absolut von der adäquaten Erfassung der Wirklichkeit abhängig. Erfaßt die Vernunft die Wirklichkeit nicht exakt, kann sie zwar intern vollkommen vernünftig arbeiten und bestechend exakte Resultate (Schlußfolgerungen) bringen, ist aber extern trotzdem widervernünftig, widersprüchlich, realitäts-, bzw. wirklichkeitsfremd. So ist Kants berühmt berüchtigtes Schilderhebung der menschlichen Vernunft zum Souverän mit seinem Mündigkeitspostulat und Absolutsetzung des Sinnlichen (als Prüfstein des Wirklichen), so als würde unsere Vernunft durch die Sinne die leblosen Dinge beseelen, die wohl raffinierteste Leugnung der Wirklichkeit und die grundlegendeste Täuschung der Vernunft. durch Fehlinformation.

3.4.1. Luzifer Superstar

Der wohl prominenteste Großmeister der Verlogenheit, der Virtuose der bis zur unfaßbar Unnachvollziehbarkeit ("Agnostizismus") überdimensionierten Lüge, und er sei als repräsentatives Beispiel angeführt, ist also wohl Immanuel Kant, der es auf anspruchsvollstem Niveau geschafft hat, alle eigenen Widersprüchlichkeiten als Apriori in der Transzendenz(731)genannten Fiktion der "Unhinterfragbarkeit"(732) (Agnostizismus(733)) verschwinden zu lassen(734):

"Wenn die Grenze der Transzendentalphilosophie überschritten wird, so wird das angemaßte Prinzip transzendent; d. i. das Objekt wird ein Unding und der Begriff von ihm widerspricht sich selbst: denn er überschreitet die Grenzlinie alles Wissens: das ausgesprochene Wort ist ohne Sinn. Hier müssen wir uns erinnern, daß wir den Endlichen, nicht den unendlichen Geist vor uns haben. [...] Inwiefern in demselben Wesen zwei so entgegengesetzte Tendenzen zusammen bestehen können, ist eine Aufgabe, die zwar den Metaphysiker, aber nicht den Transzendentalen Philosophen in Verlegenheit setzen kann. - Dieser gibt sich keineswegs dafür aus, die Möglichkeit der Dinge zu erklären, sondern begnügt sich die Kenntnisse festzusetzen, aus welchen die Möglichkeit der Möglichkeit der Erfahrung begriffen wird."

so Kant(735), der somit den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Bedingten und Unbedingten in der Transzendenz vergeblich zu leugnen versucht, so als wollte er darauf aufmerksam machen. Im Opus postumum expliziert Kant weiter(736):

"Transzendentalphilosophie ist das System des reinen Idealismus der Selbstbestimmung des denkenden Subjekts durch synthetische Grundsätze apriori aus Begriffen, vermittels deren dieses sich selbst zu einem Objekt constituiert, und die Form macht hier den ganzen Gegenstand aus."

Nach einem mehrfach verschachtelten und sprachlich komplexen Gedankengang, wonach die Objekte der Gedanken eines (denkenden) Subjekts, die in der Transzendenz Ideen heißen, so meint Kant, in einem Umkehrprozeß würden nunmehr nicht nur als apriorische Ideen die Objekte selbst bestimmen, sondern sogar das denkende Subjekt, nämlich als Objekt (und dessen Urheber)(737). Ohne die philosophischen Wortornamente meint Kant offensichtlich "Selbsterkenntnis"(738), trifft allerdings die Beschreibung - weil zu abstrakt bis wirklichkeitsfremd - nicht exakt(739). Vereinfacht ist dieses "zu denken", daß man sich selber (als das Gedachte) denkt, also ein sich selbst denkender (virtuelle) Gedanke(740), für Kant, wenngleich noch nicht so "offenbar" wie bei Hegel(741), Gott(742).

Natürlich muß sich einer so eine Idee einmal ausdenken, bevor er sich die nämliche Idee dann als den Denkenden gedanklich erschaffend, d. h. Gedacht, denkt. Doch das ist eben Transzendentalphilosophie, daß man hier keck behaupten kann, daß die Perversion in der Transzendenz (ohne die als erkennbar vorausgesetzte Wirklichkeit) unhinterfragbar ist: sozusagen a priori(743). Aus den eingangs Gesagten ergibt sich auch, daß die Unhinterfragbarkeit eigentlich nur per definitionem existiert, indem der Transzendentalphilosoph nicht "die Möglichkeit der Dinge" erklärt, sondern die "Möglichkeit der Erfahrung" (des Unerkennbaren) zu begreifen hilft. Nur durch die Leugnung jedweder erkennbaren Wirklichkeit kann sich Kant auf die Absolutsetzung des Subjektivismus zurückziehen, und in der so erschwindelten Isolation der (auf die Erfahrung) beschränkten Erkennbarkeit (im Zirkelschluß) die Absolutheit dieser totalen Beschränktheit (auf das Unwirkliche) postulieren. Das ist dann auch die bestechend unwiderlegbare Begründung der Religion der Vernunft, wo dann alles Vernünftige ausschließlich in der Unwirklichkeit gründet, und so trotz aller innerer Perfektion äußerlich nur als Religion gelten kann.

Umgangssprachlich wäre Kants Einfall etwa: das zu sein (als Subjekt), was man über sich so denkt, man müsse nur eine Idee haben, so als denke der gedachte Gedanke sich als durch das Denken gewordene, und zwar so, wie er sich am besten gefällt: z. B. Transzendentalphilosoph. Hat man sich einmal als solchen gedacht, kann man sich nunmehr als immer schon als solche behaupten, woraus im Zirkelschluß folgen soll, daß man sich nicht als Transzendentalphilosoph gedacht hätte, wenn man nicht schon davor einer gewesen wäre. Der Zirkelschluß zum Beweis der Quasi-Wirklichkeit wird spekulativ mit dem Apriori legitimiert, daß alles was möglich erscheint, könne und müsse auch "notwendig"(744) als real (so gut wie wirklich) angenommen werden(745), so wie es Kant bei Wolff und dessen Schüler das Steckenbleiben des Vernünftigen im Möglichen(746) zur kritischen Ausgangsposition genommen hat(747).

3.4.2. Der souveräne Teufel

Die Kantsche Transzendentalphilosophie läßt es nur scheinbar offen, ob die Idee oder die Realität dem jeweils anderen vorausgeht, denn das ist das Wesen des (Kantschen) Agnostizismus(748), daß die menschliche Erkenntnisfähigkeit der Maß aller Dinge (das einzig Souveräne) zwar (a priori) ist, aber sie kann unmöglich dem Erkennbaren vorauseilen(749). So ist eine diese souveräne(750) Erkenntnisfähigkeit des Menschen vorwegnehmende Idee - im Kantschen Sinne (im Gegensatz zu Hegel(751)) - zwar ein Nonsens(752), doch kann ebendies unter dem Schutz des Unhinterfragbarkeits-Doktrins (Agnostizismus) Kants(753) trotzdem - gewissermaßen hypothetisch (als Kants von Anselm entfremdete zentrale Begriff der "Möglichkeit"(754)) - so behauptet werden, als würde man die Aporie scheinbar auf sich beruhen lassen(755).

Die Idee, die eigene Erkenntnisfähigkeit (als absolut) zu erkennen wohnt "natürlich" der nämlichen Erkenntnisfähigkeit inne(756), ebenso wie die bestreitbare Möglichkeit der präexistenten Idee (der Präexistenz) zu erkennen, zumindest nach Kant. So zeigt sich die Grundidee der Transzendentalphilosophie als eine Art Transzendierung der bestimmenden Reflexion über die Realität(757), so wie etwa in der Evolution von der Ebene des muskulösen Körpers, etwa ab dem evolutionären Niveau des Regenwurms, das gleichsam reflektierende Nervensystem sich entwickelt hat, um auf späteren (höheren) Entwicklungsstufen der Evolution die Muskulatur zu bestimmen (ohne es "erschaffen", hervorgebracht zu haben, oder präexistent zu sein). So beherrschen die von den menschlichen "Gehirnmuskeln" hervorgebrachten Ideen unser Denken(758), auch wenn sie - notwendig später - aus diesem hervorgingen. Die Religion habe so - nach Kant - diese Ideen dem von ihnen bestimmten menschlichen Denken zu Recht vorgeschaltet, aber sie fälschlich absolut gesetzt, denn die nämliche Transzendenz der Ideen sei auf natürlichem Wege aus der Natur hervorgegangen, die der natürliche Vater aller Dinge sei. So ist für Kant die Natur(759) aus sich selbst vernünftig und denkt über sich selbst sozusagen in der Form des Menschen nach(760), bzw. erkennt sich die Natur im Menschen, nämlich als vernünftig, und natürlich als ihres Selbst bewußt. Es gäbe sonach weder ein Vorherwissen der Natur (d. i. für Kant Gott) über sich selbst vor dem Menschen (im Rückblick), noch ein Unbekanntes als Unerkanntes(761) (im Vorausschau), sondern definiert sich alles Unerkannte als in der Zeit unvollendet. So wie - bildlich ausgedrückt - unser Nervensystem (oder Blutkreislauf) der Form nach an den Umfang der Muskulatur (auch der Form nach) gebunden ist und in der Selbstempfindung des Nervensystems die Muskulatur gewissermaßen mit eingeschlossen ist, so umfasse für die Gnosis Kants die Selbsterkenntnis des Menschen die Natur als Kosmos, besser gesagt als Universum, weil der antike Begriff des Kosmos von dem Naturalismus überwunden wurde(762). Indem jedoch das Unerkennbare als wirklich existent negiert wird(763), wobei schon die Grenzen des Erkennbaren von Kant nicht von der Wirklichkeit, sondern, unzulässig, von der Erkenntnisfähigkeit des erkennenden Subjekts her(764) definiert werden (Subjektivismus)(765), beraubt sich Kant der Möglichkeit sein Apriori zu hinterfragen(766), ob denn wirklich die Natur im Menschen sich selbst erkennt (und vice versa). Und so kollidiert er mit seinem anderen Apriori, wonach das nämliche Selbsterkennen in der Zeit vollendet werde, und also vorerst ("noch") unvollkommen, und also ("noch") nicht absolut sei. Denn damit postuliert Kant eine werdende Absolutheit, sozusagen die Präpotenz der Selbst-Erkenntnis (der Vernunft, die der Natur), und leugnet "gleichzeitig" entschieden vorher überhaupt etwas wissen zu können(767), etwa auch daß die menschliche Vernunft künftig auch tatsächlich so (vollkommen) sein wird, wie sie es jetzt schon im Machtanspruch Kants vorweg sich herausnimmt. Kant kann also die Idee haben zumindest künftig vollkommen zu sein, und die Brücke zur Realität mit der zweiten Idee schlagen, und durch die Ideen die Wirklichkeit nunmehr - zumindest in der (künftigen) Zeit - "gestalten". Daher hätte auch die Idee Kants, daß es keinen Gott im herkömmlichen Sinne geben muß, im gewissen Sinne - als Möglichkeit - "Zukunft". Allerdings nicht einmal dort Anspruch auf Wirklichkeit.

Um aber sicher zu gehen, daß man - mit Kant - in aller Ewigkeit als Transzendentalphilosoph gelte, muß man die Unhinterfragbarkeit der nämlichen Erkenntnisvorgänge (apriori) behaupten, so als würde das Gedachte ein (virtuell) denkender Gedanke sein(768), der sich den Denkenden ausgedacht (im Denken vorgebildet) hat und nicht umgekehrt. Das ungefähr ist die hohe Schule der zynischen Verhöhnung Gottes durch seine Karikatur. Zu denken, daß das Gedachte den Denkenden zuerst als "es" denkend gedacht haben könnte. Man müsse nur immer (agnostisch) die Hinterfragbarkeit Leugnen, d. h. "transzendieren", und sodann die (a priori) möglich gemachte Möglichkeit apriorisch so abzustützen, daß ja die Möglichkeit einen Grund voraussetze, der nachträglich aber rückwirkend als vorhanden gedacht werden muß, wenn die Möglichkeit möglich bleiben soll(769).

Sehr wohl läßt sich die so postulierte Vernunftsreligion(770), die Kant (eigentlich pantheistisch) mit Naturreligion gleichsetzt(771), ebenso als manichäisch(772)-gnostisch(773) (Nus(774)/»Nys+/Nous(775 ) = Vernunft(776)) nachweisen, wie seine sirius-zentrierte Kosmologie(777)(eigentlich Universalismus), die (trotz Wohlüberlegtheit) alles andere als "vernünftig" ist(778). Auch neuheidnische Hintergedanken in Kants Vernünftelei sind - trotz der agnostischen Fassade - nachvollziehbar, denn der (auch von der Romantik(779)besungene) Sirius(780) wird der Isis(781), der altägyptischen Göttin der Natur(782)zugeordnet(783), der Demeter der Griechen(784), der Ceres der Lateiner, die mit Liber(785) und Libera den zentralen Göttertrias der Spätantike bildet, die im Zentralheiligtum Attikas, in Eleusis(786), als Demeter(787), Dionysos/Pluto(788) und Kore/Persephone verehrt wurden: daher auch der Name Liber-al(789), d. h. dionysisch, bzw. osirisch(790), Mithras-3(791) oder S(c)hiva-Anhänger(792); und ebendiese Isis(793) ist die synkretistische Hauptgottheit der Geheimbünde(794), die sie außer der vielzitierten Pallas von Sais, die von Hegel mit der Kybele gleichgesetzt wird(795), mit beliebigen vielen heidnischen Gottheiten ohne Geschlechtsunterschied, vor allem mit der Venus(796) (als Planet mit dem Namen Luzifer) der Neugnosis, aber auch mit dem Jesus der Christen, gleichsetzen, und ohne die seit Menschengedenken kein Freimaurer ausgekommen ist(797).

Nach Kant wären die "Moral" einerseits und "Christus" andererseits die zwei heterogenen Teile der von ihm als »bastardisches Produkt« bezeichneten christlichen Religion, wobei für Kant die zweite Komponente (Christus) gänzlich entbehrlich ist(798). Die stets nebulose Gottesauffassung des Antichristen Kant mag zwar in seiner vor- und nachkritischen Phase jeweils andere Ausformulierungen erfahren haben(799), es besteht jedoch diesbezüglich eine durchgehende Kontinuität im gesamten Werk Kants(800). Kant war zwar mehr als seine übrigen Zeitgenossen und Nachfolger zur Verklausulierung seiner überbiblischen und überchristlichen (ausdrücklich religiösen) Botschaft (im philosophischen Gewand) gezwungen, das uralte pantheistisch-gnostische Konzept, den Kant dem Abendland neu präsentierte, hatte er aber nicht selbst ersonnen, sondern hat er lediglich antike Vorbilder (ohne Quellenangabe) rezipiert. Als ein Prototyp des Antichristen(801) ist Kant natürlich auch "Atheist" (der landläufig angenommene Agnostizismus(802) Kants ist nur ein Vorwand), bzw. Gottlos im biblischen Sinne. Die chiliastisch (ganz und gar diesseitig und zukünftig) konzipierte Erbauungsliteratur Kants über ein irdisches Friedensreich mit Völkerbund und ähnliches, sowie das allpräsente eschatologische Moment im Hinblick auf die heraufdämmernde Religion der Vernunft(803)(Natürliche Religion), rundet das Bild eines vollendeten Gnostikers (Luziferisten) ab.

3.5. Der Synkretismus

Der fünfte Grundsatz ist die Abgrenzung der Ökumene gegenüber Sondermeinungen, vor allem gegenüber gnostischer "Religiosität" in pseudochristlichem und anderskonfessionellem Gewand (womit nicht die anderen Konfessionen selbst gemeint sind), gegenüber der angeblichen Vereinbarkeit der christlichen Religion mit Philosophie (grundsätzlich immer von gnostischen Apriori abgeleitet), und gegenüber dem Humanismus, die sich derzeit am liebsten hinter der Psychologie versteckt, und daher wohl mit dem Terminus Psychosophie wiedergegeben werden kann.

Besonders dem Seelenfang mit dem "Onkel-Doktor" Masche ist eine Absage zu erteilen, zumal die Psychologie (vorwiegend die Psychoanalyse, und neuerlich die Humanistische Psychologie) bei weitem noch nicht so ausgereift ist(804), um dem erhobenen Anspruch auf die Seele gerecht zu werden (von der mangelnden Kontrollierbarkeit einmal ganz zu schweigen). Vor allem sind die unvermeidlichen Psychomanipulationen untrennbar mit einer weltanschaulichen Neuorientierung des Patienten verbunden, ohne die keine neue (psychische) Heilmethode zugänglich und also mit Erfolg anwendbar wäre. Die Psychologie kann seit Generationen von und für unzulässige Menschenexperimente leben, weil die Methoden sich im Unhinterfragbaren verlieren, und sie sämtlich nur in der Apriori der Redlichkeit des Psychiaters, in seiner (humanistischen) Autorität (als "Arzt" oder "Heiler"), und nicht wirklich objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen, begründet sind.

Treffend stellt daher der eingangs theoretisch scharf kritisierte Introvigne für die Moderne praktisch fest: "Der Luziferianismus im eigentlichen Sinn schließt sich z. T. an unterschiedliche Vorläufer an, die ursprünglichen Verbindungen mit der Psychoanalyse entstammen"(805). Der meist medizinisch verbrämte Anspruch der Psychologie auf die Religion(806), über dem Umweg der angeblichen Erklärbarkeit religiöser "Phänomene", nämlich durch die Psychologie(807), sind als pseudowissenschaftliche Subjektivismus(808) entschieden zurückzuweisen.

In medizinischen Fachkreisen wird auch vertuscht, daß die Freudsche Psychoanalyse auf eine alte katharische(809) Psychotechnik zurückgeht(810), bzw. diese (abgewandelt) hat. Auffallend ist der Hang des feministischen Flügels der Freudschen Psychoanalyse zu der primitiven Urform des Dionysischen(811), wo die rasenden Frauen(812) (Mänaden) alles Fleisch unterwegs zerreißen und roh verschlingen(813), und sodann neulich das Ideal des Feminismus wurden. Gut dokumentiert ist auch die Kritik an der sektiererisch pseudoreligiösen, bzw. weltanschaulichen Dimension des Freudianismus(814).

Es sei daher insgesamt an die alte Faustregel erinnert, wonach der Unterschied zwischen dem Humanisten und dem Christen (vor allem in den Ursprüngen um Pico de la Mirandola) sich vor allem darin definieren läßt, daß beim Christen Gott den Menschen (zum Menschen) macht und beim Humanisten der Mensch seinen Gott (in dieser Ausgeprägten Form u. a. bei Feuerbach(815)). Auch der Christ bekennt im Sinne des ersten Johannes-Briefes, daß es keinen richtigen Gott ohne Nächstenliebe geben kann. Allerdings kann es für Christen auch keine Nächstenliebe ohne Gott geben, so daß wer auch immer den Mund voller Gott aber leeren Herzens redet, dem Philanthropen gleicht, der alle Reichtümer dieser Welt (Produktionsmittel) mitsamt dem Blau von Himmel zu geben verheißt, wenn man nur auf Gott verzichte.

3.6. Die Sünde

Sechster und wohl wichtigster praxisorientierter Grundsatz der hier einzunehmenden Position ist, daß der Kardinalpunkt faktisch aller Sondermeinungen, insbesondere derer mit Formen der Kultivierung des Bösen, die Uminterpretation, die (legitimierende) Umdeutung des schlechthin "Bösen" ist(816). Obgleich das Evangelium grundsätzlich die Vergebung aller Sünden, als die unabdingbare Voraussetzung des ewigen Heils(817), verkündet (Mt 12,31//Mk 3,28.29//Lk 12,10), so geschah dies einerseits nicht ohne Bedingung, nämlich erstens die Vergebung an sich und zweitens die "Reue"/Umkehr (vgl. 1 Joh 1,8-10), und andererseits nicht ohne Ausnahme, nämlich ohne die (ewigen) Unverzeihlichkeit der "Lästerung(818) des Heiligen Geistes" (Mt 12,31//Mk 3,28-30//Lk 12,10; vgl. 1 Joh 5,16-17; Hebr 10,26-31). Demgemäß definiert sich das Böse im Lichte des Evangeliums als das "Ungehorsam", nämlich das (allen) im neuen und ewigen Bund geschenkte Heil (im Einzelfall) annehmen zu können und zu wollen, bzw. als die Leugnung der Unabdingbarkeit der direkten und persönlichen "Annahme" des - gnadenweise und bedingt ("testamentarisch") zugestandenen - Heils(819). Aus der Leugnung der von Gott zum Heile gesetzten Bedingung resultiert konsequent die Leugnung des Urhebers des (dergestalt bedingten) Heils, nämlich des Heiligen Geistes. Folgerichtig leugnet also das hier beschriebene Böse zu allererst die Existenz von unverzeihlichen Sünden, sei es auch unmittelbar(820) (etwa indem es alle Sünden überhaupt und an und für sich, und damit die unverzeihlichen Sünden implizit leugnet), oder - mittelbar - über die Leugnung der ewigen Verdammnis.

In der Praxis manifestierte sich das Böse ehedem nur selten im offenen Leugnen alles Heiligen(821), sondern vielmehr in der Verfälschung der christlichen Lehre(822), in der Lüge (Joh 8,44), so wie es von der Bibel seit Jahrtausenden vorhergewußt ist. Ab dem Mittelalter machte sich das Böse die traditionelle Verteufelung alles Heidnischen(823) zunutze, um über die angebliche Veranschaulichung des Bösen der christlichen Lehre mit Hilfe der aus dem Heidnischen entlehnten Ausgestaltung des Dämonisch-Ungehorsamen, die gesamte heidnische Götterwelt mit dem christlichen Weltbild schleichend zu parallelisieren(824). Natürlich rangierte der Hellenismus bei dieser mehr oder minder verdeckten Synkretismus an erster Stelle.

Es sind insb. zwei Gestalten, die als heidnische Urtypen des Bösen herhalten mußten, so daß sie ab dem Mittelalter durchgehend synonym für das Böse gebräuchlich wurden. Prometheus(825), der den Göttern das Feuer stehlen will(826), um es den Menschen zu bringen (Anspielung an den "Lichtbringer"=Luzifer bei der Themenwahl durch die Gnosis, aber auch an Phanes, als den präexistenten Dionysos), und Pluto(827) (griechisch Hades), der zugleich der Gott der Unterwelt und des (irdischen) Reichtums war. Die traditionelle Gleichsetzung von Pluto/Hades mit Dionysos - oder mit dem Vater des Dionysos (im Lateinischen ist wohl deswegen der Name Liber Pater üblich) - erklärt, warum die Romantik mit Hölderlin diese Gestalt (Dionysos) zu der Zentralfigur einer neuen "überchristlichen" Religion(828), und damit zum Mittelpunkt des gesamten abendländischen Kulturgeschehens bis in die jüngste Zeit erhoben hat(829). Und analog der Gleichsetzung von Dionysos mit Pluto wird Prometheus mit dem musizierenden Dichter-Prophet Orpheus gleichgesetzt, weil so wie Dionysos und Pluto die Rolle als Unterweltgott teilen, so teilen Prometheus und Orpheus, letztere durch seine Fahrt in die Unterwelt (des Dionysos), die Rolle des Gefallenen und nach langem Leiden Erhöhten, also luziferischen Typus.

Welche Gestalt auch immer und in welcher Ausgestaltung, alle diese Veranschaulichungen des Bösen mit heidnischen Bilder und Götter haben gemeinsam, daß das Böse zwar zu Fall kommt, aber am Ende der Zeiten (eschatologisch) rehabilitiert wird(830), und sogar letztlich zur Herrschaft gelangt(831). Immer und ausschließlich hat die "elegante" Umgehung des Evangeliums mit der ewigen Verdammung des Bösen - mit Hilfe heidnischer Figurationen(832) - das Ziel, den Endsieg und Herrschaft des vormals zum Fall gekommenen Bösen zu Künden. Alles Schrifttum über Prometheus, das Orphisch-Dionysische und ähnliches, sind lediglich Variationen zu diesem einen einzigen Thema.

3.7. Die Neugnosis

Ein - in der Auseinandersetzung mit dem Bösen - unentbehrlicher Grundsatz ist die Notwendigkeit der Enttarnung, oder die Einbeziehung des nicht offen bekennenden Teufelswerks in die Betrachtung. Ohne an dieser Stelle eine erschöpfende Systematisierung vornehmen zu wollen, kann auf die spiritualistische und materialistische Tarnung des Bösen als Hauptrepräsentanten(833) hingewiesen werden.

In dem vorhergehenden Punkt ist z. B. die heidnische (synkretistische) Tarnung erwähnt worden, die am liebsten als hellenistisch (z. B. bei den Romantikern(834)), aber auch als ägyptisch (z. B. bei den Freimaurern und den Anhängern des gnostischen Corpus Hermeticum(835)), als persisch (z. B. bei Nietzsche und dann bei den Anthroposophen), als indisch (Schopenhauer, Lessing, Hegel mit dem weniger platonischen als indisch-tantrischen Begrifflichkeit der "Negation" und dann Theosophen und Nationalsozialisten), als chinesisch (z. B. Lessing, Wolff und Leibniz(836), aber auch der junge Goethe), als jüdisch (z. B. bei den Pietisten und Kabbalisten), als babylonisch (z. B. bei den Mystikern und Astrologen), oder als germanisch und oder keltisch (z. B. bei Wagner, Hitler und bei dem gesamten Neuheidentum und Neugnosis), um hier nur einige von den Bekanntesten zu nennen, auftritt. Als siebenter Grundsatz hat die Sektenforschung also darauf hinzuweisen, daß die Gnosis traditionell nicht minder pseudohellenistisch, pseudoindisch, pseudoägyptisch, pseudopersisch, pseudobuddhistisch, pseudomoslem usw. ist als pseudochristlich. Und obwohl die pseudoheidnische Tarnung des Bösen vergleichsweise auffälliger ist, fällt es der christlichen Sektenforschung ungleich schwerer zwischen nichtchristlichen Konfessionen und Pseudoheidnischem zu unterscheiden. Dem gleichen Fehler erliegt z. B. die Forschung der politisch Linken, die von der Unterschiedslosigkeit zwischen Christentums und Luziferismus, bzw. konkret zwischen Religion und Pseudoreligion ausgeht, um das vernichtende Urteil über die Pseudoreligion an der Religion zu exekutieren(837).

Umgekehrt zeigt die christliche Sektenforschung gewisse Schwierigkeiten, wenn die ohnehin bunte Vielfalt von Hinduistischem etwa gegen die pseudohinduistische Gnosis eines Gandhi abgegrenzt werden soll. Tatsächlich aber steckt hinter dem Neo-Christentum und etwa Neo-Hinduismus die gleiche Neo-Gnosis(838). Ist etwa bei Dionysos(839) (Osiris), Isis und S(c)hiva verhältnismäßig leicht den direkten Zusammenhang mit dem Luziferismus zu enttarnen und etwa Dionysos (Pluto/Liber) als (synkretistisches) Synonym des Luzifer nachzuweisen, könnte es - ohne vorangestellte Grundsätze - im Einzelfall schwerfallen, die üppige synkretistische Vegetation durchzudringen (siehe weiter ober die über quantitative Überforderung der Forschung Gesagten).

Es soll an dieser Stelle nicht entschieden sein, ob nun die pseudoheidnische oder pseudochristliche Tarnung der Gnosis (Luziferismus) letztlich die gefährlichere ist, jedoch mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die pseudochristliche Tarnung, zumal mehrheitlich innerhalb den etablierten Kirchen; die zeitgenössische Sektenforschung gänzlich überfordert und ihre größten Triumphe seit Menschengedenken feiert. Es nimmt sich grotesk aus, daß die innerkirchliche Kritik an der Häresie, selbst wenn jene offen luziferisch auftritt - wie etwa im Rahmen des Feminismus - in jeder sogenannten christlichen Kirche des Etablissements faktisch abgeschafft und durch Alibihandlungen im moralischen (ethischen), bevorzugt im populistisch-erotischen (also sinnlich-physischen) Bereich(840), ersetzt wurde, die aber auch zunehmend zu einer lahmen Alibi-Diskussion verflachen.

Es würde ein Nachweis im Detail an dieser Stelle darüber zu weit führen, daß Chiliasmus (im verallgemeinernden Sinne) und Gnosis synonym sind. Es darf daher als in der Sektenforschung als bekannt vorausgesetzt werden, daß für die Gnosis innerhalb der pseudochristlichen Tarnung das "tausendjährige Reich" faktisch die gleiche Rolle spielt, wie das "Goldene Zeitalter" innerhalb der heidnischen, bzw. pseudoheidnischen Tarnung(841).

Ein mehr oder minder gekünstelter Eschatologismus ist wesentlicher Bestandteil der aufklärerischen Moderne, bzw. Neugnosis (Luziferismus) insgesamt, wie es auch bei den bekennenden Luziferisten leicht nachweisbar ist. Es mag eine offene Frage sein, wie groß der wissenschaftliche Aufwand zu sein hat, um den Umkehrschluß, wonach alles (Pseudo-)Eschatologische direkt als luziferisch identifiziert werden kann, nachzuweisen. Es kann jedoch darauf hingewiesen werden, daß die eben genannte Undurchdringlichkeit der pseudochristlichen Tarnung unmittelbar mit derer chiliastischen Wesenheit zusammenhängt. Sofern diese Zusammenhänge auf eine Kurzformel gebracht werden können, so lautet das Erfolgsrezept der pseudochristlichen (chiliastischen) Tarnung der aufklärerischen Moderne und neuheidnischen Neugnosis (Luziferismus) dergestalt, daß die bereits erfüllten und spätestens von Augustinus und den Kirchenvätern (Konzil von Ephesos 431) in der Vergangenheit gedeuteten eschatologischen Motive des Evangeliums futuristisch so umgedeutet werden(842), als wäre künftig geglaubt, was als gegenwärtig (und in der Vergangenheit) geleugnet wird. Es kann dabei eine seit Jahrhunderten andauernde Vorarbeit der Vertuschung der authentischen Lehre der Kirche beobachtet, bzw. nachgewiesen werden.

3.7.1. Der Chiliasmus

Die hier hilfsweise als "Eschatologismus"(843) bezeichneten pseudoeschatologischen Umtriebe(844) hatten von alters her zwei Hauptstoßrichtungen, je nachdem, ob die eschatologischen Umdeutungen auf den Anfang (Off 19,11-20,2) oder auf das Ende(845), bzw. "danach"(846) (Off 20,7-15), des vielzitierten tausendjährigen Reiches angesetzt wurden, wo jeweils ein Erscheinen des Messias in der christlichen Offenbarung angezeigt ist (Off 19,11 ff.; 20,4 ff. und Off 20,11 ff.). In der Bibeltheologie ist für den Anfang (des tausendjährigen Reiches) der Terminus "Parusie"(847) und für das Ende des tausendjährigen Reiches der abgeleitete Terminus "Weltgericht", "Endgericht", bzw. "Jüngster Tag"(848) gebräuchlich, während der vulgäre Terminus "Wiederkunft"(849) (vgl. Apg 1,10-11), oder in der Kurzform "Kommen"(850) (vgl. Phil 4,5; Off 22,7.12.20)(851), von der Moderne oft für beide Zeitpunkte(852), ja sogar für den dritten Zeitpunkt der Geburt Jesu als das erste "Kommen" - nicht ganz ohne Absicht(853) - mißverständlich verwendet wird(854). Das Zweite Vatikanum hat dann die neuen Termini "Ende der Zeit(en)"(855) und Ende der "Weltzeit"(856) eingeführt, womit zwar der gleiche Sachverhalt - vor ("Zeit") und nach ("Weltzeit") dem tausendjährigen Reich - gemeint sein will, allerdings werden die beiden genannten Zeitpunkte nicht (mehr) näher definiert, sondern etwas schwammig umschreibend an anderen zeitlichen Orten (als bisher) gewissermaßen stillschweigend Vorausgesetzt, als die zuvor knapp zweitausend Jahre gebräuchlichen Termini "Parusie" und "Jüngster Tag", so als hätten, wenn, dann die Kirchenväter etwas Terminologisches verschwitzt. Der neue, bzw. durch das Zweite Vatikanum neu interpretierte Terminus "Ende der Welt" meint mehr oder minder eindeutig die Geburt Jesu als sein "Kommen", was soweit mit der bisherigen Lehre der Kirche keine unvermeidliche terminologische Kollision bedeuten muß, während das "Ende der Weltzeit" nur in dem Punkt hinreichende Klarheit bietet, daß es zuvor - in dieser Form - in der offiziellen Lehre der Kirche nicht zu finden war, und zeitlich mit der sog. Wiederentdeckung der Eschatologie in der neueren (d. i. modernen) Theologie zusammenfällt. Natürlich ist die Intention der neuen (modernen) Terminologisierung so weit richtig, daß es sowohl vor den tausend Jahren (Off 20,4 f.) wie auch danach (Off 20,11 f.) von der Offenbarung des Johannes ein Gericht angezeigt wird, und das erste Gericht offenbar über Israel angezeigt ist (vgl. Off 19,13) aber das Gericht nach den tausend Jahren universalistischen Charakter zeigt (vgl. Off 20,13). Nur scheut die jeweilige Formulierung des Zweiten Vatikanums das erste Gericht mit den Kirchenväter konkret in der Vergangenheit über den Herodianischen Tempel auszusprechen und deutet irritierend auf die Geburt Jesu als das einzig konkretisierbare "Kommen" Jesu.

Über Eschatologisches nach dem Ablauf der tausend Jahre enthält die Bibel nur so wenig (Off 20,7-22,15) und solches, das nur im bibeltheologischen Gesamtzusammenhang zugänglich ist, aber isoliert zur falschen Interpretation geradezu einladet(857), so daß der hier ansetzende Eschatologismus (Chiliasmus) bibeltheologisch leicht als außerbiblisch (überbiblisch) und daher pseudochristlich, aber - mit einigem Aufwand - auch als in sich widersprüchlich, nachgewiesen werden kann. Die wirkliche Herausforderung für die innerkirchliche (pseudochristliche) Gnosis (Eschatologismus) war aber die mittlerweile beinahe vollständig abgeschlossene Umdeutung der christlichen Parusie, so als stünde das tausendjährige Reich (samt Parusie) noch bevor(858). Methodisch verdanken die Luziferisten (Eschatologen) ihren Erfolg der gekonnten "Verwechslung" der sogenannten Eschatologie vor und nach den tausend biblischen Jahren, so wie es heute, ginge es nach der Theologie(859) statt nach der Bibel, kaum mehr zu entwirren ist(860). Soweit die bisherigen Recherchen ein Urteil schon erlauben, ist eine wirkliche Entwurzelung des Christentums in der eigenen Lehre nur durch die Verschiebung des Termins der Parusie in die (möglichst ungewisse) Zukunft möglich(861), zumindest gingen die Gnostiker (Luziferisten) davon aus, und tarnen sich mit Vorliebe durch die Bekämpfung extremer Auswüchse, die schon einen einigermaßen fixen Zeitpunkt für die Parusieverschiebung angeben. Die zentrale Bedeutung dieser Frage blieb selbst vor (christlich gebliebenen) versierten Theologen verborgen, oder man spricht nicht mehr darüber, doch gerade die scheinbare Harmlosigkeit macht die Gefährlichkeit des Problems aus. Ähnlich einem noch lebenden Körper mit durchgeschnittenen Sehnen, wollte man das bildlich ausdrücken, ist die Kirche - als Leib Christi (1 Kor 6,15.19; 12,12-31) - mit einem verschobenen Parusietermin den gnostischen Umtrieben hilflos ausgeliefert(862). Denn die gesunde Lehre der christlichen Tradition(863), man müßte wohl von einem Corpus der Lehre (von Jesus Christus) sprechen, so die Väter, verbindet uns gewissermaßen mit dem Leib (Corpus) Christi, das ist die wohlverstandene Kirche, dessen wichtigste Sehne, dessen Rückgrat, dessen Existenznerv, der Parusietermin ist. Wir sind als Kirche - bildlich gesprochen - durch den Parusietermin in Christus verankert (vgl. Hebr 6,19), man könnte auch sagen, wie ein Elektrogerät mit der Steckdose "verbunden", wie eine Rohrleitung mit der Quelle, bzw. Weinschlauch mit dem Faß (Mk 2,22//Mt 9,17; Lk 5,37-38), oder die Weinreben mit dem Weinstock (Joh 15,1-8).

Es mag zunächst überraschend klingen, daß allein schon durch die Verschiebung des Parusie-Termins Christi das Evangelium von Jesus Christus ad absurdum geführt wird, doch selbst wenn es nicht so wäre, glaubt der Luziferist fest daran und er scheut keine Mühe, den Termin der Parusie von dem Platz zu verrücken, der ihr von dem Evangelium bestimmt ist(864). Der tiefere Sinn, bzw. Unsinn des verfälschten Parusie-Termins ist wohl am einfachsten am Lebenswerk Albert Schweitzers zu veranschaulichen(865), zumal Kardinal Ratzingers "Kleine katholische Dogmatik" expressis verbis nach A. Schweitzer(866) die biblische Parusie Christi modernisierend umdeutet(867) und damit Luzifer in die unmittelbare Nähe des Lehramtes der katholischen Kirche hievt.

Im Rahmen des in der Moderne Usus gewordenen Wett-Heuchelns schoß A. Schweitzer den Vogel ab, indem er in seinen Jugendwerken Jesu Messianität ausdrücklich und ausschließlich von seiner (noch) bevorstehenden Parusie abhängig gemacht hat, so als könne und wolle der Jesus des Evangeliums vor der Parusie unmöglich der Messias sein(868), um dann sein ganzes Lebenswerk der zeugnishaften Botschaft zu widmen, daß ebendiese Parusie nicht erfolgt sei(869). A. Schweitzer ließ es sich nicht nehmen, zeitlebens im Schafpelz aufzutreten, zumal außer seinem vorgelebten Zeugnis, ohne einen wirklichen Messias christlicher zu sein als der von ihm für einen falschen Messias gehaltenen Jesus von Nazareth, außer den vorgeschützten pseudokritischen Textmanipulationen(870) keine Beweise dieser Ungeheuerlichkeit vorgelegt, geschweige denn verteidigt hat. Theologisch beschränkte sich A. Schweitzer fortan auf die stur apriorische Behauptung, daß alle von ihm vorgeschobenen mißverständlichen (weil aus dem Zusammenhang genommenen) Textstellen absolut echt und unbedingt historisch korrekt seien(871), während alle für ihn gegenteilig lautenden Textstellen schlicht als Textfehler, Fälschung, späterer (unhistorischer) Einschub kurzerhand vom Tisch gefegt wurden(872).

Eine vielleicht in der Theologie noch schillerndere, zumindest Quantitativ beim Schriftausstoß leistungsstärkere Figur der Moderne ist Rudolf Bultmann, dessen Erfolgsgeheimnis, die quantitativ umfangreichste Literaturproduktion im theologischen Gewande bewirkt zu haben, anerkanntermaßen die Leugnung der biblischen Parusie ist. Einig ist die Forschung(873) darin, daß alles was Bultmann in der Theologie bewirkt hat, respektive Entmythologisierungsprogramm, Dialektische Theologie im Scheingefecht mit Karl Barth u. a. und Theologische Schule von Göttingen, auf den, in dem Werk Bultmanns allem zugrundegelegten aprioristischen Satz aufbaut, daß die vom Evangelium verheißene Parusie sehr wohl hätte (laut Evangelium) schon längst in Erfüllung gehen sollen, aber das Bibelwort - in ebendiesem kritischen Punkt - nicht in Erfüllung gegangen sei(874). Das ist aber die von A. Schweitzer getätigte nämliche Aussage in anderer Form(875).

Auf anspruchsvollere Erörterungen und auf eine eingehendere Beweisführung verzichtend kann der Schluß vorweggenommen werden, wonach die Galionsfiguren der Moderne wie A. Schweitzer (Urheber der "Konsequenten Eschatologie" als modernisierende theologische Richtung) und Bultmann (Vater des sog. "Entmythologisierungsprogramms" und Repräsentant der sog. "Dialektischen Theologie" neben Barth) ganz bewußt paradigmatisch die sog. "Parusieverzögerung" als Code-Bezeichnung für die Leugnung der Messianität Jesu verwendet haben(876).

Abgesehen von den Kapriolen und Gedankenakrobatik als Ablenkungsmanöver, die selbst von modernen Experten teilweise als "nicht nachvollziehbar" eingestuft werden, vollzieht sich mit der paradigmatischen Leugnung der biblischen Parusie in der Theologie zeitgleich eine Ideologisierung und Abkehr von der wissenschaftlichen Methode und Hinwendung zur Weltanschaulichkeit, zumal die Leugnung der (erfüllten) Parusie wissenschaftlich - milde ausgedrückt - unhaltbar ist. Die Moderne geht nach liberal-geheimbündlerischem(877) Schema von a priori Behauptungen aus, die an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten exakt aufeinander, nicht aber auf die Wahrheit abgestimmt sind. Das verblüffendste an diesem pseudowissenschaftlichen Phänomen ist, daß die so gebildeten Meinungsblöcke nicht nur stets stur den gleichen Unfug a priori als selbstredend und unumstößlich behaupten(878), sondern sogar über große räumliche und zeitliche Distanzen hinweg peinlich genau darauf achten, daß keiner von ihnen die gewagten Apriori zu beweisen sucht, ja sogar jeden Versuch einer Beweisführung, sowohl in dem eigenen, wie auch im feindlichen Lager, taktisch zu vereiteln sucht (vordergründig aber stets - mit der geforderten Umkehr der Beweislast bluffend - die Diskussion reklamiert). Wenn es trotzdem vereinzeltes Eingehen auf ursächliche Beweisfragen vorkommt, so bloß durch verfälschte Zitate aus den Klassikern, um die Spuren (von Beweisen) zu verwischen(879). Diese heimliche Kriegserklärung der Moderne an die Sachlichkeit, Objektivität, wie überhaupt an alles Wissenschaftliche in den Grundfragen, ist die Frage die uns beschäftigt.

Die Spur der modernisierenden Umdeutung der Parusie führt zu Johannes Weiß(880). Nicht als ob Weiß ein Meilenstein der wohlverstandenen Theologie wäre(881), sondern weil sowohl Bultmann wie auch A. Schweitzer sich auf Weiß(882) (als den theologischen Leitstern) berufen und diesen Vorschieben(883). Weiß hat aber noch nicht unbedingt mit der wissenschaftlichen Methode gebrochen, wie dann seine Anhänger (Bultmann und A. Schweitzer), sondern nur mit der Messianität Jesu. Weiß exerziert noch durch, daß die Parusie noch zu Lebzeiten einzelner Jünger Jesu (im Kausalzusammenhang mit der Zerstörung des herodianischen Tempels) hätte sein sollen, und die Annahme eines späteren Zeitpunktes ist nach dem Zeugnis des Evangeliums ausgeschlossen, um sodann expressis verbis von dem "Irrtum Jesu" zu sprechen(884). In dieser Grundposition verharrend verhöhnt Weiß - die menschliche Überzeugungskraft Jesu "lobend" - Jesu Messianität, daß jener wohl selbst auch sosehr der erwartete Messias zu sein glaubte, und er tatsächlich einem echten Messias so verblüffend ähnlich sieht(885), daß man ihm das alles am liebsten glauben würde, und wie schade es doch sei, daß Jesus (wegen der Parusieverschiebung) doch nicht der nämliche Messias sein könne.

Mit dem mehr als eindeutigen (verbalen) Bekenntnis von A. Schweitzer und Bultmann namentlich zu der Theologie von J. Weiß ist erwiesen, daß auch wenn die zwei modernisierenden Star-Theologen (Bultmann und Schweitzer) kaum jemals hinter der pseudowissenschaftlichen Tarnung hervorkamen und sich offen als Verfechter der "Irrtum-Jesu-Theologie" bekannten, sie nicht nur durch die Entschlüsselung ihres Sprach-Codes bei der Terminologisierung ("Parusieverzögerung" als paradigmatisch-codierter Terminus des "Antichristen") überführt sind(886), sondern insgesamt im vollem Bewußtsein der Konsequenzen, von Jesus (als) Christus (des Evangeliums) sich losgesagt haben. Sie unterscheiden sich von Weiß darin, daß jener offen und ehrlich seine "Irrtum-Jesu-Theologie" der von ihm einigermaßen verläßlich erschlossenen biblischen Theologie über Jesus (als den) Christus gegenüber stellt(887), während Bultmann und A. Schweitzer verharmlosend von Text-Irrtümer, Überlieferungsfehler (der Apostel) und ähnliches sprechen, wenn sie die "Irrtum-Jesu-Theologie" (d. i. der Irrtum Jesu, der verheißene Messias zu sein) meinen(888), und auch - im Gegensatz zu dem bekannten Leugnen der biblischen Textaussagen von Weiß - die Bibelexegese manipulieren, um ihr Leugnen des Christus zu vertuschen. Auch die von Semler(889) vorexerzierte historisch-kritische Methode wird neuerdings überspannt, indem Schweitzer und Bultmann (subjektivistisch) immer öffentlich (heuchlerisch) dafür eintreten, was sie selbst zuvor (objektivistisch) ad absurdum geführt haben.

Die Dogmatik kannte das heute mit der Tarnbezeichnung "Parusieverzögerung" etikettiertes Phänomen bis vor kurzem, bevor die Theologie vom Luziferismus erobert wurde, noch unter dem Namen "Chiliasmus"(890), der als Fachterminus vom Augustinus geprägt wurde(891), aber schon vor ihm (besonders bei Euseb von Caesarea) in Gebrauch war. Sonach war die biblische Verkündigung des tausendjährigen Reiches nicht mit dem Begriff Chiliasmus erfaßt, sondern nur die Abweichungen (ähnlich wie die Erkenntnis Gottes, also die richtige Erkenntnis, zu Griechisch Gnosis, nicht unter den vom Terminus Gnosis erfaßten Phänomenen ist). Die Terminfrage der Parusie ist dogmatisch 431 in Ephesos(892) entschieden worden(893). Der Konzilsentscheidung liegt die Arbeit des Augustinus zugrunde(894), dessen Stellvertreter in Ephesos zugegen war. Die Entscheidung hebt insb. zwei verwerfliche Eigenschaften des somit verurteilten Chiliasmus hervor, nämlich die Diesseitigkeit(895) und die Terminfrage(896) (der Parusie). Die in den Bannkreis der Moderne geratenen Teile der katholischen Theologie versuchen nun im wesentlichen mit drei Methoden diese Entscheidungen des kirchlichen Lehramtes auszuhöhlen:

Sie lassen systematisch alle diesbezüglichen Konzilstexte von 431 verschwinden oder machen diese sonstwie ("technisch") unzugänglich(897). Es werden statt dessen möglichst unvollständige Auszüge ediert, die aber mit Sicherheit die Verurteilung des Chiliasmus nicht enthalten.

Es werden auch unvollständige Zitate über die Verurteilung des Chiliasmus publiziert, die den falschen Eindruck erwecken sollen, daß es bei der Verurteilung des Chiliasmus nicht um die Terminfrage der Parusie, sondern lediglich um die Verurteilung der Diesseitigkeit ginge(898). Es werden als flankierende Maßnahme allerorts falsche Definitionen (mit Hilfe falscher oder entstellter Zitate) des Begriffs Chiliasmus - oder andere Verfälschungen der Lehre der Kirche - in Umlauf gesetzt(899).

Auch die schärfste Waffe der Aufklärung gegen den Gott der Offenbarung in evangelischen Gefilden, der Katechismus(900), kam neuerdings in der katholischen Kirche, durch den nämlichen Kardinal Ratzinger, der zuerst theologisch den Gott der Offenbarung mit der Verfälschung der Parusie Christi ad absurdum geführt hat, (mit massiv chiliastischem Inhalt) zum Einsatz.

Es wird historisch immer auf die formalistisch angeblich unvollständige Besetzung des Konzils, auf wechselnde und angeblich undurchsichtige Eingriffe des Kaisers in das Konzilsgeschehen, sowie auf eine Nachsitzung und nicht zuletzt auf die formalistisch "vielleicht" nicht einwandfreie Genehmigung der Konzilsbeschlüsse durch den Papst verwiesen.

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle dieses vordergründige Fachsimpeln als getarntes Ablenkungsmanöver in der modernisierenden Forschung (im katholischen Gewande) detailliert zu überführen(901). Soweit nachvollziehbar, sind die den Chiliasmus verurteilnden Sätze am Konzil von Ephesos selbstverständlich authentisch und ehedem streng gehüteter Schatz der Kirche(902). Durch die Unterdrückung der historischen Urkunden in der Moderne, und hierauf aufbauenden falschen Zitate, kann die Moderne immer durch Hinweise auf das wechselvolle Leben des Augustinus, der als Anhänger des Chiliasmus getauft wurde und dann einige Jahre (etwa acht) bei den Manichäern zubrachte, Verwirrung stiften. Relativ spät hat Augustinus seine Ansicht geändert, doch trat er dann um so entschiedener gegen diesen Irrtum (Chiliasmus) auf(903). In der inhaltlichen Aussage konnte Augustinus bereits auf die "orthodoxe" Tradition zurückgreifen(904), die nicht seine Umwege zur Wahrheitsfindung brauchte.

Merkwürdig war dann der scheinbare Schulterschluß von Lutheraner, Zwinglianer und Katholiken in der Reformationszeit, um den Chiliasmus unter dem Namen "Wiedertäufer" zu bekämpfen(905). Mit der Abschaffung jeglichen staatlichen Zwangs in der Neuzeit hat nun der propagandistisch überlegene Chiliasmus unter allen erdenklichen Namen, die verallgemeinernd Eschatologismus bezeichnen werden kann, sämtliche etablierten Kirchen im wahrsten Sinne des Wortes (auch von innen) überrannt und eine bisher in der Kirchengeschichte unerreichte Blüte erreicht. Man kann kein theologisches Nachschlagewerk aufschlagen, in dem nicht das modernisierte Parusieverständnis dem Leser entgegengebracht wird(906), so als hätte die Kirche - außer Luziferisches in dieser Frage sonst nichts mehr anzubieten, weil der Standpunkt des Evangeliums schon erschöpfend widerlegt worden sei.

Besondere Aufmerksamkeit hat daher der inneren Struktur und Logik der "Parusieverzögerung" zu gelten, um die gewissermaßen infektiöse Wirkung des Pseudochristlichen begreiflich zu machen. Es sind hierzu einige logische Schritte notwendig:

Früher als die reale Gegenwärtigkeit Christi Glaubenden haben die Chiliasten erkannt, daß analog der theologischen Differenzierung in dem einen ungeteilten Gott (vgl. Joh 10,30.38) zwischen Vater, Sohn und Geist (vgl. Mt 28,19), kann in dem einen ungeteilten Evangelium eine (interne) Differenzierung nach dem Adressaten, nämlich die natürliche Person des Einzelnen (direkt und unmittelbar) einerseits, und die Allgemeinheit in der - und/oder als - Kirche andererseits, vorgenommen werden (wenn der kosmologische Aspekt außer Acht gelassen wird). Wenn man die Hilfstermini "persönliches Evangelium" (Evangelium an die natürliche Person des Einzelnen) und "Gemeinde-Evangelium" (Evangelium an die Kirche als die Allgemeinheit), also Evangelium an den Einzelnen und an das Allgemeine, einführt, dann impliziert das "Persönliche Evangelium" (an den Einzelnen) das "Gemeinde-Evangelium" (an das Allgemeine) dergestalt, daß der Aufruf zur Gemeinschaft (Gemeinde-Evangelium) integrierender Bestandteil des "Persönlichen-Evangeliums", dessen eigentlicher Inhalt ist: Gott beruft jeden Einzelnen persönlich zur Gemeinschaft, zum Allgemeinen (Kirche), das der Inhalt der persönlichen Berufung des Einzelnen ist: nämlich Kirche (Liebe, d. i. Gemeinschaft). Demgegenüber impliziert das "Gemeinde-Evangelium" das "Persönliche-Evangelium", also das Evangelium an das Allgemeine das Evangelium an den Einzelnen in umgekehrter Richtung, jedoch nicht umkehrbar: als Voraussetzung(907). Deswegen heißt es analog, daß "niemand zum Vater komme, außer durch den Sohn" (Joh 14,6), und nicht etwa durch den Vater zum Sohn.

Bezieht man die Gleichsetzung der Kirche im biblischen Sprachgebrauch mit dem Leib Christi (1 Kor 6,15.19; 12,12-31) in die Betrachtung ein, so stellt sich die oben von einer anderen Seite her beleuchtete Differenzierung in der ungeteilten Einheit, als die natürliche Person Jesu einerseits, und die ("juristische") Person der Kirche andererseits, dar. Also, der physische Leib und Geistleib Jesu, die zwar verschieden angesprochen werden können, ohne daß dabei ihre "Identität" (ungeteilte Einheit) in Frage gestellt werden müßte, oder könnte.

Der nächste logische Schritt ist die Identifizierung des theologischen Begriffes der "Auferstehung" (vgl. 1 Kor 15,14; Röm 10,9; 1 Thess 4,14) als Schlüsselbegriff, als die unabdingbare Grundwahrheit des "persönlichen Evangeliums" schlechthin, etwa in dem Sinne, daß die Auferstehung zu glauben heißt (für den Einzelnen) alles (andere) zu glauben, während die Auferstehung zu leugnen bedeutet, alles (andere), d., h. faktisch das ganze Evangelium zu leugnen(908). Analog läßt sich die "Parusie" als der kerygmatische Schlüsselbegriff, als die Voraussetzung schlechthin, die unabdingbare Grundwahrheit des "Gemeinde-Evangeliums" identifizieren, gerade weil die moderne Theologie das verharmlosen und vertuschen will, weil die Zusagen (Evangelium) über das Reich Gottes an die Allgemeinheit punktuell von da an (für die Kirche) voll wirksam werden, so daß von da an das bisherige Wirken Jesu rückwirkend legitimiert wird.

So schlüssig die bisherigen logischen Schritte sind, so folgt hieraus, daß Gott in seiner Gesamtheit nicht nur mit der Leugnung der Auferstehung (Christi) geleugnet werden kann, sondern auch (analog) durch die Leugnung der Parusie (Christi). Die Leugnung der Parusie bezieht sich aber vor allem auf die Terminfrage, und weniger auf das diesseitige Beiwerk, so daß mit einem falschen Parusietermin faktisch der biblische Gott "ganzheitlich" geleugnet wird. Denn jedweder abweichende Parusietermin würde einen anderen Gott voraussetzen, von denen wir nur Einen Kennen, nämlich den, der mit einem abweichenden Parusietermin geleugnet wird.

Der Streit um die exegetische Ermittlung des Termins der Parusie charakterisiert in der katholischen Theologie am eindrucksvollsten Ratzinger(909) wenn er sagt, daß ohne den modernisierenden exegetischen Eingriff, den biblischen Termin der Parusie umzudeuten, vom Text des Evangeliums her doch der Eindruck entsteht, daß die Parusie terminmäßig an den traditionell angenommenen Ort gebunden ist: zum Glück ist aber der modernisierende Exeget, Ratzinger, zur Stelle, um den Text so umzudeuten, wie der Text das von sich aus nicht (sinnvoll) könnte. Oder den Sinn dem Text zu unterstellen, den er eben (ohne Hilfe des modernisierenden Exegeten, Ratzinger, im ausdrücklich deklarierten geistigen Nachfolge von A. Schweitzer und J. Weiß) nicht hat. Ein wahrer Triumph der überbiblischen Exegese über die Heilige Schrift (und deren wahrhaftigen Gott), soweit man Ratzinger genau folgt.

So könnte den Ratzinger's unmittelbar das römische Lehramt entgegengehalten werden, daß sich mit dem Modernismus schon eingehender beschäftigt hatte. Der modernistische Lehrsatz über die Parusieverzögerung: "Evidens est cuique, qui praeconceptis non ducitur opinionibus, Iesum aut errorem de proximo messianico adventu fuisse professum, aut maiorem partem ipsius doctrinae in Evangeliis synopticis contentae authenticitate carere." wurde vom Papst Pius X. (Lamentabili, 3. Iul. 1907) verurteilt(910). Diese Überhebung des modernistischen Exegeten als höchste Wahrheits-Instanz ist fast einfacher mit den eigenen Waffen begegnen, denn die von den Modernisten erhöhte Exegese sucht nicht Gottes Ehre, sondern die eigene. Exegese würde dem Wortsinn nach etwa "Ausdeuten", "Erklären" bedeuten, der Modernist will aber nicht erklären und deuten, auf gar keinen Fall die Heilige Schrift, sondern urteilen(911). Der Modernist ist es, der von und für Vorurteile lebt, und richtet, um die eigene vorgefaßte Meinung zu rechtfertigen, und die eigene Unzulänglichkeit der Kirche (jene richtend) zu unterstellen.

Im Gegensatz zu der modernistischen Theorie der notwendig gewordenen Umdeutung der Parusie-Stellen in der Schrift, durch den Exegeten als die höhere Instanz(912), wonach diese angeblich unklar bis widersprüchlich und überhaupt der Umdeutung (notfalls gegen den Wortsinn) bedürftig seien, läßt sich der Wortsinn als klar, eindeutig und widerspruchsfrei nachweisen. So wie Kardinal Ratzinger (als katholischer Albert Schweitzer) versucht im Text Hintertüren offen zu lassen(913), wo es diese gar nicht gibt, so sollten alle diese Schleichwege der Bibelexegese ausgeforscht und exegetisch verbaut werden. Hier können nur einige repräsentative Beispiele aufgezeigt werden, die auch in die Gesamtproblematik Einblick gewähren.

Die von Ratzinger zitierten Stellen Mt 24,15-22//Mk 13,14-20//Lk 21,20-23 wären sonach widersprüchlich, so als möchten die angeblich holprigen Textstellen den Exegeten zum Urteil über den richtigen Weg in der Deutung geradezu einladen(914). Tatsächlich widersprechen aber diese Textstellen einander nicht, wohl aber Ratzinger. Da aber Ratzinger versucht mit seinem "In illo tempore" ("In jener Zeit") im Markusevangelium sich dem Wortsinn davonzustehlen, so kann hier gezeigt werden, wie ihm der Text den Weg abschneidet. Es werden dazu aber einige einfache logische Schritte notwendig sein:

Es gilt zunächst Mk 13,1-37(//Mt 24,1-25,46//Lk 21,5-36) als eine abgeschlossene Sinneinheit, als eine einzige zusammenhängende Rede festzustellen, damit der Textabschnitt - als Sinneinheit - im Kontext klar abgegrenzt werde.

Es gilt sodann festzustellen, daß in der zitierten Sinneinheit eine einzige zusammenhängende Rede Jesu (Mk 13,5-37//Mt 24,4-25,46//Lk 21,8-36) auf der einen Seite, einer einzigen Frage der Jünger in Mk 13,3-4(//Mt 24,3//Lk 21,7) auf der anderen Seite so gegenübersteht, daß die ganze Rede Jesu nur als eine einzige zusammenhängende Antwort auf die eine einzige Frage der Jünger aufgefaßt werden kann. Diese Feststellung könnte noch dahingehend ergänzt werden, daß es sinnwidrig wäre (hypothetisch) anzunehmen, daß auf eine einzige Frage der Jünger mehrere unzusammenhängende Antworten Jesu folgen würden, doch diese triviale Ergänzung dürfte beim genaueren hinsehen überflüssig sein.

Sodann erscheint es vor dem Hintergrund der bisher festgestellten Voraussetzungen geboten, auf inhaltliche Fragen in dem oben erfaßten Schema "Frage und Antwort" einzugehen, das sich somit als die "Terminfrage der Parusie" exakt bestimmt. Es gilt hier verbindlich auszusagen, daß auf die eine bestimmte Frage der Jünger (Mk 13,3-4//Mt 24,3//Lk 21,7) eine (und nur eine einzige, weil einheitliche) Antwort Jesu über den Termin der Parusie folgt (Mk 13,5-37//Mt 24,4-25,46//Lk 21,8-36). Die Aussage kann und muß weiter eingeengt werden, indem die theoretische Möglichkeit, daß Jesus auf Fragen antworten würde, die nicht gestellt wurden, ausgeschlossen wird: außer man will den Evangelisten und Redakteur disqualifizieren.

Die Lösung der Terminfrage der Parusie ergibt sich nun aus dem Vorspann Mk 13,1-2//Mt 24,1-2//Lk 21,5-6 zu der Frage der Jünger an Jesu (Mk 13,3-4//Mt 24,3//Lk 21,7), aus dem sich die Gleichsetzung des Parusietermins mit dem Zeitpunkt der Zerstörung des herodianischen Tempels durch Jesus ergibt. Die exakte Lösung des Frage-Antwort Schemas lautet: Auf die Frage der Jünger nach dem Zeitpunkt der Zerstörung des herodianischen Tempels (Mk 13,1-4//Mt 24,1-3//Lk 21,5-7) antwortet Jesu mit dem Termin der Parusie (Mk 13,5-37//Mt 24,4-25,46//Lk 21,8-36). Parusie-Termin und Zerstörung des herodianischen Tempels sind (für den Jesus der Bibel) demnach unmißverständlich (unzweideutig) eins. Ohne eine Veränderung des Wortlautes des Evangeliums ist ein variabler Parusietermin ausgeschlossen. Der derzeit vorliegende Text des Evangeliums ist in der Terminfrage der Parusie eineindeutig.

Weil die modernen Exegeten vornehmlich die Zerstörung Jerusalems in Lk 21,24 als angeblich dissonant im Parusie-Kontext befeinden, kann noch Off 11,8 hervorgehoben werden, zumal die dort "Große Stadt" genannte Kreuzigungsstätte des "Herrn" der beiden ebendort getöteten "Zeugen" in der Forschung unbestritten als das (irdische) Jerusalem identifiziert wird(915).

Die Textstelle "... er ist den Heiden überlassen. Sie werden die Heilige Stadt zertreten, zweiundvierzig Monate lang" in Off 11,2 korrespondiert nicht nur mit "Jerusalem wird von den Heiden zertreten, bis die Zeiten der Heiden sich erfüllen" in Lk 21,24, sondern ist so gut wie eine synoptische Parallele.

In dieser "großen" (Off 11,8) und "heiligen" (Off 11,2) Stadt steht noch ein Tempel (Off 11,1), der, nämlich der noch nicht zerstörte herodianische Tempel, somit im Hinblick auf den Termin der Parusie als chronologische Größe, als Orientierungspunkt in der historischen Zeit, genommen werden kann und muß. Auf den Punkt gebracht: zu einem neuen Parusietermin würden die Modernisten einen neuen Tempel in Jerusalem benötigen. Daß aber hierzu ein neuer Gott erforderlich wäre, ist bereits weiter oben gesagt.

Der Kardinalpunkt der Terminfrage ist die Deutung des Namens "Babylon" in Off 17,5 als Attribut des irdischen Jerusalem. Die Rückkehr zu dieser altehrwürdigen Deutung(916) gegen die herrschende (moderne) Lehrmeinung ist neben der Aufwertung der Wortsinnexegese von dem logistischen Konzept getragen, daß die nur auf Jerusalem und dann auf Babylon angewandte Bezeichnung "Große Stadt", nur die gleiche Stadt meinen kann. Sowohl nach der heutigen, wie auch nach der antiken Sprachlogik bezeichnet der attributäre Zusatz "der Große" immer ein wohlunterschiedenes Subjekt. Dieses Attribut wird nach wie vor konsequent nur einmal innerhalb einer Gruppe von Subjekten, wie z. B. Karl der Große, Alexander der Große etc. vergeben. Im Gegensatz zu unseren Übersetzungstraditionen "Große Stadt" schreibt der griechische Text stets º p`liV º megVlh, was wörtlich mit "die Stadt die Große" zu übersetzen ist. Die attributive Bezeichnung wird in Off 11,8 (t-V p`lewV t-V megVlhV) auf das irdische Jerusalem angewandt, während in Off 16,19; 17,18; 18,10.19 (º p`liV º megVlh) und 18,18 (t± p`lei t± megVl®) auf Babylon, so daß dem Wortsinn nach eine andere Deutung als die Identität der beiden näher bezeichneten Subjekte, nämlich Babylon und (irdisches) Jerusalem, von der sprachlichen Seite (Wortsinn) her definitiv ausgeschlossen werden kann.

Mit der Wiederentdeckung des Wortsinns, wobei "Babylon" (Off 17,5) eine analog attributäre Bezeichnung des gleichen Jerusalems ist wie "Ägypten" (Off 11,8) ist, ist auch die theoretische Möglichkeit für die Aufrechterhaltung der modernen Apriori, wonach die biblische Parusie nicht, oder nicht so richtig in Erfüllung gegangen sei, als habe sich Jesus, oder die Apostel und das Evangelium insgesamt, in der Ankündigung der Parusie geirrt(917), im Ansatz abgeschnitten.

Die Moderne hat nämlich an ebendiesem Punkt jahrzehntelange theologische Vorarbeit geleistet, so als sei Rom(918) die nächstliegende Deutung(919) für "Babylon" (Off 17,5), und nicht Jerusalem, um dann den Frontalangriff just mit dem Argument gegen die Parusie zu starten(920), daß Rom keine richtige Lösung sei (und daher keine Lösung der erfüllten Parusie geben könne). Deswegen kann an diesem strategischen Punkt die moderne Theologie exegetisch - sozusagen - "erwartet" und gebührend begegnet werden, weil der interkonfessionelle Modernismus dieses Feld der Auseinandersetzung selbst gewählt hat. Um aber mit interessanten Detailfragen die Sicht auf die bisher doch hoffentlich klare Linien nicht zu verdecken, seien nur die wichtigsten Orientierungspunkte um die Terminfrage der Parusie genannt:

Der herodianische Tempel (und dessen Zerstörung) als chronologischer Ort der Parusie Christi und

die Identität des apokalyptischen Babylon mit (dem irdischen) Jerusalem als der Beweis der Erfüllung der Parusieverheißung, also der herodianische Tempel in Jerusalem (eigentlich Zion) als geographischer Ort der Parusie Christi.

Man kann die markanten Punkte etwas verdeutlichen, sie im Kontext unterstreichen, und im erweiterten Horizont die Überschaubarkeit der gleichen Linie vergrößern, ohne dabei zu sehr in die Breite zu gehen.

Wenig Beachtung fand bisher in der Forschung, daß in 2 Thess 2,4 die Parusie chronologisch dergestalt in einen direkten Zusammenhang mit dem (herodianischen) Tempel gebracht wird, daß das Erscheinen des Antichristen (Widersachers) in dem Tempel (wo er sich als Gott ausgibt), als das einzig sichere Vorzeichen der (unmittelbar darauf folgenden) Parusie genannt wird. Damit unterstreicht der Text einmal mehr die chronologische Gebundenheit der Parusie an den (noch intakten) herodianischen Tempel, bzw. schließt einen Parusiebeginn nach der Tempelzerstörung definitiv aus.

Diese Perikope (2 Thess 2,4) korrespondiert mit der zuletzt besprochenen Stelle in Off 11,1-8, zumal das in Off 11,7 genannte "Tier" in Jerusalem (Off 11,8), der sich laut Off 13,1-18 als Gott verehren läßt, nach der Meinung aller Forscher als der nämliche "Antichrist" identifiziert ist. Daß der Antichrist dem Text zufolge nicht etwa in Rom als Gott auftrat, ist auch daran ersichtlich, daß auf die Beschreibung des Antichristen in Off 13,1-18 unmittelbar die Parusie Christi in Zion (Off 14,1) folgt, wodurch auch das in 2 Thess 2,4 vorgezeichnete Schema (auf das Auftreten des Antichristen - im Tempel - folgt unmittelbar die Parusie) bestätigt wird (ansonsten müßte etwa Christus von Zion nach Rom hinüberwechseln, um den Antichristen zu vernichten, was auch von den technischen Schwierigkeiten Abgesehen wenig Sinn ergäbe).

In 1 Petr 4,17 meint der Apostel zunächst: "Denn jetzt ist die Zeit, in der das Gericht beim Haus Gottes anfängt; wenn aber bei uns anfängt, ...", um dann sich am Schluß des Briefes (1 Petr 5,13) mit den Worten zu verabschieden: "Es grüßen Euch die Mitauserwählten in Babylon und mein Sohn Markus." Die drei räumlichen Ortsbestimmungen in dem gleichen Brief:

"beim Haus Gottes"

"bei uns" und

"in Babylon"

ergeben im Kontext: das Haus Gottes, von dem die Jüdische Tradition nur ein einziges in Jerusalem kennt, nunmehr in Babylon, d. h. die Identität von Babylon und Jerusalem (im biblischen Sprachgebrauch). Im übrigen gilt in der Bibeltheologie Petrus immer und ausschließlich als der Vorsteher der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem (vgl. Gal 2,7 f.). Von einem Petrus in Rom weiß die Bibel nichts.

Aus der zitierten Stelle (1 Petr 4,17) ergibt sich einmal mehr, daß "das Gericht beim Haus Gottes" (Tempel) mit der Parusie zusammenhängt (1 Petr 4,7; 5,4), inmitten des Parusie-Ablaufs stattfindet, der Antichrist ("Widersacher", wie in 2 Thess 2,4) bereits "wie ein brüllender Löwe" (1 Petr 5,8) auftrat (vgl. Off 13,2 "sein Maul wie das Maul eines Löwen"), und diejenigen, die "der Gott aller Gnade [...] zu einer ewigen Herrlichkeit berufen hat", nur "kurze Zeit leiden" müssen, bevor er sie "wiederaufrichten" und "auf festen Grund stellen"wird (wie ein neues Haus im Sinne von 1 Petr 2,5; 2 Kor 5,1; Eph 2,21).

Vor dem aufgezeigten Hintergrund kann der Aufruf in Off 18,4, die vom Gericht Gottes ereilte Stadt (Babylon) zu verlassen, als parallel zu dem Aufruf an die "Hebräer" in Heb 13,13-14 erkannt werden(921): "Laßt uns also zu ihm vor das Lager hinausziehen und seine Schmach auf uns nehmen. Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehenbleibt, sondern wir suchen die künftige." Diesem Aufruf ist in Heb 13,12 der Satz vorangestellt, daß Jesus als "Sühnopfer" auch "außerhalb des Tores" (der Stadt) gelitten hat, so daß die (jerusalemer) Gemeinde, als der "Leib Christi" (Röm 12,4-5; 1 Kor 6,15; 10,17; 12,12-31; Eph 1,23; 4,12.16; 5,23.30; Kol 1,18.24; 3,15) und zugleich der "neue Tempel" (Joh 2,21; 1 Kor 3,16; 2 Kor 6,16; Heb 3,6) mit dem neuen Altar (Heb 13,10), diesem Beispiel (Vorbild) folge (nachfolge), und den irdischen Leib (Tempel) als sterblich zurücklasse, um als himmlischer Leib (Tempel, d. h. Kirche) verherrlicht zu werden.

Der verschachtelte logische Aufbau der christenfeindlichen (antichristlichen) Exegese und Theologie der Moderne ist in der Hauptströmung innerhalb den etablierten Kirchen dergestalt, daß von dem falschen Apriori der (terminmäßig) nicht erfüllten Parusie ausgehend, die pseudoexegetische Umdeutung der biblischen Stellen über die Parusie als die Rettung des Christentums vor der größten und blamabelsten Enttäuschung, als die Rettung des Christentums vor dem größten Betrug an Christen durch die Bibel, dargestellt wird. Und weil die sog. moderne Theologie wissenschaftlich ihren antichristlichen Standpunkt nicht halten zu können, aber taktisch die Forschung ausbluffen zu können meint, verlangt sie heuchlerisch die Umkehr der Beweislast.

3.7.2. Das "Heil Hitler"

Die hier verfolgte Argumentation begreift also den sog. "Antichristen" (1 Joh 2,18.22; 4,3; 2 Joh 7), der durch die Leugnung von Jesus als Christus, nämlich durch die Leugnung der (erfüllten Termins der) Parusie identifiziert wird, auch als in den Oberbegriff des Luziferismus mit einbezogen. Damit soll zugleich ein Beispiel für den getarnten Luziferismus gegeben werden, der weder mit dem Namen Luzifer, noch mit einem Synonym wie Dionysos prangt, sondern zeichnet sich dadurch aus - wie das die Schrift so treffend ausdrückt - daß: "... sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, sosehr erhebt, daß er sich sogar in den Tempel Gottes setzt ..." (2 Thess 2,4). Wie exakt auch der Begriff Antichrist mit dem Begriff Pseudochrist wiedergegeben werden kann, grundsätzlich muß in allem Pseudochristlichen ein antichristliches Moment angenommen werden.

Ist einmal der "Antichrist" als luziferisch erkannt und nachgewiesen, so läßt sich das Luziferische von allen Antichristen aussagen. Um die Methode an einem repräsentativen Beispiel zu demonstrieren, sei zunächst der Antichrist in Hitlers "Mein Kampf" aufgezeigt, wo es heißt:

"Auch das Christentum konnte sich nicht damit begnügen, seinen eigenen Altar aufzubauen, sondern mußte zwangsläufig durch Zerstörung der heidnischen Altäre schreiten. Nur aus dieser fanatischen Unduldsamkeit heraus konnte sich der apodiktische Glaube bilden, diese Unduldsamkeit ist sogar die unbedingte Voraussetzung für ihn. Man kann sehr wohl den Einwand bringen, daß es sich bei derartigen Erscheinungen der Weltgeschichte meist um solche spezifisch jüdischer Denkart handelt; ja daß diese Art von Unduldsamkeit und Fanatismus geradezu jüdische Wesensart verkörpere. Dies mag tausendmal richtig sein, und man kann diese Tatsache wohl tief bedauern und mit nur allzu berechtigten Unbehagen ihr erscheinen in der Geschichte der Menschheit als etwas feststellen, was dieser bisher fremd gewesen war - doch ändert dies nichts daran, daß dieser Zustand eben heute da ist. Die Männer, die unser deutsches Volk aus seinem jetzigen Zustand erlösen wollen, haben sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen, wie schön es wäre, wenn dieses und jenes nicht wäre, sondern müssen versuchen, festzustellen, wie man das Gegebene beseitigt. Eine von infernalischer Unduldsamkeit erfüllte Weltanschauung wird aber nur zerbrochen werden durch eine vom gleichen Geist vorwärts getriebene, vom gleichen stärksten Willen verfochtene, dabei aber in sich reine und durchaus wahrhaftige neue Idee. Der Einzelne mag heute schmerzlich feststellen, daß in die viel freiere antike Welt mit dem Erscheinen des Christentums der erste geistige Terror gekommen ist, er wird die Tatsache aber nicht bestreiten können, daß die Welt seitdem von diesem Zwang bedrängt und beherrscht wird, und daß man Zwang nur wieder durch Zwang bricht und Terror nur durch Terror. Erst dann kann aufbauend ein neuer Zustand geschaffen werden."(922)

Damit stellt Hitler klar, daß das von ihm radikal befeindete "Böse" (d. i. "geistiger Terror") für ihn nicht vor dem Christentum in die Welt kam(923), also keineswegs mit dem Judentum etwa, sondern mit dem Christentum, präzise ausgedrückt: mit dem Geist des Christentums (d. i. offensichtlich der Hl. Geist der Bibel). Vielmehr postuliert Hitler "Gesinnungs-Judentum", das den Erlöser aus dem jetzigen (christlichen) Zustand auszuzeichnen hat, und dessen Bestimmung deklariert antichristlich ist(924). Die Juden stören die vollendete Polarität Juden-Christen aus Hitlers Sicht "nur" insofern, als Hitler als Antichrist auch Konkurrenzlos sein wollte. Vor dem angeblichen geistigen Terror des Christentums kennt Hitler nur eine heile Welt, womit primär der Hellenismus, bzw. Heidentum (respektive Germanentum) gemeint sein mag, aber diese Sicht der Dinge schließt zumindest stillschweigend das vorchristliche Judentum mit ein. Das "Unheil" begann für Hitler ausdrücklich mit dem Christentum, genauer gesagt: mit dem Geist(925) des Christentums, der nun als der mit unversöhnlichem Gegenterror zu bekämpfende Feind des deutschen Nationalsozialisten definiert wird.

Natürlich war das (Gesinnungs-)Judentum Hitlers mindestens so geheuchelt wie dann sein zeitweiliges Gesinnungs-Christentum(926), hier kann jedoch auf die Spruchweisheit aufmerksam gemacht werden: wonach Wahnsinn nicht zwangsläufig immer ohne Methode ist. Gewiß hat Hitler vor dem Krieg zunächst scheinbar von der brutaleren Form der Christenverfolgung Abstand genommen(927), doch tat er das nachweislich nur wegen dem bevorstehenden Krieg, wo er die Christen als Kanonenfutter brauchte(928). Die enthaltenen Fragmente über Hitlers Programm zur "Endlösung der Christenfrage" reichen zur Rekonstruierung seines Verständnisses des vorgeblichen Christentums Hitlers aus(929). Nach dem soeben gezeigten theoretischen Bruch mit dem Christentum(930) schon im "Mein Kampf" wird der praktisch (vollzogener) Bruch am 30. 10. 1937 in der Forschung tradiert(931). Indem Hitler seinen neugewonnenen (neu bewußt gemachten) antichristlichen Glauben mit einem Füllen vergleicht, knüpft er an die gnostische Tradition an(932), wo der Esel das Symboltier des Seth und Dionysos ist(933), eben wie Hitler (Mein Kampf, S. 506 f.) selbst sagt, der "heilen" Welt des Heidentums(934). Gemeinsam mit der Aufklärung, Romantik, Idealismus und Neugnosis bekannte sich Hitler offen zur Religion der Vernunft(935), und war - wie jene - auch er ein Ästhet.

Der scheinbare Widerspruch in Hitlers religiösem Verhalten entstand dadurch, um nicht zu sagen erhob sich Hitler dadurch über sein Umfeld, indem er zunächst all jene verachtete, die schon in den 30ern eine neue Religion schaffen wollten, wie Rosenberg(936). Hitler wollte die religiöse Flagge des Faschismus erst nach der Aushöhlung und Vernichtung der Kirchen zeigen, deswegen stand er hinter Göbbels(937), der meinte: "Am besten erledigt man die Kirchen, wenn man sich selbst als positive Christen ausgibt", und dann im "kalten" Kirchenkampf um 1936: "Kerrl will die Kirche konsolidieren, wir wollen sie vernichten."(938)In den Jahren 1936-1937 vollzog sich bereits intern die dramatische Wende in dem Glaubensverständnis Hitlers und des Nationalsozialismus(939). Hitler stellte fest: Die Kirchen hätten "nichts gelernt und werden nichts lernen". Er plante den "großen Feldzug" und wollte "keine Gnade mehr". Göbbels setzte Hitlers Worte propagandistisch zunächst mit der rhetorischen Frage "totschweigen oder totschlagen?" um, und gab dann die Parolen "Totschlagen" und "Vernichtung der Pfaffen" aus. Der Weg sollte über die Kündigung des Reichskonkordats führen und danach über die Auflösung der Orden, Erschwerung des Theologiestudiums, Beseitigung des Zölibats, Aufhebung jeglichen Erziehungseinflusses sowie Einzug des Kirchenvermögens. Eine wüste Propagandaflut, in der die Sittlichkeitsprozesse gegen Geistliche und Ordensangehörige gegen die Kirche und ihre Führung ausgeschlachtet wurden, sollte alle Hindernisse im Kirchenvolk hinwegspülen(940). Weniger der wachsende kirchliche Widerstand, als der bevorstehende Krieg veranlaßte Hitler wieder die Zügel (bis zum Krieg) schleifen zu lassen, um das erforderliche Militärpotential durch christliche Soldaten nicht zu gefährden. Nach Beginn des Krieges begegnete Hitler die neuerlich aktuell gewordene Frage(941) mit der programmatischen "Endlösung" (Vernichtung) der Christen-Frage, wo es ohne Beeinträchtigung der Kriegsführung möglich erschien, und Vorbereitung auf die "Endlösung" für die Zeit nach dem Sieg, wo kriegsbedingte Rücksichten gegenüber der Bevölkerung erforderlich waren. Einen Burgfrieden mit den Kirchen hat es propagandistisch bis zum Frankreich-Feldzug im sog. "Altreich" gegeben. Das Kriegsgeschrei übertönte sodann die anrollende Vernichtung der Kirchen. Für die "Endlösung" der Kirchenfrage wurde ein Musterprojekt im besetzten Polen (Reichsgau Wartheland) geschaffen, wo nach Trennung von Staat und Kirche als Ausgangsposition, die Kirchen zu bloßen Vereinen, mit jederzeitigem Widerruf aller streng kontrollierten "Begünstigungen", degradiert wurden.

Im Monolog im Führerhauptquartier vom 13. Dezember 1941 führte Hitler aus(942): "Der Krieg wird sein Ende nehmen, und ich werde meine letzte Lebensaufgabe darin sehen, das Kirchenproblem noch zu klären (...). Es muß abfaulen wie ein brandiges Glied. So weit müßte man es bringen, daß auf der Kanzel nur lauter Deppen stehen und vor ihnen nur alte Weiblein sitzen (...). Das Christentum ist das Tollste, was je ein Menschenhirn in seinem Wahn hervorgebracht hat, eine Verhöhnung von allem Göttlichen." Aus den Ausführungen Hitlers geht hervor, daß er mit Kirche stets ein überkonfessionelles Christentum meint, also noch immer einer ideellen, einer geistigen Größe den Krieg erklärt. Es ist auch kein Zufall, daß keiner der im sog. Nürnberger Prozeß zum Tode verurteilten Kriegsverbrecher sich zu Christus bekannte, sehr wohl aber zu einer nebulosen "höheren Gewalt".

Aus den antichristlichen "Bekenntnissen" Hitlers läßt sich also allein der indirekte Beweis seiner luziferischen Gesinnung führen, gleichsam "aus den Werken" (vgl. Mt 7,16.20; Lk 6,44; 1 Kor 3,13). Glücklicherweise läßt sich bei Hitler auch der direkte Beweis über seine "Spiritualität" führen, wie es weiter unten noch zum Thema Blawatsky-Theosophie abgehandelt wird. Dieses Beispiel soll aber schon in diesem Zusammenhang demonstrieren, daß der Nachweis des Antichristen allein als Nachweis des Luziferischen grundsätzlich ausreicht. Da bei Hitler zusätzlich noch das tausendjährige Reich als neugnostisches (luziferisches) Motiv vorkommt, soll hier auch auf die zulässige Verallgemeinerung des Chiliasmus als (Erscheinungsform des) Luziferismus hingewiesen werden.

3.8. Der Atheismus

Der achte Grundsatz ist die Aufdeckung des sogenannten Atheismus als eine Spielart, als Begleiterscheinung und Attribut des Luziferismus. Der Atheist kaschiert nämlich nur die Usurpation der höchsten Instanz durch den ("vernünftigen") Menschen(943) dadurch, daß er das Eliminierte, nämlich Gott als die Wirklichkeit der höchsten Instanz, als überhaupt jemals existent leugnet(944). Doch die Psychologie des Satanismus zeigt, daß allein schon der imaginäre Haß auf etwas angeblich Nicht-Existierendes, und die gleichgelagerte panische Angst(945) vor dem "Nichts", das von Jakob Böhme mit Gott gleichgesetzt wird, nicht nur einen logischen Widerspruch in sich birgt, sondern auch tatsächlich den Satanisten innerlich zersetzt. Denn dieses sich als höchste Instanz Setzen(946) aus eigener Gnaden (aus eigener Wahrnehmung(947), durch die Absolutsetzung der eigenen - subjektiven - Wahrnehmungsfähigkeit) ist nichts anderes als die bibeltheologische Erklärung der sog. Erbsünde: nämlich "wie Gott" (1 Mose 3,5) sein zu wollen.

3.8.1. Die Alternative

Religionsgeschichtlich ist auch nachweisbar, daß Atheismus immer wieder schon vom Konzept her als Vorfeld einer religiösen Alternative oder alternativen Religion auftritt(948), denn alleine - an und für sich - wäre der Atheismus niemals lebensfähig (weil er beim näheren Hinsehen ein Nonsens ist). Der Atheismus kann immer und ausschließlich vorübergehend den Menschen aufgetischt werden(949), um die jeweils etablierte Religion auszumanövrieren, d. h. mit dem vorgeblichen Atheismus, der aber nicht ohne dem antichristlichen Motiv auskommt, abzulenken. Es läßt sich nachweisen, daß die religiöse Alternative oder alternative Religion schon immer lange vor dem Auftreten des Atheismus vom Konzept her fertig ist und dann dicht auf den Fersen des Atheismus folgt(950) (um aus der - durch den vorgeblichen Atheismus - selbst erzeugten Sinnkrise herauszuführen)(951), in einem gewissen Sinne den Atheismus als Ablenkung vorschiebt. Der Atheismus kann also als das Vorfeld der nachfolgenden religiösen oder pseudoreligiösen Alternative definiert werden, als Vorbote und Wegbereiter des davon untrennbaren Luziferismus. So erweist sich der Atheismus letztlich als eine vorübergehende Spielart, aber doch ein (ephemerer) Typus des Luziferismus.

3.8.2. Der Agnostizismus

Am ehesten verrät sich der Atheismus als schelmische Tarnung durch den Agnostizismus(952). Denn der Atheismus ist ein (utopisches) Denkkonzept, das (naturalistisch(953)) nicht über die eigenen Grenzen hinaus zu denken (zu können und zu wollen) vorgibt(954), die sich in der sinnlichen Wahrnehmung definierten. Das dergestalt auf die Anima reduzierte Denken befindet sich nicht nur ab ovo im Widerspruch zu Gott, sondern im Widerspruch mit sich selbst(955), denn es kann sich sehr wohl auch als Mensch denken und sich weiter fassen als das eigene Physis und Bewußtsein(956), ohne damit in das selbst geschneiderte enge Denk-Korsett zu passen(957). Der einzige Ausweg scheint nur die Feststellung, daß alles über das Wahrnehmbare hinaus Gedachte keine materielle Existenz habe, sondern Imagination, bzw. Transzendenz sei(958). Nach den Gesetzen der strengen Logik ist der Adept somit mit dem Unhinterfragbaren in der Form der eigenen Gedanken konfrontiert(959), woraus unausweichlich folgt, daß die denkbar höchste Instanz nur mehr der Denkende (Kant(960)) oder das Gedachte (Hegel(961)) sein könne, was inhaltlich das gleiche ist, wenn der Denkende sich selbst denkt.

Diese als der Triumph der menschlichen Vernunft(962) über die Kulturtradition gefeierte Entfremdung ist in Wirklichkeit alles andere als vernünftig(963), sondern ist vielmehr ein Zirkelschluß, ein Nonsens. Die von Kant postulierte "Mündigkeit"(964), ist die angemaßte "Freiheit", sich von der Wirklichkeit zu Entfremden(965). Von dem so eroberten Unwirklichen her auf alles nicht (sinnlich) Wahrnehmbare als unwirklich zu schließen ist eine geistige Amputation des Menschen(966).

3.8.3. Der Antichrist

Einen tiefen Einblick in das Wesen des Atheismus gewährt der bekannteste Dionysianer(967)(Zarathustra ist Dionysos(968)) des Abendlandes, Friedrich Nietzsche, der meinte: daß "der christliche Gott 'todt ist" sei dadurch bedingt, "dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit göttlich ist"(969). Es gilt sodann für Nietzsche "(...) alles Christliche durch ein Überchristliches (zu) überwinden"(970), was ergäbe, "daß jeder Glaube, jedes Fürwahr-halten nothwendig falsch ist: weil es eine wahre Welt gar nicht gibt", vielmehr bestimme "das Maaß der Kraft, ... wie sehr wir uns die Scheinbarkeit, die Nothwendigkeit der Lüge eingestehen können, ohne zu Grunde zu gehen"(971). Diese Art elitäres Selbsterkenntnis(972) statt der für veraltet, unmodern gehaltenen christlichen Gotteserkenntnis, ist nicht nur bei Nietzsche ausgereift, sondern ist symptomatisch für die gesamte Denkrichtung(973).

Nur schleppend nachvollzieht die Forschung die Identifizierung des eigentlichen Vorbildes Nietzsches in Hegel(974), der die bei ihm wesentlich höhere Präsenz des Dionysischen (Luziferischen) in der Überfülle von Schrifttum - und der terminologischen Kniffe(975) - die Zensur lange Zeit hinhalten konnte(976). Es sind aber bei Hegel - mehr oder minder offen - alle von Nietzsche dann pointiert artikulierten Grundgedanken vorhanden(977). In seiner Antrittsvorlesung in Berlin hat Hegel - nicht ohne dramatisierende Rhetorik - faktisch den gleichen "Tod Gottes" von der Kanzel verkündigt(978), den man landläufig Nietzsche zuschreibt(979). Der Unterschied besteht nur in dem offen bekennend antichristlichen Atheismus Nietzsches in Richtung nihilistische Eschatologie (in den nach ihm folgenden zwei Jahrhunderten(980)), im Gegensatz zu der zynisch pseudochristlichen Auferstehungstheologie Hegels. Für Hegel ist nämlich zunächst mit dem Tod Christi dieser Tod selbst gestorben. Das soll heißen, daß mit dem Tod Christi alles Böse gestorben sei, so daß es nichts Böses mehr gäbe, während bei Nietzsche Gott tot bleibt. In dem pseudochristlichen Weltbild Hegels werden Philosophie und Religion gleichgesetzt, und Gott schließt die Natur(981) in sich so als sein Anderes ein, wie das Gute das Böse(982). Von dieser zutiefst gnostischen Grundposition aus offenbart Hegel den vom Tode auferstandenen Gott des Glaubens, der aber somit überwunden (tot) bleibt(983), als den höchsten (eigentlich "größten") menschlichen Gedanken(984). Sogar Feuerbachs spätere Qualifizierung des Christentums (des Glaubens) als Geisteskrankheit ist bei Hegel vorweggenommen(985), ebenso wie die (polytheistische) Idee der nationalen Götter(986). Hegel beklagt die Verschleuderung der "Genien" (auf Griechisch: "Dämonen"), die im Menschen seien, an den Himmel(987). Gegenüber der "gottergebenen Schlafsucht" der Eschatologie hält Hegel das Vergeltungsbedürfnis des politischen Messianismus (Diesseitigkeit) fast noch für ein Zeichen größerer Gesundheit. Den Trost durch Glauben beschreibt Hegel mit dem gleichen Ressentiment wie später Nietzsche, und die Wahrheit des Glaubens an den himmlischen Herrgott qualifiziert er als "etwas für Knechte"(988)(Hegel war ein Verfechten des aus Gal 4,1-9.21-31 entfremdeten Freiheitsideals, und Knechte sind unfrei). Hegel schneidet - wie Nietzsche - das ganze Syndrom eines strafenden und Glaubensgehorsam verlangenden Richtergottes vom Evangelium der Liebe ab, und Hegels (Jakob Böhme nachempfundene) Jesus kennt keinen eigentlich persönlichen Gott, weder als Vater, noch als Sohn(989). "Der Glaube an das Göttliche stammt also aus der Göttlichkeit der eigenen Natur"(990).

Hegels Sünden-Verständnis deutet das Biblische in Verletzung des Zusammenlebens um, so daß alles - ohne den von ihm ausgemusterten strafenden Gott - durch Versöhnung geheilt werden könne. Und die "abgeschmackte Vorstellung" fällt so - für Hegel - weg, Jesus "habe in der That selbst die Strafe der ganzen Welt in seinen Leiden ausgestanden"(991).

Somit wäre gezeigt, daß gewöhnlich der Antichrist (Hegel) schwer gegen den Atheismus (Nietzsche) abzugrenzen wäre, sondern beide lediglich unterschiedlich getarnte Variationen des nämlichen einen Themas "Luziferismus" sind. Der pseudochristlich agierende Hegel zeigt ebenso das Vollbild des Antichristen(992), wie der offen antichristlich auftretende Atheist Nietzsche. Wie schwierig die Abgrenzung des Atheismus gegenüber dem Satanismus ist, kann am Beispiel von Jean Paul Sartre gezeigt werden, der landläufig als ein Parade-Atheist der Moderne gehandelt wird, aber sein Nihilismus von Eingeweihten als Sonderform des Satanischen qualifiziert wird(993). Sartre bevorzugte es nämlich, seinen "satanischen Nihilismus" unter dem Begriff der "absoluten existentiellen Freiheit" zu verbergen(994). Die nämliche "Philosophie der Freiheit" ist für Sartre "die Wahl seiner selbst", die der Satanist Baudelaire traf, dessem "unverdienten Mißgeschick" ein (freiwilliges) "Bündnis" mit "seinem Unglück"zugrundelag(995). Sartres Grundposition, wonach "der Mensch ist im Grunde genommen Begierde, Gott zu sein"(996), ist in der Forschung gut bekannt, weil dies das klassische Modell des Abfalls von Gott ist(997) und Sartre zu den bekennenden Gottesleugnern gehört. Interessant ist auch der von Hegel und Sartre gleichermaßen als Zentralbegriff verwendete "Freiheit", der auf Latein mit dem Wortstamm "Liber", also dem lateinischen Namen des Dionysos sinngehaltsmäßig zusammenhängt, doch dieser Zusammenhang soll noch weiter unten gesondert beleuchtet werden.

3.8.4. Die Natur

Das inhaltliche Charakteristikum des Atheismus schlechthin scheint die (monistische) Gleichsetzung der Natur(998) mit Gott zu sein(999). So auf jeden Fall trat er von Anfang an auf, als Begleiterscheinung der Renaissance, Aufklärung, des Materialismus, Monismus(1000) und Pantheismus(1001), die ebendies etwa mit dem Deismus(1002), Kant, Spinoza(1003) und Leibniz(1004), um nur einige zu nennen, gemein haben(1005). Das äußere Charakteristikum des Atheismus, wie schon gesagt, daß er von Anfang an als Begleiterscheinung, als Randgebiet oder Attribut und nicht als selbständige Größe auftrat. Wenn also wirklich etwas bar jeder "materiellen" (substantiellen) Existenz gibt, dann ist das nicht Gott, sondern der Atheismus, der immer und ausschließlich als solcher, nämlich Atheist (Negation des Theisten), als Phänomen, als Reflexion erscheint, bzw. erscheinen möchte. Gäbe es wirklich keinen Gott, oder könnte der Atheist die Möglichkeit Gottes wirklich ausschließen, dann gäbe es den Atheisten nicht einmal als Phänomen, denn nur das Sein verleiht dem Leugnen des Seins, dem Negieren (Soll) einen relativen Sinn. Am Zenit seiner Machtentfaltung versuchte der marxistische Atheismus diese Zusammenhänge naturgemäß vor der anderen Seite her zu erklären, so als würde sich mit dem Sieg des Atheismus sowohl die Frage nach Gott, wie auch der Atheismus "aufheben", weil sie beide nur in dem nämlichen polaren Gegensatz ihren Sinn hätten(1006). Der Trugschluß ist daran ersichtlich, daß Gott und Religion kaum jemals den Atheismus zur Existenzvoraussetzung hatten, wohl aber umgekehrt.

Der Widerspruch in der "eschatologischen" Spannung zwischen der (vom Atheismus) verheißenen Gottlosigkeit und (gegenwärtigem) Atheismus, sozusagen zwischen Soll(1007) und Haben, ist zunächst an der Ventilierung der endzeitlichen Gottlosigkeit über den Atheismus ersichtlich. Der Atheismus ist nämlich aus jedem erdenklichen Blickwinkel die schlechthinnige Voraussetzung, um nicht zu sagen der Born, der Vater aller ersehnten Gottlosigkeit, wie sie sich der Atheist die Gottlosigkeit vorstellt (und nur vorstellen kann). Die Sinnlosigkeit (eschatologischer Aufhebung) des Atheismus kann aber logistisch unmöglich aus einem Produkt der nämlichen Sinnlosigkeit heraus "erklärt", bzw. überwunden werden, vielmehr ist die Gottlosigkeit als Produkt des Atheismus ein Unsinn (Nonsens). Nur wenn die Gottlosigkeit aus sich selbst heraus bestand (Sinn) hätte(1008), könnte sie vor der kritischen Betrachtung bestehen. So aber kann, trotz der mitunter schon als gegenwärtig beschworenen Parusie der Gottlosigkeit(1009), (um es in dem philosophischen Sprachgebrauch des Atheismus auszudrücken) nur von einer stagnierenden eschatologischen Spannung zwischen der Sinnlosigkeit und dem Unsinn gesprochen werden, wenn von der sehnlichen Überführung des Atheismus in die Glorie der Gottlosigkeit(1010) die Rede ist.

Die besondere Bewandtnis an der Gott-Natur Gleichung ist, die manichäisch gnostische Tradition der Gleichsetzung der Materialisation (Schöpfung) mit dem Fall Luzifers(1011). Deswegen besteht z. B. Böhme auf einen Luzifer, der ein Teil Gottes ist, denn für jeden Gnostiker kann Gott ausschließlich in der Natur als "gegenwärtig" gedacht werden, nur in der Natur ist "Gott" für den Gnostiker faßbar. Entscheidend in der subkulturellen Logik ist, daß Gott demnach von dem Menschen nur in der Gestalt Luzifers begegnet werden kann, denn, so u. a. Böhme, alles Geschöpfliche (Natur) die materielle Seite Luzifers ist. Nach dem Gnostiker könne der Mensch also gar nicht Gott anders denken (fassen), als die Kehrseite der materiellen Welt (Natur), nämlich als Transzendenz. Das gesamte gnostische Verständnis hängt also an dem Satz, daß alles von der Natur her transzendierbare, alles was als transzendent behauptet werden kann, ist zunächst Luzifer, wobei das menschliche Bewußtsein unmöglich hinter Luzifer (weiter) transzendieren kann (sondern - ist alles agnostisch - dreifaltig - Göttliche nur a priori denkbar). Aus diesem Gesichtspunkt erscheint es sodann von Zeit zu Zeit billig, auf einen Gott hinter Luzifer überhaupt zu verzichten (Atheismus), da man als Gnostiker ohnehin bestenfalls mit der Transzendenz der Natur (d. i. Luzifer,) auszukommen hat. Dem rhetorischen Argument, daß man doch nie wissen könne (Agnostizismus(1012)), kann der Atheist entgegenhalten, daß man doch wissen könne, daß man doch nicht wissen könne(1013), womit das Unwissen als Wissen (über das Unwissen) definiert werden kann. Das Doktrin des gewußten Unwissens bestimmt nun den Unwillen gegenüber dem Wissen, weil sich hier die Leugnung des Wissens selbst als Wissen definiert hat(1014), noch dazu in einem elitären (sokratischem) Sinne.

Wichtig also bei der Erforschung des Atheismus ist die Voraussetzung, daß der Atheismus nicht allein auftritt und an und für sich keinen Bestand hat, sondern nur als Begleiterscheinung und Vorbote diverser gnostischen Systeme, womit die vordergründige Absolutsetzung der Natur als nicht minder luziferisch erwiesen ist, als die Absolutsetzung der Transzendenz der Natur. Zusammenfassend gilt es daher festzuhalten, daß das Paradigma "Natur" - respektive das "rein naturwissenschaftliches Weltbild"(1015) und/oder der Materialismus - ebenso eine Tarnbezeichnung (Code) für Luzifer ist, wie etwa Dionysos (Liber) oder Antichrist. Aus der Gleichsetzung von Natur und Vernunft (u. a. bei Kant) folgt, daß auch die sog. Vernunft zu den üblichen Tarnbezeichnungen des Luziferismus gehört und die Vernünfteleien Teufelswerk sind. Nach der gnostischen (luziferischen) Kosmologie ist nämlich Natur und Gott eins, weil Luzifer immer zumindest ein Teil Gottes und die Natur die Manifestation des (gefallenen) Luzifer ist, so daß Luzifer und Natur einerseits, und Natur und Vernunft (als die transzendente Natur) andererseits, für den Gnostiker ebenso "eins" sind, wie Gott und Natur, oder Luzifer und Vernunft, bzw. Gott und Luzifer. Ohne die marcionitisch-manichäisch-katharische (ketzerische) Kosmologie (Luziferismus) ist das naturwissenschaftliche Getue der Moderne für die kritische Auseinandersetzung mit den eigentlichen Inhalten unzugänglich. Aber schon in den elementarsten Dingen zeigt sich die Manipulation, etwa wenn die angebliche Unvereinbarkeit vom christlichen und naturwissenschaftlichen Weltbild (zumeist über einen falsch zitierten Galilei(1016)) vorgetäuscht wird.

3.8.5. Soll und Haben

Zum weiteren Charakteristikum des Atheismus gehört, wie es sich einigermaßen schon aus den bisher Gesagten ergibt, das Umgehen des Istzustandes zugunsten eines Sollzustandes, dessen Mängel nicht an dem Istzustand, sondern an einem alternativen Sollzustand gemessen werden(1017). Es ergibt sich auch aus den bisher Gesagten, das beide Versionen des Sollzustandes an der "materiellen" Wirklichkeit (Istzustand) vorbeigehen. Auffällig ist die Soll-Fixiertheit aller Geistesströmungen, als deren Begleiterscheinung des Atheismus auftritt. Ob nun der Atheismus tatsächlich eine psychische Aberration sei, wie es vor allem bekennende Satanisten behaupten(1018), weil sie ihren vorgeblichen Atheismus direkt vom geleugneten Gott ableiten, ist nicht leicht objektiv zu beantworten, denn die Theologie kann - in diesem Zusammenhang - so einen seelischen Defekt nur als Sekundäreffekt hinter der geistigen Aberration qualifizieren, während die Subkultur sich bei dieser Differenzierung (zwischen Seele und Geist) schwer tut.

Auffällig ist, daß all die - bei allen übrigen modernen Geistesströmungen - stets zitierten (luziferischen) Größen unter dem Kapitel Atheismus, bei einer noch so liberalen Handhabung, sämtlich einfach nicht übergangen werden können(1019). Der Atheismus kann also - zumindest statistisch gesehen - gleichsam als der Schatten, als die Begleiterscheinung jeglicher denkorientierten modernistischen Strömung definiert werden. Im übrigen kann die Gottlosigkeit (als die fiktive Zukunftsperspektive des Atheismus) verallgemeinernd als Utopie abgetan werden, denn der Atheismus kommt in keiner Version an der realen Leugnung Gottes - oder des Göttlichen - vorbei. Die utopische Sehnsucht nach der "Gott ist nicht" Haltung scheitert an der Soll-Fixierung(1020), nämlich an der (naturgegebenen) Haltung der "Gott soll nicht sein", die, zumindest auf ebendieser Route, logisch folgerichtig unerreichbar bleibt(1021). Der Kristallisationspunkt ist die "aus sich selbst sollende Ethik"(1022), die - in sich geschlossen - nicht aus sich selbst heraus (zum Ist, bzw. Sein) kann, ob nun das Selbst des Sollensanthropologisch interpretiert wird oder nicht.

3.9. Die Liberale

Neunter Grundsatz, gewissermaßen aus den bisherigen Grundsätzen Resultierend, ist die Enttarnung des, bzw. alles Liberalen als Fahnenträger des Modernismus, beinahe so, als könnten die Begriffe Moderne und Liberal synonym verwendet werden: denn sie werden landläufig jetzt schon - mehr oder minder bewußt - als Synonyme gehandhabt. Es soll allerdings darauf hingewiesen werden, daß die nämliche Synonymität nur für den westlichen Kulturkreis einigermaßen selbstredend ist, sofern sie eine bürgerliche Gesellschaftsordnung hat. Es ist schon weiter oben auf Arbeiterbewegungen kommunistischer und nationalsozialistischer, bzw. faschistischer Prägung hingewiesen worden, die sämtlich - in einem weiteren Sinne - als Kristallisationspunkte der Moderne angesehen werden können (und müssen).

In einer vorsichtigen Formulierung kann also von der Liberale und Arbeiterbewegung (die übrigens in der Geschichte der liberalen Bewegung gleichsam als Nachfolger und Konkurrenz der selbigen angesehen wird) als von den zwei großen - auch und vor allem - politischen Manifestationen der Moderne gesprochen werden. Damit sollen aber nicht die sog. christliche Parteien und Bewegungen als unbedingt weniger von modernistischem Gedankengut durchgesetzt hingestellt, sondern z. B. auf die innerkirchliche Liberale aufmerksam gemacht werden, die stets verbissen um die Macht innerhalb der Kirche kämpft, um unter dem üblichen reformistischen Vorwand das "überkommene Christentum" abzuschaffen. Mit aller Deutlichkeit soll also auf den destruktiven (luziferischen) Charakter der innerkirchlichen Liberale als klassische Heuchelei mit neuem Aufputz hingewiesen werden, die stets mit unchristlichen Methoden unchristliche (pseudochristliche) Ziele zu erreichen trachtet. Die Gefährlichkeit der Liberalen ist durch ihre überlegene Handhabung zutiefst christlicher Anliegen noch unterstrichen, indem sie das eigentlich Christliche innerkirchlich zunächst unter dem Vorwand aus der Hand der Christen nehmen, daß sie mit dem Christlichen unter den modernen Bedingungen der Moderne besser umgehen, und diese besser zur Geltung bringen könnten, aber von Anfang an mit Hilfe christlicher Dekoration etwas dem Christlichen zuwiderlaufendes zur Geltung bringen möchten. Und diesen christlichen Federschmuck der Liberalen gilt es hier zu rupfen.

3.9.1. Die Ganzheitlichkeit

Es kann verallgemeinernd ausgesagt werden, daß weder Luziferismus, noch das Böse überhaupt, sich irgendwie auf einige politische oder kulturelle Bewegungen, aber auch nicht auf die Profane, einschränken, also örtlich lokalisieren lassen. Denn sowohl marxistischer Atheismus (heute am auffälligsten unter den Befreiungstheologen) wie auch Faschismus (am auffälligsten, bzw. offen bei den Deutschen Christen in der Evangelischen Kirche der Hitler-Zeit) haben jeweils eine Scheibe von der Kirche Christi abgeschnitten und trüben nach wie vor das Wasser mit ihrer innerkirchlichen Heuchelei.

In diesem Abschnitt ist also die Frage zu klären, ob es unter den Liberalen überhaupt ohne Heucheln etwas geben kann, oder auch die heuchlerisch eingesetzte Redlichkeit(1023) nach außen ausschließlich unredlichen Zielen dient. Die bisherigen Recherchen haben nämlich zweifelsfrei ergeben, daß Redlichkeit (Christentum) und Liberal sich unmöglich vereinbaren lassen, sondern sie sich gegenseitig ausschließen(1024). Man kann nicht zwei Herren dienen (Mt 6,24; Lk 16,13). Man hat sich dessen bewußt zu sein, mit welchem Feind man es zu tun habe, und wie gekonnt die Liberale ihr wahres Wesen zu verschleiern versteht. Doch gerade deswegen sollte einer der Moderne angepaßten Sektenforschung vor allem daran gelegen sein, daß etwa der Liberalkonservative, wie überhaupt jede hohe Schule des Heuchelns (wie z. B. Moralismus), nicht länger mit dem gelebten christlichen Evangelium verwechselt wird.

Mit Hinweis auf die bisher bereits weiter oben Gesagten, etwa auf das abschreckende Beispiel Albert Schweitzers, ist hier an die Unvereinbarkeit vom humanistischen Ideal der Mitmenschlichkeit und der christlichen Nächstenliebe zu erinnern, nämlich sowohl auf theologischer wie auch auf spiritueller Ebene. Die humanistische Entfremdung (Imitation) der christlichen Nächstenliebe hat immer und ausschließlich die Aushöhlung des Christentums zum Ziele und dient nicht dem Nächsten, nicht dem als Mittel zum Zweck benutzten Menschen, geschweige denn Christus, sondern der populistischen Rechtfertigung der eigenen antichristlichen (pseudochristlichen) Ideologie des Humanismus, der durch betrügerischen Imitierung der christlichen Nächstenliebe mit der Fälschung den Anspruch auf den Urheber derselben erheben, und den Status (wie) Gott für den Humanisten (nicht aber für den Human selbst) reklamieren. Die Humanisten (Liberale) suchen mit ihrer vordergründigen Mitmenschlichkeit nicht Gottes Ehre, sondern ("pharisäisch") ihre eigene Ehre. Nicht Gott soll als gut hervortreten, nicht das Gute an sich soll zu Ehre kommen, sondern der das (scheinbar) Gute tut, der Heuchler als "guter Seelsorger", als "guter Mensch", nämlich als "human", d. h. "liberal". Gewiß kommt der untreue Verwalter bei Jesus sehr gut weg (Lk 16,1-8), und viele Mitläufer der Liberalen ähneln dem Verschwender (Lk 15,11-32), doch ventiliert Christus das Heil (kontroversiell) durch das Unrecht gerade deswegen, weil das Unrecht eben Unrecht ist.

Wenn eine Einschränkung bei dieser Feststellung notwendig ist, dann in die Richtung, daß die überwiegende Mehrheit der Liberalen sich beim näheren Hinsehen als Möchtegern-Liberalen entpuppen. Fehlgeleitete (Irrende), die nicht wissen was sie tun (vgl. Lk 23,34), und in ihrem selbsttäuschenden Gutgläubigkeit nicht wahrhaben wollen, daß sie stets als Vorfeld des pseudochristlichen Aushöhlungswerks mißbraucht werden, daß sie nur zu diesem Zweck überhaupt manipuliert werden, um mit ihrer "relativen" Gutgläubigkeit pseudochristlichen Vorstößen Raum zu bieten.

3.9.2. Die Freiheit

Aus dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt ist zunächst der Nachweis der direkten Linie von Renaissance-Humanismus (über die Aufklärung) bis zur Liberale(1025) ohne größere Mühe möglich(1026), und ist schon wiederholt erfolgreich vorgenommen worden. Unter Hinweis auf die diesbezüglich zufriedenstellenden Forschungsergebnisse werden hier nur die weniger bekannten Zusammenhänge aufgezeigt. So gilt es darauf hinzuweisen, daß innerkirchlich, anders als in der Politik, der Begriff "liberal" leichter auf alle modernisierende Tendenzen zu verallgemeinern ist. Denn so wie sich Faschisten oft und gerne hinter der Meinungs- und Religionsfreiheit, die als ein liberaler Programmpunkt galt (die für den Faschisten fremd, um nicht zu sagen ein Greuel sind), verbergen, so mißbrauchen die meisten innerkirchlichen Sondermeinungen die vorgeschobene Liberalität der Kirche.

Eine terminologische Systematisierung kann und soll in dem wissenschaftlichen Vorgehen dahin unternommen werden, daß die nicht unmittelbar als Liberale einzustufenden Sondermeinungen als Splittergruppen und allenfalls als innergnostische Häresien (Abweichungen, oder innerliberale interne Kontroversen der Moderne) begriffen werden, so daß der landläufig vorausgesetzten Synonymität der Begriffe "liberal" und "modern" Rechnung getragen wird. Ähnlich wie der Begriff "sozial" gegen den Begriff "sozialistisch" abgegrenzt und verallgemeinernd verwendet werden kann, so kann "liberal" gegenüber dem Sekundärsinn "liberal(istisch)" abgegrenzt und verallgemeinernd verwendet werden. Und eben dieser Wortsinn von wegen "großzügig" (großherzig), "freisinnig", soll auf den landläufigen Sinn einerseits, und andererseits auf den ideologischen Sinn, nämlich im Hinblick auf den dionysischen Hintergrund, untersucht werden.

3.9.3. Der Tod Gottes

Das Ausweichen der sog. Moderne in der Theologie auf harmloser klingende Bezeichnungen als "Liberale" hängt mit der unrühmlichen Rolle eines maßgeblichen Teiles der liberalen Theologie als Steigbügelhalter des deutschen Nationalsozialismus in evangelischen Gefilden zusammen. Doch der repräsentativste Teil der liberalen Theologie, die sich mit Bultmann und Karl Barth in Dialektische Theologie umgetauft hat, setzt eindeutig die liberale Tradition, d. h. die Tradition der liberalen Theologie (auf der Ebene der politischen Linke) fort(1027). So überrascht es kaum, daß etwa Pannenberg, der zwar selber mehr Universalist als Christ ist(1028), die "Tod-Gottes-Theologie" als das von den Dialektischen Theologen Bultmann und Karl Barth tradierte Erbe nachweist(1029). Hier sollte die Kirche den Zeigefinger erheben, und vor politischen Etikettierungen warnen, denn in der Dialektischen Theologie, bzw. bei der theologischen Linke, ist der Luziferismus alles andere als erschöpft. Vielmehr soll auf die Gemeinsamkeit zwischen Liberale (bürgerlich im plebejischen Sinne) und sog. Arbeiterbewegung hingewiesen werden, ob nun "links" oder "rechts". Vor allem der plebejische Charakter der Rechten soll hervorgehoben werden, gerade wenn sie - im Gegensatz zu den Linken - den Pakt mit dem (erzliberalen) Großbürgertum weniger scheuen.

3.9.4. Der Populismus

Der plebejische Charakter der Arbeiterbewegungen (im ideologischen Sinne, nämlich als die moderne Armutsbewegung der Katharer) soll schon auch wegen dem stets unversöhnlichen Konkurrenzverhältnis zu der christlichen Nächstenliebe (Caritas und Diakonie) hervorgehoben werden, die nicht anders kann, als bei den Armen und Schwachen anzusetzen (vgl. Mt 18,15-20; 22,40; Mk 12,33; Lk 10,29 ff.; Eph 4,25-5,2; Jak 2,15; 1 Joh 2,9; 3,10.16-7). In seiner Weihnachts-, bzw. Neujahrsrede 1994 (1995) meinte der damalige Caritas-Direktor und nunmehriger Generalvikar Schüller im Fernsehen treffend, daß man sich nicht über die Grundvoraussetzung in der Einstellung zur Welt täuschen soll, denn Gott (und nur Gott im eigentlichen Sinne) steht auf der Seite Armen und Schwachen, und keine Macht der Welt kann ihn von dort fortbewegen. Ohne Generalvikar Schüller überinterpretieren zu wollen, impliziert eine solch ungeschminkte Interpretation des Evangeliums, daß jeder menschliche Versuch sich an Gott vorbei auf die Seite der Armen und Schwachen zu stellen, die bewußte Konkurrierung Gottes ist, bzw. dies voraussetzt. Das und nicht anderes ist das Wesen des (sich "humanitär" interpretierenden) Humanismus, nämlich Gott von seiner Stelle zu verrücken, und "wie Gott" sein (1 Mose 3,5) zu wollen, so als stünde das Humane und nicht Gott auf der Seite der Armen und Schwachen. So als würde nicht Gott die Welt und den Menschen darin geliebt und seinen Sohn dafür (hin)gegeben haben, sondern könnte sich der Mensch nur sich selbst gern haben.

Dem ist hinzuzufügen, daß die theologische (theoretische) Absage an die Sünde (nicht an den Sünder) die praktische Nächstenliebe gegenüber den Feinden Christi nicht nur nicht erschwert, sondern überhaupt erst möglich macht. Innerchristliche Kritik dient trotz aller Offenheit nicht der Herabsetzung, sondern der Auferbauung. Die - notfalls schroffe - Ermahnung ist ebenso integrierender wie unentbehrlicher Bestandteil des Miteinanders. Gott hat sich von einem Saulus, der die Christen blutig verfolgte, nicht abgewendet, sondern ihm vielmehr die Meinung gesagt. Und genauso - gegebenenfalls schroff ermahnend - ging dann der zum Paulus gewandelte Saulus auf die Juden und Heiden zu. Um bei dem angesprochenen Beispiel zu bleiben, ist Generalvikar Schüller, obgleich er theologisch als konservativ eingestuft wird, nach allen Seiten offen. Für Selbstaufgabe ist der Ökumene nicht der richtige Ort, denn die Akzentuierung der Unterschiede macht die Gemeinsamkeit eigentlich aus. Erst die offene Hervorhebung der Gegensätze und die Wahrung sowohl der eigenen wie auch der anderen, der fremden Identität, macht das unbeschwerte Zugehen aufeinander möglich. Andersherum wäre nämlich das aufeinander Zugehen, ohne vorher die Differenzen offenzulegen, zwangsläufig der Untergang bieder Seiten, oder doch zumindest ein tüchtiger Streit.

3.9.5. Der Regenbogen

Die einschlägigen theologischen Nachschlagewerke schreiben nur Unbedeutendes über dem Regenbogen und nivellieren das Nichtssagende, so als könne der Bogen alles mögliche Bedeuten(1030), und würden sie nicht den traditionell fest geprägten ikonographischen Stellenwert des Regenbogens als (immer konsequent) Gerichtssymbol(1031), also das christliche Zeichen der Zeitenwende in der Ikonographie schlechthin, verwässern. Denn der Regenbogen kommt nicht nur in dem AT (Zeichen des Bundes mit Noah, bzw. der Zeitenwende nach der Flut, die von Petrus - in einigen Übersetzungen - als Neue Schöpfung verstanden wird) vor (Gen 9,1-17; vgl. Jes 54,9; Ez 1,28), sondern vor allem in der Apokalypse als Zeichen der Endzeit, bzw. Zeitenwende (Off 4,3; 10,1), und zwar ganz in dem Sinne der Gerichtsankündigung Jesu (Mt 24,37-38//Lk 17,26-27; vgl. Hebr 11,7; 1 Petr 3,20; 2 Petr 2,5), wonach die Zeitenwende (Mk 1,15; Lk 21,8; Röm 8,18; 11,5; 13,11; 1 Kor 4,5; Gal 4,4; Eph 1,10; 2,7; 2 Thess 2,1-12; 1 Tim 6,15; 2 Tim 3,1-9; Tit 1,2; Hebr 1,2; 9,9.26; 1 Petr 1,20) wird sein wie in den Tagen des Noah (Mt 24,37).

Diesem in der Bibel verbalikonographisch festgeschriebenen Symbolwert des Regenbogens, als Zeichen des von Jesus auch für seine (neutestamentliche) Zeitenwende zitierten Noahbundes, der ebenfalls in diesem Sinne als Zeitenwende mit der Flut interpretiert wird (wobei die Flut in der Bildersprache der Bibel fest mit der "Überflutung" des Landes mit feindlichen Heeren verbunden ist und immer nur diese eine Bedeutung hat), stehen die außerbiblischen - zumeist mythologischen - Traditionen in der alttestamentlichen Umwelt so gegenüber, daß der Regenbogen und seine Personifikationen weniger den Bund (in Sinne des Noahbundes, für die Beendigung des Gerichts über das Vorsintflutliche) zwischen Himmel und Erde, sondern die Verbindung (Weg oder Brücke) zwischen Himmel und Erde(1032), zwischen Diesseits und Jenseits, (mehr assoziativ) repräsentieren, bzw. symbolisieren, und in der Sekundärbedeutung als Kriegsbogen, manchmal Schwert, öfter als Halstuch, Halsbinde, Halskette, oder Hüftgurt und ähnliches (verbalikonographisch oder bildlich) dargestellt wird. So ist auch der altchinesische Symbolwert des Regenbogens(1033) als Verbindung zwischen Yin und Yang zu verstehen, die symbolisch für Himmel und Erde stehen(1034), und auch das Motiv des Regenbogens als Schleier (oder Gurt, bzw. Schal oder Halstuch) der hellenischen Iris(1035) und der mit der ägyptischen Isis gleichgesetzten indischen Maya(1036) (Große Göttin), oder der babylonischen Isthar (Astarte/Esther), wo gelegentlich von ihrem Halsband die Rede ist(1037), meint entweder (personifiziert) die Botin zwischen Himmel und Erde oder den Regenbogen als Weg oder Brücke zwischen Himmel und Erde (womit Diesseits und Jenseits gemeint sind). Weil in der Bibel der Baalskult der Kontrahent des Jahwekultes schlechthin ist (vgl. Dtn 13,2; Ri 3,7; 10,6-10; 2 Kön 5,17; vgl. 1 Kön 11,5.33; 18,18; 2 Kön 17,16; 23,23; 1 Sam 12,10; 31,10; Jer 11,13; 23,27; Hos 2,10-19; 4,7; 9,10 usw.), und die phönizische Astarte (Aschera) das weibliche Pendant des Baal (Ri 2,11-13; 3,7; 10,6-10; 1 Sam 7,3-4; 12,10; 2 Kön 21,3-7; 23,4-13), die mit der Babylonischen Ischtar/Isthar gleichgesetzt wird (vgl. Astarte/Aschera in Ri 2,13; 3,7; 10,6; 2 Kön 23,4), kommt der babylonischen Interpretation des Regenbogens als Weg oder Brücke ins Jenseits(1038) (über den Halsband oder Schleier, ev. Schal oder Halstuch, der Ischtarte)(1039), und dem vom griechischen Himmelsgott Zeus als Kriegsfahne, bzw. Siegesfahne, aus dem Gürtel der Göttin Iris aufgespannte Regenbogen(1040), sowie dem säulenartigen und mit Bändern am Himmelsgewölbe befestigten Regenbogen Platos(1041)(während der tausend Jahre dauernden Jenseitsreise der Seele vor der Wiedergeburt), im Neuheidentum größere Bedeutung zu, weil die Götter und Attribute schon in der Antike und Hellenismus in Beziehdung gesetzt oder synkretistisch gleichgesetzt (allenfalls parallelisiert, oder synkretistisch mit Attributen eines ähnlichen Gottes einer anderen Kultur bedacht wurden), und etwa die Iris auch zu der im neutestamentlicher Zeit vorherrschenden Dionysoskult (vgl. 2 Makk 6,7; 14,33), d. i. die griechische Version des Fruchtbarkeitsgottes Baal, in einer - Hermes analogen - festen Beziehung steht(1042). Einfacher ausgedrückt ergibt die Assoziation des Regenbogens mit dem weiblichen Pendant des Baals (Astarte) einerseits, und der synkretistische Gleichsetzung des Baalkultes, bzw. aller Fruchtbarkeitskulte mit dem Dionysoskult andererseits, eine Verbindung von Regenbogen und Dionysoskult im Neuheidentum.

Von da aus kann nämlich zu dem Grundlagenwerk von New Age von H. P. Blavatskaja/Blawatsky der "Bogen" gespannt werden(1043), dessen Titel, die "Entschleierte Isis"(1044), demnach den nämlichen heidnischen Alternativregenbogen(1045) ("alternativ" zum biblischen Regenbogen des Noah und des Weltenrichters der apokalyptischen Wendezeit) mit dem üblichen neuheidnisch synkretistischen Beiwerk meint(1046), der als die nämliche Schleier der Isis auch dann als die Fahne oder Abzeichen von New Age, oder zumindest von der Theosophie Blawatskys, identifiziert werden kann, wenn die Spuren noch so gut verwischt werden.

Auf den Regenbogen als das zentralste Symbol für New Age macht eigentlich Ruppert in der Broschüre "Neugnosis" aufmerksam(1047), wo in dem nämlichen Zusammenhang das synkretistische Herzstück der Theosophie Blawatskys systematisch (als die Vermengung von indischem, bzw. indo-arischem Tantrismus und jüdischer Kabbalistik) aufgezeigt wird(1048). Gilt der Zusammenhang zwischen New Age(1049) und Romantik(1050) etwa über die weiter oben vielzitierte Isis der Blawatsky(1051) als gegeben(1052), dann kommt auch dem Gebrauch des Regenbogens in Dichtung (Goethe) und Malerei der Romantik(1053) (als Zeichen des Friedens) größere Bedeutung zu. Auf den Spuren von Jakob Böhme und Paracelsus wandelnd(1054) haben sich insb. Goethe und Schiller mit dem Regenbogensymbolik auseinandergesetzt(1055), wobei hier weniger die übliche Halbkreis aus der Natur, sondern das "Rad" Böhmes(1056), nämlich der Tierkreis aus der Astrologie(1057), als Vorlage diente. In der zuerst in England und dann in München umstrittenen Kunstaustellung über Romantik und Nationalsozialismus(1058) ist übrigens auch ein Bild mit einem Sämann vor dem Regenbogen zu sehen, wobei kaum jemand an dem Zusammenhang zwischen Romantik und Nationalsozialismus zweifelt, sondern lediglich die Authentizität der nationalsozialistischen Interpretation der Romantik fragmentiert oder bestritten wird.

Die Renaissance des Regenbogens ist allerdings keineswegs so schwammig, wie es die Autoren der eingangs zitierten modernen theologischen Nachschlagewerke hinstellen, sondern geht, wie überhaupt alles Neugnostische, auf Jakob Böhme zurück(1059). Das Kreuz ist für Böhme die Grundsignatur aller Dinge, bestehend aus den beiden Achsen des (zunächst durch die Jahreszeiten viergeteilten) Räderwerks (d. i. der astrologischer Tierkreis), das durch den drei Welten geht. Die Glyphe dieses Zeichens bezeichnet nach Böhme das Herz Gottes, das sich »gleich dem runden r, gleich dem ganzen Regenbogen, welcher doch zerteilt erscheint, denn das Kreuz ist seine Teilung.« Um seine vier Eckpunkte der Kreuzsignatur zu enthalten, mußte Böhme die grundlegende paracelsische(1060) Dreiheit in eine Vierheit verwandeln, indem er den anfänglichen Sulphur durch den salnitrischen "Schrack", der von ihm ausgeht, in zwei Aspekte schneiden läßt: 1. Sul: Seele, Licht und 2. Phur: scharfes Feuer. Hinzu kommen 3. Mercurius: Begierde und Beweglichkeit und 4. Sal: Ängstlichkeit. Diesen vier Grundqualitäten werden auf dem Titelkupfer von Gichtel die vier Tierwesen oder Evangelisten auf dem äußeren Tierkreisring zugeordnet: Stier _ (Lukas), Löwe b (Markus), Adler: Skorpion e (Johannes), Mensch: Wassermann h (Matthäus). Im inneren Ring des großen Rades sind die sechs Planeten eingetragen. Allein Mercurius fehlt, denn er verkörpert in seiner Beweglichkeit das Rad an sich. Dieses Rad ist »die Ursach des Lebens und Regens, auch die Ursach der Sinne (...) und wie das Planetische Rad sein Intstehen hat, also auch die Geburt eines Dinges«(1061).

Grundlage der alchemistischen Farbkonzepte, auf denen Kircher(1062), Goethe und Steiner aufbauen, ist die seitdem kaum veränderte gnostische Vorstellung von der Entstehung von der »bunten Gewebe der Welt« aus der Brechung des göttlichen Lichts in der Finsternis der unteren Gewässer(1063). Nach Basilides(1064), einem alexandrinischen Gnostiker des 2. Jhs., begehrte einst die Finsternis sich mit dem Licht zu vermischen, doch das Licht beschränkte sich auf das reine Schauen, »wie durch einen Spiegel. Eine Spiegelung also, das heißt ein Hauch (color!) des Lichtes nur, ist zu der Finsternis gelangt«(1065). Den Samen der Welt vergleicht Basilides mit einem Pfauenei, das sich in der untermondischen Sphäre in die Siebenheit der Farben ausgebiert. In der Neugnosis erscheint das gleiche Motiv: "Die sieben Farben staden für die sieben Himmelssphären und regenbogenfarbigen Schleier der tantrische Göttin Maya, der Großen Göttin, die hinter dieser Schleier wirkte, um die materielle Welt in ihrer komplexen Buntheit entstehen zu lassen. Ihre Priesterinnen trugen die Farben ihre Schleier, die in der ägyptischen Mythologie als die sieben Schleier der Isis und in der Bibel als die sieben Schleier Salomes auftauchen."(1066)

Dieses gnostische Fundament des Regenbogens soll also von der neologisch dominierten Moderne in der Theologie verschleiert werden. Die Bezeichnung Gottes als das Nichts geht ebenfalls auf den Gnostiker Basilides zurück(1067), sodaß auch hier zu Böhme eine Verbindung besteht(1068). Ähnlich wie Nietzsche seine Briefe gelegentlich abwechselnd mit Dionysos und Christus unterschrieb, identifizierte sich der Neugnostiker des Wassermann-Zeitalters, der Psychoanalytiker C. G. Jung,(1069) mit dem Gnostiker Basilides, in dem er etwa seine Visionen in einer internen Publikation für Eingeweihte "Sieben Reden an die Toten" mit dem Untertitel "Geschrieben von Basilides in Alexandrien, die Stadt, wo der Osten den Westen berührt"versah(1070). Und auch wenn sich Blawatsky ausdrücklich nur zu Marcion bekennt und Basilides nur zitiert, kann aufgrund der feststellbaren Einheitlichkeit in der Hochgnosis auch die Verbindung zu den Ophiten(1071) (Schlangenverehrer) hergestellt werden, und auf die Symbolisierung des Regenbogens in einigen heidnischen Kulturen quer über den Globus als Schlange (Unterweltsschlange in Westafrika(1072), Asien(1073), China und Java(1074), oder Regenbogenschlange in Australien und Umgebung(1075)) mit erotischem Bezug hingewiesen werden, da ein anderes Bundeszeichen (außer dem Regenbogen in 1 Mose 9,12-13 und der Beschneidung in 1 Mose 17,1-27, sowie natürlich dem Sabbat in 2 Mose 31,13) in der Bibel gibt, der Stab des Mose(1076) (2 Mose 4,17; 4 Mose 17,25), ebenfalls in eine Schlange verwandelt wurde (2 Mose 4,3; 7,9-15), ohne daß sich daraus synkretistische Möglichkeiten, bzw. Gleichsetzungen ergeben könnten(1077).

Wegen der Fokussierung der Gnosis in Jakob Böhme kann aus systematischen Gründen die historische Betrachtungsweise angewendet werden, wonach die Gnosis im Neuplatonismus aufging und der Neuplatonismus fortan als das philosophische Gewand der Gnosis anzusehen ist, sodaß dem gnostisch synkretisiertem Regenbogen nach Platon formal eine fundamentale Bedeutung zukommt. Eine tausendjährige Seelenreise nach dem Tod und vor der Wiedergeburt ist bei Platon so mit dem (jenseitigen) Himmelsgewölbe tragenden und mit Band daran befestigten Regenbogen verknüpft, daß das Licht des Regenbogens nur die zur Wiedergeburt (Reinkarnation) freigegebenen sehen(1078). Der krönende Abschluß von Platons "Staat" ist eine Beschreibung des Jenseits von einem Verstorbenen, der nach etwa zwölf Tagen wiederbelebt wurde und im Auftrag des Jenseits der Nachwelt über die Seelenreise und über das Jenseits selbst berichtete(1079). Es ist offenbar ein Jenseits für die Seelenwanderung, wo es zwar auch die ewige Verdammnis gibt(1080), aber grundsätzlich sowohl die Guten wie die (geläuterten) Bösen nach einer tausendjährigen Seelenreise(1081) wiedergeboren werden(1082). Platons Beschreibung selbst nennt den Bericht selbst Mythos, und enthält von der Griechischen Tradition abweichende Elemente, wie die Wiedergeburt der Seele des Orpheus als Schwan, weil der von seiner Liebe, bzw. wegen seines erfolglosen Befreiungsversuches aus der dionysischen Unterwelt, enttäuschte Orpheus nicht von einer Frau wieder geboren werden wollte(1083). Nach Ablauf der tausend Jahre wählt jede Seele selbst aus, wie, bzw als was, bzw. wer, sie wiedergeboren werden möchte(1084) (zB Tier, Tyrann oder Bauer). Es wird ein Gott vorausgesetzt, der aber weder durch Wort noch durch Tat persönlich in Erscheinung tritt, sondern ein Götterherold beruft sich auf ihn(1085), ansonsten schalten und walten die drei Schicksalsgöttinnen (Moiren), die das Räderwerk des Spindels des Schicksals bedienen(1086). Außer der numerischen Analogie der tausend Jahre zeigt - auch das Motiv des Gerichtes mit den "Guten nach Rechts" (in den Himmel) und die "Bösen links" (unter die Erde)0(1087) - eine gewissen Ähnlichkeit mit dem Biblischen Endgericht (Mt 25,33), und auch die Erklärung, daß jede Sünde mit je hundert Jahren bestraft wird(1088), läßt rechnerisch auf zehn Gebote, bzw. zehn Arten der Übertretung schließen (beachte die Redensart, daß eine Kette so stark ist wie das schwächste Glied, wie auch Jakobus 2,10 sagt: "Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt") wie im atl Dekalog (2 Mose 20,1-21; 5 Mose 5,1-22). Bei Platon allerdings kommen nach tausend Jahren die Guten (aus dem Himmel) und Bösen (aus der Unterwelt) zusammen zur Wiedergeburt, sodaß sowohl links wie auch rechts je eine Ausfahrt und Einfahrt (also insgesamt vier Schlünde) gibt(1089). Etwas merkwürdig mutet an, daß jedem (jeder Seele) ein Dämon des Wesens seiner Wahl so zugeteilt wird, wie er wiedergeboren werden möchte(1090). Platons Regenbogen ist zunächst wie eine gerade Säule, die mit Bändern an dem Himmel befestigt ist und trägt so das ganze Himmelsgewölbe(1091). Und die nämlichen Bänder, die das Himmelsgewölbe auch zusammenhalten, sind an diesen Enden an dem Spindel der Notwendigkeit befestigt(1092). Es folgt daraufhin eine Beschreibung des Spindels(1093), das eigentlich ein ineinander verschlossenes Räderwerk von acht Rädern mit einer Achse ist(1094), wie es dann verblüffend ähnlich bei Jakob Böhme mit sieben Rädern auftaucht(1095). Nachdem aber bei Platon und Böhme der Regenbogen und ein Räderwerk jeweils eine zentrale Rolle in der himmlischen Hierarchie an oberster Stelle spielen, und im Hintergrund von Böhmes graphischer Räderwerkdarstellung sowohl das strahlende Licht wie die Konturen des Tierkreises bildlich dargestellt sind(1096), kann der in den Tierkreis hineingewobene Regenbogen(1097), wo die Farben den Planeten so zugeordnet sind, daß die zwölf Sternbilder einen äußeren und die sieben Planeten (das sind die sieben Farben) einen inneren Kreis bilden(1098), doch auch numerisch mit dem platonischen Räderwerk(1099) parallelisiert werden, weil die sieben Planeten Böhmes im Achteck (mit einer Leerstelle) angeordnet sind. Dieser auffälligen Motivparallele zwischen Platon und Böhme in der Eschatologie (Böhme ist auch ein Chiliast(1100)) kommt bei der Gewichtung des Neuplatonismus als zentrale Linie, sozusagen Hauptstraße der Gnosis, bzw. Neugnosis, bei der Beurteilung große Bedeutung zu, weil ein protochiliastischer Zug schon bei Platon (mit der tausendjährigen Jenseitsreise der Seele) feststellbar ist.

Mit Hilfe der noch in den Ansätzen steckenden Wissenschaft des Regenbogens(1101), so Alice Bailey, weiß sich New Age fest im Jenseits verankert und mit allen Religionen dieser Welt simultan, vorerst mehr aus dem Untergrund, aufnehmen - und künftig gewiß das Monopol(1102)der weltbeherrschenden Religion(1103) erringen - zu können (die Betonung liegt auf "weltbeherrschend" und "Monopol", obgleich der religiöse Anspruch von New Age im Mittelpunkt steht). Außer dem Regenbogen hat aber Bailey noch den Chiliasmus mit dem Neuplatonismus und Böhme gemein(1104), und sowohl die hundertjährige, wie die tausendjährige Periode Platons kommt bei Bailey als Motivparallele vor(1105). Die auffälligste geistige Verwandtschaft der Neugnosis zeigt sich aber in unserem Zusammenhang, in der Abhandlung über die sog. Räder in Blawatskys Buch Dzyan(1106), das nach einem dogmatischen Kosmologie von Bailey(1107) abschnittsweise zitiert und kommentiert, d. h. "exegetisiert" wird. Diese gleich nach der eigenen Kosmo-Dogmatik von A. Bailey zitierten Räder der Blawatsky sind an der Zahl ebenfalls im Anfange acht, indem sich das große Rad drehte, und schon eilten sich sieben weitere Räder ihr Dasein durch Drehen zu bekunden(1108), wie bei Böhme und Platons Spindel des Schicksals. Für New Age unterstreicht A. Bailey die Analogie zu den Rädern Blawatskys mit analogen Einteilung der kabbalistischen 10 Sephirot so in 7 + 3, daß die 3 als "Dreifaltigkeit" - als Kreislauf - eine Einheit bilden, die sich in 7 Zentren auswirken(1109). Auch die "Sieben" sind mit dem Gesetzt der Periodizität miteinander verbunden(1110), sodaß die sieben Perioden drei große Zyklen (im Rad(1111)) durchmachen (jeweils in die Periode der Manifestation und Verdunkelung unterteilt), und die Kenntnis der Zyklen die Kenntnis von Zahl, Klang und Farbe umfaßt(1112), die allerdings - bei Bailey - nur dem vollendeten Adepten vorbehalten ist. Wenn aber die sieben Zyklen oder Perioden(1113) der Neugnosis den Planeten und den sieben Farben(1114) des Regenbogens entsprechen(1115), dann entsprächen die "Drei" in der sog. dreifaltigen Einheit(1116) den drei Grundfarben der Physik(1117)(Blau, Rot, Gelb), wie es auch viele Gnostiker und Aristoteles folgend(1118) einige Kirchenväter und Theologen des Mittelalters, statt den sieben Farben für die Trinität(1119), und die sieben Farben des Regenbogens wiederum symbolisch für die sieben Sakramente(1120), bzw. sieben Geistesgaben, oder als Symbol Mariens(1121), verwendeten. Die Neugnosis meint allerdings die drei Grundfarben so unter den Sieben orten zu können, daß die Sieben nochmals in Drei und Vier unterteilt werden(1122), und die Drei (Farben) von den (den unteren sieben Sephirot zugeordneten) Sieben mit der Dreifaltigkeit repräsentierenden ersten drei Sephirot der Kabbala korrespondieren(1123). Nach diesem von Blawatsky entwickelten und von dem Privatsekretär von Anni Besant, ihrer Nachfolgerin an der Spitze der Theosophischen Gesellschaft, Ernest E. Wood systematisch entfalteten Lehre von den sieben Strahlen(1124), jedem Strahl ein Meister vorsteht, bzw. sind die oberen drei Sephirot, bzw. Strahlen, der göttlichen Trinität von Vater, Sohn und Geist zugeordnet, und die unteren sieben je einem Meister(1125). Die Korrespondenz der oberen Trinität und der unteren "Trinität" unter den Sieben, die in Vier und Drei unterteilt sind, ist u. a. daran ersichtlich, daß ein Meister Jesus nicht in der oberen, sondern in der unteren Drei (unter den Sieben) zu finden ist(1126). Dies scheint die Unterscheidung von "wahre Farbe" und "irdische Farbe", oder "Deckfarbe", von Bailey zu erklären(1127):

"Viele warten in interplanetarischen Räumen auf weitere Entwicklung und für sie geeignete Zeiten, und einige müssen sogar warten, bis eine neues Mahamanvantara(1128) anbricht. Okkulte Schüler müssen in diesem Zusammenhang der Worte H. P. B.'s(1129) eingedenk sein, die uns in der Geheimlehre sagt, daß die Strophen und deren Kommentar sich hauptsächlich auf unseren eigenen planetarischen Logos bezieht. Das vergißt man häufig. Es dürfte für den Leser von Interesse sein, daß es gewisse Farben gibt, welche diese Gruppen von nicht inkarnierten Monaden verschleiern, von denen die Menschheit derzeit gar nichts weiß. Diese Gruppen werden dem Menschen erst im nächsten Sonnensystem oder aber erst nach Erreichung der sechsten Einweihung bewußt werden. Alle irdischen Farben sind lediglich Abspiegelungen der wahren Farben und außerdem nur ein Abbild des niedrigsten Aspekten. Jede Farbe im Kosmos hat drei Ausdrucksformen:

1. die wahre Farbe,

2. die illusorische Erscheinung dieser Farbe,

3. ihr Spiegelbild.

Das Spiegelbild ist das, womit wir vertraut sind; die Erscheinung oder das, was die Wirklichkeit verhüllt, lernen wir erst dann kennen, wenn wir mit dem Auge der Seele, dem Shiva-Auge, sehen können, wenn wir durch das fünfte Naturreich hindurchgegangen sind und wenn Gruppenbewußtsein im Bewußtsein des Göttlichen aufgeht. Daraus geht also hervor, daß sich das monadisch-kosmische Rad im Sinne von »wahrer Farbe« betrachten läßt; der erleuchtete Seher erschaut es als die Verschmelzung der Primärfarben der drei Sonnensysteme. Das monadisch-systemische Rad, welches nur das jetzige System betrifft, zeichnet sich dadurch aus, daß es die Gesamtheit der sieben Farben der sieben Himmlischen Menschen darstellt; und dem Blicke des Adepten der fünften Einweihung erscheint es als die Summe der Primärfarben der egoischen Gruppen der einzelnen planetarischen Grundpläne."(1130)

Wenn nämlich die sieben sichtbaren Farben für die Blawatsky-Jüngerin A. Bailey nicht die wahre Farben sind, sondern als Deckfarben(1131), die nur für die spirituelle Schau zugängliche wahre Farben verschleiern, dann können die drei Farben außer den sieben des Regenbogens, die in der Neugnosis der Dreifaltigkeit zugeordnet werden, nicht die drei physikalischen Grundfarben, Blau, Gelb und Rot, sein, wie bei einiger christlichen Theologen der Antike und Mittelalter(1132), sondern (rechnerisch) nur Blau, Grün, und Rot. Von der seit Newton auch von der Neugnosis vielzitierten Prisma her(1133), sind die sieben Farben als aus dem "weißen" Licht "hervorgehend" aufzufassen. Und so wie die Summe der drei Grundfarben, Gelb, Blau, Rot, zusammen Schwarz ergibt, aber die drei Komplementärfarben Blau-Rot, Blau-Gelb, Rot-Gelb, zusammen Schwarz (eigentlich Indigo), so meint die Neugnosis die sieben Farben aus Schwarz, bzw. Indigo (das ist die Farbe des mondlosen Nachthimmels) und nicht Weiß hervorgehen, wie bei der Brechung des Lichtes durch ein Prisma die sieben Farben des Regenbogens aus dem sogenannten weißen Licht hervorgehen. Hinkt diese Auffassung der Zusammenhänge schon hier aus dem naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt, so muß es gänzlich mystisch vor den "irdischen" Augen verschleiert werden, daß bei Blawatsky auf jeden Fall das Licht aus der Finsternis hervorging:

"Selbst in der geistverwirrenden und wissenschaftermüdenden Genesis wird Licht aus der Dunkelheit geschaffen - 'und Finsternis war über dem Angesicht der Tiefe' - und nicht umgekehrt. 'In ihr (in der Dunkelheit) war Leben; und das Leben war das Licht der Menschen.' Ein Tag mag kommen, an dem die Augen der Menschen geöffnet werden; und dann mögen sie besser als jetzt den Vers im Evangelium Johannis verstehen, der sagt: 'und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht'. Sie werden sehen, daß das Wort 'Finsternis' sich nicht auf das Sehen des Menschen bezieht, sondern tatsächlich auf Finsternis, auf das Absolute, das das vergängliche Licht nicht begreift (nicht erkennen kann), wie transzendent es auch für menschliche Augen sein mag. Demon ist Deus inversus. Der Teufel wird jetzt von der Kirche 'Finsternis' genannt, während er in der Bibel, in Buche Job, der 'Sohn Gottes', der helle Stern des frühen Morgens, Lucifer heißt. Es liegt eine ganze Philosophie dogmatischer Geschicklichkeit in der Begründung, warum der erste Erzengel, der aus den Tiefen des Chaos entsprang, Lux (Lucifer), der leuchtende 'Sohn des Morgens' oder der manvantarischen Dämmerung genannt wurde. Er wurde von der Kirche in Lucifer oder Satan umgewandelt, weil er höher und älter als Jehova ist, und dem neuen Dogma geopfert werden mußte."(1134)

Mit anderen Worten geht das Licht, das landläufig Weiß genannt wird, in der Neugnosis aus der Finsternis (so wie die sieben Farben aus dem weißen Licht) hervor, die gewöhnlich Schwarz genannt wird. Deswegen stehen offenbar die Drei sowohl außerhalb wie oberhalb der Sieben, weil die sieben Farben aus den Drei emaniert sein sollen(1135). Aufschlußreich ist also der permanente Dualismus von Schwarz und Weiß, wobei Bailey im Gegensatz zu Blawatsky eindeutig Weiß favorisiert und sogar Schwarz mit dem Bösen verbindet. Bailey redet das Wort einer spirituellen Hierarchie, die sie die Weiße Loge nennt, deren Gegenpart die Schwarze Loge (des Bösen) ist.

Schon H. P. Blawatsky (H. P. B.), in deren Abzeichen der Theosophischen Gesellschaft zu Oberst vom Hakenkreuz dominiert war(1136), soll unter der Anleitung von A. Bailey gelegentlich auf die Antahkarana hingewiesen haben, so Bailey, und damit den Keim für die spätere Entwicklung zurückgelassen haben(1137). Ihrerseits ließ A. A. B. durch Saatgruppen(1138)den Regenbogen als Brücke, Faden, Pfad, und schließlich die Verbindung von alles in allem und als Alles in Allem aufkeimen(1139), um schließlich den als Sinnbild des Kundalini-Yoga mit den sieben Chakras(1140) entschleierten Regenbogen (Antahkarana) deklaratorisch als den eigentlichen Sinn und Zweck von New Age (im Neuen Zeitalter) zu offenbaren(1141). Für Bailey soll die schon seit 150 Jahren laufende farbenfrohe "Überbrückungsarbeit" in die drei neuen Wissenschaften, die - soweit nach Bailey geht - wichtigsten Fächer des (künftigen) Erziehungswesens im Neuen Zeitalter, der Antahkarana, Meditation und des Dienens, einmünden, wobei Meditation bloß die Methode (Vorbereitung im Sinne von Vorbedingung) und das Dienen die praktische Verwirklichung und Umsetzung der Regenbogenbrücke, der Wissenschaft der Antahkarana, seien(1142), und die vier Erkenntnisse des Standes, der Verantwortlichkeit, des Vergebens und der Gruppenbeziehungen, wiederum (nur) die Grundlage der im Regenbogen zusammengefaßten drei Wissenschaften bilden(1143).

Die Wissenschaft des Regenbogens läßt sich nach Bailey in acht Verbindungen subsumieren(1144), wobei die Quintessenz die von der Seele schöpferisch zur Überbrückung des Empfindungsbewußtseins der Seele - mit dem Regenbogen zur Meditation und zum Dienst(1145)- gebrauchten Wissenschaft des Regenbogens ist. Der im menschlichen Körper wie eine Saite (des Kriegsbogens), bzw. drei(fachen) Saiten, ausgespannten Kanäle bis zum Schädeldach fungieren einerseits also als Verbindung von oben nach unten, oder umgekehrt (mit sieben Abschnitten), aber zugleich als eine Art von Antenne für den Kosmos, die von der Seele gleichsam ausgefahren werden müsse, was wiederum gelernt sein wolle(1146).

Um auch in diesem Zusammenhang ein aktuelles Beispiel zu geben, möge die merkwürdige Rolle des jetzigen (noch) Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Weber, der landläufig als der liberale Bischof schlechthin gehandelt und dementsprechend von den liberal dominierten Medien auffallend bevorzugt, um nicht zu sagen nach vorn geschoben wird, unter die Lupe genommen werden. Es ist eine Sache für sich, daß sich die liberal eingestimmten Medien (seit dem zweiten Weltkrieg) beispielloser Weise in kirchliche Reformangelegenheiten einmischen, und dazu eigens ein Skandal als Vorwand (künstlich) züchten. Auch ein wellenreitender liberaler Bischof, der aus der Not eines theologischen Rivalen Kapital schlägt und lieber für die eigene kircheninterne Fraktion ein Schäfchen ins Trockene bringt, als die Gesamtkirche vor der Blamage zu retten, gehört auf ein anderes Blatt. Aber - ohne hier auch die wohlgemeinten ökumenischen Verdienste des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz in Graz zu schmälern - die Ostermesse (1995) im Fernsehen, unmittelbar nach seiner Wahl, an einem mit einem überdimensionalen New Age Symbol(1147) (stilisierte Regenbogen) dekorierten Altar, gleichsam als Eröffnung, zu zelebrieren, das schlägt dem Faß den Boden aus. Es ist kaum zu glauben, daß Bischof Weber wußte, daß die farbenfrohe Dekoration seines öffentlichen Antritts ein neugnostisches Symbol, besser gesagt, "das" neugnostische Symbol schlechthin ist(1148). Ob er nun wußte oder nicht, der Gesamteindruck, abgesehen von der ästhetischen Wonne ob dem Kunterbunt, war nicht überwältigend. Es hat insgesamt nicht gut ausgesehen.

Ich zitiere aus meinem Protestbrief an den ORF vom 29. Jänner 1995:

»Die heutige "Orientierung" hat zwar löblicherweise der Vollmitgliedschaft der katholischen Kirche in dem Ökumenischen Rat der Kirchen (seit vergangenem Jahr) gedacht, stellte aber filmisch einen ursächlichen Zusammenhang zu einer als "Basel I." bezeichneten Massenveranstaltung (um 1989) her, um dann "Basel II." als den logischen Nachfolger einzuläuten. Da ich begründete Bedenken habe, daß insb. die katholische Kirche ihre Mitgliedschaft in dem Ökumenischen Rat der Kirchen in einem direkten Kausalzusammenhang mit Basel I. sieht, bitte ich Sie der Angelegenheit nachzugehen und gegebenenfalls der manipulierten Berichterstattung einen Riegel vorzuschieben.

Die Basel I. genannte Massenveranstaltung fiel schon damals mit einem überdimensionalen textillenen Regenbogen in den Medien auf, der schon lange als das gebräuchlichste Symbol der New Age Bewegung in der Sektenforschung gilt. Als archaisches Symbol fungierte der Regenbogen als Brücke ins Jenseits, so auch in Indien (Antahkarana), bei Platon(1149) und bei den Germanen, bis er von der New Age Bewegung in ein "Internationales Zeichen des Friedens" umfunktioniert wurde, indem die Errichtung der Regenbogenbrücke zwischen der Persönlichkeit (Selbst) und der Überseele ("Großer Universalgeist") behauptet wird(1150). Das archaische Symbol Regenbogen wird assoziativ mit der von Blawatsky entwickelten(1151) (von A. Besants Privatsekretär, dem "Ghostwriter" Ernest E. Wood, systematisiert) neugnostischen Lehre von den sieben Strahlen vermengt(1152). Die Lehre von den sieben Strahlen entstand durch die Abtrennung der drei oberen Sephirot als "Trinität" von den zehn Sephirot der jüdischen Kabbala, wobei auch den sieben übrigen Sephirot (Strahlen) je ein Meister vorsteht(1153). Die sieben Strahlen werden weiter in drei und vier unterteilt: die ersten drei korrespondieren mit der zuvor abgetrennten Trinität und unter den restlichen vier Strahlen findet sich dann ein Meister namens Jesus. Vor diesem spirituellen Hintergrund bezeichneten sich die Größen der New Age ungeniert als Christen(1154), und gaben vor - reformistisch legitimiert - lediglich die etablierten Kirchen Christi eliminieren zu wollen (nicht das Christentum). Der Schlachtplan von New Age ist ökumenisch getarnt(1155), ist aber synkretistisch(1156). Als ein Anhänger der Ökumene bitte ich Sie den pseudoökumenischen Umtrieben in der Sendung "Orientierung" ein Ende zu setzen.

Nachdem nun der Regenbogen anderen New Age Symbolen(1157) wie weißer Lotus, Dreieck, die Zahl 666 (vgl. Off 13,18), Kreis mit oder ohne Mittelpunkt, Halb- und Viertelkreis, Hakenkreuz u.a., den Rang abgelaufen hat(1158), kann es kaum Zweifel darüber geben, was der überdimensional fernsehgerechte Regenbogen aus Textil in Basel I. zu bedeuten hatte (ich glaube mich auch an eine Kontroverse um den unangekündigten Auftritt des als New Age Theoretiker bekannten Weizsäcker(1159) in "Basel I." erinnern zu können). Doch selbst wenn der nämliche Regenbogen damals in Basel nicht in den Mittelpunkt der Fernsehberichterstattung gerückt worden wäre, wußte nun die Sendung Orientierung heute die Berichterstattung über Basel I. so zurechtzuschneiden, daß der nämliche Regenbogen zum Hauptinhalt der Sendung wurde. Um Mißverständnisse auszuräumen, wurden die Bilddokumente kommentiert. Diese Erläuterungen nun widmeten so große Aufmerksamkeit dem Regenbogen, daß der Eindruck entstand, als sei nicht der Regenbogen für Basel I. gemacht, sondern Basel I. für den Regenbogen. Es bleibt zu hoffen, daß die vom Wolfgang Lorenz gegenüber dem Profil(1160) offenbarte Kultur-Utopie nicht so zu verstehen ist, daß die etablierten Kirchen fortan bis in alle Ewigkeit den Auspuff der ORF Kulturabteilung vor Augen haben.«

Am 20. April 1997, also kurz vor dem Anfang Sommer 1997 stattfindenden (zweiten) ökumenischen Treffen in Graz (im Anschluß an Basel), hat der ORF in der Sendung "Orientierung" erneut eine Regenbogenwelle gestartet. Eine vor einer regenbogenfarbenen Schleier posierende Befreiungstheologin gab sich kirchlich katholisch und propagierte eloquent den Synkretismus mit der heidnischen Tradition der Indios, zeigte Bilder mit polytheistischen Götter in Schlangengestalt - im Himmel und auf Erden - und das Schlangenpantheon überdachenden Regenbogen. Und wie etwa mit dem heidnischen Ritual des symbolischen Zunähen des Mundes des Täuflings, um die Lüge zu unterbinden, synkretistisch mit der katholischen Taufe vermengt wird. Wie zufällig posierte die neue Farauenministerin davor ebendort in der Sendung "Pressestunde" zu Fragen über das Frauenvolksbegehren mit einem regenbogenfarbenen Halstuch (in der gleichen dezenten Farbtönen wie die Befreiungstheologin danach) und im Anschluß an die Sendung Orientierung mit der isisverschleierten Befreiungstheologin (nach der isisverschleierten Frauenministerin) empfahl der Transzendentale Meditation des indischen Gurus der Beatles als alternative Heilmethode empfehlende Sprecher von der Sendung "Heimat fremde Heimat" eine weißgebundene Broschüre für bikulturelle Ehen - mit einem Regenbogen als einzige Dekoration des Deckblatts - von der Frauenbewegung.

Um meine Befürchtung an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen, zitiere aus meinem Brief vom 2. März 1995 an den ORF:

»Aktueller Anlaß für meine Kritik ist das von Dr. Pawlowsky in der Sendung "Orientierung" vor zwei-drei Wochen groß herausgebrachte Schuldbekenntnis der deutschen Bischofskonferenz (Kathpress Info-Dienst Nr. 24, vom 29. 01. 1995, S. 07-08) anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.

Zu der selektiven Themenauswahl durch die Religionsabteilung des ORF ist zunächst festzuhalten, daß, von außen aufgezwungenen Ausnahmen abgesehen, in letzter Zeit praktisch nur die Kirche schädigende, oder zumindest "in Frage stellende" Themen im ORF präsentiert werden. Die diesbezüglichen statistischen Vergleiche lassen sich ORF-hausintern gewiß problemlos anstellen, wobei dem objektiven Beobachter auffallen wird, daß andere Religionen und Sekten wenn nicht angepriesen, so doch annähernd nicht so "kritisch" behandelt werden wie die etablierten christlichen Kirchen. Ob nun die Umbenennung der zweckentfremdeten Religionsabteilung des ORF in eine "Abteilung Religionskritik" oder "Abteilung Kirchenkritik" angebracht ist, oder eine Unterteilung, bzw. Neuschaffung einer titelkonformen Religionsabteilung neben der noch unter "Religion" firmierenden kirchenkritischen Abteilung, möchte ich Ihnen überlassen. Ich bestehe jedoch darauf, daß die bestehende Form der obligatorisch-gnostische Etikettenschwindel ist.

Offensichtlicher Sinn und Zweck der einseitigen Kirchenkritik durch den ORF ist die mehr oder minder schleichende Propaganda für den "basistheologischen" Fundamentalismus. Nach dem Postulat von Dr. Pawlowsky(1161) würde "die Spaltung zwischen der europäisch denkenden Kirche der Oberschicht und der auf Inkulturation bedachten Kirche der Armen an der Basis" die Allmacht, bzw. Allgegenwart des Klassenkampfes dokumentieren. "DAS Christentum hat es wohl nie gegeben", so Pawlowsky, sondern von Anfang an nur Zersplitterung und Verästelung bis zu dem heutigen Kirchen-Dschungel(1162). In dem verbal von ihm so erschaffenen Tohuwabohu in der Religionslandschaft versucht nun Pawlowskys sog. Religionsabteilung den Fundamentalismus dergestalt umzudefinieren, als sei lediglich der Weltuntergangs-Biblizismus(1163), und nicht vor allem das mit einer Zeitwende (New-Age) an der "Basis" ventilierte Goldene Zeitalter, der Fundamentalismus par excellence. In den letzten Monaten wurde die Basis-Idee so unverhohlen propagiert und (manchmal unter dem Namen Befreiungstheologie) in den Mittelpunkt der "religiösen" Berichterstattung gerückt, daß das Korrektiv des ORF die Basis-Lastigkeit der Berichterstattung, so zuletzt auch über die Salzburger Kirchenzeitung (Orientierung) vor zwei Wochen, leicht nachprüfen kann. Auf die offen bekannte katharische Wurzel der Basis-Ideologie, die von Pawlowsky nunmehr als angeblich "waldensisch" verbrämt werden soll(1164), habe ich bereits in meinen Schreiben vom 18. und 25. Juli 1994 (vgl. Brief vom 25. Juni 1994, S. 4-6) an Ihren Vorgänger hingewiesen. Auf weitere Widersprüche in Pawlowskys Linie komme ich weiter unten zurück.

Auffallend in der Diskussionsrunde über das Schuldbekenntnis der deutschen Bischöfe war, daß kein katholischer Theologe die eigentlich Betroffenen repräsentierte, während Juden und Evangelische durch Theologen vertreten waren. Auch im Filmbeitrag kam nur ein Sekretär, und nicht eines der "Schuldigen" vor. Zur Person des (vom ORF zum Gespräch) geladenen Prof. Lüthi ist anzumerken, daß er der umstrittenste Theologe an der Evangelisch Theologischen Fakultät in Wien war, weil er Auschwitz zum Vorwand nahm, um eine gnostische (dualistische) Zwei-Wege-Heilslehre (seit Auschwitz) zu proklamieren. Die aufgebrachten Studenten forcierten eine Podiumsdiskussion, in dem Lüthi von einem ebenfalls linksliberalen Professor-Kollegen zurechtgewiesen wurde, zumal Lüthi zu freihändig mit biblischen Argumenten umging. Lüthi war weder der Erste, noch der Letzte, der Auschwitz zu der "Revolutionierung" des Christentums entfremden wollte, und reiht sich auch mit seiner mangelnden, oder allenfalls sehr oberflächlichen Orientierung an den Juden, in die Linie der Gleichgesinnten ein. Der ORF könnte aber nachträglich die Juden fragen, wie glücklich sie sich dank der religiösen "Aufwertung" durch Lüthi schätzen.

In der Wiener Kirchenzeitung vom 5. Februar 1995 wird auf Seite 3 die Rede von Papst Johannes Paul II. und das nämliche Schuldbekenntnis der deutschen Bischofskonferenz anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz inhaltlich wiedergegeben, und auf Seite 10 und 15 begann die Kirchenzeitung mit einer ermahnenden Serie mit dem Titel: "Kirche im Nationalsozialismus: die große Schar der Zeugen". In der Einleitung heißt es: "Die Kirche zu vernichten, war erklärtes Ziel der Nationalsozialisten. In einer neuen Serie dokumentiert die 'Kirchenzeitung' den 'alltäglichen' Widerstand gegen das Unrechtregime." Und weiter: "Einige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hielt Papst Pius XII. am 2. Juni 1945 eine damals sehr beachtete Ansprache an das Kardinalskollegium, die heute weithin vergessen ist, da gewisse Kreise dem Oberhaupt der katholischen Kirche und durch ihn der Gesamtkirche eine nazifreundliche Gesinnung, ja sogar eine gewisse Mittäterschaft an den von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen unterschieben wollten. Bis heute wird von Zeit zur Zeit der Ruf laut, die Kirche solle sich für die Verbrechen des Nationalsozialismus entschuldigen. Demgegenüber sei mit aller Deutlichkeit festgehalten, daß weder Hitler noch Bormann Würdenträger der Kirche, und weder die Gestapo, noch die SS Organisationen der katholischen Kirche waren, sondern die Kirche erbittert verfolgten." Weiter unten wird dann der Papsterklärung folgender Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe vom 21. September 1945 zitiert: "Nicht die Kirche kann für diesen Vernichtungskrieg verantwortlich gemacht werden; vielmehr suchte diese das drohende Unheil abzuwenden, Versprechungen glaubend, die ihr gemacht wurden. Aber diese Versprechungen und Zusagen sind nicht nur nicht eingelöst worden, sondern die Kirche wurde systematisch ihrer von Gott selbst verliehenen Rechte beraubt und in ihrer Sendung behindert. Nach dem Schriftwort (Zach 13,7; Matthäus 26,31): 'Schlage den Hirten, dann werden sich die Schafe zerstreuen', hat sich der Haß vor allem gegen die Priester und Ordensleute gerichtet. Bände müßte man füllen, um zu beschreiben, was in den letzten Jahren Priestern und Ordensleuten unter den verschiedensten Vorwänden angetan wurde ... Wenn wir heute die Erinnerung an diese schmerzliche Ereignisse wachrufen, so tun wir es in Ehrfurcht vor all den armen Opfern des Hasses und im Dank für die unbeirrbare Treue Tausender. Viele sind heldenhaft wie Märtyrer gestorben; viele verdienen den Ehrentitel 'Bekenner', den die alte Kirche allen jenen verlieh, die um des Glaubens willen leiden mußten."

Was die Wiener Kirchenzeitung verschämt verschweigt, ist, daß der damalige Papst von den Attentatsplänen gegen Hitler und den gesamten organisierten Widerstand wußte, wenn nicht sogar die Fäden zog. Das Ungeheuerliche daran ist nicht so sehr die auch nach dem Krieg fortgesetzte Diskretion des Vatikans, sich nicht mit dem weltlichen Ruhm des antifaschistischen Widerstands zu schmücken und hierin dem vollmundigen Marxismus Konkurrenz zu machen, sondern das Wissen der Kritiker der Kirche um die Verschwiegenheit der Kirche um den Antifaschismus, und die gezielt auf die Verschwiegenheit der Kirche gestützte Unterstellung: die Kirche sei nicht antifaschistisch genug, also schuld an den faschistischen Verbrechen gewesen. Viele der damaligen Geistlichen aller christlichen Konfessionen, die vor allem die Taufregister "am Fließband" gefälscht und Verfolgte scharenweise "mit dem Schlauch" (damaliges Pfarr-Jargon) getauft und "weitervermittelt" hatten, schweigen noch heute eisern, einerseits um die Kirche nicht als der größte Fälschungsbetrieb der Nazizeit zu enttarnen und andererseits um die damaligen Opfer nicht in eine peinliche Verlegenheit zu bringen. So publiziert die Kirchenzeitung relativ harmlose Fälle, die Spitze eines Eisbergs. Es gehört schon die bei Sondermeinungen obligate Niedertracht dazu, die Verschwiegenheit der Kirche in das Eingeständnis der Schuld umzudeuten.

Als ein Kenner der Logik der Sondermeinungen würde ich es begrüßen, wenn von kompetenter Seite bei den Juden vorsichtig angefragt werden könnte, ob nicht die Gefahr bestehe, daß ein noch so ausgewogenes Schuldgeständnis auf konfessioneller Ebene zwangsläufig auf politischer Ebene als eine rückwirkende Solidaritätserklärung der Kirche mit dem Nationalsozialismus "mißverstanden" werden könnte, so daß damit letztlich aufgrund der Befangenheit der Christen gegenüber der Kirche auch der Nationalsozialismus mit entschuldigt werden könnte. Was auch immer die Kirche vielleicht wirklich falsch gemacht haben mag, kann und darf nicht einmal in die Nähe der nationalsozialistischen Verbrechen gerückt werden. Der oberflächliche Zeitgeist könnte überfordert sein, zwischen Schuld und Schuld zu differenzieren. Ich wäre nicht überrascht zu erfahren, daß die Juden nur aus Höflichkeit gute Miene zum bösen Spiel mit dem vorgeblichen Sonntagsfaschismus machen, denn, so könnten sie es meinen: die Christen werden es sowieso nie begreifen. Nichts für ungut.

Der historische Hintergrund für die bekenntnistechnische Spitzenleistung neugermanischer Bischöfe, die terminmäßig wohldosiert nun das 50er-Jubiläum schmückt und dem einen Hauch vom Glanz der Ewigkeit verleihen soll, ist die sog. Stuttgarter Schulderklärung(1165)der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) vom 19. Oktober 1945, und insb. das sog. "Darmstädter Wort" vom 8. August 1947, das unter dem Vorwand der Konkretisierung der Stuttgarter Schulderklärung die Kirche und Christentum ad absurdum geführt hat. War noch in der Stuttgarter Schulderklärung von "einer Solidarität der Schuld" und "Durch uns" die Rede, so ging die EKD mit dem Darmstädter Wort(1166) vor dem Stalinismus mit dem Bekenntnis in die Knie: "Wir sind in die Irre gegangen, als wir übersahen, daß der ökonomische Materialismus der marxistischen Lehre die Kirchen an den Auftrag und die Verheißung der Gemeinde für das Leben und Zusammenleben der Menschen im Diesseits hätte gemahnen müssen. Wir haben es unterlassen, die Sache der Armen und Entrechteten gemäß dem Evangelium von Gottes kommendem Reich(1167) zur Sache der Christenheit zu machen." Die Wogen der hierdurch entfesselten Kontroverse gingen hoch und begruben allfällig noch christliche Überreste der EKD unter sich. Nach dem Zweiten Vatikanum erlag die katholische Theologie zunehmend den Verlockungen der fälschlich sogenannten "Vernunft", die schon zuvor die Evangelischen ausgelaugt hat, sie kam aber Gott sei dank über einen Möchtegern-Liberalismus nicht hinaus. Die Liberalität dieses Teiles der katholischen Theologie erschöpft sich zumeist in dem Kopieren all dessen was evangelisch oder "vernünftig" aussieht, ohne die - zumal entlehnte - Entfremdung auf evangelisches Niveau bringen zu können.

Nachdem der evangelische Nietzsche die Welt mit einem "Gott" beschenkt hat, der nichteinmal mehr an sich selbst glauben konnte, stand dem Siegeszug einer neuen Spiritualität nichts mehr im Wege. Anfänglich wurde der bisherige Gott offen und ehrlich geleugnet und der Alternativglaube (d. i. zu glauben, daß man imstande sei entweder "alles andere" oder "nichts und wieder nichts" zu glauben) wanderte insb. in die Philosophie und Kunst ab. Später jedoch wollte die Alternative wieder das altmodische Schafpelz warmhalten. Nun blühte die liberale Theologie in der aus ihr hervorgehenden "Dialektischen Theologie" Bultmanns und in der "konsequenten Eschatologie" Albert Schweitzers auf. Der theologische Atheismus, bzw. die antichristliche Theologie (der Moderne) war geboren.

[...] Typisch für die von Pawlowsky repräsentierte Denkschule ist z. B. die zynische Heroisierung des rechtsextremen Flügels der protofaschistoiden Zeloten in Massada(1168) um 70-73 n. Chr., als wären gerade jene die wahren Juden, die letzten Juden gewesen, obwohl diese Terroristen gegen den Willen der Mehrheit die Macht gewaltsam ergriffen, den Untergang (durch Terror) heraufbeschworen und besiegelt hatten, und von der authentisch jüdischen Tradition als Scharlatane (Volksfeinde) verurteilt worden sind.«

Es wäre - wie gesagt - schwer anzunehmen, daß Bischof Weber weiß was er tut, aber nach der ohnehin nicht leichten Vorarbeit unter der Ägide seines Vorgängers, um die Verleumdung der Kirche entgegenzuwirken, einfach alles über Bord zu werfen, und sich für Nationalsozialismus im Namen einer doch letztlich unschuldigen Kirche zu entschuldigen, macht einen zynischen Eindruck, auch wenn die Redaktion der Wiener Kirchenzeitung von dem neuen Vorsitzenden aus Graz nicht justament in der Stephanskirche der Lächerlichkeit preisgegeben worden wäre. Die Optik einer Entschuldigung für Nationalsozialismus durch einen Unschuldigen (Opfer) für die eigentlich ihm (auch) angetanen Verbrechen(1169), entsühnt nur die wahren Verbrecher ("stellvertretend"), nicht die Kirche. Wie man das auch immer dreht und wendet, das ist eine üble - wenn nicht die übelste - Verleumdung der Kirche, durch den neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Darüber hinaus ist das eine Diskreditierung der Wiener Kirchenzeitung, wenn mitten in einer laufenden Zeitungskampagne der Grazer Bischof in dem Stephansdom von der Kanzel die Redaktion der Wiener Kirchenzeitung Lügen straft. Noch dazu ohne den eklatanten Widerspruch zu kommentieren. Vor diesem Hintergrund, so würde die traditionelle Sprache der Theologie ausdrücken, schreit es gegen den Himmel, wenn der Gleiche Grazer Bischof die sprunghaft angestiegenen Kirchenaustritte, die durch sein - milde ausgedrückt - widersprüchliches Verhalten verursacht wurden, seinem öffentlich verleumdeten Vorgänger in die Schuhe schiebt.

3.9.6. Der Liber

Mit einer Etymologie des Wortes "liberal" kann einiges verdeutlicht werden. Der Wortstamm "Liber" hat an die vier verschiedene Grundbedeutungen(1170), von denen die Gruppe "Laub", "Bast" und die Ableitungen "Blatt", "Papier(us)" (auch im Sinne von "Schreiben", "Erlaß", "Brief", "Verzeichnis"), "Buch", kann in unserem Zusammenhang zunächst außer Acht gelassen werden. Die zweite Grundbedeutung für "Liber" ist in etwa "Freier", nämlich als Bürger, der Rechte hat, und vor allem zum Volk gehört. Der Attributivsinn "frei" mit einigen Nuancierungen kann zum Teil vor und zum Teil nach der Substantivierung entstanden sein. Eine wichtige Ableitung ist die Bezeichnung "Liber" für Kinder, wobei manchmal diese Ableitung als dritte Grundbedeutung aufgefaßt wird. Die vierte Grundbedeutung ist der Name des Gottes Dionysos, wobei diese Gleichsetzung zwar später erfolgte und ein Gott ähnlichen Charakters zuvor anzunehmen sein wird, über den aber der Wissensstand in der Forschung nicht zu weiterreichenden Schlüssen ausreicht(1171).

Nachdem das Heiligtum des Gottes Liber als die Verwaltungszentrale (Jurisdiktion, Kassa und später sogar eine Schattenregierung) des Bürgertums (Plebejer) anzusehen ist(1172), wo auch alle "Befreiungen" (Liberationen) stattzufinden hatten, kann, ja muß wohl eine auf der Hand liegende Verwandtschaft in den letzten drei Grundbedeutungen von "Liber" angenommen werden. Denkt man an den stets mit Efeu-Laub gekrönten Dionysos (Liber) und an sein ständiges Symbol, den Thyrsos-Stab, der ebenfalls Laubgeschmückt war(1173), könnte sogar der Begriff der Freiheit von einem "Laub" ("Blatt") genannten Gott abgeleitet werden, sei es, weil der "Freiheitsbrief" ebenfalls "Blatt"/"Papier" (Liber) hieß(1174), oder weil die Stätte der Abwicklung - nach dem Gott - so genannt wurde.

Der heute für landläufig gehaltene Sinn des Wortes "freisinnig" oder "spendabel" (großherzig) haftet in der Primärbedeutung bereits dem Liber als Schöpfer und Fruchtbarkeitsgott an, der auch von allen materiellen Sorgen, besonders in der Landwirtschaft, (durch den gespendeten Segen für die Fruchtbarkeit der Natur) befreit. Die heute eher gebräuchliche Sekundärbedeutung (spendabel) kam im späteren Verlauf der Kaiserzeit dazu, wo die von einem Kaiser so genannte Spendenaktion von seinen Nachfolgern unter dem Namen "Liberalitas" institutionalisiert wurde(1175). Es gäbe zwar eine zweite Primärbedeutung, in dem außer der gewöhnlich mit Liber zusammen auftretende Libera(1176) noch eine Freiheitsgöttin Libertas mit einem eigenen Tempel im alten Rom gab, und die dann in der Französischen Revolution als atheistischer Gottersatz herhalten mußte(1177). Doch ist einerseits ihr Nahverhältnis zu (Iuppiter) Liber durchgehend dokumentiert und andererseits auch die Gleichsetzung Iuppiter Liber=Iuppiter Libertas(1178), so daß die Annahme einer zweiten Primärbedeutung nicht gestattet scheint.

Das Attribut der "Freiheit" im Sinne von Befreier und Erlöser haftet auch dem griechischen Dionysos unter dem Namen Lysios an(1179), und wird sogar mancherorts (insb. in Theben) als eigene Gestalt neben der Bacchus-Gestalt des Dionysos im gleichen Tempel angenommen.

Der moderne Sprachgebrauch des Wortes "liberal" in dem Sinne, wie auch für die substantivische Form (für die weltanschauliche Geisteshaltung) in Anspruch genommen wird, ist, trotz gelegentlichem Gebrauch schon vorher (mehr im Sinne von "freigiebig"), aus dem Französischen (libéral) zur Zeit der Französischen Revolution, oder unmittelbar daran anschließend (im Sinne von "sich die Freiheit nehmen"), übernommen worden(1180). Die auch in allen (weiteren) Wörterbüchern bezeugte Übernahme aus dem Französischen, obgleich der Wortgebrauch an sich im Deutschen bereits in dem Sinne von freisinnig zuvor vorkam, bezeugt einerseits den zeitgleich gewandelten Sinngehalt, und andererseits den Bezug zu der Französischen Revolution, deren Ideale mit dem Begriff "liberal" bezeichnet wurden. Daß das revolutionäre Freiheitsideal der Franzosen in der Aufstellung der Freiheits-Göttin (und Einrichtung des Kultes der Vernunft) in der Pariser Notre-Dame, nach der offiziellen Abschaffung Gottes, ihren Ausdruck fand, legt ein beredtes Zeugnis von der (neuen) Sinngebung des Wortes, nämlich freiheitlich (liberal) im Sinne der Freiheitsgöttin Libertas=Libera, was weniger als "freigiebig", sondern mehr als "Befreier" zu verstehen ist(1181).

3.9.7. Die Venus

Das der Dionysos (Liber) - samt Anhang - als das Luzifer-Symbol schlechthin (schon lange vorher) galt, kann von einer anderen Seite, bzw. von mehreren Seiten her, nachgewiesen werden(1182). Das besondere Moment, den die Moderne in der Gestalt des Dionysos/Liber hervorhob, war die (gelegentliche) Gleichsetzung der Kore/Libera mit Venus(1183) (Aphrodite). Die gleiche Venus trägt nämlich von Anfang an den Beinamen Luzifer (Phosphoros), bzw. wird der Planet Venus in seiner Phase als Morgenstern immer als Lucifer bezeichnet(1184), und so zunehmend auch die Göttin. Gewiß genoß die Venus bei den Mystikern immer schon große Aufmerksamkeit, doch wegen der androgynen Gestalt(1185), die sowohl von Venus(1186), wie auch von Dionysos/Liber überliefert ist, wurde die Venus von den Satanisten des vorigen Jahrhunderts als weibliches Pendant zu Luzifer-Satan erkoren (wohl weil beide gleichermaßen durch die grüne Farbe symbolisiert werden(1187)) und als solches kultiviert(1188), wobei Luzifer stets dionysische (liberale) Attribute zeigt.

Um auch nur die Vermutung eines Zufalls auszuschließen, kann noch auf den Feminismus verwiesen werden, der sowohl bekennend Luziferisch ist(1189), wie auch das Symbol der Venus(1190) (ein Kreis über ein Kreuz: &) im "Wappen", bzw. als "Wappenzeichen" (Logo) trägt, und konsequent "in diesem Zeichen" öffentlich auftritt. Unlängst ist z. B. die internationale Welt-Frauentagung in Peking(1191) im Zeichen des - im Fernsehen bei uns auch immer kaum übersehbaren (grünen(1192)) - überdimensionalen Venus-Symbols (&) über die Bühne gegangen(1193). Ebenso z. B. die Tagung der Sozialistischen Frauen, allerdings war da das gleiche Symbol der Venus rot, und nun soll eine erste (internationale) feministische Synode in Österreich geben(1194). Es entsteht zwar der konkrete Eindruck, daß ohne das Luzifer-Symbol heute keine sogenannte Frauenbewegung mehr zu denken ist. Allerdings sind weder der Feminismus, noch Luzifer eine Erfindung von Frauen, und auf die feministische Idee kann ohnehin kaum eine Frau, sondern nur ein Mann kommen (z. B. Agrippa von Nettesheim(1195) oder Cagliostro(1196)), weil der Feminismus dem Weiblichen an sich naturgemäß fremd ist und von außen hineingetragen werden muß.

Es wird über die teils zum Christentum zwangsbekehrten Indios in Lateinamerika erzählt, daß sie die Heiligenstatuen innen aushöhlten und ihre Götzen darin versteckt haben: Die Missionare staunten lang, wie die Indios so fleißig in die Kirche gingen. Ähnlich kann ein verbalikonographisch begabter Gnostiker stets "Freiheit" (Liberalia) sagen und "Luzifer" meinen. Daß im katholischen Lager die sogenannten Liberalen überwiegend nur Möchtegern-Liberale sind, die nicht wissen was sie tun, ist bereits weiter oben bemerkt worden. Diese luziferischen Halbstarken zählen nicht unbedingt direkt zu den Liberalen, obwohl sie als Vorfeld und Aufmarschgebiet (Einfallstor) des Luziferismus oft ungeheuere Schäden anrichten.

3.10. Die Basis

Der zehnte Grundsatz ist die Decodierung der Paradigmen "Befreiungstheologie" und "Basisgemeinden", Kurzform "Basis", als neo-katharisch(1197), und damit luziferisch(1198). Ähnlich wie übereifrige evangelische Theologen heute noch Strukturhäresie der katholischen Kirche vorwerfen, weil diese für sie unbiblische Verwaltungsschemata gebraucht, so - und noch mehr - kann die deklariert katharische (neo-katharische) Organisationsform der sog. Basis-Gemeinden der Befreiungstheologie, diese (zumindest in diesem Punkt) als luziferisch (ausgerichtet) überführt werden.

Schon etwa das Paktieren der Befreiungstheologie mit dem atheistischen Marxismus (beachte das Streben des Marxismus nach einem atheistischen System/Struktur, bzw. das Konzept der Verwirklichung des Atheismus durch das - und in dem - System) ist erstens unchristlich (ein Christ paktiert nicht mit dem Bösen) und zweitens strukturhäretisch (aus dem nämlichen Grunde). Wenn jedoch die Anlehnung an den systemorientiert atheistischen Marxismus mit der eigenen Orientierung an dem katharisch luziferischen System gepaart ist, kann von einer eindeutig strukturhäretischen Linienführung gesprochen werden.

Die bewußte Annahme der als luziferisch bekannten Strukturen ergänzen die Befreiungs- und Basistheologen mit pseudowissenschaftlicher Forschung, deren Resultat das Katharertum als angeblich christlich vortäuschen soll(1199). Dabei heben die Neo-Katharer die von der traditionellen Theologie für luziferisch, bzw. pseudochristlich gehaltenen Eigenheiten ihrer Lehre(1200) hervor. Außer dem Luziferismus leugnen die Katharer insb. die wahre Menschheit Christi(1201) und verfechten die unchristliche (gnostische) Lehre von der Seelenwanderung(1202). Würden auch die in neo-katharischen Basisgemeinden organisierten Befreiungstheologen nicht auf das Goldene Zeitalter (Chiliasmus) der paradiesischen Zustände auf Erden hinarbeiten, könnten sie schon etymologisch aufgrund der Eigenbezeichnung "Befreiungstheologie" (sprachlich eine deutsche Version des Begriffs "Liberale Theologie") als luziferisch überführt werden.

Es ist zwar nur ein Nebenaspekt, aber - wegen der hohen Aktualität - kann hier darauf verwiesen werden, daß außer dem Katharertum nicht einmal die übrigen Pseudochristen das Priesteramt der Frauen kannten. Schon bei den Paulikianer, auf die die Katharer zurückgehen, wurde die Frau stark "aufgewertet", ohne jedoch die gleichberechtigte priesterliche Funktion zu haben, wie es bei den Katharern - dem Vernehmen nach - tatsächlich eingeführt war. Wegen dieser Einzigkeit (Ausschließlichkeit) der Frauenpriester bei den Katharern kann die Institution der Frauenpriester und Frauenordination als luziferisch (weil ausschließlich bei den Luziferisten vorzufinden) identifiziert werden, zumal die Verfechter der geistlichen Ämter für Frauen zugleich für katharische Strukturen (Strukturhäresien) eintreten. Typisch gnostisch war z. B. die Rede der Vorsteherin der katholischen Ordensfrauen unlängst (glaublich in Italien), die höflich aber bestimmt eine "Neuorientierung" hinsichtlich der Frauen verlangte. Sie schwang Reden vor den versammelten Oberinnen (Äbtissinnen), als wäre für sie der biblische Gott, zumal als Mann, auch nicht mehr gut genug. Ich zitiere aus meinem Schreiben an den ORF vom 25. Juni 1994:

»[...] Aus meiner vielleicht etwas emotionellen Wortmeldung werden Sie wohl entnommen haben, daß mir die bisher formell abgehandelte Frage der Frauenordination, bzw. Priesterweihe für Frauen, auch inhaltlich nahe geht. Um eventuellen weiteren Mißverständnissen vorzubeugen, fühle ich mich schuldig zu bekennen, daß ich ein entschiedener Gegner von Frauen in geistlichen Berufen bin. Ich erhebe aber den Anspruch objektiv behaupten zu können, daß meine Haltung "emanzipationsfreundlicher" und frauenfreundlicher ist, als die undifferenzierte Gleichsetzung von Frauen und Männer im Beruf.

Ich gehe davon aus, daß eine undifferenzierte Gleichsetzung, um nicht zu sagen "Gleichschaltung" der Frau mit dem Mann im Beruf, wie es heutzutage heuchlerisch forciert wird, die nämliche Frau unzumutbar übervorteilt. Die arbeitende Frau braucht keine Männerrechte, sondern Frauenrechte. Praktisch ist jede lautstark verkündete Zuerkennung von Männerrechten an Frauen ein Betrug an der Frau, weil sie ihre nunmehrigen Männerrechte nur unter Verzicht auf ihre Frauenrechte in Anspruch nehmen kann. Kein Mensch kann auf die Dauer gleichzeitig Mann und Frau sein, so wie es von der sog. modernen Frau verlangt wird. Die Täuschung der Frau über ihre Rechte, nämlich als Frau, ist anscheinend schon deswegen gleichsam erforderlich, weil sie vor Gott und dem Gesetz (im Sinne des übergeordneten Natürlichen Rechts) das unveräußerliche Recht hat, Frau zu sein. Um aber der Frau die an sich unveräußerlichen Frauenrechte doch zu nehmen, bzw. sie zu einem scheinbar freiwilligen Verzicht zu bewegen, hat die sog. Moderne das Frausein disqualifiziert, bzw., diskriminiert, um die Männerrechte um so attraktiver für Frauen erscheinen zu lassen. Kaum eine Männergesellschaft hat die Frau je so weitgehend diskriminiert wie die sog. moderne Frauenbewegung, die faktisch die Identität der Frau, ihre Existenzberechtigung in Frage stellt, um sie zur angeblich freiwilligen Aufgabe ihrer Position zu bewegen, d. h. ihre Identität zu verleugnen. So könne in diesem Zusammenhang höchstens darüber diskutiert werden, ob und inwieweit die sog. Moderne wußte und wissen mußte, daß die falschen Versprechungen an die mit Männerrechten geköderten Frauen von vornherein unerfüllbar waren. Ob es den Predigern der sog. Frauenideologie, als der "letzte Schrei" in Sachen Religion, offensichtlich voll bewußt gewesen sein muß, daß die dergestalt verkündete Überfrau selbstredend von den gleichen Eltern ist, wie Nietzsches, bzw. Hitlers Übermensch(1203) [...].

Der eklatante Widerspruch in der Ideologie und Praxis der Frauenarbeit kann in dem bildhaften Vergleich mit der Rolle der Frau auf der Olympiade, als ein Inbegriff von Leistungsvergleich, eines der neueren Errungenschaften europäischer Kultur, objektiv veranschaulicht werden. Denn sobald die Frauen zur Olympiade gleichberechtigt zugelassen wurden, sorgte man sich umgehend um die saubere Trennung zwischen Männer und Frauen. Es gibt keine einzige olympische Disziplin, wo sich eine Frau mit einem Mann messen müßte oder dürfte. Es leuchtet auch ohne größeren theoretischen Aufwand ein, daß praktisch in allen Disziplinen ohne eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Teilnehmer zu einer Übervorteilung, d. h. Diskriminierung der Frauen käme. Grundsätzlich ist also nicht die Geschlechtertrennung, sondern die Gleichschaltung der Frau im mit dem Mann im Beruf, die sie unzumutbar übervorteilt. Die Gleichschaltung der Frau mit dem Mann im Beruf ist also der Betrug um die Gleichberechtigung der Frau.

Allein schon aufgrund der physiologisch bedingten sozialen Rolle der Frau als Mutter ist sie zumindest um einige Berufsjahre gekürzt. Für ihre Karrierechancen hat das ungefähr die Wirkung, als müßte sie auf der Olympiade dem ohnehin besser konditionierten Mann noch zusätzlich einen erheblichen Vorsprung geben und so gegen ihn im direkten Wettbewerb antreten. Die Überfrau trägt im Beruf des Kaisers neue Kleider: sie hat sozusagen des Kaisers neue Hosen an. Ich wünschte mir schon lange eine öffentliche Diskussion darüber, ob und inwieweit die hohen Absätze der Frauen, ähnlich wie die Schulterpolster in jüngster Zeit, Männlichkeitsprotesen im Dienste der Frauenemanzipation sind.

Der ORF könnte mich überglücklich machen, wenn im Dienste der Meinungsvielfalt eine statistische Studie über die Wechselwirkung zwischen männliche (burschikose) Frisur und Politkarriere bei Frauen in Österreich erstellt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte. Lobend müßte erwähnt werden, daß beim ORF auch Langhaarige eine Karrierechance haben (ausgenommen sind hier die vom ORF als Gäste geladenen, meist kurzgeschorenen, Frauenrechtlerinnen), so daß unbefangen hinterfragt werden kann, wer und warum Langhaarige in der Politik diskriminiert, bzw. warum Kurzhaarige bevorzugt werden. Ist die Vermännlichung der Schlüssel zur Politkarriere der Frau? Weiters könnte von Interesse sein, ob die Kurzhaarigen überhaupt die Frau an sich repräsentieren, oder sind sie analog der Politpraxis im ehemaligen Ostblock lediglich selbstgerechte Scheinvertreter? Ist die Überfrau eine Karikatur des Mannes, wie der Übermensch eine Karikatur des Christen war, oder ist sie etwas noch nie Dagewesenes, der Quantensprung der Evolution?

Nirgends aber hat die falschverstandene, weil in Gleichschaltung umgedeutete, Gleichberechtigung der Frau im Beruf so groteske Formen angenommen, wie bei der Öffnung des Richteramtes für Frauen. Ähnlich wie nunmehr bei dem Priesteramt, ging es keineswegs um ein sachlich fundiertes Vorgehen, sondern nur um Prestige, Ansehen der Person, Politpropaganda, Ideologie und ähnliches, also um Dinge, die dem Richteramt wesensfremd, mit ihm unvereinbar sind. Die meisten Juristen sind fassungslos zu hören, daß in Österreich, zumindest in Wien, weit über die Hälfte der Richterinnen, man munkelt sogar von 90 Prozent in früheren Jahren, mit einem Richter oder zumindest mit einem Justizangehörigen verheiratet oder nahe verwandt sind. Wäre diese Information offiziell den Medien und den Kontrollinstanzen der Demokratie zugänglich, würde das Parlament wie ein Mann, bzw. wie eine Frau, aufstehen und eine Gedenkminute zu Ehren der (somit offiziell verabschiedeten) Rechtsstaatlichkeit abhalten. Denn Demokratie ist synonym für Rechtsstaatlichkeit, während Rechtsstaatlichkeit in der Institution des unabhängigen Richters begründet ist. Wird es einmal ruchbar, daß die Justizverwaltung nichteinmal für die objektive Auswahl der Amtsanwärter in der Lage war, kann im Sinne der für die Justiz verbindlichen strengen Logik von einer ordentlichen Rechtspflege nicht mehr die Rede sein. Auch wenn es bei den männlichen Richtern schwerer wäre die manipulierte Personalpolitik der Justiz nachzuweisen, die statistische Auswertung der Verwandtschaftsverhältnisse der Frauen überführt die Personalpolitik der Justiz insgesamt als protektionistisch. Wenn also die Eignung der Frau zum Richterberuf nur nach dynastischen Gesichtspunkten, und nicht aufgrund der Befähigung beurteilt wird, dann ist das auch dann eine Pervertierung der Gleichberechtigung der Frau im Beruf, wenn die Verwandten der Frau nicht Männer sein müßten. Diese Praktiken sind die wahre Diskriminierung, die Verhöhnung des Gleichheitsgrundsatzes der Frau im Beruf, eine Verhöhnung der Frau im Namen der Gleichberechtigung.

Ich bin zwar ein entschiedener Gegner von Frauen in geistlichen Berufen, bin aber ansonsten von den üblichen Vorurteilen gegenüber der berufstätigen Frau frei. Ich möchte fast sagen, daß ich gegenüber der berufstätigen Frau positiv voreingenommen bin. Ich hielt z. B. meiner Ärztin über zwanzig Jahre die Treue und wechselte vor kurzem zu ihrer Tochter. Insgesamt möchte ich den Umgang mit berufstätigen Frauen nicht missen, sondern verträglicher machen. Ich bin überzeugt, daß die Gleichberechtigung der Frau im Beruf nur durch mehr Rechte für die Frau als sie Männer haben verwirklicht werden kann, denn die derzeit propagierte Gleichheit an Rechten die Frau benachteiligt. Meine Mutter war eine eingefleischte Feministin, die heute (ohne meinen Einfluß) nichts von weiblichen Pfarrern in der evangelischen Kirche wissen will, so daß ich die Problematik aus nächster Nähe kenne.

Meine eigentlichen Beweggründe, und vor allem meine Entschiedenheit in Sachen weiblicher Geistlichkeit, sind theologischer Natur. Es hat sich aber eine sachliche Diskussion über derartige theologische Fragen immer wieder als eitle Hoffnung erwiesen, da die Befürworter besser als die Gegner der weiblichen Geistlichkeit wissen, daß sie ihren Standpunkt weder sachlich noch theologisch begründen können oder wollen. Insb. gehen eher die Befürworter als die Gegner der weiblichen Geistlichkeit davon aus, daß ihr Anliegen mit der herkömmlichen Theologie absolut unvereinbar ist, so daß mit der Durchsetzung ihrer Forderung die Identität des herkömmlichen Kirchentums und Christentums insgesamt in Frage gestellt wäre. Im herkömmlichen Kirchenverständnis ist die "Infragestellung" aber nicht bloß der Anfang vom Ende, sondern ein äußeres Zeichen des innerlich bereits vollzogenen, bzw. besiegelten Untergangs.

In der fortgesetzten Auseinandersetzung mit pseudoreligiösen, bzw. pseudotheologischen Argumenten in diversen gleichgelagerten theologischen Fragen habe ich mich autodidakt zu einem kleinen Experten von religiösen Sondergruppen und Sondermeinungen innerhalb und außerhalb den etablierten Kirchen entwickelt. Die Befürworter von weiblicher Geistlichkeit nehmen zwar in ihrer Argumentation oft und gerne theologisch-religiös gefärbte Anleihen, aber ihre Beweggründe und Zielsetzungen sind dem Profanen verhaftet. Im theologischen Sprachgebrauch heißt es in solchen Fällen, daß die Befürworter der weiblichen Geistlichkeit nicht Gottes Ehre suchen, sondern nur ihre eigene Ehre. Den Befürwortern der weiblichen Geistlichkeit geht es nicht um das eigene Seelenheil, oder gar um das Seelenheil der Mitchristen, sondern um mehr Geld (in diesem Fall für die Frauenarbeit), allenfalls mittelbar über den dann materiell verwertbaren Ruhm und Ehre in den geistlichen Berufen. Der Feminismus ist nicht nur im ideologischen Bereich schelmisch (luziferisch), sondern sie zeigt sich auch in der Gesprächskultur unsportlich. Im Sinne ihrer subkulturellen Logik führt sie oft eine taktische Pattsituation herbei (Aussage gegen Aussage), auch wenn sie dabei das Blaue vom Himmel dem Publikum präsentieren muß.

Eigentlich sollte der ORF, bevor er sich auf profaner Ebene in die von ihm forcierte Diskussion um die Priesterweihe der Frauen einmengt, der wissenschaftlichen, d. h. theologischen Seite der Fragestellung nachgehen, und erst dann allenfalls populistische Diskussionen zulassen, bzw. fordern. Es ist mehr als zweifelhaft, ob nach einer seriösen Information auf wissenschaftlichen Ebene die Befürworter von weiblicher Geistlichkeit überhaupt noch eine populistische Diskussion reklamieren würden. Es läßt sich auch im profanen Bereich die Widersprüchlichkeit der feministischen Haltung zeigen.

a.) Immer wieder klingt in der feministischen Kritik an der Männergesellschaft die Verheißung einer matriarchalen Herrlichkeit durch. Die hierbei eingenommene evolutionistische Position des Feminismus zeigt sich aber schon allein deswegen als widersprüchlich, weil im historischen Vergleich stets die matriarchalen Strukturen als Vorläufer von patriarchalen Strukturen, also als die primitivere Vorform der Hochkulturen und der heutigen Zivilisation erkennbar sind. Man könnte vielleicht in diesem Zusammenhang darüber diskutieren, ob die seit einigen Jahren verbreitete Freizeitmode für Damen "oben ohne", als Solidarisierung mit den matriarchalen Strukturen der Buschkultur auch in den Gottesdiensten zum Tragen kommen soll, oder ist es ein Ausdruck der Gleichberechtigung der Frau, die nunmehr auch im Bad und in der Freizeit "oben ohne" gehen kann: ganz wie die Männer. Es wird kaum an seriösen soziologischen Arbeiten fehlen, die die Unmöglichkeit der Rückkehr zu den matriarchalen Strukturen in jeder Hochkultur feststellen.

b.) Das evolutionistische Argument spricht also eindeutig für die Männergesellschaft. Obwohl auch die Bibel eine Vertreibung aus dem Paradies kennt und das Heil an diesem Urbild orientiert ist, widerspricht das Evangelium jedweder diesseitigen Erfüllungserwartung. Gnostische und pseudochristliche Sekten tradieren hingegen seit Urzeiten den Mythos vom sog. goldenen Zeitalter, wo dereinst Güter- und Sexualgemeinschaft herrschten, das nach einigen Jahrtausenden auf die Erde wiederkehren wird. Trotz aller Variationen durchzieht diese Idee wie ein roter Faden alle pseudoreligiöse Subkulturen in mehr oder minder ausgeprägter Form. Diese bekennend staats- und kirchenfeindliche (parasitäre) Geisteshaltung, die nach eigenen Angaben nur durch die Zerstörung der bestehenden Ordnung verwirklicht werden kann, hat schon u. a. den Zarathustrismus im 5. Jh., den Islam im 9. Jh. und das abendländische Christentum ab dem 11. Jh. als Katharer (daher das Wort "Ketzer") und ab dem 13 Jh. als "Brüder des freien Geistes" und Begharden (weiblich: Beginen) jeweils in die größte Identitätskrise, bzw. an den Rand einer Existenzkrise gebracht. Die Gnosis zeigt sich anfänglich zum Schein diskussionsbereit und imponiert mit einem Überhang an Moralität (gelegentlich auch mit der Übermoral, etwa im Sinne von sexueller Freiheit) bis zur Aushöhlung (oft durch Unterwanderung) der jeweiligen staatstragenden Religionsgemeinschaft und Machtergreifung. Es folgt auf die "Diskussion" zumeist eine exzessiv blutrünstige (radikale) Phase (Revolte) und nach dem meist unvermeidlichen Sturz in kürzester Zeit die Metamorphose in Richtung (militante) Pazifismus (z. B. Wiedertäufer) oder Geheimbünde im Dienste der abstrahierten, bzw. "transzendierten" aber gleichbleibenden (fanatischen) Ideale.

Von vereinzelten Spuren abgesehen ist die weibliche Geistlichkeit im christlichen Abendland durch die von Kleinasien (Paulikianer) auf den Balkan (Bogumilen) übersiedelten, und von dort über Sizilien (als Söldner) nach Südfrankreich eingewanderten Katharer (Albigenser) bekannt und verbreitet worden. Die weiblichen Geistlichen traten in der Regel paarweise als Wanderprediger auf und schienen ihnen männlichen Kollegen gegenüber gleichberechtigt gewesen zu sein. Die markantesten theologischen Abweichungen von der Etablierten Lehre bei den Katharern war einerseits die Annahme von Luzifer als Schöpfergott statt Jahwe(1204), und andererseits die Leugnung der Menschheit Christi. Zu dem kam noch ein protokommunistisch« (protostalinistisch) bis anarchistische Züge tragendes Armutsideal und Verteufelung der Reichen (ein Grundmotiv der schwarzen Magie und schwarzen Messe ist die Ermordung von Reichen nach der Kulthandlung: im Dienste eines pseudochristlichen Ideals). Den expandierenden Katharern stand die fast zerschlagene Kirche hilflos gegenüber, bis die von Franz von Assisi und Dominikus gegründeten sog. Bettelorden (Franziskaner und Dominikaner) das christliche Armutsideal aufgerichtet und der Armutsbewegung der Katharer den Wind aus den Segeln genommen haben. Nach dem Kreuzzug gegen die Albigenser gingen die Katharer in den Untergrund, doch ihre Substrukturen und Ideale lassen sich praktisch in allen kirchen- und gesellschaftsfeindlichen Bewegungen rekonstruieren. Detaillierte Angaben über die Sexualpraktiken und über durch Eigentumslosigkeit legitimierten kriminellen Besitzerwerb, sowie absonderliche pseudomessianische Kuriositäten unter den Brüdern des freien Geistes und Begharden, würden zu weit führen. Sie sind aber mitsamt Agrippa von Nettesheim, Jakob Böhme und den Pietisten u. a. Tradenten der gnostischen (luziferisch pseudochristlich und frauenemanzipatorisch bis frauenveherrlichenden) Linie der abendländischen Kulturgeschichte bis auf Goethe.

Weniger theologisch als kulturhistorisch gilt Goethe und sein "Faust" als Meilenstein (der abendländischen Kultur- und Geistesgeschichte). Man kann ihn als repräsentativ anführen, zumal nicht wenige bis zur Jahrhundertwende und sogar bis zum Ersten Weltkrieg von dem Goethezeit(alter) Sprechen(1205). Goethe ist eines der wichtigsten Orientierungspunkte, um nicht zu sagen das Ventil der Moderne schlechthin, respektive pseudoreligiöser Geistesströmungen.

Am Schluß seines Hauptwerkes, des Faust II., läßt nun der nämliche Goethe den Helden Faust durch das "Ewig Weibliche" aus dem Teufelspakt erlösen. Bezeichnend für dieses (laut Jungianer, unter Anleitung des Gnostikers C. G. Jung persönlich, als der gnostischen "Pistis Sophia" nachempfundenen) Himmelsszenerie, daß die Frauenheldin eine Stufe höher in die unmittelbare Nähe der weiblichen Erlösergestalt in der offensichtlich hierarchisch eingeteilten "Himmel" gelangt, während der allzu männliche Faust mit den unteren Rängen vorlieb nehmen muß, um der weiblichen Erlösergestalt aus der richtigen Perspektive Verehrung erweisen zu können. Die meisten Kommentatoren des Faust übergehen geflissentlich, daß mitten im Erlösungsgeschehen des Faust II., der von den Engeln der weiblichen Erlösergestalt zum Teufel gejagten Mephistopheles enthüllt, daß die nämlichen Engel "auch" Luzifers Kinder sind (wie er). Damit identifiziert Goethes Mephisto den Gott, in dem vom Schiller brieflich angeregten - und dann damit sehr zufriedenen - Prolog(1206) zum Faust I., ein Abklatsch der Einleitung zum Buch Hiob im Alten Testament(1207) mit Luzifer. Und ebendiese Gleichsetzung des alttestamentlichen Gottes mit Luzifer läßt sich bis zu den Katharern (und davor bis zu den Manichäern und Marcion) zurückverfolgen. [...]

Nachdem vor etwa zwanzig Jahren das Ende der sog. Industriegesellschaft und der Beginn der sog. Dienstleistungsgesellschaft erklärt wurde, könnte die von der Industriegesellschaft geprägte Theorie der Frauenarbeit neu überdacht werden, zumal ein Ende der steigenden Arbeitslosigkeit nicht abzusehen ist. Zu der Erstellung und Erprobung neuer Konzepte müßte man vergegenwärtigen, ob und inwieweit die von der Industriegesellschaft verheißene Frauenherrlichkeit (Befreiung) durch Frauenarbeit in der ursprünglichen Form aufrechterhalten werden kann. Kritische Untersuchungen müßten den Zusammenhang zwischen Überproduktion und Frauenarbeit erhellen, um Rückschlüsse auf die durch Überproduktion bedingten Welt-Kriege, aber auch auf die heute zunehmend kritisch betrachteten Auswüchse der Konsumgesellschaft ziehen zu können. Unabhängige Forschergruppen müßten voneinander unabhängig aber zeitlich parallel Fragen eingehend untersuchen, inwiefern durch die in der Industriegesellschaft forcierte Frauenarbeit die Löhne der Männer so weit hinuntergedrückt wurden (Arbeitskräfteüberschuß durch Einführung der Frauenarbeit), daß die Männer deswegen nicht länger allein für den Unterhalt ihrer Familien sorgen konnten, und ihre Frauen arbeiten schicken mußten. Es sollte sodann möglichst zu einer verbindlichen Aussage über das Paradoxon kommen, ob und inwieweit durch die systematische Ungleichbehandlung (Diskriminierung) der Frau am Arbeitsplatz nunmehr die Männer gegen die Frauen (durch Niedriglohn für Frauen) so ausgespielt wurden, wie die Frauen gegen die Männer als Arbeitsmarktüberschuß. Denn etwas ähnliches zeichnet sich mit den Gastarbeitern heute ab. Schon vor dem sich abzeichnenden Ende der Industriegesellschaft gab es Beobachtungen, wonach die Gastarbeiter praktisch nur für den Teil der Überproduktion ins Land geholt werden, der durch geschickt kalkulierten schadhaften Ersatzteilen ein scheinbares Wachstum simuliert.

Es könnte die Diskussion leicht emotionalisieren, wenn man da und dort zu sehr ins Detail geht, aber theoretisch läßt sich leicht der Widerspruch zeigen, aus einer Frau eine arbeitende Frau dergestalt machen zu wollen, als könnte die Frau erst durch Arbeit zur Frau werden (Karenz, d. h. Kinder erst nach der Arbeit von mindestens ein Jahr). Nicht nur die Arbeiterpartei nationalsozialistischer Prägung warb mit Slogans wie "Die Arbeit macht frei" über dem Eingang zu den Konzentrationslagern, sondern z. B auch die vulgärmarxistisch fehlgeleitete Linke hielt die durch Arbeit bedingte Karenz für die Frau für gut genug. In Wirklichkeit hat aber die durch höhere Gewalt, wie die Industriegesellschaft, seines sorgepflichtigen, bzw. sorgefähigen Mannes beraubte Frau Ersatzanspruch von der Industriegesellschaft, und darf sich mit der angeblichen Gleichberechtigung nicht abspeisen lassen. Die großen Worte der Gleichberechtigung haben praktisch bewirkt, daß die arbeitende Frau sich die Mutterschaft (Karenz) erst nach der Arbeit und nicht davor leisten kann, so daß - zugespitzt formuliert - sie faktisch durch die Arbeit erst zur Mutterschaft, zum Frausein befähigt wird. Dieser Widerspruch in der Arbeitsideologie verdeutlicht die unzulässige Abhängigkeit der Identität der Frau von der Arbeit(1208). Es gilt daher an die Adresse der Arbeiterbewegungen den Diskussionsvorschlag zu richten, ob und inwiefern die sog. Arbeiterideologie durch das Menschenrechtsideal überholt worden sei, da z. B. Kreisky den Marxismus als veraltet verwarf. Demnach möge die Arbeiterideologie als Überbrückung bis zu einem ausgereifteren Stadium der Menschenrechte gelten.

Vor allem gilt es die Grundrechte der Frauen auszubauen, nicht zuletzt um die Frauen und Männer vor den Übergriffen wildgewordenen Feministen zu schützen. Auch wenn die Frau als "arbeitende Frau" nicht um das unveräußerliche Recht als Frau (auch ohne Arbeit) betrogen wäre, ist die vorgebliche Gleichberechtigung (mit den Männern konkurrieren zu dürfen und zu müssen) immer noch allein schon ein Betrug an der Frau, weil das ein Unding ist, eine von den Ideologen der Moderne gegebene wissentlich falsche, weil unerfüllbare (unrealistische) Verheißung an die Frau. Es bliebe höchstens das Rechtfertigungsargument, wonach die Frauen um ihre Rechte betrogen werden müßten, weil ansonsten die Gefahr der Überbevölkerung bestünde. Aber dann fragt man sich, warum die Frauen allein die Kosten der Kontrolle des Bevölkerungswachstums tragen müssen. Es ist eine plumpe Strategie der Moderne, die Frauen in die Arbeit zu schicken, damit sie keine Zeit und Gelegenheit haben an die Mutterfreuden zu denken. Sie soll die Kosten der Kindererziehung lieber in ein Auto investieren, um schneller in die Arbeit fahren zu können: Konsumparadies statt Mutterfreuden. Dies wäre auch dann höchst bedenklich, wenn diese einseitige Lastenverteilung bei den Kosten der Kontrolle des Bevölkerungswachstums zu Lasten der Frau nicht durch Betrug an der Frau erschlichen worden wäre.

Es wäre weiters geboten, an dieser Stelle auf das unveräußerliche recht der Frau hinzuweisen, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und geistig anders zu sein als der Mann. So sind z. B. in der Forschung, eine dem Sport ähnlich extrem leistungsabhängige Disziplin, Frauen stark unterrepräsentiert. Die Anstrengungen der Medien (insb. ORF) die äußerst seltenen Forscherinnen propagandistisch aufzuwerten (z. B. Film über Nobelpreisträgerinnen und eine zu diesem Zweck unverheiratet gebliebene Italienerin) sind rührend, sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die weniger als wenige Frauen in der Forschung die Ausnahme sind, die die Regel bestätigen, und auch meistens nur die Masseverwalter des geistigen Kapitals ihrer Männer sind. Warum gehen die Feministen auf die Priesterweihe los und verlangen nicht statt dessen die paritätische Besetzung aller Forscherposten mindestens zur Hälfte durch Frauen (oder Gleichschaltung beim Sport). Fürchten sie etwa den Leistungsvergleich? Der Forscher ist der schlechthinnige Prestigeberuf unserer Tage und darüber hinaus ist die Forschung der Existenznerv der vom Fortschrittsglauben beseelten Moderne. Nirgends könnten die Feministen mehr Macht ausüben als in der Hexenküche des Fortschrittkultes. Man könnte natürlich behaupten, daß es bloß eine Frage der Zeit sei, bis die Frauen auch in der Forschung ihre Chance wahrnehmen werden, zumal durch künstliche Hormone oder genetische Manipulation die Frau zum gleichwertigen Forscher gezüchtet werden könne, und das nichts mit Doping, sondern nur mit sportlichem Wettbewerb zu tun hätte. Bis dorthin zumindest sollte aber die Frau generell gegen Wettbewerbsverzerrungen durch Geschlechtertrennung im Beruf (ähnlich dem Sport, wo die Medaillen der Frauen nicht wesentlich kleiner sein dürften) geschützt werden. Im übrigen gilt das für die Forschung und für alle Leistungsberufe, daß auch wenn die Frau die genetische Voraussetzungen sogar in höherem Maße als der Mann hätte, aber wegen dem Leistungsdruck ihr Privatleben beeinträchtigt werden könnte (im Extremfall vor die Wahl gestellt: Kinder oder Beruf), dann sie als im Beruf zu Unrecht von dem sog. Gleichberechtigungsgrundsatz benachteiligt gilt.

Ohne mich festlegen zu wollen, hielte ich es für möglich bis naheliegend, daß in der Politik - etwas abgeschwächt - ähnliches gelten könnte wie in der Forschung. Nur die Feststellung des unveräußerlichen Rechts, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und geistig Frau zu sein, also die Geschlechtertrennung schützt die Frau vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. Von dieser Warte aus wäre auf die gleiche Dotierung der Frauenberufe wie Männerberufe zu achten. Es gilt den Grundsatz auf die Menschenrechtsebene zu erheben, daß die Frau auch bei geringerer Arbeitsleistung zumindest den gleichen (unverzichtbaren) Anspruch hat wie ein Mann. Deswegen auch wäre zweckdienlich, typische Frauenberufe gegenüber Männerberufe (schützend) abzugrenzen. [...]

Außer der Berichterstattung beobachtete ich die Wortmeldungen vom Herrn Pawlowsky, die scheinbar harmlos nur allgemein eine Diskussion fordern, und die Sendungen Club 2 mit Frau M. Czöppan und Orientierung, als wäre die Diskussion eine Frage der freien Meinungsbildung. Tatsächlich stellt aber die fragliche Erklärung des Papstes darauf ab, daß in dieser Frage (der Frauen-Priester) nicht ihm die Entscheidung obliegt, und selbst wenn er wollte, nicht anders entscheiden könnte. Aus meiner Sicht kommt es den Fernsehkommentatoren nicht zu, aus dieser Entscheidung des Papstes, eben sich nicht entscheiden zu können, weil eine "Entscheidung" der höheren Instanz vorlag, eine Privatmeinung des Papstes zu machen. Sollte es dem ORF an objektiver Information und wirklich freien Meinungsbildung gelegen sein, dann müßte die Frage forciert werden: ob die Anhänger der Frauenpriester ihre Haltung revidieren würden, wenn sie glauben könnten, bzw. wenn es wissenschaftlich einwandfrei feststünde, daß der biblische Gott der Christen ausdrücklich für alle Zeiten gegen Frauenpriester war. Ich würde sogar den ORF bitten, überzeugten Anhängern von Frauenpriestern die sich als Christen geben, und sich in der Materie auch auskennen, die ich nicht kenne, bzw. die mich nicht kennen, die Frage zu stellen, ob sie ihre religiöse Position revidieren würden, wenn sie mit unumstößlichen Beweisen konfrontiert wären, daß der biblische Gott gegenteiliger Ansicht ist. Wenn meine Forschungsergebnisse richtig sind, dann werden die Anhänger der Frauenpriester zugeben, daß ihnen die Frauenpriester ungleich wichtiger sind als der biblische Gott und sein Wille. Und das ist auch meine Interpretation des nämlichen Beschlusses des Papstes, wonach - vornehm ausgedrückt - die Kirche keinen Auftrag hat (von Gott) Frauen zum Priester zu weihen.

Sollte der breiten Öffentlichkeit die Information zugänglich sein, daß eine dem Willen des biblischen Gottes entgegengesetzte theologische, bzw. religiöse Position, nur von einem Alternativgott herrühren kann, wobei alterierende Götter anerkanntermaßen sich gegenseitig ausschließen, dann wären erst einmal die Grundvoraussetzungen zu einer sachlichen Diskussion über Frauenpriester geschaffen. [...]

Die modernen Dionysianer (Liberale) nun haben sich lange bei diesen Ähnlichkeiten der Gestalt des biblischen Jesus und des antiken Dionysos aufgehalten, und spalteten sich bei der Interpretation des Phänomens in zwei große Gruppen. Beide meinten allerdings ungeteilt, daß es an der Zeit sei eine neue Religion des Dionysos zu gründen, so wie das alte Griechenland erst im Laufe ihrer Geschichte den Dionysoskult relativ spät einführte (und mit ihm unterging). Die einen meinten nun (synkretistisch), daß die Ähnlichkeit (des Dionysos) zu Jesus zeigt, daß der neue Dionysos (der Moderne) im Schafpelz aufzutreten, und von innen her die noch brauchbaren Strukturen und Organisation des Christentums zu übernehmen hat, so als wäre Jesus die Erfüllung, die Vervollkommnung (Vollendung) des lange vor ihm dagewesenen Dionysischen. Die anderen meinten nun, daß das christliche Gewand zu eng für den Überchristus Dionysos sei, und qualifizierten Jesus Christus aufgrund der nämlichen Ähnlichkeiten als einen mehr oder minder mißglückten Abklatsch (Fälschung) des Originals, nämlich des schon früher dagewesenen Dionysos. Es gibt also bis heute diese zwei Hauptgruppen der Dionysianer (Liberalen): pseudochristlich und überchristlich. Sie könnten noch jeweils in religiös und antireligiös (zumeist philosophisch) unterteilt werden, es genügt aber hier darauf hinzuweisen, daß religiös nicht unbedingt "christlich" (pseudochristlich) bedeutet.

Die gefährlichere Gruppe der Dionysianer für die Kirche sind die pseudochristlichen, für den Staat die überchristlichen. In der Frage der Frauenpriester sind die Pseudochristen innerhalb der Kirche die Maulwürfe, die theologische Munition entfremden, während sie - trotz den sonstigen Streitigkeiten - in dieser Frage von dem überlegenen Propagandaapparat der Überchristen flankiert werden (die kircheninterne Frage wird als Politikum aufgeschaukelt, so als obliege eine angeblich ausstehende Entscheidung nicht immer Gott, sondern dem mehr oder minder gläubigen Volk). Die Kampagne steht unter dem Motto: Gott müsse demokratischer werden. Man darf sich natürlich nicht Illusionen hingeben, daß die Dionysianer gegenüber dem biblischen Gott ein sportlicheres Verhalten an den Tag legen als gegenüber den Frauen. So wie sie die Aufmerksamkeit unter oder über der Reizschwelle umgehen, und die von der Arbeitsleistung her bedingte Beurteilung der Wertigkeit der Frau, und was schlimmer ist, auch das dergestalt manipulierte Selbstwertgefühl der Frau propagieren, und damit wohlwissend eine tückische Form der Diskriminierung der Frau fördern, so setzen sie sich mehr oder minder öffentlich zum Gericht über Gott: warum Gott die Frauen bisher diskriminierte, bzw. die Diskriminierung der Frauen zuließ. Sie heucheln fortwährend wenn sie - über Vorhalt - vorgeben, daß ihre Kritik eigentlich nicht dem biblischen Gott, sondern lediglich der Mangelhaftigkeit der biblischen Überlieferung oder der Tradition gelte. Doch wenn sie mit der weiter oben angegebenen Routinefrage konfrontiert werden, ob sie ihren Standpunkt ändern würden, wenn unumstößliche Beweise über den gegenteilig lautenden authentischen Willen Gottes zu ihrer Kenntnis gelangten, dann leugnen sie zwar beharrlich auch nur die theoretische Möglichkeit solcher Beweise, aber mit einem Gedankenexperiment in die Enge getrieben (hypothetisch) geben sie zu, daß weder der authentische Wille des biblischen Gottes, noch irgendein Beweis hierüber, sie von ihrer Haltung und Forderungen nach Frauenpriester und ähnliches abbringen könnten (wenn soetwas an Beweisen theoretisch gäbe).

Die Dionysianer, auch die sich gerne als Christen gebenden, wissen lange vor ihren Diskussionspartnern, daß ihre theologischen Positionen mit der traditionellen Bibeltheologie unvereinbar sind. Diese Überzeugung der Dionysianer geht so weit, daß sie auch dann als von der Unvereinbarkeit ihrer Positionen überzeugt anzusehen sind, wenn aus dem bibeltheologischen Gesichtspunkt sehr wohl Raum für Diskussion wäre. Dabei wissen die Gegner die Bibeltheologie besser als die Anhänger, daß das Christentum nach dem eigenen Selbstverständnis mit der Bibeltheologie steht und fällt. Es geht also immer, unter welchem Vorwand auch immer, um die Bibeltheologie und um den davon untrennbaren Gott der Christen.

Die fraglichen Beweise über den Willen Gottes gibt es natürlich in der Bibel. Um genau zu sein; es gibt nur solche, mehr als genug, und es gibt nicht einmal Anhaltspunkte für mögliche Schlupflöcher für Feministen:

Die von den Befürwortern der Frauenpriester stets strapazierte Stelle im Galaterbrief (Gal 3,28) besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß vor Gott, bzw. "in Gott" alle, also auch Männer und Frauen, gleich sind, etwa im Sinne des landläufigen Grundsatzes, daß vor dem Gesetz alle gleich sind. Hieraus - zweitausend Jahre rückwirkend - auf die diesseitige Aufhebung der Wesensunterschiede zwischen Mann und Frau, oder auf die Annullierung der andernorts (vgl. 1 Kor 14,33-35; Eph 5,21-33; 1 Tim 2,8-15; 1 Petr 3,1-7) wiederholt verordneten Unterordnung der Frau dem Manne (in der Ehe) schließen zu wollen ist sinnwidrig.

Nach der Heiligen Schrift werden eheliche Bindungen erst im Himmelreich aufgehoben (Mt 22,30//Mk 12,25//Lk 20,34-36), weil die Menschen den Engeln gleich sein werden, nicht aber davor (vgl. Joh 18,36; 1 Kor 15,50). Ein Vorgriff auf den himmlischen Zustand des Nichtgebundensein der Frau (Unterordnung) scheint ausgeschlossen, wenn der Wille des biblischen Gottes gefragt ist. Vielmehr sagt die Schrift, daß z. B. die Sklaven als die Ärmsten im Diesseits, auch wenn sie freigelassen werden, lieber weiter freiwillig Sklaven bleiben sollen, damit sie vor den Versuchungen der Welt sicherer seien und ihr himmlisches Erbe nicht verlieren, bzw. leichter halten können. Nicht sich selbst verwirklichen, sondern sich unterordnen können ist das höchste Geschenk, die höchste Gabe. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die Unterordnung ohne Glauben etwas Wert sei.

Besser als die Gläubige kennen die Dionysianer die Schriftaussagen, wonach der Mann das Haupt der Frau ist, so wie Christus das Haupt des Mannes und Gott das Haupt Christi ist (1 Kor 11,3; vgl. Eph 5,23). Sie wissen auch besser als die Christen, daß zwar die Schrift mitunter menschliche und Zeitliche Anordnungen enthält, aber keine einzige nur zeitbedingt gültige Aussagen über Gott. Wenn also in die zitierte Stelle über Gott, in seinem Verhältnis zum Menschen, das Verhältnis von Mann und Frau hineingenommen ist, dann kann das bibeltheologisch nur als eine Aussage über die überzeitliche Ordnung (zwischen Mann und Frau im Diesseits) verstanden werden: Der Mensch, nämlich als Mann und Frau, als Ebenbild Gottes(1209), nämlich des Vaters und des Sohnes, jeweils im Geiste vereint. Wer also wissentlich die Unterordnung der Frau kritisiert, und etwa vordergründig meint, daß die Unterordnung der Frau in Liebe doch die Ausbeutung der Frau durch den Mann sei, der kann nur hintergründig gemeint haben, daß der Vater den Sohn am Kreuze nicht hätte ausbeuten dürfen(1210). So wie dereinst Adam verführt wurde, vom verbotenen zu Kosten (Gen 3,1-24), um zu werden wie Gott (Gen 3,5), so heißt heute die Verlockung an die Frau, sie könne werden wie ihr Mann.

Unter diesen Voraussetzungen könnte also allenfalls über die Stichhaltigkeit der These diskutiert werden, daß es unmöglich ist gleichzeitig dem biblischen Gott dienen und Frauenpriester durchdrücken zu wollen. Oder wie die Schrift sagt: "Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten." (Mt 6,25//Lk 16,13). Der Papst hat sich nur sehr zurückhaltend ausgedrückt, weil der nächste Erzbischof in England vielleicht wieder ein Christ sein könnte, und kein Dionysianer (Liberaler) wie der jetzige.

Auffällig ist, daß die Befürworter der Frauenpriester immer und ausschließlich die Bibelstelle (Gal 3,28) zitieren, weil dies die einzige Stelle ist, die aus dem Zusammenhang gerissen sich zu einem plumpen Bluff eignet (in populistischen Diskussionen). Voraus exakt berechenbar verläuft dann die programmatisch seichte Diskussion, über eine ähnlich plumpe Anfechtung der Zuverlässigkeit der Texttradition, bis zu der unvermeidlichen Pointe, daß auch wenn bibeltheologische Sachargumente fehlten, es sei (a priori) "unvernünftig" etwas Unvernünftiges für wahr zu halten: womit der (christliche) Glaube (als Inbegriff der Unvernunft), respektive Bibeltheologie, gemeint ist (siehe weiter oben über den Vernunftglauben/Ontotheologie, bzw. die Etymologie: Dio-nys-os = Gott-Vernunft«). [...]

Ich für meinen Teil würde die Frauenfrage theoretisch von der Warte aus angehen, daß die Idee des Masseneinsatzes von Frauenarbeit eigentlich noch welthistorisch gesehen im Embrionalstadium ist, so daß das Geschlecht in diesem Frühstadium nicht klar zu erkennen ist. Man müßte aber Vorkehrungen für die bevorstehende Geschlechtsreife der Frauenarbeit treffen. Eines dieser vorbeugenden Maßnahmen könnte die Sicherung der Meinungsvielfalt in dem Sinne sein, daß nicht der Eindruck entsteht, nur der Feminismus habe etwas zu sagen. Der ORF könnte dem Propagandafeldzug des Feminismus entgegenwirken, in dem die Ausschlachtung von populistischen Themen wie die Hexenverfolgung als angeblich frauenfeindlich durch sachliche Information eindämmt(1211). Ursprünglich ist nämlich die Inquisition gegen die nämlichen Katharer und tatsächliche schwarze Magie ins Leben gerufen worden und es gab damals tatsächlich kultische Morde und ähnliches. Diese altehrwürdige Institution der Inquisition ist in ihrer Glanzzeit in Spanien von der jüdischen Orthodoxie gegen die sich auch im Judentum ausgebreiteten gnostischen Sektierer zur Hilfe gerufen worden. Es ist leider noch zu wenig bekannt, daß zu dem Zeitpunkt der sog. Judenvertreibungen bereits die zuvor von der jüdischen Orthodoxie mit Hilfe der christlichen Inquisition bekämpften jüdischen Sekten das Judentum unterwandert und die Herrschaft an sich gerissen, bzw. das Judentum dominiert haben. Es sind kaum orthodoxe Juden übriggeblieben, die für diese Zusammenhänge sich öffentlich stark machen würden. Mit der Erstarrung der Bettelorden (Franziskaner und Dominikaner), die dann die Inquisition verwalteten, kam es zur Vernichtung der Katharer und in der Folge zu der völligen Auflösung und Liquidierung der somit überflüssig gewordenen klassischen Inquisition im 14. Jh. Erst nach dem der französische König ein Jahrhundert später seine Hand nach dem Vermögen der Templer ausgestreckt hat, wurde die bereits vollends liquidierte Inquisition unter höchst merkwürdigen Umständen wiederbelebt. Die Anrüchigkeit dieser inquisitorischen Renaissance blieb bis zuletzt. Sie ist aber nicht von kirchlicher Seite wieder ins Leben gerufen worden, sondern unter dem massiven Druck des Königs. Bis zuletzt konnte die Kirche praktisch nicht wirklich die Kontrolle über diese für allzu weltliche Zwecke von der weltlichen Obrigkeit geschaffene und der Kirche unterschobenen Neoinquisition erlangen. Auf jeden Fall hat diese zeitlich uns näherliegende Neoinquisition wenig mit der Inquisition gegen die Katharer zu tun. Die neokatharischen Feministen vertauschen also bewußt die zwei unterschiedlichen Formen und Phasen der Inquisition, meinen aber die seriöse katharerfeindliche Inquisition, die ihre "Theologie" und Organisation dereinst vernichtet hat, mit ihrer Kritik an der Neoinquisition zu treffen. [...]«

Der vielleicht in einigen Punkten unorthodox anmutenden Kritik der Priesterweihe für Frauen kann ein ernüchternder Bericht aus der aktuellen Forschung zur Frauenordination in der Evangelischen Kirche hinzugefügt werden(1212), wonach (auch wenn die Bereitschaft zum Eingeständnis fehlt, und Durchhalteparolen hochgehalten werden) die Erwartungen und die Realität faktisch so weit auseinanderklaffen, wie es kaum hätte kalkuliert werden können. Die Frau ist auf dem Posten einem unzumutbaren Druck ausgesetzt, den nur diejenigen von ihnen aushalten, die ansonsten für den Beruf nicht unbedingt geeignet sind, sondern ihre Stärken, weil innerlich zu abgehärtet, eben woanders haben.

Zu beachten wird für die Forschung noch der ständige Versuch des Feminismus und verwandter (luziferischen) theologischen Richtungen sein, die Waldenser, die im Gegensatz zu den Katharern eine bei den Evangelischen anerkannte Sekte(1213) sind (deren Überreste großteils zwischen dem 16. und 19. Jh. in der reformierten Kirche aufgegangen ist(1214)), und als Teil der Armutsbewegung mit den Katharern, die sie anfänglich bekämpften aber dann von ihnen unterwandert wurden, zusammen verurteilt wurden, vorzuschieben. Tatsächlich hatten die "nur" (radikal) chiliastischen(1215) Waldenser in der Anfangsphase weibliche Verkündiger des Wortes (weibliche Katecheten), die aber mit einem Prediger im heutigen Sinne nicht zu verwechseln sind. Die modernisierende Forschung versucht nun zu vertuschen, daß die Waldenser - gleichzeitig mit ihrer zunehmenden sakramentaler Verselbständigung - die weiblichen Ämter sogleich abgeschafft haben(1216). Die Waldenser hatten sich anfänglich besonders sakramental entschieden an die Kirche angelehnt, weil sie sich (im Gegensatz zu den Katharern) als innerkirchliche (eschatologische) Armutsbewegung verstanden, und erlaubten weibliche Katecheten mit gewissen Wortverkündigungsfunktionen nur exakt so lange, bis sie sich gezwungen sahen die Sakramente in die eigene Hand zu nehmen. Sofort wurden, mit ebendieser Begründung, die weiblichen Ämter generell abgeschafft, nachdem sie ihre eigenen Sakramente einführten. Keine andere christliche oder pseudochristliche Bewegung im Abendland - außer den luziferischen Katharern - hatte Frauen in geistlichen Berufen (um die Sakramente) akzeptiert. Daraus folgt, daß die Frauenpriester und weibliche Pfarrer, respektive ihre Anhänger und Theoretiker, aus dem historischen Gesichtspunkt auch heute - zumindest strukturell - als luziferisch definiert werden müssen, zumal ihre historische Rechtfertigung sich entweder offen auf das als angeblich christlich "rehabilitierten" Katharer, oder auf die als (angeblich) waldensisch verbrämten Armutsbewegung, die aber alsbald von den Katharern dominiert wurde, abgestützt ist. Dazu kommt, daß der waldensische Vorwand für Frauenpriester nur durch Geschichtsfälschung möglich ist, also außer dem Luziferismus der Katharer kein historisches Argument für die weibliche Geistlichkeit spricht. In der Summe ergibt das, daß weder ein traditionalistisches, noch ein historisches, geschweige denn ein theologisches Argument stichhaltig für die plötzliche Einführung von weiblicher Geistlichkeit ins Treffen geführt werden kann, so daß man derlei Ansinnen ausschließlich auf eine noch ausstehende neuen Offenbarung, oder, wie es sich zeigt, auf widersprüchliche Spekulationen stützen kann, auf keinen Fall jedoch auf den Gott der Offenbarung in dem bislang bekannten Sinne. Vielmehr steht die weibliche Geistlichkeit in einem unvereinbaren Widerspruch zum Gott der Offenbarung, so wie ihn die etablierten Kirchen mit ihren Lippen nach wie vor bekennen.

3.11. Die Dialektik

Sofern der vorhergehende Punkt als Kritik der statischen Strukturen der Subkultur aufgefaßt wird, kann der elfte Grundsatz als die Kritik der dynamischen Strukturen der Selbigen verstanden werden. Typisch für subkult urelle Organisationsformen ist die permanente Änderung der Erscheinungsform, wobei - ähnlich der Häutung der Schlange(1217) - nichts Substantielles, sondern nur bereits abgestorbene Schalung preisgegeben wird. Mit Vorliebe läßt die Subkultur überholte Formen, die sie bereits hinter sich gelassen hat, der Sektenforschung zum Abschuß freigeben. Immer wenn die etablierte Forschung mit frischen Ergebnissen herauskommt, kann mit Sicherheit angenommen werden, daß die Subkultur schon längst woanders ist, bzw. den Schwerpunkt verlagert hat. Nicht selten kommt es vor, daß die Sektenforschung nicht einmal mit der Ausarbeitung der bereits abgestoßenen (überholten) Formen Schritt halten kann, so daß die Entsorgung überholter Formen gnosisintern besorgt wird. Diese Eigengesetzlichkeit (Eigendynamik) der Subkultur wird traditionell als eine Art Recycling praktiziert, die nach außen propagandistisch als Befreiung von der Subkultur verwertet wird.

3.11.1. Der Widerspruch

Nach dem selben Prinzip, jedoch nicht ein-, sondern zweigleisig, arbeitet die effektivste Methode der Subkultur. Bildlich dargestellt ähnelt die Vorgangsweise zweier Begleitschiffe in einem kanonenbestückten Flottenverband, die das Flaggschiff einholend dieses in die Mitte nehmen (schließlich will jede die Führung übernehmen) und dann einen Zweikampf der zwei extremen Flügel so simulieren, daß immer das Flaggschiff in der Mitte getroffen wird, auch wenn die zwei genannten Begleitschiffe (die "Extremisten") nicht für einander außer Schußweite liegen würden. Schon lange vor den sog. Dialektischen Theologen(1218) (wie Karl Barth und Bultmann) haben Semler und Reimarus die hohe Schule der sogenannten Dialektik vorexerziert. Reimarus griff heftig alles offen antichristlich an und leugnete Gott und die Welt (vor allem aber die Messianität Jesu: mit Hilfe der Irrtum-Jesu-Theologie), worauf Semler für die bedrängte Theologie so scheinbar in die Bresche sprang(1219), daß er den eigenen - traditionell stichhaltigen - biblischen Argumenten durch eine geschickt eingemengte Kanonkritik(1220)gänzlich den Boden entzog(1221), während er sie nach außen scheinbar mit Elan verfocht(1222).

Semler wird nun (für seine beispielgebende vorgeblich subjektive "Überzeugung" von etwas objektiv von ihm als unhaltbar "Hingestelltem")(1223) allerorts in der Forschung als der Vater der historisch-kritischen Methode positioniert(1224), während Reimarus als der Mann nachgewiesen wurde, der Albert Schweitzer die Ideen gab(1225). Es hat sich praktisch seit dem nichts geändert, nur einige Häutungen(1226) hat die sogenannte Dialektik hinter sich gebracht (auch Karl Barth(1227) und Bultmann(1228) trugen eine vielbeachtete Kontroverse aus(1229), wurden aber gemeinsam von Pannenberg als die Väter der ultramodernen Tod-Gottes-Theologie(1230) entlarvt(1231), die sie selbst unter dem Namen "Dialektische Theologie" getarnt(1232) wissen wollten).

In der Dialektik stehen also die etablierten Kirchen scheinbar vor der Wahl, gleich tot gesagt oder langsam zu Tode gelobt zu werden. In Wirklichkeit aber kommt Beides gleichzeitig über sie(1233), nur ist das Phänomen des Untergangs der Kirchen durch den Streit der beiden kontroversiellen Gegner übertönt. Das Verhängnis der Theologie war die durch die Einführung der Spekulation abgeschaffte Vormachtstellung der strengen Logik, als die ausschließliche Methode der Theologie(1234). Die vordergründige Hilfsbereitschaft von Semler, die Theologie von den unqualifizierten Angriffen von Reimarus in Schutz zu nehmen, wurde durch die spekulative Methode umgesetzt, so daß Semler nicht der Theologie, sondern der spekulativen Methode in der Theologie geholfen hat. Bis heute hat die historisch-kritische Methode Semlers seine Anhänger, die dem Kritiker alle Trümpfe gegen die strenge Logik in die Hand gibt, weil sie nicht einmal durch sich selbst, besser gesagt: am wenigsten durch sich selbst kontrolliert werden kann. In dem Moment, wo Semler das Unhinterfragbare (Offenbarung) zum Hinterfragbaren erklärt hat, könnte seine Methode scheinbar nur mehr von sich selbst hinterfragt werden, nur ist sie nicht so konzipiert, daß sie sich selbst auch tatsächlich hinterfragen könnte. Der Sinn der historisch-kritischen Methode ist nämlich durch Hinterfragen zu hintertreiben, bzw. zu eliminieren, so daß die historisch-kritische Methode historisch-kritisch zu behandeln das Ende der Selbigen bedeuten würde, soweit die Methode korrekt angewandt werde.

3.11.2. Der Spekulant

Die im Namen der Dialektik zur Pseudowissenschaft entfremdete moderne Theologie fußt auf der von Hegel vollzogenen Vereinnahmung der Theologie durch die Philosophie(1235), so als seien Philosophie und Theologie vereinbar, und die dadurch bedingte Legitimierung der Spekulation in der Theologie (als angeblich noch wissenschaftlich). In der modernen Theologie wurde die pseudowissenschaftliche - weil spekulative - Methode verfeinert(1236), indem ein doktrinär vorgegebenes, aber sachlich ungerechtfertigtes Vorurteil zwischen zwei willkürlich gewählten kontroversiellen Hypothesen als die nächstliegende Lösung in der Synthese erscheint, d. h. simuliert wird. In der - von der Scholastik forcierten - klassischen Dialektik galt die aus Thesis und Antithesis gewonnene Synthesis als die wissenschaftliche Methode des Spekulativen schlechthin(1237). Die sog. Dialektische Theologie der Moderne parodiert, bzw. pervertiert die klassische Dialektik(1238), indem von einer vorgegebener "Wahrheit" ("in der Mitte") ausgehend(1239), die als Ergebnis der Synthesis vorgetäuscht werden soll, zwei willkürlich als repräsentativ hingestellten kontroversiellen Hypothesen - links und rechts von der Vorgabe - ausgewählt und so abgehandelt werden, als sei die Vorgegebene "Wahrheit" als Synthesis aus dem die Thesis und Antithesis simulierenden Hypothesen (links und rechts) gewonnen worden(1240).

Es ist ein Skandal, daß die öffentliche Einrichtungen diese pseudowissenschaftlichen(1241)Umtriebe dulden, ja ihre Existenz vertuschen. So konnte es dazu kommen, daß heute - besonders in der zur spekulativen Disziplin entfremdeten Theologie - nicht nur jeder haarsträubende Unsinn als wissenschaftlich erwiesen gelten kann, ohne daß die ohnmächtig zusehende Wissenschaft etwas dagegen unternehmen könnte, sondern mit der gleichen Methode auch das scheinbare Gegenteil vom nämlichen Unsinn, der sogar ein noch größerer Unsinn sein kann, ebenfalls bewiesen werden kann. Wenn z. B. bestritten werden soll, daß der Himmel blau ist, dann zitiert man eine Hypothese, wonach der Himmel eigentlich grün sei, dem die Hypothese gegenüber gestellt wird, wonach der Himmel gelb kariert wäre, woraus dann - je nach Fertigkeit - scheinbar zwingend folge, daß der Himmel bestenfalls rosa getupft, auf keinen Fall jedoch blau sein könne. Ähnlich pervertiert ist die Verhöhnung der Wahrheit, wenn das Blaue am Himmel als aus rosa karierten und grün getupften Hypothesen folgen soll, so daß durch die scheinbare Bejahung aber offensichtlich falschen Beweis an dem Blau am Himmel gezweifelt wird. Mit entsprechend skrupellosen Hypothesenlieferanten im Schlepptau gibt es mit dieser Methode so gut wie gar nichts, was nicht so als wissenschaftlich bewiesen hingestellt werden könnte. Und das gilt auf eine beliebige kontroversielle Ansicht, so daß endlose wissenschaftliche Streitigkeiten so simuliert werden können, daß jede der Standpunkte und Argumente völlig an der Sache vorbeigeht.

Die hier deponierte These geht also davon aus, daß die öffentlichen Einrichtungen für Wissenschaft und Forschung nicht nur der grob fahrlässigen Unterlassung als Kontrollinstanz schuldig geworden sind, über die Wissenschaftlichkeit der sogenannten Wissenschaften zu wachen, sondern diese Entwicklung zumindest vorsätzlich begünstigt haben. Ist einmal die Kontrollinstanz der Wissenschaften selber unkontrollierbar geworden, erübrigt sich der Beweis darüber, daß sie sich selber unkontrollierbar gemacht hat, denn den einzigen Sinn der Unkontrollierbarkeit einer Kontrollinstanz trägt diese Kontrollinstanz in sich selbst. Heute kann jeder beliebige Widerspruch einfach als persönlicher Standpunkt "wissenschaftlich" legitimiert werden, und der noch so offensichtliche Mißbrauch der positiven Rolle der Meinungsvielfalt - mit an sich (wissenschaftlich) unvertretbaren Ansichten - kann nicht Einhalt geboten werden. Wenn der Freiheit der Wissenschaften und der Meinungsvielfalt keine Grenzen gesetzt werden, wenn positive Größen gegen Mißbrauch nicht abgegrenzt werden können, dann sind sie nicht das, was sie zu sein vorgeben.

Eine für die Ewigkeit bestimmte Kirche hat sonach die Spiegelfechterei scheinbar kontroversieller Sondermeinungen künftig inhaltlich zurückhaltender und äußerlich offensiver zu begegnen. Als allererstes Kriterium der Annäherung hat die Postulierung der Rückkehr zu der strengen Logik, und das Abschwören der spekulativen Methode innerhalb der Theologie (ausgenommen abschnittsweise als Hilfsmittel bei Arbeitshypothesen, und theoretischen Erwägungen), zu gelten. An dieser Stelle gilt es nochmals auf die Überproduktion in der pseudochristlichen Theologie hinzuweisen, wo Qualität durch Quantität verhindert werden soll (sowohl Bultmann wie auch Barth(1242) können nebenbei als die Protagonisten der theologischen Inflation gefeiert werden), zumal die strenge Logik mit einem Bruchteil an Quantität auskommt als die Spekulation. Die scheinbare Notwendigkeit der Spekulation ist ohnehin nur durch die Leugnung der Legitimität der auf sich selbst beruhenden Wahrheit (Faktum) simuliert worden.

3.11.3. Der Champion

Als der angeblich bedeutendste Theologe des 20. Jahrhunderts(1243), oder gar der bedeutendste Theologe seit Schleiermacher(1244), verdient der pseudochristliche Luziferismus Karl Barths einige Aufmerksamkeit. Als Studienfall glänzt Barths Genie darüber hinaus, im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen A. Schweitzer und R. Bultmann, durch eine einzigartige Synthese von spiritueller Schwärmerei, spekulativer Vernünftelei und rationalem Naturalismus, durch die Vereinigung der polaren Gegensätze(1245) der Moderne: Aufklärung und Pietismus.

Ins Auge springt der Gegensatz zwischen der Beschwörung des Wortes Gottes(1246) (respektive Offenbarung) als Um-Und-Auf der Theologie einerseits und der ganz und gar manichäisch-luziferisch unbiblische präexistente Fall der ganzen Schöpfung(1247) (vor Adam) andererseits, die obendrein monistisch(1248) (luziferisch) die (präexistente) Identität von Schöpfung und Schöpfer postuliert(1249). Auch die Verwerfung der angeblich unhaltbaren Vorstellung einer "Verbalinspiriertheit" der Schrift, die durch eine Inspirierte Auslegung der gleichen Schrift abgelöst werden soll(1250), d. i. die Ersetzung der Selbstoffenbarung Gottes in Wort und Schrift im Schriftwort durch die Offenbarung der Wortverkündigung des Exegeten als höchste (spirituell offenbarende) Instanz(1251), also die Entlarvung der Heiligen Schrift als Menschenwerk und Postulierung (quasi "Offenbarung") der Exegese als die Vergöttlichung der biblischen Worte, demonstriert die konsequent heuchlerische Methode der Aushöhlung alles Heiligen, durch zynische (Feuerbachsche(1252)) scheinbare Bejahung von alles hintenherum verneinten Heiligen, in Barths Theologie(1253).

Das gleiche luziferische Schema spiegelt sich in Barths Erklärung der Erwählung (Gnadenwahl), wonach das abstrakte Prinzip durch die konkrete Person Jesu Christi ersetzt werde, indem Gott dem Menschen die Seligkeit, sich selbst aber die Verdammnis zudenkt(1254).

In Barths Umdeutung die im gesamten Protestantismus hochgeschätzten Prädestinationslehren in seine Erwählungslehre(1255) kommt konsequent die chiliastische Strukturhäresie durch die (pervertierte) Vorordnung der Erwählung der Gemeinde (Allgemeine) vor dem Einzelnen(1256)zum Ausdruck.

Aufschlußreich ist Barths Auffassung der neuzeitlichen Theologiegeschichte als Verfallsgeschichte, welche er vom bekanntesten Erzatheisten (Feuerbach) namentlich so übernahm, daß er die als die Hauptthese von Feuerbach gehandelte Austauschbarkeit (Umkehrbarkeit) von Gott und Mensch(1257) Luther unterstellt(1258), also Feuerbachs radikal antichristlichen Atheismus mit einem (pervertiert) uminterpretierten Luther zu einem Zeitpunkt legitimiert, wo allgemeinbekannt ist, daß der atheistische Ideologe Marx Feuerbach weiterentwickelt haben will(1259), so daß der Weltkommunismus/Stalinismus und Weltatheismus als ein von Marx revidierter (radikalisierter), nach Marx= eigenen Angaben "weiterentwickelten" (Marx kritisiert Feuerbach als zu theoretisch und postuliert statt dessen den angewandten Atheismus, nämlich den angewandten Feuerbach), Feuerbachianismus gilt.

Geradezu mustergültig ist Barths chiliastisches Profil, in dem - in seltener Eintracht - alle wesentlichen Charakteristika (radikale Diesseitigkeit(1260) und Eschatologismus) repräsentiert sind. Besonders in den jungen Jahren fordert der "bekennende Sozialist" Barth "das Zeugnis des politischen Gottesdienstes"(1261), identifiziert den von ihm stark forcierten Gedanken des (kommenden!) "Reich Gottes"(1262) mit der sozialen Bewegung, und rekapituliert noch kurz vor seinem Tod als Gegenstand seiner Theologie: "... der Himmel für die Erde"(1263). Doch das "Reich Gottes" wird streng als die Lebendigkeit der Herrschaft Gottes interpretiert, die mit Religion nicht identifiziert werden dürfe, weil der weltverändernden Praxis (der Herrschaft Gottes) am strengsten die im Sozialismus postulierte entspräche.



Die radikale Eschatologie(1264) (Chiliasmus) blieb - trotz der Verhaltenheit der Verkündigung nach außen in seinen späteren Jahren(1265) - der Angelpunkt Barthscher Theologie(1266). Im Rahmen seiner pietistischen Erweckung durch die Blumhardts erkennt er den Gegensatz von Religion und Reich Gottes: statt Religion Hoffnung "für die leibliche Seite des Lebens"(1267), wird seine Devise. Die unübliche Verquickung von pietistischem und aufklärerisch-romantischem(1268) Chiliasmus(1269) verschuf Barth den theologischen, bzw. eher literarisch publizistischen(1270) Durchbruch (im theologischen Gewand). Barth schrieb ein Kommentar "unter starkem Einfluß bengel(1271)-ötinger(1272)-beck'scher(1273) und (auf dem Umweg über Kutter(1274)und schellingscher(1275)) Gedanken"(1276). Das auffällig chiliastisch-pietistische Motiv der Ablehnung der Kindertaufe(1277) hat Barth viel Sympathien bei den Liberalen gekostet(1278). Der größte Triumph Barths dürfte aber die - unter dem Vorwand der Rettung der Kirche von dem Faschismus (Nationalsozialismus) erschlichene - chiliastische Umfunktionierung(1279) des traditionell antichiliastischen Glaubensbekenntnisses der Evangelischen Kirche in der sog. Barmer Erklärung(1280) (Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche) sein(1281), die allgemein als das Werk von Barth gewürdigt wird(1282). Im historischen Rückblick erweist sich Barths Glaubenseifer als die unverschämte Ausnützung der Notlage der Kirche, um der am Boden liegenden Kirche den Gnadentod zu geben. Denn im Zentrum der Verkündigungstheologie Barths steht die Botschaft, daß das Reich Gottes nicht die Kirche sein kann(1283). Wenn also Barth nun im Namen der Kirche in Barmen heuchlerisch das Künftige Reich Gottes verkündet, läßt er damit die Kirche das Zeitliche segnen, so als hätte die Kirche selbst an sich Hand angelegt, bzw. sich freiwillig für die künftige diesseitig chiliastische Verkündigungstheologie Barths geopfert, wobei der Henker nicht die damit beschuldigten Nationalsozialisten waren, sondern der Heuchler Barth (der als vorgebliche Heiler der Kirche gegen Nationalsozialismus diese zu Tode brachte). Paradoxerweise besteht die Barmer Erklärung selbst darauf, daß jede Kirche, die den Rahmen des von der biblischen Offenbarung abgegrenzten Evangeliums überschreitet, nicht im Namen der wohlverstandenen Kirche handelt(1284). Somit ist nicht nur die damit vorgeblich gemeinte Nationalsozialismus außerhalb, sondern auch Barths chiliastische Interpolation innerhalb der Kirche wohl erfaßt.

Barths "unbestreitbares Genie"(1285) ließ es nicht an makabren Aussprüchen und umstürzlerischen Denkansätzen fehlen, die den mehr publizistisch als theologisch fundierten Ruhm des "geistigen Revolutionärs"(1286) begründet haben. Tatsächlich brilliert Barths Genie nicht nur durch die Dualistische(1287) Explikation seines Monismus(1288), also durch die Synthese zweier konträren Weltanschauungen, die beide in der Gnosis beheimatet sind, sondern durch die Vernichtung des christlichen Gottes und Offenbarung durch deren radikale Bejahung(1289), indem Barth seinen von ihm angehimmelten unbiblischen Gott(1290) als den (angeblich unhinterfragbaren) biblischen Gott ausgibt(1291).

Methodisch bedient sich Barth beim Schwindeln, d. h. bei der Verarbeitung innerer Widersprüche, des Zirkelschlusses(1292) nach Kantschem Vorbild(1293), indem er einerseits Gott und Offenbarung (tautologisch) a priori als auf sich beruhende Wahrheiten postuliert(1294), aber deren - somit unabdingbare - Faktizität mit genialer Findigkeit stets umgeht(1295), und sie in die (Kantsche(1296)-Anselmsche(1297)) "Möglichkeit"(1298) (Idee) umdeutet, die - um möglich zu sein - einen Grund "notwendig" voraussetzen würde, die als "vernünftig" vorausgesetzt rationell die "Vernünftigkeit" der nämlichen "Möglichkeit" in sich birgt. Barth nimmt für sich in Anspruch, in bewußter Antithese zur neuzeitlichen philosophischen und theologischen Subjekt- und Bewußtseins-Orientierung, das "Notwendige Dasein" vor dem "Notwendigen Erkennen" behauptet(1299) und somit die Wahrheit in Gott "festgemacht"(1300) zu haben(1301), womit er allerdings faktisch alles (vernünftig) Erkannte (kantianisch) zur auf sich beruhenden Wahrheit pervertiert, weil (streng logisch) die Negation des Subjektivismus keineswegs "notwendig" Gott ist (wie Hegels Negation der Negation). Im übrigen wird man nicht weniger Subjektiv, wenn man die eigene Subjektivität (auch vor sich selbst) leugnet. Allein die Behauptung, daß das Erkannte vor dem Erkennen sein müsse, bedingt keineswegs, daß das Erkannte auch tatsächlich (real) ist, noch dazu vorher. Der Widerspruch im Zirkelschluß zeigt auf, daß Barths "Sein" (des Erkannten) vor dem "Erkennen" nicht in der Realität, nicht im "Da-Sein", sondern in der (menschlich subjektiv gedachten) Ideenwelt nur Gültigkeit (Dasein) haben kann(1302). Die vielzitierte Barthsche Revolution(1303) ist demnach die Gleichsetzung der Kantschen Idee mit dem Sein (die Idee "ist", nämlich als Idee), die logisch unzulässig von der Realität der Idee als Daseinsform auf das Sein insgesamt, zumindest jedoch auf das Sein Gottes, verallgemeinert wurde. Demnach ist die Idee der Barthschen Idee, daß die Idee selbst vor dem Erkennen der nämlichen Idee "ist" (weil selbst vom Nichts, vom Unerkenntlichen, von der Nichtidee, müsse vorher die Idee da sein, bevor man es als Nichtidee, als Unerkennbares erkennt), "ist" eine reale Idee, Gott (als Gott) außer als Idee nicht "sein" zu lassen. Dadurch allerdings, daß die Idee schlechthin in der menschlichen Vernunft, und jene im Menschen ist, ist Gott (als subjektivistische Idee) gewissermaßen (absolut real) in der Welt (nämlich nur als Idee), zumindest kann man das behaupten, weil der Mensch real in der Welt ist, und die Idee (Gedanke) in ihm und durch ihn (real) "ist".

Zu Recht ortet also Pannenberg hinter dem pietistisch-schwärmerisch-eschatologischen Materialismus Barths und dem asketischen Materialismus Bultmanns die durch Dialektik verschleierte Tod-Gottes Theologie(1304), die faktisch Schleiermacherismus mit anderen Mitteln ist.

Formal administrierte Barth die nämlichen Denkinhalte in der von ihm angestrebten Überwindung Schleiermachers(1305), der (in einschlägigen Kreisen) vor ihm als der größte Theologe galt(1306). Und weil Schleiermacher die Religion ohne Gott postuliert(1307), also Gott verneint und die Religion bejaht, bejaht also Barths Genie Gott und verneint die Religion(1308), um etwas Neues vorzutäuschen, aber (damit) die Schleiermacherschen Inhalte(1309) - es lebe die halbe Wahrheit - zur Vollendung zu bringen(1310). Es ist Barths Genie, das Nietzsches großes Jasagen(1311) zum Widerspruch in sich, Feuerbachs Gleichsetzung des Gottes der Religion mit dem Menschen(1312), den »Gott der Philosophen« (nach Pascal), nämlich den Menschen als seinen eigenen Gott(1313), in theologischem Glanz erstrahlen läßt. So wie in Schleiermachers Lebenswerk im letzten Lebensabschnitt die theologische Einkleidung des offenen Widerspruchs zu Gott zu beobachten ist(1314), so ist auch bei Barth die theologische Einkleidung des (im Bejahen des falschen Gottes) verdeckten Widerspruchs zu Gott in seinem letzten Lebensabschnitt(1315)feststellbar.

Es bleibt abzuwarten, ob es überhaupt noch eine Steigerung des Antichristen möglich ist, aber bis dorthin kann Barths theologischer Beitrag als die absolute Spitze an theologischer Leistung eines vollendeten Antichristen betrachtet werden, zumindest solange er als der größte Theologe gilt. Auf die theologische Titanenleistung Barths kann die These abgestützt werden, daß der Antichrist von Rechts (z. B. Hitler) ohne den Antichrist von Links (z. B., Marx, Lenin, Stalin, Richard Wagner, E. Bloch, A. Schweitzer, Bultmann, Tillich oder Barth) kaum lebensfähig wäre, sondern das - durch den inneren Widerspruch stets gespaltene - in der polaren Gegensätzlichkeit auftretende Böse nur in der Polarität, nur in dem scheinbaren Widerstreit, existenzfähig ist. Nur in dem von der linken Zerstörungswut geschaffenen Vakuum (Nihil) kann die rechte Zerstörungswut aufkeimen, um sich greifen und ausufern. Profan ausgedrückt: Ohne einen Stalin, ohne einen Barth, der scheinbar den absoluten Gegenteil sagt, wäre ein Hitler nicht möglich, denn besonders die Rechtsextreme kann sich immer und ausschließlich an dem Widerspruch von Links hochziehen, und hat ohne Feindbild überhaupt keinen Halt. Ohne Linksextreme ist die Rechtsextreme absolut lebensunfähig, die Rechtsextreme wurzelt gleichsam in der Linksextremen und trägt deren Früchte. Jede zum Selbstzweck entfremdete Mitmenschlichkeit, Friedenskampf, oder etwa "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit", ist die Saat des Bösen. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß immer rechts geerntet wird, was links ausgesät ward(1316). Damit soll nicht behauptet werden, daß die Linksextreme ein schlimmerer Teufel ist, sondern soll die Linksextreme als unabdingbare Existenzvoraussetzung der Rechtsextreme aufgezeigt werden, die nicht wissen was sie tun (Lk 23,34), die Gott "töten", um sich über die Folgen zu wundern. Theoretisch kann all das auf die (hier vorausgesetzte) Grundaussage abgestützt werden, wonach das Böse aus sich selbst keinen Sinn haben kann, sondern erst durch den Widerspruch zum Guten, weil das Böse den Widerspruch zum Guten als Widerspruch zu sich selbst fehlinterpretiert. Weil der Widerspruch des Bösen zum Guten eben in der Leugnung des Guten besteht, kann das Böse sich selbst nur im Widerspruch zu sich selbst begreifen, obgleich das Böse von und für den Widerspruch zum Guten existiert, das er aber leugnet. So kann das Böse in letzter Konsequenz gar nicht anders, als sich selbst mit dem geleugneten Guten, also mit Gott gleichzusetzen, und so die eigene Existenz, die eigene Legitimität, nämlich als Widerspruch (Widersacher), als "Negation" zu begreifen. Das Böse vermeint zwar, daß ein Widerspruch ohne dem Widersprochenen (Gott) kein (in sich) Widerspruch sein kann, doch hat er damit schon dem nächsten Widerspruch (zu sich selbst) zur Manifestation Anlaß gegeben, den er auch leugnend den Widerspruch zu Dreigliedrigkeit, sozusagen zur "Dreifaltigkeit" vervollkommnet. Somit ist also ersichtlich, daß der modernen Philosophie nie der Stoff ausgehen kann, weil der innere Widerspruch in der modernen Philosophie philosophisch nicht lösbar, eine "ewige" Aporie ist. So viel zum (transzendierten) absolut Unhinterfragbaren.

Philosophisch könnte die Fragestellung beliebig gewälzt und breitgetreten werden, ob ein Widerspruch zu etwas (als existent) Geleugneten, als Widerspruch in sich selbst, oder zu sich selbst, aufzufassen ist, die Gesetze der strengen Logik kommen aber mit der Feststellung aus, daß sofern das Böse der Widerspruch zum (somit) geleugneten Guten ist, dann bedingt aus dem Standpunkt des so definierten Bösen der nämliche Widerspruch, also die eigene Existenz und Legitimierung (des Bösen), einen weiteren, wenngleich nur resultierenden Widerspruch, wonach der eigene Ursprung, der Grund der eigenen Existenz, die eigene Identität, der Urgrund des Widerspruchs nicht (als real) erkennbar (agnostisch) ist(1317). Der Teufelskreis der sodann unabdingbaren Suche nach der eigenen agnostischen(1318) ("letzten") Identität definiert sich als die sogenannte Aufklärung, die von der aufklärerischen Grundposition aus unmöglich aufgeklärt werden kann, und geht daher meistens vorweg von dem unaufhebbaren Widerspruch als die Grundposition (Agnostizismus) aus. Selbstredend kann das Böse den dergestalt unaufhebbaren - weil unreflektierbaren - Widerspruch als die letzte Ursache seines Daseins (a priori) ansehen und ist genötigt diese Einsicht so zu verallgemeinern, als sei die Ganze Schöpfung aus einem Widerspruch entstanden, bzw. sei der Widerspruch der Vater aller Dinge. Ein Widerspruch allerdings, der nicht erkennbar (agnostisch) ist, und daher nur a priori, als "offenbar" vorausgesetzt werden kann. In diesem Fall spaltet sich der Widerspruch in die eingangs genannten polaren Gegensätze, um sich so wenigstens selbst (erkennbar) widersprechen zu können, als würde er sich nicht selbst widersprechen, sondern befände sich der Widerspruch außerhalb (von dem sich Widersprechenden), also wäre der Widerspruch gewissermaßen transzendent, weil scheinbar jenseits der eigenen Position, jenseits der eigenen Erkenntnisfähigkeit, und wäre das angeblich nicht Erkennbare nicht das Leugnen (des angeblich nicht Erkennbaren). Nur wenige Auserwählte, wie Barth, merken, daß der Widerspruch wirklich (in sich) widersprüchlich ist, und beginnen den Widerspruch zu leugnen: sie beginnen also dem Widerspruch so zu widersprechen (Negation der Negation bei Hegel), als sei damit der Widerspruch aufgehoben, sozusagen durch Steigerung im Antiwiderspruch, nunmehr widerspruchsfrei. Deswegen sagt das Gute (seit Jahrtausenden) über das Böse, daß das Böse nur von dem Bösen geleugnet werden kann, und zwar immer erst nach der Leugnung des Guten, bzw. hat die Leugnung des Bösen unabdingbar die Leugnung des Guten zur Voraussetzung. Die Leugnung des Bösen setzt also zwingend die Leugnung des Guten voraus, bzw. schließt das mit ein. Leugnet aber das Böse das Böse, dann nimmt es (damit) für sich das Gute (implizit) in Anspruch, und wenn sich das Böse als Gute gibt, spricht das Gute vom Antichristen, der nichts und niemanden zu widersprechen vorgibt (der große Jasager), aber sogar sich selbst (darin) widerspricht, geschweige denn dem Guten.

Im Sinne der hier gegenständlichen Untersuchung erklomm Barth den Gipfel des Widerspruchs zum Objekt und Subjekt seines Jasagens in seiner dogmatischen Parusieinterpretation. Die hohe Kunst der Leugnung des Guten im Jasagen liegt in der Täuschung, in der Lüge, die in Barths scheinbar "theologischer" Spitzenleistung den bisher unüberbietbaren Glanz erscheint und alles sonst noch theologisch Moderne in den Schatten stellt. Nur der halbstarke Böse sagt direkt nein, während ein Theologe des Unguten in einem angehimmelten Zerrbild Gottes diesen zu Tode loben kann. Dieses bereits zitierte Schema der Pseudodialektik, die in der neueren Theologie eindrucksvoll von Semler gegen Reimarus exemplarisch vorexerziert wurde, befolgte Barth in der Frage der Auferstehung Jesu gegen Bultmann(1319), und in der von ihm als zentralste aller Fragen zugespitzten Parusie gegen Albert Schweitzer, bzw. gegen dessen konsequenten Eschatologie. Während Albert Schweitzer Jesu Messianität so unauflöslich an die damals (zu Lebzeiten Jesu) unmittelbar bevorstehend dargestellte Parusie band, daß das von ihm dann apodiktisch behauptete Ausbleiben der Parusie den Irrtum Jesu über seine eigenen Messianität zeigte, widersprach nun Barth der von ihm vordergründig als häretisch bekämpften Position A. Schweitzers so, daß er die Lüge A. Schweitzers gesteigert und verfeinert hat. Die (von Johannes Weiß entlehnte) luziferische (antichristliche) Grundidee Schweitzers, die Messianität Jesu so an die dann geleugnete Parusie zu binden, als könnte alles durch Jesus Gesagte und Getane ausschließlich durch die (von Jesus als bevorstehend angekündigten) Parusie, d. h. in der Parusie durch Gott, nachträglich und rückwirkend legitimiert werden, übernahm Barth unverändert, bzw. hat er die nämliche (luziferische) "eschatologische Spannung" mit einigen Kniffen sogar verschärft. Barths Vervollkommnung der teuflischen Idee Schweitzers, durch die angebliche Parusieabhängigkeit der Legitimation Jesu als (wirklichen) Christus (Messias) zu leugnen, bestand in der plastischen Veranschaulichung des "Verheißung - Erfüllung" Schemas um die Parusie als "Urteil - Vollstreckung" Schema durch den eschatologischen Richter Jesus. Der erste Kunstgriff Barths ist nun die endgültige und absolute (aber unbiblische) Befestigung der Parusie an der Auferstehung (und Himmelfahrt) Jesu zu Ostern, bzw. mit der Ausgießung des Geistes zu Pfingsten, um dann mit dem zweiten Kunstgriff eine ebenfalls unbiblische permanente Parusie im Geiste des Glaubens an die künftige (historisch-diesseitige) Erfüllung mit der Pointe zu postulieren, daß die bisherigen zwei Phasen der Parusie - respektive Auferstehung Jesu - ausschließlich durch die dritte abschließende Phase der Parusie, die noch unbedingt historisch (wirklich) ausstehende zukünftige (diesseitig) sichtbare (chiliastische) reale Wiederkunft (Parusie) Jesu(1320), (nachträglich) rückwirkend legitimiert werden kann (aber derzeit noch nicht legitimiert sein kann). Die wahrhaft satanische Gesinnung Barths kommt in seinen durch Weitschweifigkeit eingenebelten Erörterungen über die Naherwartung der biblischen Parusie zum Ausdruck, die er somit kannte und kennen mußte, bevor er sie durch spirituelle Spekulation in die ungreifbare und "ungewisse" Zukunft (des sich selbst genügenden Glaubens) "entrückt" hat. Soweit es feststeht, daß Barth den ihm wohlbekannten biblischen Termin der Parusie gleich mindestens um Jahrtausende (ins zukünftig Ungewisse) verschiebt, sei es auch unter dem Vorwand der angeblichen Dehnung, oder auch wenn nur feststeht, daß die von Barth heuchlerisch hochgelobte biblische Offenbarung einen mit Barths spiritueller Fiktion absolut unvereinbaren Termin der Parusie voraussetzt, dann kann die von Barth erdichtete (unbiblische) unabdingbare Bindung der Legitimation alles Christlichen an eine angeblich noch ausstehende Parusie, das bis zu der Legitimation durch die künftige Parusie bloß "geglaubte" Christentum ohne (legitimen) Anspruch auf die Realität bleiben muß, logisch unmöglich als bloße (gutgläubige) Irrtum abgetan werden. Soweit also Karl Barth einschlägig als der größte Theologe gilt, und soweit die Lüge ein verläßlich offenbartes Zeichen des Widersachers ist (Joh 8,44), kann Barth hier als der größte Luziferist (Antichrist, weil Pseudochrist) in der zeitgenössischen Theologie identifiziert werden. Barth macht nämlich den Wirklichkeitsgehalt uns Realitätsanspruch seines vorheuchelten "Glaubens", so von einem (unbiblischen) angeblich zukünftigen Ereignis abhängig, daß er vorher das nämliche Ereignis (biblisch) in der Vergangenheit ortet. Also täuscht Barth einerseits (im Sinne A. Schweitzers und Reimarus den Irrtum Jesu) vor, als hinge die Bewahrheitung des "Glaubens" (über Jesus Christus) von einem Ereignis (Parusie), das nach dem Tod Jesu aber für uns in der Vergangenheit hätte unbedingt stattfinden sollen, aber angeblich nicht stattfand, abhängen, und täuscht der gleiche Barth andererseits vor, daß das in der Vergangenheit geleugnete Ereignis (Parusie) künftig noch so stattfinden könnte, daß es keine unvereinbarer Widerspruch zum (biblisch offenbarten) christlichen Glauben wäre, sondern der einzige Ausweg des "Glaubens" aus der (angeblichen) biblischen Lüge (die eine Parusie nur in der Vergangenheit authentisch annehmen läßt).

In der perfektionierten Leugnung alles Guten durch die vordergründig übersteigerte Bejahung des Guten gibt sich Barth in seinem Spätwerk (Dogmatik) wenig Blöße und fällt selten aus der Rolle. Routinemäßig verwendet Barth den Zirkelschluß und verbindet den im Kreis geführten Gedankengang zynisch mit dem so deplazierten Glauben, immer wenn er die von ihm stets stark forcierte Wahrheit aus sich selbst (Gott und Offenbarung) karikiert. Wie aber die Eigengesetzlichkeit der Lüge das so in sich hat, treibt es Barth auch hier gelegentlich auf die Spitze und macht sogar ab und zu einen Ausfall.

So arbeitet er an einer Stelle mit großer Sorgfalt einen (angeblichen) Widerspruch im Evangelium aus(1321), d. h. er Unterstellt dem Evangelium in der Grundaussage einen - auf der Vernunftsebene - angeblich unaufhebbaren(1322) Widerspruch(1323), läßt es ausdrücklich als unaufhebbarer Widerspruch(1324) auf sich beruhen(1325), wobei er diesem Abschnitt zynisch vorangestellt hat, daß mit diesem unaufhebbaren Widerspruch ausschließlich der Glaube(1326), nämlich der Christus des Glaubens fertig werden kann(1327), und so glaube er angeblich ganz fest, und alle Christen sollten, ja müßten auch ganz fest glauben, daß dieser Widerspruch von dem kommenden Christus des Glaubens bei seiner noch ausstehenden Parusie wunderbar aufgelöst werde(1328), weil ohne ein - noch ausstehendes - Wunder (wider die Vernunft) bei der Parusie ist der Widerspruch in der zentralen Grundaussage des Evangeliums unmöglich auflösbar(1329), und muß bis zur künftigen Parusie ungelöst bleiben(1330).



Eines der wenigen offen luziferischen Ausfälle im parusiezentrischen Spätwerk Barths, der gewöhnlich durch Bejahen ad absurdum führt, handelt von der Leugnung durch die Wertung Gottes, also von der Lästerung des Gottes der authentischen biblischen Parusie, von der Verurteilung des von Barth als eschatologischen Richter hochstilisierten Gottes der Bibel, nämlich in der Wertung seiner Richterfunktion(1331) im Christus (im Gegenüber zu Gott der künftigen Parusie Barths). In dem apologetisch angelegten Schema stellt Barth die gekonnt schlendrian formulierte rhetorische Frage nach der hypothetischen Richtigkeit und Haltbarkeit der Position des Gottes, der den Parusietermin wortgetreu der biblischen Vorgabe entsprechend termingerecht verwirklicht hätte(1332), und spannt dann den Bogen des kunstvoll geschwungenen Zirkelschlusses über das Apriori, daß die Nichterfüllung der biblischen Vorgabe der schlagende Beweis der Unhaltbarkeit der biblischen Position hinsichtlich des Parusietermins sei(1333). Von der so erarbeiteten Voraussetzung ausgehend ist nur ein kleines Stück des Weges um den Kreis zu schließen und über den Gott der biblischen Parusie herzuziehen. Den ersten Halbkreis im wiederum typischen Zirkelschluß spannt Barth mit dem folgenden Satz(1334) auf "So hat Gott in Jesus Christus gerade nicht handeln wollen und tatsächlich nicht gehandelt", und schließt mit dem zweiten Halbkreis rund(1335) "So sieht das, was er in ihm zu seiner Ehre und zu unserem Besten, so sieht der Gnadenakt, in welchem er sich als des Menschen Schöpfer und als der Herr des Bundes, zu dem er ihn erwählt hat, bestätigte - so sieht seine Auseinandersetzung mit des Menschen Hochmut und Fall und des Menschen Umkehrung zu ihm hin - indem sie in der Tat sein Höchstes und Letztes ist - nicht aus." Im hierauf folgenden Satz hebt Barth (von der vom ihm andernorts radikal bejahten biblischen Offenbarung) nun völlig ab(1336): "Und nun bemerke man: das wäre gar nicht Er, nicht der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht der Vater Jesu Christi, nicht der Gott aller Barmherzigkeit und alles Trostes, der es so gehalten, der so gehandelt hätte. Das wäre, auch wenn die Ehre, die er sich selbst damit zulegt, und wenn die Wohltat für die Welt, die das bedeutet hätte, noch so groß vorgestellt würde, der Akt einer abstrakten, einer gottlosen Gnade gewesen, nicht die seinige, nicht die dem Menschen in Jesus Christus zugewendete Gottesgnade, eine Treue voll Untreue: eben weil es eine einseitige, eine den Menschen überrennende, ausschaltende, ignorierende Entscheidung gewesen wäre." Diesem totalen Widerspruch zu dem von Barth befeindeten Gott der biblischen Parusie, den Barth expressis verbis als gottlos bezeichnet, ist nämlich in den vorigen Sätzen Barths die Positionierung der künftigen überbiblischen Parusie Barths (wiederum) mittels Zirkelschluß unmittelbar vorangegangen, wonach der Alternativgott Barths die Erfüllung der ausstehenden Alternativparusie deswegen in die Länge zog, damit die Menschheit "Zeit" habe(1337), nämlich Zeit darüber nachzudenken, warum Gott die Parusie in die Länge zog. Barth geht also von der Faktizität des Ausbleibens der zeitlich nahen Parusie in biblischer Zeit aus(1338), leugnet aber heuchlerisch den von ihm geschürten Problemcharakter des Ausbleibens der biblischen Parusie, indem er den Grund des Ausbleibens und (biblisch unmöglichen) Verschiebung der Parusie direkt (seinem überbiblischen) Gott (gegen die Bibel(1339)) unterstellt(1340), und in dem von ihm so geschaffenen offenbarungsfreien Raum bisher Unoffenbares über eine von ihm (inspirativ) erdichteten (unbiblischen) Zwischenzeit (Zwischensabbat, bzw. Vorsabbat) vor dem Sabbat (d. i. die Parusie des Reiches Gottes) als Zirkelschluß verkündet(1341), weil Gott "selbst sein letztes Wort wohl gesprochen, aber noch nicht zu Ende gesprochen hat (nachdem die letzte Stunde schon geschlagen hat, deren Schlag aber gewissermaßen noch nicht verklungen ist)". Mit dem zitierten Widerspruch zu der Kreuzestheologie der Bibel und mit dem Bekenntnis zu dem überbiblischen Alternativgott, der das Heil der Menschen im eigenverantwortlichen Eigenregie, nämlich über das Selbst des Menschen(1342)abwickelt, ist Barth mit dem von ihm gelästerten Gott der biblischen Parusie noch nicht fertig, und setzt so nach, daß der obligate Zirkelschluß, gewissermaßen der Zirkelschluß der Zirkelschlüsse, diesmal den Schluß (des globalen Zirkels) bildet(1343), um nicht zu sagen abrundet: "Keine ewige Herrlichkeit der vollendeten Welt in seinem Lichte hätte das gut machen können, daß das ein menschenunfreundliches, ein zutiefst ungnädiges Tun gewesen wäre! Und keine Souveränität, die man in der Übung solcher Gnade rühmen möchte, könnte etwas daran ändern: das wäre eben brutale Gnade gewesen - Gnade, wie sie sich der brutale Mensch wohl vorstellen mag, wie sie aber die Gnade des wirklichen, des lebendigen Gottes, der der Vater, Sohn und der Heilige Geist ist, nun gerade nicht ist. Daß es zwischen dem schon eingetretenen ersten und dem noch künftigen letzten Ende unserer Zeit, die Endzeit gibt, das beweist fürs erste, daß wir uns den Gedanken an einen solchen Gott und an eine solche Gnade aus dem Kopf zu schlagen haben." So viel zu der von Karl Barth - im Rahmen seines globalen theologischen Bejahungsprogramms - stets leidenschaftlich geforderten "Wahrheit aus sich selbst", nämlich Gottes und der Offenbarung, die er mit seinen konsequenten Zirkelschlüssen (die eine Ersatzwahrheit aus sich selbst simulieren) verhöhnt. Mit den zuletzt zitierten Sätzen leugnet nämlich Karl Barth genau den Gott der biblischen Offenbarung, den er (in seiner "inspirierten Exegese" völlig umgedichtet) scheinbar die ganze Zeit radikal bejaht. Bedenkt man, daß Barth immanentistisch das Gute und das Böse direkt mit Sein und Nichtsein gleichsetzt(1344), so offenbart die inspirierte Exegese Barths den biblischen Gott via Parusieverzögerung als Nichtsein (Nichtseiende, Nichtige, Nichtgegebene(1345)) und den überbiblischen Gott des inspirierten Exegeten Barth als das Sein(1346).

Barth ist eine Ausnahmeerscheinung insofern, als er schon als Zeitgenosse Albert Schweitzers dessen "konsequente Eschatologie" kritisiert und ablehnt(1347), und damit als so gut wie der einzige Modernist sich äußerlich von der Moderne(1348) verbal distanziert, der trotz seiner fundamentalistischen Grundposition aufgeklärte bis moderne Religionsphilosophie betrieb. Barths Kritik an der religionsgeschichtlichen Schule der Liberalen und an den Kulturprotestantismus ist trotz der scheinbar scharfen Ablehnung eine höchst oberflächliche und rein formale, um die gleichen verlogenen Inhalte statt philosophisch und historisch(-kritisch), oder religionsgeschichtlich, nunmehr bibeltheologisch, bzw. dogmatisch zu artikulieren(1349). Die gleiche Pseudokritik imitiert dann Pannenberg(1350), indem Pannenberg seinerseits Barth (wohl zu Recht) der Tod-Gottes-Theologie bezichtigt(1351), den er bei Hegel schon nachweist(1352), um den gleichen Parusieschwindel, als eine Rezension der Barthscher Eschatologie, um noch eine Stufe perfekter zu tarnen(1353). Barth selbst beleuchtet seinen theologischen Werdegang als scharfe Apposition zu seiner früheren Identifikation mit dem "Ausbleibens dieses Finale" (Parusie) des Kulturprotestantismus - das "nie eingetreten ist"und "nie eintreten wird" - in der Theologie der Krisis(1354), zu seiner "eschatologischen Wendung". Die Besonderheit seiner eigenen Position sieht Barth in der grundsätzlichen verbalen Bejahung der Parusie, so als wäre die Bejahung unter einer absolut unerfüllbaren Bedingung nicht noch schlimmer als eine direkte und offene Verneinung. In diesem Sinne schulmeistert Barth die Moderne mit dem bestechenden Argument, daß so wie er eingesehen habe, daß reine Überzeitlichkeit (der Parusie) falsch gewesen sei, so müsse die Moderne einsehen, daß auf die Enttäuschung über die reine Gegenwartsbezogenheit des Traditionalismus die reine Zukunftsorientierung nicht die einzige, und nicht einmal die beste Antwort sei(1355), sondern die Zukunftsorientierung der Ultramoderne müsse die Legitimierung der Gegenwartsorientierung verheißen. Obgleich die Gegenwart Gottes vermeintlich erkennen zu können von den Traditionalisten ebenso falsch gewesen sei, wie die Gegenwart Gottes nur in der Zukunft durch die Moderne, so Barth, können beide irrige Auffassungen durch Barths (inspirierten) Verkündigungstheologie zugleich in einer neuen Ordnung verbal (im sog. Glauben) bejaht werden, denn der überzeitliche Gott, so weiß Barth seine - nunmehr abgeschworenen - theologischen Jugendsünden zu korrigieren, kann nur gleichzeitig in allen drei Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) als gegenwärtig, wenngleich nur im Glauben (und nicht real), angenommen werden. Die Modernen bekommen insofern von Barth recht, als eine reale Gegenwart, falls überhaupt (notwendig), nur in der Zukunft sein könne, aber wenn er in der Zukunft wirklich real sein sollte, dann gelte (künftig) seine Anwesenheit (rückwirkend) auch in Vergangenheit und Gegenwart als gegenwärtig (gewesen). Man könne also nie wissen, so Barths Agnostizismus: nur glauben. Es ist offensichtlich, daß mit der polemischen Kritik an der offenen Leugnung der Parusie in der Moderne und hieraus resultierende Eschatologisierung von Barth nur ein Ablenkungsmanöver sind. In Wirklichkeit warnt Barth die Moderne vor der damaligen Euphorie, daß durch die Verschiebung der Parusie die Theologie und Religion im gleichen Augenblick wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen werde, und bereitet sich auf einen Stellungskrieg gegen den biblischen Gott mit seiner biblischen Parusie vor, indem er sich gewissermaßen theologisch eingräbt und (heuchlerisch) zu tarnen beginnt(1356). Bei seiner kritischen Ermahnung der allzu Leichtsinnigen rutschen Barth verschleierungstechnische Formulierungen aus, die ihn verraten, daß er keineswegs um das Evangelium besorgt ist, sondern um die vorzeitige Entdeckung des Schwindels, den er mit den von ihm Kritisierten gemeinsam dem Evangelium unterschiebt(1357):

"Es war gewiß höchste Zeit, daß auch die historische Erforschung des Neuen Testaments sich zu der Erkenntnis durchgerungen hat, wie sehr dessen Botschaft und dessen Glaube von der Erwartung der Wiederkunft Christi und des Endes aller Dinge bestimmt und durchdrungen war. Und diese Erwartung ist in der Tat nicht genau verstanden, wenn nicht gesehen wird, daß sie nicht mit langen Zeiträumen gerechnet hat, sondern daß sie Naherwartung gewesen ist. Das Auslegungsproblem, das damit gestellt ist, liegt auf der Hand. Aber wenn die Lösung dieses Problems durch die massive Feststellung, daß diese Naherwartung als solche «nicht in Erfüllung gegangen sei», nun doch allzu sehr auf der Hand liegen dürfte, um zwingend zu sein, so war und ist es auf alle Fälle auch auf dem Feld der neutestamentlichen Exegese nicht weise, diese Erkenntnis, dieses Problem und diese Lösung des Problems als eine Art Aladinisches Zauberwort zu behandeln, dem sich nun gleich alle Türen zu allen Geheimnissen öffnen sollen und also durch alle Jahrzehnte hindurch nur noch dieses Eine wissen und in pathetischer Monotonie sagen zu wollen: daß das Urchristentum in der Naherwartung der Wiederkunft gelebt habe, daß diese nicht eingetroffen sei, daß damit alle seine übrigen Aussagen gänzlich alteriert worden seien und daß uns als ihr bleibender Gehalt die Mystik der «Ehrfurcht vor dem Leben» und sonst nichts übrig bleibe. So darf man, wenn man sich selbst nicht mit Sterilität strafen will, auch wenn man seiner Sache noch so sicher zu sein meint, in einer einzelnen Einsicht auf keinen Fall stecken bleiben. Mußte die eschatologische Deutung des Neuen Testamentes und des Christentums überhaupt nach jahrhundertelanger Vernachlässigung dieser Seite der Wahrheit der Ewigkeit Gottes notwendig ihren Raum bekommen, so durfte doch das Unglück nicht geschehen, so darf es jedenfalls bei dem Unglück nicht bleiben [...] Kam man - wie es offensichtlich sowohl in der von den beiden Blumhardt ausgehenden Bewegung als auch auf dem Feld der rein historischen Exegese des Neuen Testamentes nun doch wieder in ganz uneschatologisch liberale (z. T. geradezu trivial liberale) Gedankengänge zu geraten, dann mußte diese Gefahr ein Warnungssignal sein: die Aufforderung zur Einsicht, daß nun doch auch die Nachzeitlichkeit Gottes (neutestamentlich: die Wiederkunfts- und Enderwartung) in einer Klammer, in einem größeren Zusammenhang steht, vielmehr: daß sie wohl die ganze Wahrheit Gottes ist, aber eben als solche gänzlich ungeeignet dazu, von uns wie ein Instrument oder wie eine Waffe ergriffen und gehandhabt zu werden, weil sie vielmehr uns ergreifen und handhaben will, sich dann aber in ihrer Eigenart als mächtiger erweist, als daß wir sie auf diese Eigenart gewissermaßen festlegen, als daß wir die innere Bewegung ihrer Eigenart verkennen könnten, als daß wir dieser Bewegung nicht mehr folgen müßten."

Ob aus diesen Sätzen der Teufel (durch seinen antibiblisch inspirierten Wortverkündiger Barth) höchstpersönlich zu uns spricht oder nicht, das mögen die Moraltheologen und Dogmatiker definitiv entscheiden, aber aus dem bibeltheologischen Gesichtspunkt lügt Barth so unverfroren, daß er dem als Lügner charakterisierten biblischen Ideal des Bösen (Joh 8,44) allzu nahe kommt. Die sozusagen übermächtige Wahrheit des angeblich biblischen Gottes in Barths Verkündigung, wonach sie zur Gänze aus Unwahrheit bestünde, nur daß man das nicht gleich allen sagen, sondern durch die vorgelogene Eschatologie (Parusie) in der Zukunft diskret verschleiern soll, ist die bisher wohl größte Lüge auf dem heimatlichen Boden der Theologie, auch wenn Barth nicht als der größte Theologe etikettiert wäre. Und nun die Lösung Barths(1358):

"Man überwindet die Irrtümer dieser Jahrhunderte nicht, indem man das auch ihnen zugrundeliegende Wahrheitsmoment unterdrückt, sondern indem man es in seinem Zusammenhang, aus dem es nicht gelöst werden darf, sieht und zur Geltung bringt."

Eine größere Frechheit in der Theologie, zumal es sich bei Barth um den angeblich größten Theologen handelt, steht noch aus. Barth meint nämlich zynisch, daß Irrtum und Wahrheit so im "Zusammenhang" gebracht werden müssen, besser gesagt stünden sie schon so in (unauflöslichem) Zusammenhang, und dieser Zusammenhang ist wahrzuhaben, daß der Irrtum die Wahrheit, will man den Irrtum verwerfen, mit verwirft, gleichsam mitreißt. Oder: Die Barthsche Wahrheit kann man nur zusammen, nämlich mit der - mit ihr im Zusammenhang stehenden - Unwahrheit "zusammen", bestehen lassen. Wahrheit und Unwahrheit können und sollen nicht voneinander getrennt werden, so als wären sie aneinander "gebunden". Auch wenn Barths Wahrheit nicht Lüge, und Barths Irrtum nicht die Wahrheit wäre, wäre diese Junktimierung in der Bibeltheologie methodisch ein Unding. Aus der Wahrheit kommt keine Unwahrheit (2 Kor 13,8; 1 Joh 2,21) und die Wahrheit kann sich mit der Unwahrheit nicht verbinden (Joh 14,17; 15,26; 16,13), wie es von allen Theologen Barth am besten wußte und wissen mußte. Unter den aufgezeigten Voraussetzungen erscheint also als erwiesen, daß Barth sehr wohl um die Unvertretbarkeit der ausgebliebenen Parusie wußte und es sogar in früheren Jahren nachdrücklich guthieß, ja sich damit identifizierte, aber in seinem Spätwerk die damit verknüpfte Leugnung der Messianität Jesu(1359) keineswegs inhaltlich korrigiert hat, sondern in einem ausgeklügelten System, das auf die Apokatastasis(1360), auf die Wiederbringung Aller hinausläuft(1361), bloß zu verschleiern gesucht hat.

Zusammenfassend kann der eigentlich luziferische Verdienst Barths in dem methodischen Durchbruch, die Spekulation - als Bejahung der Grundwerte der Theologie getarnt - in die Dogmatik eingeschleust zu haben, konstatiert werden. Barths heuchlerische Abwendung von der von ihm zum Glanz gebrachten Dialektischen Theologie und Hinwendung zur königlichen Disziplin der Theologie, zu der Dogmatik, ist deswegen der Gipfel der Moderne in der Theologie, weil die mit Semler eingeschlichene Spekulation in der Theologie sich auf den Richterstuhl (vgl. Mt 23,2) der Theologie vorgearbeitet hat. Bisher begnügte sich die seit Semler in der Theologie vor allem als die historisch kritische Methode (über die Hilfsdisziplinen der Theologie) eingeschleppte Spekulation mit der Kritik an der Dogmatik von außen, ebenso wie der theologische Fundamentalismus. Indem aber Barth die Pseudodogmatik als vorgebliche Dogmatik, sowohl bei Fundamentalisten, wie auch bei Spekulativen, salonfähig gemacht hat, schaffte er den methodischen Durchbruch und damit die Entfremdung der an sich streng logischen Methode der Theologie in der Wahrheitsfindung, sowohl zugunsten der Spekulation wie auch der Apriorismus(1362). Barth blieb trotz seiner heuchlerischen Wende von der Dialektischen Theologie zur methodischen Strenge ein Pseudotheologe, und kann somit als der perfekteste aller Fälscher, der vollkommenste aller Luziferisten in der Theologie, als Vater der Lüge in unseren Tagen, bezeichnet werden, sofern und solange er noch als der größte Theologe gilt.

3.12. Die Theodizee

Zwölfter Grundsatz ist die Erhellung der luziferischen Logik, wonach die strafende Gerechtigkeit des biblischen Gottes, die als Problemstellung im Evangelium durch die Sündenvergebung durch Gott (in Christus) gelöst ist, so umgangen werden soll(1363), daß die nämliche strafende Gerechtigkeit samt Sündenvergebung ad absurdum geführt wird(1364). Es wird von der Subkultur ein menschengerechteres Gottesbild - als das biblische - entworfen, das natürlich vom Original in den Punkten abweicht, die das unabdingabre Wesen des Christentums ausmachen. Die Entchristianisierung mit Hilfe dieser pseudowissenschaftlichen Denklogik wird zunächst mit der bewußten Überdimensionierung des Heilswillens Gottes eingeleitet, um dann das überkommene Gottesbild der biblischen Offenbarung als unausgereift und ähnlich abzuqualifizieren.

3.12.1. Der ungeteilte Teufel

Der "kritisch" mehr oder minder offen umgestaltete (zumeist schon umgestaltet vorausgesetzte) Gott schließt nicht nur alle Menschen, sondern die gesamte Schöpfung als "gerettet" ein (Apokatastasis), so als könnte und wollte der "Höchste", im Gegensatz zu dem minderwertigeren, weil nur partiell heilswilligen biblischen Gott, nichts und niemanden aus dem ganzheitlichen Heil ausschließen. Ob nun die Vorzüge des neuen - aufs Ganze gehenden - Gottes gesondert expliziert, oder stillschweigend (a priori) vorausgesetzt werden, wird dieser Übergott dem biblischen Gott so (offen oder verdeckt) gegenübergestellt, als sei der sich in dem christlichen Evangelium offenbarende Gott nicht christlich genug, alle ohne Ausnahme in das Heil einzuschließen, sondern - über die vorgeschaltete persönliche Sündenvergebung - (unzulässige, bzw. unchristliche) Ausnahmen macht. Die Interpretation des vom Neuen distanzierten (alten) biblischen Gottes bewegt sich zwischen der Wertung als überholt (ausgemustert) bis hin zum protochristlichen Übergangslösung, nämlich bis zur eschatologischer Verwirklichdung der Apokatastasis. Auf der emotionellen Ebene wird zumeist nonverbal der Eindruck erweckt, als würde der biblische Gott den Teufel diskriminieren (unter Verletzung des Gleichheitsprinzips), so als sei Gott nicht vorurteilsfrei, weil nicht mächtig genug (den Teufel zu begnadigen und umerziehen), sondern vielmehr "undemokratisch" autoritär.

Mit oder ohne dem zuvor aufgezeigten logistischen Übergang, gipfelt die luziferische Logik stets in der Einbeziehung des absolut Bösen in das positive Heilsgeschehen, so als sei Sünde und Teufel zu hassen unchristlich(1365), bzw. "unvollkommen" (weil die Gnosis gewöhnlich Vollkommenheit - monistisch - mit Ganzheit assoziiert), "einseitig", eine "halbe Sache". Das ist gewissermaßen die Grundidee des sogenannten Ganzheitlichen Denkens. Daher das Paradigma des neugnostisch Absoluten, das in dem so pervertierten Christentum auch - immer - die Liebe zum Teufel, die Liebe zum absolut Bösen mit inbegriffen wissen will, damit so die Liebe erst dergestalt "absolut" - weil angeblich "ungeteilt" - sei. Daß die neu kreierte "Liebe Total" doch nicht widerspruchsfrei präsentiert werden kann, zeigt sich spätestens in dem unbändigen Haß auf alles überkommen Christliche, die zumal von Christen, relativ leicht (in der Begegnung) zutagegefördert werden kann. Es gibt auf der Welt nichts untoleranteres, als ein "Toleranter" gegenüber den "Intoleranten"(1366).

3.12.2. Der selbstgerechte Teufel

Schon in den Anfängen des Christentums war das Übel in der Welt der zentrale Angriffspunkt des Antichristen (Gnosis) gegen Gott und die Welt und die vielstrapazierte Theodizee-Problem trieft vor Hohn(1367). Noch heute ist das Übel in der Welt für die durch die Aufklärung für die neuplatonische Gnosis (Neugnosis) entfremdete Philosophie die unveränderte Ausgangsposition der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes und damit ganz bewußt nach Gott selbst(1368). Das Theodizee-Problem ist methodisch mit dem sogenannten teleologischen Gottesbeweis(1369) verbunden, wonach die allenthalben wahrnehmbare (handlungsorientierte) Ordnung zwingend auf ein Ordnendes schließen läßt, bzw. setzt es logisch voraus. Immer öfter wird dabei an der (an einen omnipotent personalen Gott gebundenen) Terminologie von Leibniz(1370) vorbei, bloß allgemein von dem Grund der Ordnung abstrakt (bewußt ohne Personifizierung) in der Teleologie gesprochen(1371). Die subjektivistische Apriori der Aufklärung, die etwa die angebliche Unmöglichkeit einer evolutionären Ordnung in der Natur deswegen voraussetzen und so selbst die allfällige Naturordnung höchstens agnostisch begreifen, aber im Grunde leugnen muß(1372), weil die Ordnung in der Natur das Dasein des (handelnden) Ordners (ohne die prädikativen Auflagen von Leibniz) sehr wohl voraussetze, versucht von dem eigenen Widerspruch mit der fadenscheinigen Theorie der angeblich hier wuzelnden Notwendigkeit (Grund) der Religion (Theodizee) abzulenken(1373), daß nämlich dem Unterschied der souverän apriorisierten moralischen Ordnung des Subjektivismus zum objektiven Unordnung der Natur (Übel in der Welt) die logische Notwendigkeit der Religion entstamme(1374) (zu der sich die Aufklärung heuchlerisch bekenne).

Nicht erst nach der Evolutionstheorie Darwins(1375) wird die Interessenkollision der Aufklärung rund um die Teleologie und Theodizee augenscheinlich(1376), doch kann sie trotzdem, nicht nur mit der Einengung (Engführung) der Darwinschen Evolution auf die belebte Natur, die unbelebte Natur nach wie vor als Manifest der Unordnung vorschützen(1377), sondern gleichzeitig den Spieß umdrehen und das evolutionäre Ordnungsprinzip als angeblich mit der Kulturtradition im Widerspruch befindlich propagieren. In Wahrheit trifft die Lehre von der Evolution den Existenznerv der Aufklärung, dessen Galionsfiguren in der Teleologie zu Recht die schlimmste Existenzbedrohung für die Aufklärung erkannten, und die nämliche teleologische Gefahr mit der spekulativen Umgehung der Logik und sonstigen pseudowissenschaftlichen Manipulationen begegneten(1378). Und so bezeichneten sie sogar ihre Argumentation zynisch als die "Emanzipation der Naturtheorie aus den Zwängen der Teleologie"(1379). Der perfekte Mord an Gott(1380) scheint nach dieser Geisteshaltung auf dem Weg umsetzbar zu sein: sich als Gott ausgeben(1381) und dann Selbstmord vortäuschen, um schließlich die Schuld der (immer als böse vorverurteilten) Wirklichkeit in die Schuhe zu schieben. Es steht auf jeden Fall fest, daß die Evolutionstheorie(1382) nicht einen Gegensatz zu der wohlverstandenen Religion an sich bildet, sondern ist nach dem eigenen aufklärerischen Selbstverständnis mit der Pseudoreligion der Aufklärung absolut unvereinbar, und führt diese mit der ihr zugrundeliegenden streng antiteleologischen Grundposition(1383) ganzheitlich ad absurdum.

3.13. Die Negation

Der dreizehnte Grundsatz ist die These von der Leugnung des Teufels als lediglich eine Spielart der Leugnung Gottes, nämlich die indirekte, welche darin (implizite) vorausgesetzt werden muß. Diese These ist in der traditionellen christlichen Theologie tief verwurzelt und war stets eines der tragenden Grundsätze christlicher Theologie, die von der Subkultur zynisch mit dem Argument bekämpft wurde, daß die "Traditionalisten" an den Teufel "glaubten"(1384). Grundsätzlich kann alles über den Atheismus Gesagte hier wiederholt werden. Es möge hier der Hinweis genügen, daß ein immer wiederkehrendes Hauptmotiv in der Kultivierung des Bösen eben die Leugnung desselben ist. Man könnte mit einem leicht abgewandelten Descartes sagen, daß der Leitspruch des kultivierten Bösen etwa lautet: "Ich leugne also bin". Aber auch: "ich leugne also (er) ist". Es wäre eine hier zu weit führende (wenngleich triviale) philosophische Fragestellung, ob nicht der sich (spekulativ) selbst als höchste Instanz erkennende Mensch(1385), ebendies zwangsläufig leugnen müsse. Sei es über die Verleugnung der höchsten Instanz überhaupt, sei es über die Verleugnung der eigenen Identität (Selbst), oder eher beides.

3.14. Der Irrtum

Vierzehnter Grundsatz sei die Enttarnung der sog. Diskussionsbereitschaft der Subkultur als Farce, bzw. als vordergründiger Ablenkungsmanöver. Vor allem Liberale täuschen immer so lange Gesprächsbereitschaft vor, bis sie den Gegner damit hinhaltend (zumeist) ihn existentiell oder psychisch vernichten. Auch wenn die lieben Mitliberalen dem soeben verabschiedeten Kardinal angeblich nichts mehr glauben konnten und wollten, behielt jener zumindest in dem Punkt recht, daß der vorgebliche Informations- und Meinungsaustausch, auch wenn nicht alles in einer unzumutbaren Form aufgezwungen worden wäre, nichts mit Sachargumenten, geschweige denn mit Wahrheit zu tun hatten. Auf eine Kurzformel gebracht: immer wenn die Subkultur Diskussionsbereitschaft vorgibt, führt sie etwas im Schilde, bzw. hat schon der Gegner zumeist den Dolch oder Giftpfeil schon im Rücken. Es sei mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß Anstand, Korrektheit und ähnliche Tugenden etwa, dem Liberalen vollkommen wesensfremd sind, obwohl er damit (heuchlerisch) blendend umgehen kann. Erst wenn man sich eingesteht, daß die Liberalen im Heucheln, also im populistischen Umgang mit den christlichen Tugenden, den Christen haushoch überlegen sind, wird man die Liberalen - mit Gottes Hilfe - begegnen können.

Erklärend kann hinzugefügt werden, daß die Bibeltheologie, so wie relativ durchgehend die Heilige Schrift selbst, den Abfall, das Verloren-Sein oder Verloren-Gehen, mit dem Begriff "Irrtum", wie etwa Verirrung, in die Irre gehen und ähnliches, ausdrückt (Mt 24,11; Mk 13,5//Mt 24,4.5.11.24; Lk 21,8; Joh 7,47; Röm 1,27; 1 Kor 15,13; Eph 4,14; Kol 2,8-23; 2 Thess 2,11; 1 Tim 6,2-10; 2 Tim 2,14-26; Tit 1,10; 3,3; 3,9-11; Hebr 5,2; Jak 5,20; 1 Petr 2,25; 2 Petr 2,15.18; 3,17; 1 Joh 1,8; 2,18-27; 3,7; 4,6; 2 Joh 7), denn auch Adam hat sich ja nur "geirrt" (könnte man meinen). Im heutigen Sprachgebrauch kommt die volle Härte des Irrtums nicht mehr so deutlich zum Ausdruck und wird von dem Begriff der Sündenvergebung (an und für sich zu Unrecht) relativiert(1386). Nicht zufällig ist aber für die Bibel Irrtum und Verhängnis synonym. Vergeblich tröstet sich also der moderne Pharisäer mit "irren ist Menschlich", denn er trägt die gleiche übergroße Verantwortung wie seine biblischen Vorgänger (Mt 3,7; 5,20; 21,45; 23,1-39; Lk 11,37-54; Mk 8,14-21//Mt 16,5-12; Lk 12,1-3). Gegen niemanden erhob Jesus jemals die Stimme als gegen die Elite der damaligen Verheißung (Mt 23,13-29; Lk 11,42-52). Jeder andere Sünder konnte zu ihm kommen, aber die "irrenden" Frommen und heuchlerischen Gelehrten wies er schroff ab. Jesus scheute sich auch nicht so - heute aus der Mode gekommenen - Begriffe wie "Satan" für die Irrende zu verwenden. Irren heißt für ihn: nicht glauben. Nur wer glaubt, hat das Evangelium vom ewigen Leben in Jesus Christus. So ist der Irrtum selbst nur Ausdruck des Verlorenseins (an den Satan), allerdings ein sehr verläßlicher Ausdruck.

Zusammenfassend kann von der vorgeblichen Diskussionsbereitschaft der Subkultur ausgesagt werden, daß auch wenn die Bibel nicht von unüberwindlichen Gegensätzen sprechen würde, die Gegner der Bibel, die sie oft besser kennen als die christlichen Theologen, gehen auf jeden Fall von der Unvereinbarkeit ihrer Ansichten mit dem biblischen Evangelium aus, insb. immer dann, wenn sie Gesprächsbereitschaft vorgeben. Diese geheuchelte Gesprächsbereitschaft - vor allem biblische Fragen betreffend - kann und darf nur mit der Vorfrage begegnet werden, ob der vorgeblich Gesprächsbereite, im Falle eines gelungenen Beweises zugunsten der Bibelwahrheit, seinen Standpunkt ändern würde, was gewöhnlich verneint wird. Sollte auch ausnahmsweise eine affirmative Antwort kommen, so meistens von einem exzellenten Bibelkenner, der auf sein Können fälschlich vertraut, jedoch nicht daran denkt Wort zu halten. Oder kommt es von einem, der sich zu wenig auskennt, die Sache dann - vorerst - allenfalls mit einem "es sieht so aus" quittiert, und spätestens nach der üblichen Rücksprache mit einer Autorität seiner Denkrichtung den Rückzieher macht. Die Anhänger eines Alternativgottes (alternativ zum biblischen Gott) können und wollen nicht darüber sprechen, sondern nur mit dem vorgetäuschten Gespräch von etwas ganz anderem ablenken. Es gilt dabei die Faustregel: desto biblizistischer desto heuchlerischer, wobei biblizistisch (fundamentalistisch) nicht mit biblisch verwechselt werden darf.

3.15. Der Kanon

Der fünfzehnte Grundsatz besagt, daß die Subkultur - ähnlich dem ständigen Charakteristikum Chiliasmus - stets mit der Manipulation der Offenbarung einhergeht, wenn nicht gewissermaßen hieraus resultiert(1387). Da ist zunächst Schritt und Tritt die Rückführbarkeit auf Jakob Böhme, d. h. auf dessen Alternativoffenbarung, weiters die mehr oder minder offene Hantierung mit Apokryphen und postbiblischem Offenbarungsgut. Doch die Hineininterpretierung außerbiblischer Offenbarungen in die Heilige Schrift ist relativ harmlos im Vergleich zu der Manipulation im und am Kanon selbst. Es kann dabei verallgemeinert werden, daß die Fundamentalisten den Wortlaut, also den für authentisch beschworenen Inhalt verstellen, während die aufklärerischen Liberalen formell gegen den Kanon vorgehen, nämlich nach "außerbiblischen", "überbiblischen" (pseudoinhaltlichen) Kriterien, also die Authentizität fragmentieren und (damit schon) negieren(1388).

Die überragende Wichtigkeit und zentrale Rolle dieses Grundsatzes kann nicht genug betont werden, denn die christliche Offenbarung ist der Stein des Anstoßes, der Gott der nämlichen Offenbarung, der mit Hilfe scheinbar harmloser Manipulationen ad absurdum geführt werden kann, so als könne der Gott der Offenbarung neben oder über die Offenbarung gestellt werden, oder er "unabhängig" von der Offenbarung "sein" könnte. Wenn auch die Theologie der Offenbarung aus der Mode gekommen zu sein scheint, der Maß aller Dinge in der sog. Sektenforschung, also bei der Erforschung sämtlicher Sondermeinungen, ist das jeweilige Offenbarungsverständnis. Das jeweilige Offenbarungsverständnis ist aus dem systematischen Gesichtspunkt die letzte Kausalursache für jede Sondermeinung, und von dem Offenbarungsverständnis her kann - wie etwa in der Genforschung - als von den eigentlichen Grundlagen her die ganze weitere Entwicklung und Entfaltung (der jeweiligen Sondermeinung) vorausbestimmt werden. Man kann jede Sondermeinung mit mathematischer Exaktheit als Funktion des Offenbarungsverständnisses definieren.

3.15.1. Die Manipulation

Besonders großen pseudowissenschaftlichen Aufwand betreiben die Modernisierer nach wie vor rund um die Verfälschung des biblischen Parusietermins, der als der schlechthinnige Grund für die Manipulation am biblischen Kanon ist. Die Widersprüchlichkeit ihrer Ausgangsposition läßt sich aber in der vordergründigen Kanonkritik nachweisen, weil sie unzulässig einseitig eine Entstehungsgeschichte des Gebrauchskanons (Kultkanons, bzw. Lesekanons, d. i. der Kanon für die kultische Lesung) als die ausschließliche Kanongeschichte schlechthin vorspiegeln(1389), um damit die unabdingbare Ursprünglichkeit des Lehrkanons (also des "geschriebenen Kanons", kurz "Schreibkanons", oder Schriftkanons) zu vertuschen(1390). Sie leugnen also nonverbal überhaupt den Lehrkanon (Schreibkanon) der biblischen Schriften(1391), der nicht nach ihren zeitlich viel später anzusetzenden Kriterien des (historischen Reifungsprozesses des) kultischen Gebrauchs zu beurteilen ist, sondern nach den Kriterien der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit der Lehrinhalte, nämlich für künftige Jahrtausende.

Die pseudowissenschaftliche Fiktion eines im Laufe der Zeit durch die Kirche nach dem Zufallsprinzip oder jeweils vorherrschenden kultischen Bedürfnissen, allenfalls im Sinne einer soziologischen Dynamik, gesammelten, ja sogar angeblich je nach der Nachfrage gebrauchsökonomisch erstellten ("angebotenen") neutestamentlichen Schriften(1392), würde mit ihrem eigenen Inhalt im Widerspruch stehen. In Lk 1,1-4 und in Joh 20,30-31 spricht das Evangelium expressis verbis von einer Sammlung und einer kritischen Auswahl, die nur als auf einen Lehrkanon, und auf keinen Gebrauchskanon ausgerichtet verstanden werden können. Analog enthalten die atl-en Bücher durchgehend Hinweise und sogar konkrete Aussagen darüber, daß ein bestimmter Inhalt nach einer redaktionellen Auswahl getroffen wurde, wobei die Auswahl weder nach historischen noch nach anderen profanen Kriterien erfolgte, sondern direkt oder indirekt immer im Hinblick auf die Offenbarung, oder um die Lehrinhalte der Offenbarung zu stützen, zu unterstreichen, zu akzentuieren.

Während in den oben zitierten Stellen des NT lediglich pauschale Hinweise auf die redaktionelle (selektive) Auswahl vorkommen und keine außerbiblischen Quellen namentlich genannt werden, zitiert das AT einzelne vorbiblischen Quellen namentlich: "Buch von den Kriegen des Herrn" (4 Mose 21,14), "Buch des Redlichen" (Jos 10,13; 2 Sam 1,18), "Die Chronik des König David" (1 Chr 27,24), "Das Buch der Könige von Israel und Juda", oder "Das Buch der Könige von Juda und Israel" (2 Chr 27,7; 35,27; 36,8; 2 Chr 16,11; 25,26; 28,26; 32,32), "Das Buch der Könige von Israel" (1 Chr 9,1; 2 Chr 20,34), "Geschichten der Könige Israels" (2 Chr 33,18), "Das Buch der Geschichte der Könige von Israel" (1 Kön 14,19; 16,5.14.20.27; 28,39; 2 Kön 1,18), "Das Buch der Könige von Juda" (1 Kön 14,29; 15,7.23; 22,46; 2 Kön 8,23; 10,34), "Ordnungen, aufgeschrieben von David, dem König von Israel, und seinem Sohn Salomo" (2 Chr 35,4), "Das Buch der Geschichte Salomos" (1 Kön 11,41), "Die Geschichte Samuels des Sehers" (1 Chr 29,9), "Die Geschichte des Propheten Nathan" (1 Chr 29,29; 2 Chr 9,29), "Die Geschichte Gads, des Sehers" (1 Chr 29,29), "Die Prophezeiungen Ahias von Silo" (2 Chr 9,29), "Die Geschichten des Sehers Jedo" (2 Chr 9,29; 13,22), "Die Geschichten des Propheten Schemaja und des Sehers Ido" (2 Chr 12,15), "Die Geschichten Jehus, des Sohnes Hananis" (2 Chr 20,34), "Die Geschichten des Propheten Jesaja, des Sohnes des Amos" (2 Chr 26,22; 32,32), "Die Geschichten der Seher" (2 Chr 33,19), "Brief an Esra" (Esra 7,11-26), "Brief der Esther" (Est 9,32), "Brief des Cyros" (Esra 6,2), "Buch der Geschichte des Königs von Persien" (Est 2,23; vgl. 10,2), "Geschlechtsregister der Exulanten" (Neh 7,5), "Das Buch der Begebenheiten der Tage" (2 Kön 12,20; 13,8.12.14.15.18.28; 15,6.11.15.21.26.31.36; 2 Kön 16,19; 20,20; 21,17.25; 23,28; Est 6,1; 10,2; Neh 12,23). Außer den namentlich als Primärquelle angeführten Bücher und Schriften, die von der Bibel direkt oder indirekt zitiert werden, gibt es "Bücher", Schriftstücke, Textbausteine, die offensichtlich und von der Quellenscheidung in der Forschung feststellbar, trotz stilistischer und mitunter inhaltlicher Unterschiede, in den übrigen Textkörper "eingeschoben", dem hinzugefügt wurden, und sich zum Teil als solche selbst zu erkennen geben. Das auffälligste Beispiel sind die sogenannten Stammbäume, von denen der erste "Das Buch vom Adams Geschlecht" (1 Mose 5,1: "Dies ist das Buch von Adams Geschlecht"), und "Das Geschlechtsregister derer, die zuerst heimgekehrt waren" aus Babylon (Neh 7,5), als eigenständiger Text (Buch) ausgewiesen ist. Die übrigen Stammbäume (vgl. 1 Mose 10,1-32; 25,12-18; 4 Mose 3,1-4,49; 1 Chr 1,1-9,44), die nicht als solche ausgewiesen sind, müssen aber ebenso als entlehnte Textbausteine angesehen werden. Hingegen "Das Buch des Sieges Josuas über Amalek" (2 Mose 17,13-14), das "Buch des Bundes" (2 Mose 24,7; 2 Kön 23,2-3.21.24), das "Buch des Gesetztes" (5 Mose 28,58.61; vgl. 29,19-20.26; 30,10; 31,24.26; 2 Kön 22,8.10; 2 Chr 17,9; Neh 8,2.8.18; 9,3), "Gesetzbuch des Mose" (Jos 1,8; 8,31.36; 2 Kön 22,11.13.16; 2 Chr 25,4; 34,14-24; Neh 13,1), "Buch der Ortsregister" (Jos 18,9), "Gesetzbuch des Josua" (Jos 24,26), "Königsgesetz von Samuel" (1 Sam 10,25; vgl. 5 Mose 17,18), "Buch der Drohworte gegen Ägypten an Jesaja" (Jes 30,8), "Buch des Herrn" (Jes 34,16), "Buch der Weissagung Jeremias über die Völker" (Jer 25,13), "Brief des Jeremia" (Jer 19,1), "Buch des Jeremia" (Jer 30,2; 36,2-32; 45,1), "Buch der Weissagung an Jeremia über Babel" (Jer 51,60), "Rundschreiben des Mordechai" (Est 9,20.30), "Buch des Daniel" (Dan 12,4), sind teils als Rezeptionen, teils als redaktionell um- und aufgearbeitete "Bücher" und Texte anzusehen, die weniger gekürzt, als (im Idealfall mit einigen redaktionellen Versatzstücken) erweitert wurden.

Der Kanon ist sonach integrierender Bestandteil, bzw. der von Lehrinhalt her vorgegebene feste Rahmen der Offenbarung, der unmöglich von außen (etwa nach dem Gesichtspunkt der Nachfrage im Kultgebrauch), sondern nur vom vorgegebenen Lehrinhalt her bestimmt werden kann(1393). Der "Kritiker" des Kanons(1394) ist also schon lange vor seinem kritischen Ansatz ein entschiedener Gegner des Lehrinhalts(1395), und schiebt Kanonkritik nur vor.

3.15.2. Das Leugnen

Außer dem Schriftbeweis ergibt sich aber die Unabdingbarkeit des grundsätzlich schon vor der Offenbarung vorgegebenen Lehrkanons aus dem Kontext(1396). So ergibt sich aus dem auch nur stillschweigenden Übergehen des Lehrkanons die Leugnung der göttlichen Offenbarung überhaupt, und zwar zwingend. Die innere Logik dieser Manipulation der Offenbarung über die Kanongeschichte(1397) ist so beschaffen, daß sie nur davon ausgehen konnte, daß auch nur die leiseste Erwähnung der Existenz eines Lehrkanons logistisch unmöglich machen würde, dem Gebrauchskanon (Kultkanon) den Vorzug zu geben. Alle weiteren Manipulationen sind aber nur von einem Gebrauchskanon ausgehend möglich. Selbst ein mit allergrößtem Aufwand dem Erdboden gleichgemachte und noch hineingestampfte Lehrkanon, selbst als korrekt widerlegte Arbeitshypothese, würde die Vorrangstellung eines Gebrauchskanons logisch ad absurdum führen. So war der Luziferismus im Zugszwang, den Lehrkanon der Bibel überhaupt leugnen zu müssen, bzw. wie üblich, das Leugnen des Leugnens des Lehrkanons auch zugleich zu leugnen(1398).

3.15.3. Die Pseudowissenschaft

Es kann somit auf einen weiteren Grundsatz über die stets pseudowissenschaftlichen Bemühungen der Subkultur in der Gunst ihres Begehrens zu landen verzichtet werden, und die notorischen Manipulationen des biblischen Kanons nicht nur als repräsentatives Beispiel angeführt, sondern kann darauf hingewiesen werden, daß die Speerspitze der grundsätzlich pseudowissenschaftlichen Bemühungen der Subkultur immer auf den Kanon als Manifest der Offenbarung gerichtet ist. Es gilt daher den Grundsatz zu präzisieren, wonach die Subkultur in wesentlichen Fragen nie ohne pseudowissenschaftliche Manipulationen auskommt, sodaß bei jeder anspruchsvolleren Fragestellung zuerst die Pseudowissenschaftlichkeit an sich hinterfragt werden muß, woraus sich dann der inhaltliche Schwindel gewöhnlich als selbstredend ergibt.

3.15.4. Die Fälschung

Aus dem oben genannten Grunde kann der zweite pseudowissenschaftliche Kniff durchleuchtet werden, womit der Zusammenhang zwischen Kanonmanipulation und Terminmanipulation (bei der Parusie), also gleichzeitige formale und inhaltliche Manipulation, ersichtlich wird. Im methodischen Aufbau beruht die Terminmanipulation auf die Leugnung der Ambivalenz bibeltheologischer Aussagen (Diesseits-Jenseits/natürlich-übernatürlich). Den Schreibern und Redakteuren der Bibel war das Nachfolgeprinzip die Grundlinie (vgl. Mt 8,18-22; 10,38; 16,24; Mk 8,34-9,1; Lk 9,23.57-62; Joh 21,22; 14,25-35; 1 Petr 2,18-25), wonach der erfüllte (vollendete) Lebensweg Jesu vom Christen als materielles Sinnbild aber spirituelle Realität (mit materiellen Konsequenzen) nachzuvollziehen ist. Außer der persönlichen Nachfolge des Einzelnen verfolgt aber das Evangelium die gleiche Linie mit der Kirche, mit der Gesamtheit der Gläubigen, deren Wandel ebenfalls nach dem erfüllten (vollendeten) Vorbild der Urkirche spirituelle Realität zu sein hat. So wie die persönliche Nachfolge auch nach Tausenden von Jahren ohne intellektuelle Überforderung zu bewerkstelligen ist, wäre die gemeinschaftliche Nachfolge zu einem beliebigen Zeitpunkt nicht nur legitim, sondern geboten. Die luziferische Manipulation des Evangeliums mit dem verschobenen Termin der Parusie besteht also in der Leugnung der hier geschilderten Ambivalenz zwischen gemeinschaftliches Original und Nachfolge, indem das Original als solches (in der Zeit) geleugnet und die Nachfolge als das Original ausgegeben wird. Deswegen sieht beim oberflächlichen hinsehen bei den luziferistischen Chiliasten alles um so viel "echter" aus, weil sie das Nachfolgeprinzip des Evangeliums (auf der gemeinschaftlicher Ebene) verleugnen, und sich bewußt als das Original vortäuschen. Und ebendiese Verleugnung (Umgehung) des Nachfolgeprinzips ist ohne die Zuhilfenahme von pseudowissenschaftlichen Kniffen kaum jemals zu bewerkstelligen.

3.16. Die Häresie

Der sechzehnte Grundsatz besagt, daß das Schwergewicht der Forschung, wie auch grundsätzlich die Grundposition der Betrachtung, sich der Begrifflichkeit "Sondergemeinschaften" zu "Sondermeinungen" zu verlagern hat. In allen wesentlichen Punkten scheitert schon die Erforschung der Sonderlinge daran, um von wirksamen Gegenmaßnahmen einmal ganz zu schweigen, daß die Sondergruppen von der Struktur her zur Lehre hin angenähert werden. Niemals aber schafft eine Struktur (Form) eine Lehre (Inhalt), wohl aber jede Lehre eine Struktur. Die Rückschlüsse von der Struktur her sind also durchaus zulässig, nicht allerdings wenn die eigenen Maßstäbe der kirchlichen Forschung für die Kriterien der Sonderstrukturen angewendet werden. Solange also kein aktuelles Standardwerk über die Strukturanalyse der Sondergruppen gibt, sind die Sondergruppen immer vorrangig auf ihre Lehrinhalte zu hinterfragen, und nur von da aus sind weitere Schlußfolgerungen - etwa in Richtung Struktur - anzustellen. Nicht was die Sekten tun, was schwerer hinterfragbar ist, sondern was sie Lehren ist für die Beurteilung entscheidend. Um das auf den Punkt zu bringen: wenn man fortan nur über die Strukturen den Sondergruppen beizukommen gedenkt, dann ziehen sie sich alle in die Kirche zurück, weil sie dort über die Mitglieds-Kriterien der Erforschung unantastbar sind. Eine rein Mitgliedschaft-Orientierte Sektenforschung würde mehr Schaden anrichten als nützen.

Ohne hier eine strukturanalytische Arbeit vorwegzunehmen, kann auf einige Unterschiede exemplarisch hingewiesen werden. In den seltensten Fällen sind die Sondermeinungen oder sog. geistige Strömungen in geschlossene Mitgliederorganisationen eingebunden wie die Kirchen, sondern bilden ein für außenstehende undurchdringliches Geflecht. Dieser Strukturdschungel birgt aber für gewöhnlich ein äußerst starres und dogmatisches Lehrgebilde, sei es auch, daß man doktrinär die Dogmatik leugnet, mit klaren und übersichtlichen Grundsätzen, wie sie auch immer nach außen verschleiert werden sollen. Über diese Inhalte wissen in der Organisation, die bei den Sondermeinungen eher die Bezeichnung Administration verdient, auch sondermeinungsintern nur wenige Bescheid. Es mag aber beliebig viele assoziierte "Mitglieder" (ohne Mitgliedschaft im herkömmlichen Sinne) geben, die besser eingeweiht sind als die mittlere oder gehobene Ebene der Administration.

Hier möge es genügen festzustellen, daß die Sondermeinungen normalerweise keine Mitgliederorganisationen, auf jeden Fall nicht im herkömmlichen Sinne, sind. Sie können gelegentlich auch als solche auftreten, ja haben sie sogar gelegentlich für jede harmlose Dienstleistung an Dritte die Mitgliedschaft formell verlangt. Das sind aber nur Ausnahmen, betreffen zumeist Randorganisationen und werden etwa steuerlich begründet. Der Begriff Sondergemeinschaften ist also unglücklich gewählt, bzw. ist überholt, weil umgangssprachlich mit Mitgliederorganisation assoziiert wird. Radikale Mitgliederorganisationen, ein Schreckgespenst der Eltern von anfälligen Jugendlichen, sind gewöhnlich nur eine interne Sondergruppe (Splittergruppe) einer Sondermeinung, die Extremen. Ein Kompromiß wäre die Gliederung der Forschung, nämlich in die getrennte Untersuchung der Strukturen und der jeweiligen Lehre.

Ohne hier ins Detail zu gehen, können hier drei interessante Studienfälle als repräsentative Beispiele für die Vergeblichkeit der Ausrichtung der Forschung nach Mitgliederorganisationen und nach Mitgliedschafts-Kriterien aufgezeigt werden: Hegel (bei den Freimaurern), Hitler (in der "ersten" Thule Gesellschaft) und Gandhi (in der Theosophischen Gesellschaft), wo jeweils die kontroversielle Forschung um die formMitgliedschaft brandet. In allen drei Fällen ist die Diskussion grotesk, weil es um die Frage der Mitgliedschaft überhaupt nicht geht. Alle drei sind die eigentlichen Galionsfiguren einer Bewegung, einer Sondermeinung, die Hauptrepräsentanten, wo die Mitgliedschaft überhaupt keine Rolle spielt. Jeder der Bestreiter wird zugeben, daß alle drei mit Leib und Seele optimal genau das für sich und andere verkörpert haben, wofür man ihre Mitgliedschaft vielleicht nicht einwandfrei nachweisen, oder formell fragmentieren kann. Die Fixierung auf die mitgliedschaftsorientierte Sektenforschung ist jedoch das übliche luziferische Ablenkungsmanöver. Nachdem das Zweite Vatikanum sogar den zuvor streng mitgliedschaftsorientierten Kirchen- und Christen-Begriff stark relativiert hat, und (wörtlich) von besseren Christen außerhalb der Kirche (als Möglichkeit), sowie (sinngemäß) von den verlorenen Heuchlern innerhalb der Kirche sprach, wäre die einseitig Mitgliedschaftsorientierte Sektenforschung geradezu lächerlich, um nicht zu sagen grotesk.

Es sind neuerdings teilweise auch in der Politik Bewegungen anstelle der streng nach Mitgliedschaft organisierten Parteien getreten, deren Administration oft und gerne Nichtmitglieder in höchste Positionen hievt. Es gäbe aber noch ganz andere Beispiele aufzuzählen, wozu hier der Raum fehlt. Es ist nochmals festzuhalten, daß die hier gegebenen Beispiele eine umfassende strukturanalytische Arbeit weder ersetzen können, noch wollen. Hier sollten einige theoretische Richtlinien für die Systematisierung (systematische Erfassung) der Sondermeinungen aufgezeigt werden, wie sich diese ihr Verhältnis zu diversen Sondergruppen immer auch gestalten. Damit soll der Ansicht nicht widersprochen werden, daß von der erschlossenen Lehre her der jeweiligen Struktur verhältnismäßig leicht beizukommen ist. Eine zufriedenstellende strukturanalytische Arbeit würde sonach grundsätzlich eine als Orientierung brauchbare Systematisierung der Lehre der Sondermeinungen (als Voraussetzung) erfordern.

3.17. Die Basilea

Die siebzehnte These ist das von der Subkultur für unentbehrlich gehaltene Apriori, ohne die Substanz der (deswegen befeindeten) Religion, wobei Religion stets mit Erziehung assoziiert oder direkt damit gleichgesetzt wird, sei keine effektive Politik möglich. Es hat sich etwa gezeigt, daß ohne die kritische Auseinandersetzung mit dem sich gegenseitig bedingenden Verhältnis von Religion und Politik keine brauchbare Beurteilung eines der beiden Komponente möglich schien. Vielmehr zeigt selbst die Verabsolutisierung eines der beiden Teilkomponente als allein maßgeblich eine mehr oder minder stillschweigend vorausgesetzte (durchaus alterierende) Wertung der gegenseitigen Bedingtheit a priori. So zeichnen sich vor allem etwa die sog. Materialisten mit einem paradoxen a priori Vorurteil über die Religion aus, wonach diese zwar als innerer Halt eines jeden Systems ebenso unerläßlich wie von dem rein politisch orientierten System kaum zu handhaben ist.

Paradoxerweise ist der Materialist von Anfang an mehr von der Unabdingbarkeit der unter dem Namen Religion gehandelten "Bindemittels" jedweden sozialen Gefüges überzeugt, als das ein weniger auf die Materie fixierte Religiöser jemals sein kann, weil er inneren Halt nicht quantitativ, sondern qualitativ begreift, während für den Materialisten Qualität nur ein Attribut der Quantität ist(1399), die Umwandlung der Quantität in Qualität(1400) ein Sekundärprozeß(1401). Nicht minder paradox ist aber Quantität als Attribut, als Prädikat der Qualität aufzufassen, obgleich das dem vielzitierten Naturgesetz ungleich näher kommt. So ist es den hier entfalteten Untersuchungen die Ausgangsposition voranzustellen, daß unabhängig davon, wie intensiv auch immer die einzelnen Denkrichtungen über die gegenseitige Bedingtheit von Religion und Politik sich ausschweigen, oder gar die gegenseitige Abhängigkeit leugnen, es ist immer die stillschweigend vorausgesetzte Grundposition nachweisbar, daß ohne die der Religion innewohnende Substanz keine wie immer geartete Politik möglich sei. Dieser Grundsatz der Abhängigkeit der Politik von der Religion muß keineswegs auch real sein, und es gibt diesen Grundsatz immer auch dann, wenn er gar nicht der Realität entsprechen sollte. Vor allem die antireligiösen Kräfte scheinen darauf fixiert zu sein, daß ohne das, was der Religion inhäriert (nämlich, wie der Materialist meint, die "globale Kontrolle" der Zwischenmenschlichkeit), keine Politik denkbar sei, woraus für sie unausweichlich der religiöse Anspruch der Politik folge.

Es wäre also an dieser Stelle die eventuelle Notwendigkeit zu prüfen, ob und wieweit die historische Faktizität eines statistischen Nachweises oder Kommentars bedarf, daß es ohne Religion keine Hochkultur denkbar ist (und daher die Ersatzlose Abschaffung der Religion, zumindest im statistischen Spiegel der Geschichtsforschung, zwangsläufig zum Untergang des nämlichen politischen Systems führt). Der Nachweis scheint überflüssig, denn bei der Überzeugung der Materialisten geht es weniger um die historische Faktizität, als vielmehr um den "Glauben" des Materialismus (a priori), daß ohne die Substanz der Religion sich keine Politik machen läßt. Und ebendieser "Glaube" an dem religiösen Inhalt der Politik ist allen anderen alterierenden Denkrichtungen eigen. Sogar den Satanisten, die angeblich nicht einmal an sich selbst glauben, geschweige denn an Gott. Ob wahr oder nicht, der Säkularist "glaubt", daß die Religion (d. i. ihr Inhalt) ein mittlerweile unentbehrlich gewordenes Nebenprodukt der "Natur" sei, das eigentliche Mittel (zum Zweck) um sich die Welt untertan zu machen.

3.18. Die Theosophie

Achtzehnter Grundsatz ist das Entlarven der Gleichsetzung der Philosophie mit der Theologie, oder die behauptete Vereinbarkeit der Philosophie mit der Theologie und damit die Einführung der Spekulation - und die Abkehr von der strengen Logik - als die methodische Aushöhlung der Theologie und der christlichen Religion. Die eigentliche Errungenschaft des philosophischen Flügels der Subkultur ist die Einschleusung der Spekulation als zulässige wissenschaftliche Methode, nämlich zuerst in der Philosophie, und sodann durch die Erhebung der Philosophie als angeblich wissenschaftliche Mittel zur Gestaltung der Gesellschaft, und schließlich durch die Vereinnahmung der Theologie und anderer Wissenszweige (vor allem Geschichtsforschung) durch die Philosophie, um der Pseudowissenschaft alle Federn der Wissenschaft als Schmuck zu Füßen zu legen.

Diese Art der Vereinnahmung des wohlverstandenen Wissens als höchstes Kulturgut und Existenzvoraussetzung der Menschheit durch die philosophisch verbrämte Spekulation, wir können trotzdem den üblichen Terminus Philosophie verwenden, ist in allen ins Wanken geratenen Hochkulturen zur Zeit des bevorstehenden Untergangs zu beobachten(1402). Im China der ausgehenden Han-Zeit(1403) und späterhin(1404) gibt sich die spekulative Entfremdung zunächst taoistisch(1405), später dann buddhistisch(1406) und schließlich neokonfuzianistisch(1407), und geht stets selbstherrlich von der eigenen monistischen Totalität als Absolutheit aus(1408), so als sei alles Kulturelle mitsamt Religiösen bloß ein Teil des Höchsten (in der abendländischen Gnosis gerne das "Absolute" genannt), nämlich der Philosophie(1409) (Spekulation). In Indien und Hellas ist das nicht anders«.

Die Moderne verdankt diese Entwicklung dem auf den Neuplatonismus zurückgreifenden Humanismus und der Aufklärung, die gewissermaßen in Hegels Geschichtsphilosophie, nach der Gleichsetzung von Theologie und Philosophie, den Höhepunkt erreicht und in Nietzsche sozusagen die eigenen Grenzen überschreitet, um nicht zu sagen sprengt. Den Methodischen Ansatz lieferte Kants Apriorismus, der gleichsam die Theorie für Hegels nonverbalen, bzw. praktischen (d. h. spekulativen) Apriorismus ist(1410).

3.19. Der Syllogismus

Neunzehnter Grundsatz ist die perspektivische Einteilbarkeit des Luziferischen je nach Blickwinkel, so daß verallgemeinernd schon aus einem der perspektivischen Komponente immer aufs Ganze, weil vom vorausgesetzten Ganzen auf das Spezielle geschlossen werden kann. Demnach beinhaltet das Luziferische immer einen antichristlichen Moment, dessen integrierender Bestandteil ein atheistisches Moment ist, und ein chiliastisches Moment, der synonym für Häretisch steht. So wie bei den schwärmerischen Chiliasten, die mit Gott und Christus den Mund voll nehmen, etwa über die Terminfrage der Parusie das antichristliche Moment nachweisbar ist, so taucht bei den geistlichen Führern der deklarierten Antichristen immer der chiliastische Moment im Hintergrund auf. Und wie weit immer auch die jeweils andere Seite der Medaille durch das Vorgebliche, bzw. Vordergründige verdeckt ist, diese jeweils andere Seite ist unabdingbar integrierender Bestandteil der oft und gerne in den polaren Gegensätzen auftretenden (und darein sich selbst befehdenden, sicht stets selbst wiederstreitenden) Luziferismus. Als direkter Ableitung aus dem ersten Grundsatz, wonach zu unserem alleinigen (monotheistischen) Gott immer nur eine einzige Alternative gibt, erscheint dieser Grundsatz als selbstverständlich. Die gegenseitige Bedingtheit von Antichrist und Chiliasmus ist aber auch von unten her (vom Einzelnen her auf das Allgemeine hin bewegend - dialektisch) nachweisbar.

Dieser Grundsatz birgt natürlich die Gefahr in sich, von der Konkurrenz damit verhöhnt zu werden, daß wir nicht bei jedem einzelnen immer die polaren Gegensätze als Einheit nachweisen können. Dem ist entgegenzuhalten, daß wir nicht mit Einzelpersonen in der Forschung zu tun haben, außer der Personifikation der einen einzigen Alternative zu Gott, sondern immer mit Sondermeinungen, deren Arbeit auf Angehörige der jeweiligen Sondermeinung aufgeteilt ist, die jeweils nur als Teil eines Ganzen aufgefaßt werden können.

So wie die Väter von Anfang an zwei Wesensmerkmale des Chiliasmus, nämlich die Diesseitigkeit(1411) und die Terminfrage, bei der Verurteilung hervorhoben, so lassen sich heute ebendiese Merkmale unter beliebigem Namen wie Materialismus und Esoterik (um nur einige zu nennen(1412)) nachweisen, denn: Kein Materialismus ohne "Goldenes Zeitalter" und kein "Spiritualismus" (Esoterik) ohne äonische Spekulation, denn die Diesseitigkeit der Grundposition macht die Exilierung der Jenseitigkeit in die (scheinbaren Möglichkeiten künftiger) Zeit unabdingbar(1413). Und umgekehrt ist das Herzstück jeder chiliastischen Betrachtung die diesseitige Erfüllung(1414) (der Verheißung) in der Zeit (statt dem Jenseits).

4. DER UNGEIST

Die in den letzten Jahren neu erwachte Aufklärungsforschung bemüht sich um ein neues gerechtes Bild ihres Gegenstandes. Dazu gehört die Betonung der Selbständigkeit (Hans Blumenberg), die Betonung des Konstruierten und Künstlichen in ihrer Denkweise und des entsprechenden Wirklichkeitsverlustes(1415). Dazu gehört die Klarstellung, daß die Aufklärung nicht aus der eigenen Dynamik der biblischen Botschaft und Geschichte hervorgegangen ist, sondern von außen an sie herangekommen war und ihre Grundlagen nicht theologisch, sondern philosophisch waren, so daß die bis dahin gültige Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie, Offenbarung und Vernunft(1416), umgekehrt, und die Philosophie, bzw. die philosophisch interpretierte Theosophie (Neuplatonismus), zur Herrin der Theologie gemacht wurde(1417). Dazu gehört schließlich die Neuaufnahme der Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise(1418), wie sie zuerst August Tholuck im 19 Jh. übte und wie Hans Emil Weber und (ihm folgend) Ernst Bizer ins Auge faßten(1419).

Will nun der Naturalismus als die Zäsur der abendländischen Kulturgeschichte aufgezeigt werden(1420), so daß die bis dorthin immer gleiche Diesseitigkeit der Subkultur formal mit "jenseitigen", oder auf das sogenannte Jenseits abgestützte Argumenten legitimiert wurde (Pseudoreligion), aber von da an die Diesseitigkeit den Absolutheitsanspruch auf die Wirklichkeit in der Form postuliert, daß eine allenfalls nicht empirisch ausschließbare aber zumindest stets bestreitbare Jenseitigkeit, als das "Denkbare", ausschließlich als Sekundärursache hinter der Diesseitigkeit zu rangieren hat, so hat die Forschung die sogenannte Aufklärung als das philosophische Gewand des Naturalismus und letztlich als neuplatonisch(1421) und Pseudophilosophie zu entlarven. Hat nämlich die antike Metaphysik das Jenseitige zwar als das Immaterielle, aber nicht minder wirklich als das Materiell-Dingliche, sondern als Primärursache des Materiellen begriffen, versucht nun die pseudophilosophische Ehrgeiz des Naturalismus - in der Form der sogenannten Aufklärung - in der so neu geschaffenen Pseudo-, bzw. Antiphilosophie das Immaterielle aus dem Materiellen so zu begründen, daß der Immaterielle nicht nur zur Sekundärursache absinkt, sondern der Wirklichkeit absolut verlustig geht(1422). Da wird nicht nur die unsichtbare Luft zur Nichts, sondern sogar die Zeit an sich, und damit alles Dynamische zum absolut Unexistentiellen, zum unmöglich Wirklichen, zum trügerischen Schein der statisch (materiell) vorausgesetzten Wirklichkeit. Und wenn allzuletzt aus dem postulierten Zusammenbruch des Materialismus(1423)wiederum der gleiche naturalistische Aufklärung Kapital schlagen soll, so als sei die neu entdeckte relative Wirklichkeit des Immateriellen nicht der obligate naturalistische Schwindel mit dem (mindestens genauso unwirklichen) scheinbar Übernatürlichen, dann hat die Forschung mit Hilfe der historischen Betrachtungsweise an dieser Stelle die entsprechenden wegweisende Markierungen anzubringen.

Die entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise verlangt - etwas weiter ausgeholt - zunächst nach einem historischen Rückblick in die Anfänge der Irrungen und Abkehr von der Glaube genannten Wahrheit der Väter. Nachdem aber die Kirchenväter eine aus der Auseinandersetzung mit der damals ausklingenden Philosophie, die zwischenzeitlich von der Gnosis unterwandert, ausgehöhlt und im Neuplatonismus völlig entfremdet wurde, erwachsene Theologie hinterlassen haben, wird ein orientierender Rückblick auf die klassische Zeit der antiken Philosophie und Metaphysik wohl unumgänglich sein, zumal sich die gleiche Verfälschung der grundlegendesten Voraussetzungen wie in der Theologie, in der Profanität der Philosophie für den heutigen säkularisierten Leser besser veranschaulichen lassen. Die klassische Philosophie, in den meistzitierten Schulen von Platon und Aristoteles, hat - trotzt aller mitunter grundlegenden Meinungsverschiedenheiten der einzelnen Schulen - grundsätzlich an der (ursächlich bestimmenden) Wirklichkeit des sogenannten Immateriellen (jedoch substanziellen) Übernatürlichen festgehalten(1424), bzw. ging sie - trotzt aller Auslegungsunterschiede - von dessen Faktizität (als Wirklichkeit schlechthin) aus(1425).

Und genau diese nicht minder bestimmte als alles bestimmende Wirklichkeit des Immateriellen ging in der neueren abendländischen Philosophie, spätestens mit Descartes beginnend(1426) und in den bis heute auf weiten Strecken gültigen Ausformulierungen von Kant(1427) (praktisch umgesetzt von Hegel), zur Gänze verloren(1428).

Zumindest ein historischer Überblick von (Simon Magus(1429))

Valentinian(1430)

(Ophiten(1431) des Celsus)

Bardesanes(1432)

Marcion(1433)

Basilides(1434)

Mani(1435) (Manichäismus)

Mit Rücksicht auf den Mithraskult als historisches Bindeglied zwischen persischer und hellenistischer Gnosis,

Neuplatonismus(1436)

als Stationen der zusammenhängenden Entwicklung ist zu geben, um von Mani aus über den

Neuplatonismus(1437)

(die Mandäer(1438) streifend(1439))

die

Paulikianer(1440)

und von da aus die

Bogumilen(1441)

(bis zum Averroismus/Alveroismus) und zu den

Katharer(1442) (früher "Ketzer"(1443)) und Armutsbewegung

als Abschnitte einer direkten Entwicklungslinie aufzuzeigen(1444).

4.1. Der arme Teufel

Es wäre sodann auf die zentrale Rolle der Katharer und Chiliasmus(1445) (insb. Joachim von Fiore(1446)) in der abendländischen Geschichte und Geistes-, bzw. Kulturgeschichte hinzuweisen(1447), auf die später alle wichtigen politische und kulturelle "Alternativströmungen"(1448) (zuletzt z. B. in der Politik - als Arbeiterbewegung - Hitler(1449), oder Kommunisten als moderne Armutsbewegung) zurückgehen, oder zumindest von ihnen stark bis entscheidend beeinflußt wurden(1450). Hier kann auch des inneren Widerspruchs aller Formen der Armutsbewegung, oder unter dem modernen Namen Arbeiterbewegung, gedacht werden, indem sie durch die Armut der in "Arbeiter" umbenannten Armen so "aus sich selbst" legitimiert ist, daß sie ihres durch die Armut legitimierten Machtanspruchs, nämlich der Armut politisch abzuhelfen, sogleich verlustig ginge, sobald die Armut auch tatsächlich abgeschafft wäre. Den ideologische Spagat zwischen der legitimistischen Position gegen die Armut und der gleichzeitigen Verherrlichung der Armut als utopischer Idealzustand hat keine der Armutsbewegungen der letzten Jahrtausende länger als ein-zwei Generationen (einige Jahrzehnte) überdauert. Schon Marx postuliert die Diktatur des Proletariats nur so lang, bis die sozialistische Umverteilung geschafft, und also die Armut soweit "ursächlich" abgeschafft ist. Über das Danach hüllt sich Marx in Schweigen, weil "danach" sollte alles von selbst in das irdische Paradies des Konsums (Arbeit) übergehen, das aber Marx nicht direkt erschaffen, sondern nur darauf hinführen will.

Sollte der neue Erzbischof von Wien, Schönborn, Recht haben, wonach Hugo Rahner das Zweite Vatikanum in der inhaltlichen Aussage vorweggenommen, wenn nicht gleichsam inspiriert habe(1451), so kann auf das synkretistische Konzept H. Rahners(1452) eingegangen werden, der in den Wesentlichen Fragen einfach den Gnostiker(1453) Klemens von Alexandrien übernimmt(1454), dessen chiliastisches Konzept später dem System des Dionysios Aeropagita(1455) als Fundament gedient hat(1456). Klemens geht da von einem System aus, in dem alle tausend Jahre die Adepten um eine Stufe der spirituellen Entwicklung höher gelangen, so wie es Rahner bekannt sein muß, wenn er sich so konsequent an den Chiliasten und Gnostiker Klemens hält. Darüber hinaus spricht H. Rahner in den höchsten Tönen von dem bekanntesten Repräsentanten des katholischen Modernismus, Loisy(1457), und unterstützt die Natürliche Religion der Modernisten, die innerkirchlich den Offenbarungsglauben aushöhlt, und offen (anfänglich durch synkretistische Gleichsetzung) mit dem Kult der Dionysos, Osiris(1458) oder Kybele, also mit einem neuheidnischen Fruchtbarkeitskult, nicht nur aufwässern, sondern ersetzen möchte(1459). Auch den Weg zu Gott durch die Höllenpforte hat er mit Böhme gemeinsam(1460).

Die drei markantesten Unterschiede der katharischen und christlichen Theologie waren:

die mehr oder minder direkte Gleichsetzung des alttestamentlichen Gottes mit Luzifer(1461)(stammt eigentlich von Marcion(1462) und wurde von den Manichäern mitunter stark abgewandelt tradiert)

die Leugnung der wahren menschlichen Natur Jesu (oft als Leugnung der "Leidensfähigkeit" Jesu getarnt)(1463)

die Lehre von der Seelenwanderung(1464), (die nach der Bibeltheologie nur als dämonisch verstanden werden kann, weil die eigentliche Seele des Menschen gar nicht von Körper zu Körper wandern kann, sondern damit eine heilsökonomisch unauflösliche Einheit bildet), die übrigens auch im Osten post-vedisch (tantrisch) ist und im Fernen Osten gänzlich unbekannt ist.

Wichtig ist auch auf die weite Verbreitung und Dominanz der Katharer hinzuweisen, die mit der Gegenbewegung der Dominikaner und Franziskaner indirekt nachhaltig - bis in die jüngste Zeit - als Armutsbewegung das Abendland nicht nur kulturhistorisch geprägt haben (vgl. die Kommunisten).

Die auf die Verfolgung der Katharer folgende Untergrundbewegung (im geduldeten Umfeld der "friedlichen" Armutsbewegung wie Begharden(1465), Brüder des Freien Geistes(1466), Weber(1467), Humilianten usw.) ist zu wenig erforscht, doch mit der bald darauffolgend auflebenden kabbalistischen und neuheidnischen Bewegung ist - über den Averroismus - die Kontinuität der pseudokulturellen Entwicklung bis zum Humanismus, der mit Ficino und Pico de la Mirandola, der vom Kabbalismus beeinflußt(1468) direkt auf den Neuplatonismus zurückgriff, seinen Höhenflug beginnt, nachvollziehbar. Um so verwerflicher ist die zähe Bemühung der die etablierten Kirchen unterwandernden Gnosis in jüngster Zeit, die Katharer als "Christen" hinzustellen(1469). Angeführt (neuerlich) von der Anthroposophie(1470) ist eine regelrecht zielorientierte "Forschung" zu der "Rehabilitierung" der Katharer entstanden, die insb. die Manichäer(1471), Bogumilen und Katharer als Christen hinzustellen versucht(1472).

Von dem - durch den Averroismus(1473) ausgelösten(1474) - Renaissance-Humanismus(1475) ging der Zeitgeist - über die im Deismus(1476) so genannte "natürliche Religion" Herbert von Cherbury`s(1477) - zur sog. Aufklärung(1478) (Selbstbezeichnung) über(1479) (aus der die Liberale Theologie des 19. Jh. hervorging(1480)). Mit dem von Lessing(1481) unter einem Vorwand publizierten Reimarus hielt die "natürliche Religion" der Aufklärung (hier konkret als Deismus) auch in Deutschland Einzug und entfaltete mit Lessing(1482), Kant(1483), Semler(1484) um nur einige zu nennen, eine Breitenwirkung(1485). Wesentlich erscheint zu unterstreichen, daß ähnlich wie der Pantheismus die religiöse Seite des Monismus ist, so ist die Natürliche Religion des Deismus die religiöse Seite des Naturalismus. Der Naturalismus markiert den radikal-offenen Bruch mit der Wirklichkeit des Übernatürlichen, der Transzendenz schlechthin (philosophisch artikuliert in der Kritik an der Scholastik), mit dem Himmelreich der Bibel, so daß - historisch (entwicklungsgeschichtlich) betrachtet - sämtliche nachfolgenden Geistesströmungen lediglich Variation zu diesem einen Thema erfaßt werden können(1486). So ist die Aufklärung eigentlich Naturalismus im philosophischen Gewande, und als solche eigentlich Pseudophilosophie. Denn so wie der Terminus Gnosis wörtlich übersetzt bloß "Erkenntnis" bedeutet, aber terminologisch die falsche Erkenntnis, die Negation der (wahren) Erkenntnis (nämlich der Erkenntnis Gottes) meint, so bezeichnet die moderne Metaphysik und Philosophie die systematische Leugnung des Gegenstandes der Metaphysik und damit Philosophie.

Die Vernunft, nämlich die menschliche, wurde zur höchsten Instanz erklärt(1487). Der scheinbare Widerstreit der Aufklärung zu Romantik(1488) ist charakteristisch für die Spaltung der "Ganzheit", die eigentlich ohnehin nur die halbe Wahrheit ist, in die polaren Gegensätze (Pseudo-Dialektik) durch die gleiche Bewegung(1489), bzw. "geistige" Strömung, so als wolle durch weitere Partikulation die verabsolutisierte Teilwahrheit die Ganzheit simulieren. Hier das Materielle/Rationelle/"Erkennbare" (Teufel), gegenüber dem Ideellen/Spirituellen/Mythisch-Mystischen(1490) (Teufel), so als sei etwa in Christus nicht Geist (Gott) und Mensch vereint. Gemeinsam ist aber beiden der "fiktive" - weil nicht (unmittelbar) erkennbare - "Gott" (Agnostizismus), ob der nun deswegen umschwärmt ("überschätzt") oder geleugnet ("unterschätzt") wird.

In wissenschaftlich-theologischer Hinsicht lag eine der entscheidenden umgestaltenden Wirkungen, die von der Aufklärung ausgingen, im Ersatz des Glaubensbegriffs durch den Religionsbegriff. Damit wurde die archaisierend-humanistische neuheidnische Tradition der Renaissance wieder aufgenommen, die vor allem Luther und der Pietismus beiseite gedrängt haben. Am ausgeprägtesten erschien diese Ausformung der Aufklärung in der neu entstehenden Religionsphilosophie und in der Theologie Schleiermachers. Religion wurde mehr eine Angelegenheit des Menschen (Subjektivismus(1491)), als die strenge Bindung an den Gott des Glaubens (der den Glauben gab). Es entstand zwar besonders in Mitteleuropa eine naturverbundene (tierfreundliche) Frömmigkeit, so als habe Gott sogar die Haupthaare der Frommen gezählt(1492) (Mt 10,30//Lk 12,7), solche (naturschwärmerische) Optimismus hatte aber das schwerste Versäumnis zur Folge, die nahezu völlige Verständnislosigkeit nämlich für die Wirklichkeit des Bösen und der Sünde. Für die Aufklärer verschwand der Teufel im Nichts und mit ihm alles Dämonische(1493), was für den christlichen Theologen nur die eine logische Erklärung hat, daß nämlich der Teufel in dem Gott der Aufklärung aufging.

Der Chiliasmus der neueren Zeit fußt auf dem Welt- und Geschichtsbild der Aufklärung, und ist damit etwas ganz anderes als der früherer Jahrhunderte(1494). Das (künftige) tausendjährige irdische Friedensreich vor dem definitiven Heilsende (Chiliasmus) transformierte die Aufklärung in die aufkommende spekulative Geschichtsphilosophie. Von Bedeutung sind hierbei u. a. der Rückgriff Lessings auf Joachim von Fiore(1495); Kants Idee eines philosophischen Chiliasmus, "der auf den Zustand eines ewigen, auf einem Völkerbund als Weltrepublik gegründeten, Friedens hofft"; Fichtes "Zeitalter der Vernunftskunst"; und - in einer späteren Abwandlung dieser Tradition - die Marx-Engelssche Unterscheidung zwischen "Reich der Notwendigkeit" und "Reich der Freiheit". Das methodische Instrument der Aufklärung in der Theologie war die Schaffung neuer Katechismen(1496), die mehr oder minder offen die Offenbarungstheologie ersetzen oder zumindest verdrängen sollten. Ein interessanter Aspekt ist die nachdrückliche Kritik des Atheisten aber bekennender Dionysianer und Chiliasten E. Bloch an der Anleihe chiliastischer Terminologie bei dem Tausendjährigen Reich durch die Nationalsozialisten, weil diese (zeitlich) nach ihm den Chiliasmus für sich in Anspruch nahmen(1497).

Gemeinsam ist auch der dionysische (neuheidnische) Charakter dieser scheinbar kontroversiellen Strömungen. Während die Romantiker und ihre Nachfolger Dionysos als Inbegriff, oder - wenn man so will - Gott der neuen Religion, beim Namen nennen(1498), fußen die Anhänger der Vernunft als der denkbar höchsten Instanz(1499) (d. i. "natürliche Religion"(1500), also Deisten, Aufklärer und Nachfolger bis Moderne und New Age) auf dem vom Renaissance-Humanismus (Pico de la Mirandola) ins ausgehende Mittelalter "hinübergerettete" Neuplatonismus(1501). Wie der Name schon besagt, ist es nicht schwer vom Neuplatonismus her die direkte Verbindung zu Platon herzustellen, der sein eigenstes Anliegen, die Philosophie, im "Symposion"(1502) als Ausdruck von "Wahnsinn"(1503) (manias) und Dionysischem (bakcheas) bezeichnete(1504). Dionysischer Enthusiasmus, so Platons Selbstverständnis, verhalf zur philosophischer Erkenntnis und lag - weiter gefaßt - der ganzen Entfaltung griechischen Geisteslebens zugrunde(1505). Zu beachten ist, daß der Auftakt zum Humanismus die Übertragungen des Pico de la Mirandola(1506) aus dem Neuplatonischen(1507)(Pico schrieb in seinen eigenen Arbeiten einfach abschnittsweise neuplatonische Autoren ab) war. Damit ist gezeigt, daß "platonisch" ("neuplatonisch"), und damit auch der Terminus "philosophisch" schlechthin, zumindest im Sprachgebrauch der Moderne, synonym zu "dionysisch" ist, weil die platonische Schule eine deklarierte dionysische (die dionysische Schule schlechthin) war. Zumindest soweit man Platon selbst folgt.

Ebenso war der Auftakt zur liberalen Theologie anerkanntermaßen Schleiermachers(1508)romantische Religion(1509) ohne Gott(1510), dafür aber mit mehreren Messiasen(1511), wobei sich zuvor Schleiermacher mit einer damals einzig dastehenden Übersetzung Platons(1512) einen Namen machte(1513) (woraus zwingend seine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Inhalt folgt). Im übrigen waren Schleiermachers Mitstreiter sämtlich bekennende Dionysianer (Romantiker)(1514), nur Schleiermacher mußte um seine Pfarrstelle fürchten und teils anonym(1515), teils hinter einer pseudochristlichen Schleier publizieren.

4.2. Der Mystikus

Während Luther die klare Abgrenzung gegenüber dem Humanisten Erasmus (und Humanismus überhaupt) forcierte(1516), galt Melanchton als dem Humanismus ergeben und Zwingli schrieb abschnittsweise Pico de la Mirandola, den Vater des Humanismus ab(1517), der seinerseits abschnittsweise Neuplatonisches aus dem ausgehenden Altertum abschrieb(1518). Nach Luthers Tod kam es in der Reformation zwischen dem philosophisch beeinflußten Humanisten Melanchton und dem kabbalistisch(1519) beeinflußten Osiander zu einer Kontroverse(1520). Nostradamus(1521), Paracelsus(1522), Agrippa von Nettesheim(1523) und andere fielen eher erst der Nachwelt auf, als den Zeitgenossen der reformatorischen Aufbruchsstimmung.

4.2.1. Die Über-Reformation

Zu der eigentlichen kulturhistorischen Orientierungsgröße bis zu den Nationalsozialisten(1524)und Kommunisten (und darüber hinaus) wurde jedoch Jakob Böhme, den in der Folge fast alle regelmäßig zitieren, oder ihn zumindest nachweisbar kennen, bzw. sich auf ihn berufen(1525). Von Jakob Böhme her(1526) kann als vom Brückenkopf der (Neu-)Gnosis zu den Katharern und den Chiliasmus von Joachim von Fiore(1527), bzw. von der Zeit der Katharer her(1528) zu Jakob Böhme, gesprochen werden(1529). Die fortan vorherrschenden Kulturströmungen, Pietismus und Aufklärung (respektive aufgeklärte Liberalismus)(1530), haben beide ihre geistigen Wurzeln in der von Böhme als neue Offenbarung präsentierten katharisch-manichäischen gnostischen Linie(1531). Mit Böhme beginnt auch die nunmehr schier ununterbrochene Reihe der Pseudoreformatoren(1532), die sich auf Luther berufend gerade die reformatorischen Errungenschaften zu überreformieren, wegreformieren trachteten(1533). Dies trifft dann auf Liberale (als Fortsetzung der Aufklärung und Romantik sowie Idealismus), Pietisten(1534) und deren jeweilige Nachfolger grundsätzlich gleichermaßen zu, so als gäbe es wirklich eine Böhme'sche (Kontra-)Reformation der Reformation(1535) bis in die Jüngste Zeit(1536).

Wenn es einen Religionsstifter der Aufklärung und Moderne (respektive Säkularismus) gibt, dann ist das Jacob Böhme. Die diversen Geistesströmungen wie Aufklärung, Romantik, Idealismus, Pantheismus, Liberalismus, Materialismus und ähnliches sind lediglich interne Parteiungen und oder einzelne Böhme=sche Denkrichtungen, Denkschulen, Sondermeinungen oder Häresien zu verifizieren(1537).

4.2.2. Die Sechsfaltigkeit

Der theologische Angelpunkt Böhmes ist sein offenes Bekenntnis zu seiner prophetischen Sendung und die Deklarierung seiner Schriftwerke (expressis verbis) als Offenbarung(1538), wie es in der Form im christlichen Abendland (vom Akzeptanz her) als historisch einmalig zu gelten hat. So etwa nimmt für sich Böhme in Anspruch, daß nach unzähligen vermeintlich geglückten Versuchen den Ursprung des Teufels zu erklären, will es sich nunmehr gänzlich (Böhme) "offenbaren"(1539). Das gnostisch-neuplatonische System (Theosophie) Böhmes(1540)entfaltet ein von der menschlichen Erkenntnisfähigkeit bestimmtes Gottesbild, wo "Gott" mit dem Terminus "Nichts"(1541) bezeichnet wird(1542). Das "Nichts" ist das höchste Gut(1543) und wird mit dem zweiten Terminus "Ungrund" synonym verwendet(1544). Der dritte Terminus für Böhmes "Gott" ist "Gemüth" und der vierte für die immer noch identischgleiche "Sache" - schließlich die "Finsternis"(1545). Dieses finstere Gemüth "gebiert" nun, so Böhme, den "Willen", jener seinerseits das "Herz", das Herz das "Licht", das Licht nun "gebiert" die "Kraft"und die Kraft den "Geist", der schlußendlich die "Finsternis" (neu) "gebären"kann(1546). Nachdem Böhme ebendort die letzten drei "Geborenen" mit der (christlichen) Dreifaltigkeit, Vater (Kraft), Sohn (Licht), Hl. Geist (Geist), gleichsetzt, kommt er nonverbal zu einem sechsfältigen Gott(1547), bzw. zu einem fünffaltigen "Nichts", der in der Finsternisgründet, bzw. - nach dem herkömmlichen Wortsinn - wohl dortselbst Gründen würde, wenn er nicht ebendort als der Ungrund determiniert worden wäre.

4.2.3. Die totale Finsternis

Das Teuflische an dem Offenbarungs-Blendwerk Böhmes ist z. B., daß der Wirklichkeitscharakter aller fünf Ableitungen (respektive Dreifaltigkeit) negiert wird, und nur das Nichts, der Ungrund, die Finsternis wirklich (wesenhaft, allerdings sinnlich unwahrnehmbar), während alles Wahrnehmbare nur als Phänomen bestimmt (offenbart) wird(1548). Wie vielfältig, bzw. wieviel faltig die Tücke Böhmes auch immer sein mag, das Phänomen Gott samt Dreifaltigkeit aus der Finsternis heraus und wieder zurück zu jonglieren, die Erschaffung einer Instanz "Finsternis" hinter, bzw. über der traditionellen Dreifaltigkeit, kommt einer Neuerschaffung Gottes (durch Böhme) gleich, ob jener (neue Gott) nun offenbarungstechnisch mitgewirkt hat oder nicht. Die Unverfrorenheit Böhmes wird an der Nahtstelle - auch dem spirituell minderbeflügelten Beobachter - "offenbar", wo der Geist (d. i. Gott Hl. Geist der biblischen Offenbarung) - wiederum - die Finsternis "gebiert"(1549) (aus der er - über fünf Ecken - hervorging). Denn ebendiese Finsternis gilt für Böhme an den meisten anderen Stellen als die Hölle(1550), wo die Teufel wohnen(1551), der nämliche Verbannungsort, also de facto Aufenthaltsort des Lucifer(1552).

4.2.4. Die Quadratur der Trinität

Ein anderer markante Kunstgriff Böhmes ist das Auseinanderdividieren von Jesus und Christus, wobei er jedoch Jesus mit Jahwe gleichsetzt(1553). Sonach ist dem Christus alle Gewalt von Jesus (d. i. Jahwe) gegeben worden(1554). Gleich um 180 dreht Böhme die Bibeltheologie und biblische Offenbarung um, wenn er Jesus als die Salbung Christi deutet, so daß Jesus die göttliche Natur Christi, und der Christus die menschliche Natur Christi ist(1555). In der Ewigkeit wird, so Böhme, kein Christus sein, sondern Jahwe alles in allen(1556), denn in Gott gibt es eigentlich keine Person als Christus, aber seine (Christi) Geburt ist dreifach(1557). Das auffällige ist an Böhmes Konzept weniger der aus der Dreifaltigkeit ausgeschlossene Christus, auch nicht seine mangelnde Personalität, sondern das Fehlen der Personalität überhaupt, so als sei Gott Vater, Sohn und Hl. Geist jeweils eine Unperson (unter anderen Unpersonen wie Christus).

4.2.5. Das offenbar Böse

Böhme ist der einzige in der Geschichte, dessen postbiblische "Offenbarung" von der abendländischen(1558) Subkultur (respektive Klassik) insgesamt als Orientierungsgröße und unumstrittene Autorität anerkannt wird. Böhme zu kennen heißt vielleicht noch nicht alles über die abendländische Geistesgeschichte zu wissen, jedoch ohne Böhme ist das sog. Kulturschaffen des Abendlandes nach ihm zu kennen kaum hinreichend möglich(1559). Das etablierte Christentum steht und fällt mit dem überkommenen Offenbarungsverständnis, das von niemand anderem als Böhme erfolgreich auf den Kopf gestellt wurde.

4.3. Der aufgeklärte Teufel

Von Böhme spannt sich der Bogen über Deismus(1560) und französische Aufklärung(1561)(Rousseau(1562) und Voltaire(1563)) zu der deutschen Aufklärer Reimarus(1564), Lessing(1565), Kant(1566), Goethe(1567), Hegel und den ersten liberalen Theologen(1568) wie Schleiermacher(1569)und Herder (forderten als erste Theologen eine "neue Religion" der Vernunft), die alle durchwegs Böhme- und/oder Rousseau-Verehrer waren. In der Philosophie ist der von Spinoza(1570) und Newton(1571) und nicht zuletzt von Rousseau(1572) beeinflußte Kant(1573) als die Orientierungsgröße des Agnostizismus(1574) zu würdigen(1575), der Meister des Apriorismus(1576)und des damit assoziierten Fiktion des absolut Unhinterfragbaren, bzw. des unhinterfragbar Absoluten.

Mit der Entziehung des Absoluten und alles gewillkürt Absolut-Setzbaren dem Zugriff der Vernunft, außer als Imagination, gelang es Kant die Vernunft absolut (und die Natur(1577) als "absolut" mit-der-Vernunft-gleich) zu setzen(1578), indem er alles dem Entgegenstehendes in der "unhinterfragbaren" Transzendenz verschwinden ließ(1579), die lediglich Kants Subjektivismus tarnen soll(1580). Indem Kant die Gottesbeweise(1581), insb. den sog. ontologischen Gottesbeweis, wonach (sinngemäß) Gott "das Größte was man sich denken kann" sei(1582), so daß (umgekehrt) der größte Gedanke (was man sich nur denken kann) zwangsläufig Gott sein müsse, "überwunden" hat(1583), indem er alles - außer der (menschlichen) Vernunft - als unhinterfragbar beiseite (in die Transzendenz hinein) geschafft hat(1584), konnte er die Vernunft(1585), weil diese sich selbst nunmehr als die Größte denkt(1586), absolut setzen(1587). Weil der Kosmos (Universum, mit Sirius/Isis(1588) im Rotationsmittelpunkt/Mittelpunkt) ebenfalls (a priori) als absolut vorausgesetzt wurde, erklärte Kant die (menschliche) "Vernunft"(1589) und "Natur"(1590) (wie schon Spinoza(1591)) und "Gott" für Synonyme(1592). Sodann konnte der "historischen" Religion des Glaubens nunmehr die Religion der "natürlichen" Vernunft gegenübergestellt werden(1593). Kant ließ allerdings fürs erste die Vernunft einer erlauchten Elite vorbehalten sein und bis zur Vollendung von einigen Jahrtausenden mehr oder weniger wollte er sich nicht stören lassen. So trat Kant scheinbar noch durchaus für die friedliche Koexistenz von Glaube und Vernunft ein, bis das Primitive (Glaube) in das Erhabene (Vernunft) hinübergeführt sei, wofür Kant noch notfalls (bis zum goldenen Zeitalter des diesseitigen Weltfriedens) Jahrtausende Zeit hat.

4.4. Der ontische Teufel

Hat Kant vorausschauend die Vernunft als aus sich selber sich als die Größte denkend gefaßt(1594), die keine Kultivierung duldet(1595), weil er in der Kultivierung der Vernunft eine der kultischen "Bejahung" inhärente optionale "Infragestellung" wittert(1596), so kritisiert Hegel die Zerpflückung der Gottesbeweise durch Kant(1597), um dann (ohne die Quelle anzugeben) den ontologischen Gottesbeweis(1598) zur nonverbalen Ausgangsposition a priori zu nehmen(1599), und die Kultivierung der Vernunft unter dem Namen Dionysos (Liber) durch die Romantiker philosophisch zu flankieren(1600) (die Romantiker etymologisieren gewillkürt den Namen "Dio-nys-os" als "Gott-Vernunft"«), und sogar teilweise zu überbieten(1601). Hegel, (von Jugend an) der beste Freund des prophetischen Poeten des (neuen) Dionysos, Hölderlin(1602), der neue Orpheus der aufklärerischen Moderne, dichtet selbst lieber zu Ehren der Schwiegermutter des Dionysos, Ceres (Demeter/Isis(1603) der Freimaurer) und Eleusis(1604), den Kultort des Göttertrias Dionysos-Demeter-Kore/Persephone (Liber-Ceres-Libera). Unbestritten ist in der Forschung, daß die pseudochristliche Philosophie Hegels(1605) jeweils Ausgangsposition für die Links-(1606) und Rechtshegelianer waren(1607), die sich politisch etwa im Kommunismus(1608) (der Marxsche "Bruch" mit Hegel, genannt die "Überwindung" Hegels(1609), ist an anderer Stelle als das Ausfüllen des hegelschen Rahmens mit - revolutionärer - Dynamik gedeutet worden) und Nationalsozialismus manifestiert haben.

An Hegel "konnte" eben keine kulturpolitisch maßgebliche Denkrichtung vorbei. Selbst die meisten Hegel-Kenner wissen aber nicht, oder wollen es nicht wahrhaben, daß Hegel lange vor Nietzsche den "Tod des Gottes"(1610) des Glaubens erklärt hat. Und genau den von Kant als Gottesbeweis zerpflückten mittelalterlichen "Beweis" (ohne Quellenangabe) griff Hegel auf (und entfremdete es subjektivistisch), wonach der größte (menschliche) Gedanke Gott sei(1611). Mit dieser Variante der "Enthüllung" der von Kant absolut gesetzten "Vernunft" als "menschlich" durch Hegel, wurde das Tor zu der kultivierten Vergöttlichung des Menschen, d. i. die gekonnt systematische Verwechslung des Menschen mit Gott, aufgetan(1612) (beachte: bei Kant war der Mensch, soweit "vernünftig", bereits vorweg höchste Instanz(1613), obgleich zunächst die Vernunft auf eine elitäre Minderheit beschränkt blieb), und erst von Feuerbach wieder geschlossen(1614). So wie etwa Goethe keine Kruzifixe in seiner Nähe duldete(1615), so hat Hegel gegenteilig sogar konsequent das Schafpelz bevorzugt, indem er den ("für tot erklärten") Christus (Gott) des Glaubens(1616) durch den neu ins Leben gerufenen Christus der Vernunft (d. i. der größte menschliche Gedanke) ersetzte. Zum anderen ist bei ihm das Luziferische zumeist neuheidnisch verklausuliert (Gott-Vernunft=Dio-Nysos), so daß die luziferischen Fundamente (bei ihm) am ehesten über seine Böhme-Zitate(1617), und durch seine ausführliche Würdigung der Person und luziferischen Arbeit Böhmes(1618) (als bahnbrechend und den ersten deutschen Philosophen überhaupt, auf den alles weitere aufbaut, d. h. aufzubauen hat), verifizierbar sind(1619). Aber auch der klassisch luziferische Schöpfergott ist Hegel keineswegs fremd, der - bei ihm - selbst Geschöpf (Demiurg) ist und dem nur vorübergehend zum Schein Personalität verliehen wird, die allerdings erst in der späteren religiösen Reflexion zur Personalität (des Schöpfers) hochstilisiert worden sei(1620).

4.5. Der ästhetische Teufel

Neben der Philosophie fußte die aufdämmernde Moderne literarisch auf Goethe (samt Anhang), an den, vor allem an seinen Faust, sich die kulturelle Wende (deutsche Klassik) orientiert. Es fragt sich allerdings, ob der abendländische Kulturkreis nach dem beispiellosen Triumphzug - kurz nach dem Zenit - Galionsfiguren wie Goethe, Schiller und Hegel nunmehr in der Retrospektive als luziferisch zu stürzen bereit ist, oder gar zu offen zu luziferischen Fahne überläuft.

4.5.1. Der hermetische Teufel

Mit seltener Offenheit hat Goethe in seiner Selbstbiographie(1621) expliziert, daß ihn seine Studien der pietistischen Darstellung der Kirchengeschichte vom - Böhme Anhänger - Arnold(1622)animiert haben, seine eigene Religion zu begründen, wonach der agnostisch vorausgesetzten Apriori einer vage umrissenen Dreifaltigkeit(1623) der ausschließlich mögliche Begegnung Gottes durch den Menschen in Luzifer(1624), dem durch den Himmel-Sturz äußerlich zur Materie erhärteten Gottessohn, gegenüberstehe, dem alle Schöpfungsmacht übereignet war und durch dessen Geschöpfe, zu denen alle Engel gehören (auch die nicht mit Luzifer gefallenen), allein das Göttliche zugänglich ist.

4.5.2. Luzifer Creator

Goethe betont selbst, daß er hiermit ein für allemal die Religionsfrage (zumindest für sich) gelöst habe(1625), und es gibt keine Spuren eines Gesinnungswandels in seinem späteren Werk zu beobachten(1626). Vielmehr verrät Goethe am Schluß seines Faust II. in einer Redewendung des "teuflischen" Meffistofeles, daß die rettenden himmlischen "Engelwesen"(1627), die Faust entrücken (mitnehmen), "auch Kinder des Luzifer" sind(1628). Damit erweist sich der in dem Prolog des Faust I. im Himmel thronende Gott(1629) Goethes, der (auf Drängen Schillers(1630)) weitestgehend dem 1. Kapitel des Buches Hiob aus dem AT entlehnt ist(1631), als der nämliche Luzifer(1632), dessen Kinder Faust schlußendlich (im oben zitierten Schlußteil von Faust II.) in den "Himmel", bzw. ins "Jenseits" entrückten(1633). Also setzt Goethe in seinem Hauptwerk, "Faust", die Identität vom Gott des Alten Testaments(1634) mit Luzifer voraus. Diese - in christlichen Gefilden - älteste und hartnäckigste Spielart der Gnosis (seit Marcion), wonach der Gott des AT niemand anderer als Luzifer sei, entlarvt die als Deutsche Klassik gefeierte Kulturepoche (viele Sprechen vom Goethe-Zeitalter bis zur Jahrhundertwende einschließlich Erster Weltkrieg) als die elitärste Form des "bekennenden" (d. i. deklarierten) Luziferismus.

4.6. Der mythische Teufel

Ein eigener Absatz gebührt dem neuheidnisch verklausulierten Luziferismus, dessen Vorläufer im Barock vor allem Prometheus(1635) und dann Pluto(1636) waren, um dann von Hölderlins Dionysos(1637) verdrängt, gewissermaßen inkorporiert zu werden(1638). Ein Überblick vor allem über die philosophische Seite dieser fortan dominierenden Strömung gibt Manfred Frank(1639)in seinen zweibändigen "Vorlesungen über die Neue Mythologie", woselbst primär das Pseudochristliche am Dionysischen abgehandelt wird. Leider kommen gerade Galionsfiguren wie Hegel und Goethe (das Auftreten des Pluto, Dionysos und Apollo wird ebenso übergangen, wie die Wiedergeburt des Faust(1640) am Schluß als Dionysos-Kind(1641)) viel zu kurz, oder verdeckt eine allzu umständliche Beweisführung und Argumentation die Klarsicht. Bedauerlich ist auch die Unterlassene Identifizierung des von den Romantikern groß angekündigten Dichter-Propheten (messianischen Dichter) mit Goethe, so daß die Identität von Nietzsches "apollinisch-dionysischem Gegensatz" mit dem "apollinisch-faustischen Gegensatz" beim Hitlers Chefideologen (Rosenberg) nicht erkannt wird(1642). Etwas irreführend ist auch die konsequente Verwendung des sekundären Namens "Bakchos" (Bacchus) für Dionysos statt etwa "Liber", doch dürfte Frank dabei dem Sprachgebrauch der Romantik gefolgt sein, denn die Gefolgschaft des Gottes Liber (Dionysos) eben Bacchanten hießen und daher der Name Bacchus ebenfalls gebräuchlich war(1643). Ansonsten ist aber die Arbeit auf weiten Strecken äußerst informativ, vor allem für die Zeit der Romantik, und ist kulturhistorisch eine derzeit ebenso unersetzliche wie auch leider unvollständige Fundgrube des Dionysos-Motivs bis in die jüngste Zeit.

4.6.1. Dionysos Luzifer

Sehr aufschlußreich ist der Hinweis von Frank auf die legitimistischen Gründe für die Auseinandersetzung der Romantik mit Mythos, Religion und sodann konkret mit Dionysos(1644). Frank ist auch die eminent wichtige Systematisierung des Dionysischen (und somit Liberalen) seit der Romantik, die sein ganzes Werk durchzieht, zu verdanken. Demnach steht Dionysos wegen seiner streckenweise verblüffenden Parallelen mit Jesus Christus im Mittelpunkt des subkulturellen (neuheidnisch antichristlichen) Interesses(1645). Die Parteiungen, bzw. Hauptgruppen der Liberalen lassen sich nach diesem Kriterium als Orientierungsgröße bestimmen. Hat nämlich die eine Gruppe die christliche Analogie mit Dionysos so gedeutet, daß Jesus die positive Vollendung alles Dionysischen sei(1646), so hat die andere Hauptgruppe in Jesus den mißglückten Abklatsch, eine böswillige Verfälschung des wahrhaft Dionysischen gesehen(1647). Die Anhänger der ersten Gruppe, die zuvor großteils auch die Kirche gemieden haben, sind nun großteils von der Evangelischen zur Katholischen Kirche konvertiert(1648) und fleißig die Gottesdienste besucht. Die Anhänger der zweiten Gruppe traten zwar auch oft aus der Kirche aus, bevorzugten aber, wenn, dann außerkirchliche Alternativen.

4.6.2. Der archaische Teufel

Bei der Systematisierung der Flut der dionysischen Überlieferung, ein zugegeben titanisches Unterfangen, ist Frank weder vollständig noch in allen Punkten zufriedenstellend, verschafft aber einen beeindruckenden ersten Überblick. Den für die Moderne so zentralen Nonnos(1649)zitiert zwar Frank beiläufig(1650), aber übergeht er ihn in der Gewichtung. Der nach der Abfassung seiner Dionysiaka anscheinend zum Christentum konvertierte Nonnos(1651) wird in der Theologie als Abfasser einer Paraphrase zum Evangelium des Johannes etwa noch von Melanchton empfohlen(1652). Und in der Dionysiaka, dem Schlußstein gleichsam alles Neuplatonischen(1653) (zumindest zeitgleich mit dem Auslaufen des Neuplatonismus), und das letzte und größte Werk über Dionysos, hat nicht nur die Romantik entscheidend beeinflußt, sondern auch das Mittelalter und alles danach. Vielleicht war das Dionysiaka des Nonnos nicht allgemein anerkannt der krönende Abschluß der Antike, aber es spricht einiges dafür(1654), wenn man nur die zeitgenössische Subkultur, die sogenannte Moderne vor Augen hat. Das Dionysiaka ist aber, wie es immer auch gewertet werden soll, eine Zäsur in der abendländischen, damals schon offiziell so gut wie christlichen, Kulturgeschichte.

Von großer Bedeutung mag für das moderne Verständnis des Dionysischen gewesen sein, daß in der Dionysiaka des Nonnos, zum ersten Mal überhaupt in der griechischen Dichtung, Knabenliebe und Nekrophilie behandelt werden, und sich auch sadistische und masochistische Züge finden(1655). Ähnlich bedeutungsschwanger ist das - nach dem Tod des (zweiten) Dionysos - vorgetragene Bitte des Aion (zu Deutsch "Zeitalter", auf Englisch "Age") auf die Erlösung der Menschheit, worauf Aion erhört und (der dritte) Dionysos (wieder) geboren wird(1656). Damit ist Dionysos in einen direkten Zusammenhang mit dem Zeitalter (griechisch "Aion", englisch "Age"), also dem chiliastischen Moment (New Age), gebracht worden.

4.6.3. Der prophetische Teufel

Frank ist auch positiv anzurechnen, daß er schon in seinem Buchtitel "Der kommende Gott" das chiliastische Element, als das wohl wesentlichste in der Romantik, hervorhebt(1657). Er weist immer wieder darauf hin, daß der Dionysos der Romantik sogleich schon bei Hölderlin als ein Advent-Gott (Parusie-Gott) konzipiert ist(1658), und das blieb seine wesentlichste Eigenschaft bis zuletzt. Von diesen und ähnlichen Einsichten Frank's her wird die volle Dimension der weiter oben beschriebenen Manipulation des biblischen Parusietermins im aufgeklärt liberalen und postliberalen Dunstkreis, u. a. durch Alber Schweitzer und Rudolf Bultmann, transparent. Um der besseren Übersichtlichkeit willen kann hier auf das Gedicht des Romantikers Novalis (Friedrich von Hardenberg) über den Autor der "Morgenröte", übrigens auch ein ausdrücklich so gewählter chiliastischer Titel, Jakob Böhme, hingewiesen werden(1659):

"Du wirst das Reich verkünden,

Das tausend Jahre soll bestehen;

Wirst überschwenglich Wesen finden

Und Jakob Böhmen wiedersehen."

Im Brief Fr. Schlegels an Novalis vom 2. Dezember 1798 heißt es: "Ich denke eine neue Religion zu stiften oder vielmehr sie zu verkündigen zu helfen: denn kommen und siegen wird sie auch ohne mich. (...) Lebte Lessing noch, so brauchte ich das Werk nicht zu beginnen. (...) Keiner hat von der wahren neuen Religion mehr geahndet als er." Und im 95. Fragment der Ideen: "Als Bibel wird das neue ewige Evangelium erscheinen, von dem Lessing geweissagt hat". Und so fort in der Europa-Rede des Novalis: "Wann und wann eher? darnach ist nicht zu fragen. Nur Geduld, sie wird, sie muß kommen die heilige Zeit des ewigen Friedens, wo das neue Jerusalem die Hauptstadt der Welt sein wird ..."(1660)

In diese Kerbe schlägt auch Hegels Beitrag zur neuen Religion: "Das wäre dann eine »neue Religion« wenn es nämlich ein freies Volk [...] die Kühnheit haben kann, auf eigenem Boden und aus eigener Majestät solch seine Gestalt zu nehmen." Seinen vollkommen objektiven Ausdruck habe die Weltansicht einer Population im "Nationalgott, als in welchem dem Volke sein reiner Geist nicht nur, sondern zugleich sein empirisches Dasein (...) verklärt erscheint."(1661) Richard Wagner(1662), der Feuerbach viel verdankt und dem er eine Schrift gewidmet hat(1663), bringt es auf den Punkt: "Die Periode von diesem Zeitpunkt bis auf unsere Tage ist daher die Geschichte des Absoluten Egoismus und das Ende dieser Periode wird die Erlösung in den Kommunismus sein"(1664). Und die chiliastische Sicht eschatologisch abrundend: "Nur wenn die herrschende Religion des Egoismus [...] aus jedem Moment des menschlichen Lebens verdrängt und mit Stumpf und Stil ausgerottet ist, kann aber die neue Religion, und zwar ganz von selbst, in das Leben treten, die auch die Bedingungen des Kunstwerks der Zukunft in sich schließt". Und schlußendlich: "Der Gott der armen Leute: Pan. Volkshumor. Die phantastischen Masken - ursprünglich Naturgötter darstellend - stellten endlich das Volk selbst dar, wie die Heroengötter endlich zu Heroen = Menschen selbst geworden waren"(1665).

4.6.4. Der verkannte Teufel

Angesichts der Überfülle der wertvollen Information bei Frank dürfte es zielführend sein auf größere Lücken und sonstige Mängel stichwortartig hinzuweisen. Und obwohl auch der mythologische Teil Ergänzungen bedürfte, kann insgesamt bezüglich alles Dionysischen auf Frank und Hamdorf(1666) verwiesen werden. Die schon erwähnten Mängel sind die Verkennung Hegels, Goethes und andere Größen als Leitfiguren des Dionysischen, wie etwa auch Hitler und Marx, die von Frank zwar immer wieder gestreift und in Zusammenhang gebracht, aber nicht als die eigentlich zentralen Figuren erkannt und gewichtet werden. Goethes Faust, als das Dionysos-Ereignis der "modernen" (aufgeklärten) abendländischen Kulturgeschichte schlechthin, fehlt bei Frank zur Gänze. Überhaupt ist alles Nachromantische an Dionysischem etwas außerhalb dem Gesichtskreis von Frank, so daß seine Streifzüge in der Späte der Neuzeit nur als Demonstrationen (Beispiele) der von ihm zu Recht behaupteten, und in der Summe auch bewiesenen, kontinuierlichen Zusammenhangs anzusehen sind.

Besonders unangenehm fällt auf, daß Frank die Orphik(1667) fast zur Gänze ignoriert, obgleich er in Rilke ein ausgewachsenes Exemplar des poetisch Orphischen präsentiert(1668). Als der (prophetische) Dichter des Dionysos hinterließ Orpheus(1669) eine mindestens so breite Spur in der Kulturgeschichte des Abendlandes wie der Dionysos(1670) selbst. So wie in den Anfängen des griechischen Theaters nur Dionysos gespielt wurde(1671), weil das Theater die Kultstätte des Dionysos schlechthin war (und ist), so spielte man im ausgehenden Mittelalter und in der - mit dem Humanismus und Renaissance(1672) aufkeimenden Aufklärung so gut wie nur theatralische Musikstücke über Orpheus(1673). Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang gab es faktisch nur Orpheus als Stoff der Oper(1674). Oper und Orpheus sind ursprünglich und eigentlich ein und das selbe. Auch heute heißen nur die Helden anders, aber alles Oper ist Orphik, also dionysisch (Musik-Theater, musikalische Poesie(1675)).

Hierbei verdient Aufmerksamkeit, daß (siehe das Beispiel Rilkes) die Orphik als die Schattenseite (das Melancholische und die asketische Seite) des Dionysischen gilt, das oft und gerne sich (im Gegensatz zur Orphik) auch lebensfroh, bzw. ausgesprochen sinnenfroh bis äußerst lustbar (hedonistisch) zeigt, während Orpheus die tragische Figur schlechthin ist. Orpheus wiederum ist ein Pendant des Prometheus (eigentlich ist Prometheus das Pendant des Orpheus, womit auch Prometheus als dionysische Spielart erkannt werden kann), weil er dort, wie hier Orpheus, als erster die Unterwelt (Reich des Dionysos/Hades/Pluto/Liber) bereiste und wieder herauskam(1676). Als mythischer "Bezwinger" der heidnischen Hölle ist er ein Heros, doch die zweite an seinen Lebenslauf geknüpfte Geschichte ist der Verlust seiner Frau (Eurydike), die aus der Unterwelt herauszuholen Orpheus aufbricht, aber in ebendiesem Punkt versagt. Seine Untröstlichkeit wegen seiner verlorenen Frau ist sodann sowohl seine Positivität wie auch Negativität, das Thema schlechthin für die Poesie und Mythos(1677), in unzähligen Varianten. Der von sich enttäuschte Orpheus, der in seinem Liebeskummer den epochemachenden Sieg über den Tod in seiner Person gar nicht richtig realisiert, ist für sich selbst ein Versager, die Verkörperung der Enttäuschung, weil er seine geliebte Frau nicht aus der Unterwelt zurückholen konnte, für die Kunst und Religion ist aber Orpheus der Heros schlechthin, der als erster aus der Unterwelt zurückkehrte und davon Kunde brachte, ja er war die lebende Botschaft darüber, daß der (erste) Mensch aus der Unterwelt zurückkehren konnte, so daß er, eben weil er die bisher unüberwindliche Unterwelt überwand, schließlich unter die Götter erhoben wurde. Und mit dieser seiner Überwindung des Totenreiches ist Orpheus das heidnische Pendant von Jesus Christus im abendländischen Kulturschaffen geworden.

Für den Gott Liber(1678) gilt analog das zu Orpheus Gesagte. Eine verallgemeinernde Beurteilung des Dionysischen ohne Orphik und Liber(al) ist kaum möglich.

4.7. Der analytische Teufel

Der eingangs als ein prominenter Verfechter der luziferischen Quaternität(1679) gegen die christliche Trinität zitierte Carl Gustav Jung hatte auch, wie die meisten seinesgleichen, eine ganz persönliche Beziehung zum Bösen. Von Kindheit an von Alpträumen heimgesucht, stieg C. G. Jung, der nach dem Bruch seiner Freundschaft mit Siegmund Freud, der ihn schon als seinen "wissenschaftlichen Erben" gepriesen hatte, seelisch schwer angeschlagen, vom Ausbruch einer Psychose bedroht und dem Wahnsinn nahe, selbst in das "Reich der Mütter" hinab, um, in einer "Nachtmeerfahrt" ohnegleichen in die tiefsten Schlünde des Unbewußten tauchend, sich selbst(1680) zu finden(1681).

4.7.1. Der bewußte Teufel

Jung, der in seiner ersten Enttäuschung über Freud und dessen Lehre den Teufel den eigentlichen Vater der Psychoanalyse nannte(1682), rief bei seinem Abstieg in die Tiefenregionen seiner eigenen Psyche ausgerechnet jenen alten Mann mit Stierhörnern, Flügeln und einem lahmenden Bein in sein Bewußtsein! Von "Philemon", wie sich der Geist nannte, ließ sich Jung in langen Lehrgesprächen und Dialogen esoterisches Wissen über die dunklen Seiten unserer Psyche vermitteln. Der immer tiefer werdende Kontakt ließ Jung Philemon schließlich "fast wie physisch real" erscheinen, so daß er schließlich mit ihm - im Gespräch versunken - im Garten auf- und abwandelte ...

Mindestens ebenso intensiv wie mit Philemon verkehrte Jung mit einem weiblichen Geist, den er allerdings anfangs eher als eine Art dämonischen Subcubus erlebte, mehr einem Höllenwesen gleich als seiner gesuchten Anima: "Aus dem Urschleim auftauchend, unheimlich und behaftet mit allen qualligen und monströsen Anhängseln der Tiefe!" Jung, der diese Erfahrungen in seinem - "Roten Buch" genannten - magischen Tagebuch Schritt für Schritt festhielt, fand schließlich nach fünfjährigem Kampf zu seiner eigenen Mitte zurück(1683).

4.7.2. Der ausgeglichene Teufel

Das dergestalt gesteigerte Selbstbewußtsein Jungs scheint Zeugnis davon abzulegen, daß es sich bei dem Jahrelangen Abstieg in den seelischen Abgrund - in der Summe - um ein bleibendes Erlebnis gehandelt hat, so daß auch das Lebenswerk Jungs nur von daher gewichtet werden kann. So leitet sich etwa die "Individuation" als der zentrale Begriff der Psychologie Jungs von der Bewußtmachung des Unbewußten bis zu dem Punkt ab, wo ein Gleichgewicht zwischen den beiden seelischen Bereichen hergestellt ist. Jungs dergestalt zu Lehrgebäude erhobener Lebensweg des "Ausgleichs", nämlich des Kompromisses (Pakt) mit dem "Unbewußten" (Bösen), brachte als End- und Zwischenprodukte allerlei obligat Gnostisches hervor.

4.7.3. Der versöhnliche Teufel

Aus dem bewußten Roten Buch des Unbewußten C. G. Jungs quoll nun die chiliastische Qualifizierung des Christentums als Old Age und die Parusie des neuen postchristlichen Äons(1684), so daß der »christliche Aeon« der Fische "mit der Parusie seinen Abschluß finden werde", um dem Äon des Wassermanns Platz zu machen(1685). Jung zeigt auf die Zeichen der Zeit und zitiert aus der Bibel (!) die bevorstehende Machtübernahme durch Luzifer(1686), streift den angeblichen Mangel an wahrer Existenz des Bösen bei den Kirchenvätern(1687), um dann selbst zu bemängeln, daß die im Untergang begriffene "Gestalt Christi nicht so eindeutig ist, als man es wohl haben möchte", weil "Christus eine Reihe von Symbolen, resp. »allegoriae«, mit dem Teufel gemeinsam hat", so etwa Löwe, Schlange, Vogel, Rabe Adler und Fisch; und daß Luzifer, die stella matutina, sowohl Christus wie den Teufel bezeichnet. Die obligate (gnostische) Gleichsetzung Luzifers mit dem Gott des AT, den er den Demiurgen Jahwe nennt, erklärt Jung astrologisch über die Gleichsetzung (Jahwes) mit dem Saturn(1688), der ja der Teufel sei.

So ungefähr ist zu verstehen, warum Jung etwa bei den Nationalsozialisten, allerdings erfolglos, um die Landesweite Errichtung (und Verehrung) von Wotans-Eichen interveniert hat. Oder warum Introvigne, in diesem Punkt wohl zu Recht, den Satanismus in der Psychologie (eigentlich Psychoanalyse) verwurzelt sieht(1689).



5. DER ENTSCHLEIERTE LUZIFER

Der Schwerpunkt einer Untersuchung hat auf den Nachweis des direkten Zusammenhangs zwischen dem bekennenden Luziferismus der Theosophie Madame Blawatskys (respektive Abzweigungen wie New Age oder Satanismus) und dem pseudochristlich oder neuheidnisch verbrämten ästhetischen Luziferismus der Romantik (samt Nachfolgeströmungen) abzuzielen(1690). Der wohl aufwendigste Teil dabei wird der Nachweis des theosophischen (luziferischen) Wesens gänzlich anders etikettierten Geistesströmungen und Strukturen sein.

Der äußere Anhaltspunkt ist der im Mythos beschriebene Reise des Dionysos nach Indien(1691)und sein "Advent"(1692) (Parusie) in Europa auf dem Rückweg, seine Niederlage, Tod und Verklärung ("Auferstehung"), nämlich als Dionysos-Iachos(1693), oder Dionysos-Lyknites(1694). Denn die 1875 in den USA gegründete Theosophische Gesellschaft verlegte noch im gleichen Jahr mitsamt Madame Blawatsky ihren Sitz nach Indien(1695), wo die Stammgründung bis heute residiert. Schon die Romantiker haben die Gleichsetzung von Dionysos mit Shiva(1696) (vgl. Creuzer) übernommen. So wie der Luziferismus in der Romantik dionysisch-neuheidnisch verbrämt wurde(1697), so verbrämt die Blawatsky-Theosophie ihren deklarierten Luziferismus vorwiegend (aber nicht nur) vedisch-exotisch (tantrisch(1698)). Es ist aber der gleiche Luziferismus Mal im hellenistischen, Mal im indischen Gewand (ebenso wie im germanischen Gewand bei Wagner, Guido von List und Hitler, oder im ägyptischen Gewand bei den Freimaurern und dem sog. Satanisten Crowley). Besonders deutlich macht Blawatsky ihr luziferisches Bekenntnis im Kommentar zum Buch Dzyan, ein rein "spirituelles" (spiritistisches) Buch, das nur Blawatsky - als "Offenbarungsträger" - esoterisch zugänglich war, wo sie in den abschnittsweise Kommentaren von einer jüdisch-christlichen Usurpation zugunsten des minderwertigen (Demiurgen) Jahwe gegen den wahren und höchsten Herrn, den Fürsten der Finsternis, Luzifer, den die Juden und Christen Satan nennen, spricht.

Der Titel von Blawatskys (erstes) Hauptwerk, "Die entschleierte Isis"(1699), stellt die Verbindung zwischen dem Sprachgebrauch der abendländischen Gnosis(1700) und der Tantrik auf vedischer - oder pseudovedischer - Grundlage her, der zugehörig sich Blawatsky ansonsten bekennt (die meisten ihrer Anhänger gaben sich als Hindus, Blawatsky selbst trat dem Buddhismus(1701) bei - den sie als "indisch" verstand(1702) - und ergoß ihren Haß auf alles Christliche(1703)).

Seit Menschengedenken ist nämlich kein Freimaurerschriftsteller ohne Anrufung der Isis(1704)ausgekommen(1705). In der "Zauberflöte" bringt etwa Mozart einen "Chor der Priester des Isis" zu Gehör(1706), und 1800 trägt die in Paris aufgeführte Bearbeitung der "Zauberflöte" dann den Titel "Les Mystères d'Isis"(1707). Die Isis(1708) dient als Symbol für alles (gewissermaßen auch für Jesus) und die Freimaurer verwechseln sie permanent mit der Pallas von Sais. In der "Sendung Moses" schreibt Schiller, ihnen folgend: "Unter einer alten Bildsäule der Isis las man die Worte: »Ich bin, was da ist«, und auf einer Pyramide zu Sais(1709) fand man die uralte merkwürdige Inschrift: »Ich bin alles, was ist, was war, und was sein wird; kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.«(1710)" Aber diese - von Lessing oft herangezogene - Pallas von Sais wird von Hegel wiederum (wohl zu Recht) der Cybele(1711)gleichgesetzt, "der erhabenen Gottheit, die alles ist, was ist, was war und was sein wird, und ihren Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt"(1712), und versucht in seiner "Ästhetik"(1713)dann den Natursymbolismus von Isis(1714) und Osiris(1715) (Dionysos(1716)) zu erhellen. Insgesamt kann also bei der Wahl des Titels von Blawatskys "Entschleierte Isis" und der gnostisch-esoterischen Tradition des Abendlandes ein direkter (thematischer) Zusammenhang festgestellt werden.

Das zweite und letzte Hauptwerk Blawatskys, "Die Geheimlehre", enthält das von Blawatsky kommentierte Buch Dzyan, das bis dahin niemand außer Blawatsky lesen durfte und nun ihr allein spirituell (spiritistisch) "offenbart" wurde. Gemäß dem ihr allein offenbarten Auftrag expliziert nun Blawatsky, daß der Teufel eine Lüge der jüdisch-christlichen Geistlichkeit sei, indem der wahre Herr und Schöpfer des Universums, der Fürst der Finsternis, den die Bibel Satan und Luzifer nennt, nur verbal von den biblischen Autoren gestürzt und dem minderwertigen Demiurgen Jahwe unterordnet werden konnte, in Wahrheit ist aber alles anders(1717) und Luzifer steht nunmehr unmittelbar vor der offenen Machtübernahme (New Age), nämlich nach seiner unmittelbar bevorstehenden Parusie.

5.1. Der Teufel der Ahnen

Der wohl heikelste Punkt der Causa "Luziferismus" ist der Nachweis der Verbindung des deutschen Nationalsozialismus mit der deklariert luziferischen Theosophie Blawatskys, obwohl der romantische Ursprung und Verbundenheit des deutschen Nationalismus, gleichsam als Romantikrezeption(1718), so gut wie außer Streit steht. Es wird nämlich in der Forschung gelegentlich das Gerücht kolportiert, daß diese Verbindung des Nationalsozialismus zu der (deklariert luziferischen) Theosophie Blawatskys angeblich nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Unbestritten ist zwar die gnostische Thule-Gesellschaft mit der neuheidnischen Tarnung die geistige Heimat des Nationalsozialismus, von wo aus alle politischen Fäden gezogen wurden, die "Skeptiker" übergehen aber geflissentlich, daß es zwei aufeinanderfolgende Thule-Gesellschaften (vor und nach dem mißglückten Hitler-Putsch in München 1923) gab und versuchen die Aufmerksamkeit auf die erste Thule-Gesellschaft zu lenken, wo einiges schwieriger verifizierbar zu sein scheint. Tatsächlich lassen sich die komplexen Verbindungen in beiden Phasen der Thule-Gesellschaft rekonstruieren, und eventuelle Unsicherheiten können nur dadurch simuliert werden, daß Unterschiede in den zwei Phasen der Thule-Gesellschaft als Widerspruch oder Unklarheit hingestellt werden. Wenn jedoch vorher festgestellt wird, daß die beiden Phasen der Thule-Gesellschaft als faktisch zwei aufeinander folgende Gesellschaften - unter Wahrung der Hauptsubstanz aber mit einem völlig neuen "Management" - aufzufassen sind, kann die Fragestellung widerspruchsfrei angenähert werden. Insofern substantielle Unterschiede in den beiden Phasen festzustellen sind, so vertritt die erste Phase eine von Guido von List vermittelte Blavatsky, und die zweite Phase eine unvermittelte Blavatsky (Buch Dzyan) mit einer (ariosophischen) Auslegungstradition von List.

In der zweiten Thule-Gesellschaft war (spätestens) um 1928 die gesamte NAZI-Elite samt Hitler als Mitglied eingetreten(1719), und von dieser Nachfolgegesellschaft (Thule-Gesellschaft II.) heißt es, daß die Neugründung durch Karl Haushofer(1720) (um 1923) auf der Grundlage des - weiter oben zitierten - Buches Dzyan (der Madame Blawatsky) erfolgte, das außer der bekennenden Luziferianerin Blawatsky niemand im Original gesehen hatte, in dem Buch sich Luzifer als der wahre Gott der Götter der Blawatsky offenbarte, und das Buch (Dzyan) nur ihr allein anvertraut (offenbart) wurde.

Von der ersten Thule-Gesellschaft Sebottendorffs hieß es zwar allgemein, daß Lanz von Liebenfels, Guido von List und die Ariosophen Vorbilder und geistige Väter seien, aber ansonsten wäre das Material angeblich "widersprüchlich" oder "undeutlich", oder nicht sicher genug. Die Behaupteten Unklarheiten resultieren allerdings zumeist aus der unsachgemäßen Handhabung der Informationen. So sucht man z. B. ebenso unnötig wie vergeblich nach Verbindungen zu den deutschen Theosophen. Denn die gesuchte Verbindung besteht tatsächlich zu den österreichischen Ariosophen, die eine Elitegruppe der österreichischen Theosophen waren, und auch die Gruppe um Lanz von Liebenfels dominiert haben.

Übergangen wird von den zitierten "Skeptikern" zumeist auch die zentrale Rolle von Guido von List bei der geistigen Orientierung Hitlers, weil durch den sich auffällig gebärdenden aber um einiges harmloseren Lanz von Liebenfels verdeckt, bzw. überschattet wird. Guido von List ist ein bekennender Blawatsky-Jünger und sein Lehrgebäude ist eindeutig (und durch ständige Zitate deklariert) die Theosophie Blawatskys in germanischem Gewand, sozusagen die germanisierende Version der Theosophie Blawatskys. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, daß Lanz und Sebottendorff wie noch viele andere jeweils Redeverbot nach Hitlers Machtübernahme erhielten, während der "Führer" (Hitler) die Gedanken des Guido von List bis zuletzt wohlwollend zitiert und gewälzt hat. Die direkte Verbundenheit des Nationalsozialismus mit der luziferischen Theosophie Blawatskys, nämlich in der Interpretation von List, ist somit auch für die Zeit der ersten Thule Gesellschaft erwiesen(1721). Ob und wann Hitler offizielles, bzw. nachweisbar (eingeschriebenes) Mitglied einer theosophischen Gesellschaft geworden ist, ist insofern ohne Belang, als die meisten gnostischen Organisationsformen kaum mit den üblichen religiösen Organisationsformen vergleichbar sind.

5.1.1. Der kultivierte Teufel

Schon 1924 konstatiert Erhard Schlund in der Ausbreitung national verbrämten neuheidnischer Bewegungen den permanenten Kulturkampf(1722) zwischen Heidentum und Christentum: "Auch nach dem allgemeinen Sieg des Christentums und der Christianisierung der deutschen Stämme ging der Kampf als Guerillakrieg weiter in den Seelen und in den Glaubensanschauungen und in den religiösen Bräuchen, ja auch in bewußten Geistern, und Männer, denen Wotan lieber war als Christus, gab es wohl immer. Heute scheint es nun, daß dieser Jahrhunderte dauernder Kleinkrieg wieder zu einer offenen Feldschlacht werden möchte. Jedenfalls hat das Hakenkreuz [...] den Kampf mit dem Kreuz Christi aufgenommen [...] Oft ist dieser religiöse Kampf durch den Politischen so stark verdeckt, daß selbst gelehrte, christliche Theologen und kirchlich wachsame und eifrige Priester nichts davon merken." Unter dem Vorwand, die von der Kirche nicht immer erfolgreich verhinderte örtliche "Kulturanpassung" des Christentums nunmehr rückgängig machen zu wollen, wurde von den Neuheiden zutiefst christliches und nicht selten rein jüdisches Kulturgut ohne viel umschweife "re-arisiert", bzw. als angeblich Ur-Germanisches ins Neuheidentum adaptiert. So wurde auch "Jesus gerne als Arier gesehen"(1723).

5.1.2. Der Teufel im Blut

Für die theoretischen Hintergründe des zur Religion ausgestalteten Kultes der Rasse sorgten die bedeutendsten Vertreter der (austrotheosophischen) Ariosophie: Lanz von Liebenfels, Guido von List und Theodor Fritsch(1724). Gleichzeitig waren diese drei Persönlichkeiten Gründer verschiedener miteinander eng verflochtener Geheimgesellschaften und Orden.

Obwohl in der Literatur immer der Neu-Gründer des vom Papst Clemens V. um 1312 verbotenen Tempel-Ordens (ONT), mit "Ausrottung des Tiermenschen" sowie "Kastrationsmesser"und ähnliches im Programm (Ostara-Hefte), Lanz, als "Der Mann, der Hitler die Ideen gab" auftaucht(1725), ist die zentrale Figur hinter der ideologischen Entfaltung Hitlers der Theosoph Guido von List. Die Mitgliederliste der Guido-von-List Gesellschaft, an deren Gründung nicht nur der Altbürgermeister von Wien, Josef Neumayer, sowie der Oberbürgermeister Karl Lueger, sondern auch Lanz von Liebenfels beteiligt waren, umfaßte auch die ganze Wiener Theosophische Gesellschaft. Der in der "Armanenschaft" zusammengefaßte innere Kreis der Guido-von-List Gesellschaft war wiederum geschlossen in der ONT von Lanz vertreten.

Der von Fritsch in Deutschland gegründete Reichshammerbund gegen die jüdische Wirtschaft und die geheime Loge Germanenorden(1726) standen ebenfalls unter dem Einfluß von List(1727). Nach einer Spaltung des Germanenordens gründete der bisherige Obermeister Pohl 1916 den Germanenorden Walwater, dessen bayerische Sektion unter dem Ariosophen Sebottendorff, der Lanz und List als seine Vorläufer würdigt(1728), am 18. 8. 1918 in Thule-Gesellschaft (d. i. Thule Gesellschaft I.) umbenannt wurde(1729). Im September 1919 schleuste der Polit-Hauptmann Mayr seinen - zuvor bei den Kommunisten als Rotgardist(1730) erprobten - Konfidenten namens Adolf Hitler in die DAP(1731) ein, der schon im Januar 1920 zum Propagandachef und bald darauf zum Chef der auf sein Betreiben umbenannte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei (NSDAP) avancierte(1732).

5.1.3. Der arische Teufel

Hitler kam allerdings nicht ganz zufällig in den Gefilden der von den Austro-Theosophen (Ariosophen) kontrollierten Organisationsgeflecht der Thule Gesellschaft zu Ehren, hatte er doch Wien 1912 mit einem Empfehlungsschreiben der Guido-von-List Gesellschaft an den Großindustriellen Friedrich Wannieck in Richtung München verlassen(1733). Den als Stifter und Ehrenpräsident der Guido-von-List Gesellschaft registrierte Friedrich Wannieck(1734), konnte er, so erinnert sich Hitler im "Mein Kampf", nicht mehr sprechen, weil jener damals bereits todkrank, und am 6. Juli 1912 dann tatsächlich gestorben war(1735). So gut die von Frau Elsa Schmidt-Falk, "der einzigen weiblichen politischen Leiter innerhalb der politischen Leiter-Organisation der NSDAP" (Selbstbezeichnung), an Dr. W. Daim gemachten Angaben sind, so verblieb Guido von List als die einzige von Hitler anerkannte Autorität in Sachen Ariosophie, den Hitler bis zuletzt auch ständig zitierte(1736).

5.1.4. Luzifer Redivivus

List beruft sich nun auf Madame Blavatsky, die als der unumstrittene "Stammvater" der organisierten Theosophie galt(1737), und deren Schriften ihm als Beweis für die Übereinstimmung von germanischen und indischen, also "ur-arischen" Weisheitslehren dienen(1738). List läßt sogar alle Weisheit von den Ario-Germanen herrühren, die angeblich die ersten Menschen gewesen wären und schon die Erfindungen der H. P. Blavatsky gekannt haben sollten(1739). List unterscheidet zwischen dem Armanismus (Lehre der Weisen) und dem Wuotanismus (für das Volk). Für List waren Wuotanismus und Christentum gleichermaßen niedere Volksfrömmigkeit, wobei die Armanen (Weisen) den Wuotanismus in das Christentum eingearbeitet hätten, nachdem das Volk dem Wuotanismus verfiel(1740).

Der theologischen Grundposition der Blavatsky, wonach der von den christlich-jüdischen Theologen Satan und Luzifer genannte Fürst der Finsternis der eigentliche Gott, und größer und mächtiger als der biblische Jahwe(1741) sei, bemüht sich List mit der Gleichschaltung von deutscher Weltmacht und Woutanismus Rechnung zu tragen, indem er etwa die Parusie Wuotans, die Zeitenwende (New Age), als im Anbrechen begriffen postuliert. Dem Christentum seinerzeit weichender Wuotan soll scheidend zur Albruna gesagt haben(1742):

"Nach tausend Wintern voll trugreichen Wahnes,

Nach leidigem Ringen mit Ränken und Listen,

Nach geistigem Kampfe und arisches Weistum,

Erst wird sich mein Volk vom Wahne befreien,

Ertrotzen sich Lehrstuhl und Tronsitz der Welt."

Das von List als eine Variante des Wuotanglaubens hingestellte Christentum kennt im biblischen Original tatsächlich ein Gottesreich von rund tausend Jahren (Off 20,1-10), wobei allerdings der Satan für tausend Jahre gefesselt in den Abgrund versperrt wird (Off 20,2-3), um nach den tausend Jahren bis zu dem Vernichtungskampf gegen ihn für kurze Zeit freigelassen zu werden (Off 20,7-10), so daß die satanische Umdeutung des Christentums durch List(1743), wie bei Blavatsky vorgegeben, auf der Hand liegt. Hiermit zeigt zugleich das tausendjährige Reich Hitlers sein luziferisches Gesicht und (verallgemeinernd) die "Deckungsgleichheit" des luziferischen und chiliastischen Moments, bzw. den inneren Zusammenhang zwischen beiden.

5.1.5. Der Teufel der Tafelrunde

Auch wenn die gegenwärtige Forschung darin übereinstimmt, daß der unbestritten von der Theosophie Blawatskys (New Age) her bestimmte Neofaschismus eindeutig auf nationalsozialistische "Tradition" zurückgreift, ist die Diskussion über die Nachweisbarkeit der direkten Beeinflussung Hitlers durch Blavatsky - durch Verschleppung - noch vordergründig im Gange (bzw. wird künstlich in Gang gehalten)(1744). Wegen der erwähnten "Verwechslung" deutscher Theosophen mit den österreichischen Theosophen (Ariosophen) ranken sich so manche Spekulationen um das Thema und tiefergehende wissenschaftliche Untersuchungen der Geheimaktivitäten selten sind, so als wäre man noch nicht ganz so weit mit der wissenschaftlich begründeten Einsicht.

Tatsache ist jedoch, daß nach dem Abgang von Sebottendorff in die Türkei(1745) (nach dem Hitler-Putsch in München 1923) die Thule-Gesellschaft von Karl Haushofer um 1923 auf der Grundlage des Buches Dzyan, gemäß dem in der "Geheimlehre" Blawatskys abgedruckten mysteriösen Inhalt der geheimen Offenbarung an Blavatsky(1746), neu gegründet, bzw. umgegründet worden ist(1747). In diese Thule-Gesellschaft sind erst 1928 Hitler, Himmler, Göring und Rosenberg Vollmitglied geworden, was die oben angedeuteten Spekulationen über die Frühzeit des Nationalsozialismus verständlich erscheinen läßt. Aber die gemeinsamen theosophischen Grundlagen von Nationalsozialismus und New Age, nämlich die Theosophie Blawatskys, lassen sich nicht mehr aus der Welt diskutieren. Auch und gerade dann nicht, wenn New Age den Nationalsozialismus als eine Häresie innerhalb der Neugnosis (neoliberalismus) postuliert und so außerhalb von New Age behauptet, oder gar als Antipode bekämpft, denn diese innere Spaltungen, wo die Flügel der Spaltung sich radikal bis zur Vernichtung bekämpfen wollen, ist das Charakteristikum dieser Bewegungen und das tragende Strukturelement.

Hinsichtlich der Übereinstimmung neuheidnischer Umtriebe bei den Nationalsozialisten und bei New Age Anhänger sowie Neofaschisten kann Zufall ausgeschlossen werden(1748). Analog ist auch die Linie von List, der eine "mea culpa" der Kirche dem germanischen Volk gegenüber zwar sehr wohl erwünscht, aber entschieden zu wenig ist. Es geht nach wie vor um die im "Antichrist" von Nietzsche beschriebene "Götzendämmerung", um den mystisch herbeigedichteten Untergang des Christentums(1749). In diesem Kontext ist auch die gewitzte Entschuldigung des Bischof Weber für angebliche nationalsozialistische Verbrechen im Namen der Kirche zu sehen, weil es immer nur auf das "mea culpa" der Kirche ankommt, nämlich darauf, daß die Kirche noch vorher winseln soll, bevor ihre Entschuldigung dann doch nicht angenommen wird. Dieses Theater wäre auch dann grotesk, wenn die Kirche wirklich sich für etwas zu entschuldigen hätte.

5.1.6. Der Teufel der Revolution

Der gleiche Problemkreis kann von einer anderen Seite her angegangen werden, da das Zurückgreifen des Nationalsozialismus auf die Romantik(1750) als allgemein anerkannt gilt(1751). Der Romantik verdankt das Abendland zunächst die Popularisierung der synkretistischen Gleichsetzung christlichen Kulturgutes mit Hellenistisch-Heidnischem(1752), zumindest auf breiterer Basis, und schließlich durch Richard Wagner mit Germanischem. Das indo-arische Versatzstück an germanischem Kulturgut durch die Ariosophen rundet das Bild ab und paßt sehr wohl in die synkretisierende Tendenz. Die Gleichsetzung des christlichen Teufels mit den heidnischen Unterweltgötter im ausgehenden Mittelalter, vor allem dann mit Pluto/Dionysos(1753), griffen die Romantiker dem ("prophetischen") Beispiel Hölderlins(1754)folgend auf, um eine alt-neue "religiös" orientierte Idee und Kulturbewegung des dionysischen Protests (d. i. die Revolution) zu begründen(1755). Kaum ein bekannter Künstler blieb von dieser archaisierend neuheidnisch verbrämten Bewegung des Widersachers (Luziferismus) unberührt. In unserem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß sich Hitler in dem von der Romantik(1756)und dann von Nietzsche angekündigten "Künstler-Politiker"wiederzuerkennen glaubte(1757), nämlich als dionysischer Messias. Es kommt dabei auch weniger darauf an, ob die Romantiker und Nietzsche selbst Hitler als solchen akzeptiert hätten, als auf die damit expressis verbis von ihm selbst deklarierten dionysischen Identität Hitlers, daß Hitler selbst der dionysische Messias Nietzsches sein wollte(1758). Man könnte zwar spekulativ das allfällige Argument gelten lassen, daß Hitler eigentlich der Antidionysos, der Anti-New-Age, der Repräsentant einer luziferischen und-oder romantischen Häresie sei, der somit die Ehre des Luzifer besudelt, das wahrhaft Dionysische verraten, die Revolution entfremdet und oder Schande über Dionysos und alles Neuheidnische gebracht habe, doch aus unserem Gesichtspunkt kommt es zunächst auf diesen feinen Unterschied nicht an, ob Hitler dem Bösen nun formvollendet ("orthodox") oder auch nur heuchlerisch ("unorthodox") gedient habe. Hitler war der leibhaftige Theosoph, und die Theosophie hat sehr wohl den Anspruch auf das geistige Erbe des romantisch Dionysischen(1759), wie überhaupt alles Subkulturellen, auf die authentische politische Artikulation und Umsetzung der Subkultur erhoben. Die subkulturelle Tradition war geradezu die Identität der Theosophie Blawatskys.

5.1.7. Himmelfahrtskommandant Luzifer

Lange Zeit stand der europäische Aufenthalt des Dionysos im Mittelpunkt des (romantischen und aufklärerischen) Interesses, so wie zuvor auch im antiken Griechenland, bis dann insb. von der neugnostischen Theosophie der Moderne die indische Herkunft des Dionysos und vor allem seine Reise nach Indien und seine Wiederkunft (Parusie) aus dem indischen Exil(1760)(Dionysos ist Shiva) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wurde, so wie in der Antike der indische Herkunft des Dionysos mit dem Alexanderzug und damit heraufdämmernden Hellenismus - als der universale Anspruch des dionysischen Griechenland - aufkam. Offensichtlich deswegen siedelte nun die 1875 in Amerika gegründete Theosophische Gesellschaft im Gründungsjahr nach Indien über(1761) und blieb die "orthodoxe" Blawatsky-Linie bis heute dort. Die unter New Age in Europa bekannte Abzweigung (keine Abnabelung) inszeniert die Wiederkunft (Parusie) des Dionysischen nach Europa, d. h. in das sog. westliche Denken, wie das schon die Nationalsozialisten versucht haben(1762). Dabei kommt die Niederlage des Nationalsozialismus dieser Linie entgegen, es paßt sogar genau ins Bild(1763), denn der "historische" (mythische) Dionysos wurde justament nach seiner Rückkehr (Parusie) nach Europa zunächst von einem einheimischen König getötet, worauf aber seine "Auferstehung", und seine (mystische) Verklärung folgte. Es liegt daher nahe, spätestens nach dem erbrachten Beweis über New Age als die geistige Heimat des Neofaschismus, die Neugnosis und New Age als die (dionysische) Verklärung des Nationalsozialismus zu identifizieren.

5.1.8. Der romantische Teufel

Ohne hier das weitgefächerte Forschungsfeld im Detail näherbringen zu wollen, kann auf die Aufregung in England wegen der inzwischen nach München übersiedelten Kunstausstellung über Romantik und Nationalsozialismus hingewiesen werden(1764). Hier kann in diesem Zusammenhang auf die von Guido von List für wünschenswert erachtete "mea culpa" der Kirche gegenüber dem Neuheidentum, und auf die Schulderklärung der deutschen Bischofskonferenz und des Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Weber, zu Auschwitz nochmals aufmerksam gemacht werden.

Es wäre zu hoffen, daß der Schein trügt, wonach diese Schulderklärung der deutschen Bischöfe - und für Österreich von Bischof Weber - zu Auschwitz, eine hintergründige Solidaritätserklärung der Kirche mit dem Nationalsozialismus ist, auch wenn die Optik eindeutig dafür spricht. Ansonsten wäre diese Schulderklärung, wie der objektive Schein doch zeigt, der bisher niederträchtigste Versuch nationalsozialistische Verbrechen (stellvertretend durch die büßende Kirche) zu "entsühnen". Indem zum nationalsozialistischem Jubeljahr (wobei das Jubeljahr zynisch mit dem globalen Schuldenerlaß bei den biblischen Juden assoziiert werd), so als seien nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschheit biblisch gesehen "verjährt" und durch die Zeit geheilt, der Kirche von den innerkirchlichen Heuchlern die Schuld unterjubelt wird, geben die germanischen Bischöfe dem christlichen Gott die Schuld, Täter und Opfer im Stich gelassen zu haben.

5.2. Der ideale Teufel

Die größte theosophische Gruppe im deutschsprachigen Raum heute ist die um 1912 von der deutschen Theosophischen Gesellschaft abgespaltene (abgenabelte) Anthroposophische Gesellschaft Rudolf Steiners (der übrigens auch aus Österreich stammt, aber kein eigentlicher Austro-Theosoph, sondern - als Theosoph - Deutscher ist). Seine Lehre und Organisation sind zwar erforscht, jedoch die luziferischen Grundlagen, so wie bei den meisten Luziferianern, ist in der etablierten Sektenforschung leider in den Hintergrund gedrängt, bzw. verschwiegen, verdrängt bis vertuscht.

5.2.1. Himmelstürmer Luzifer

Schon um die Jahrtausendwende erhob die synkretistische Mythenverarbeitung die damals im Westen weitest verbreitete Theosophie Luzifer zu einer zentralen Gestalt(1765), so als sei das gestörte Verhältnis zu Gott lediglich ein "Übergang", bzw. "der" Übergang zu Gott schlechthin, und Luzifer der Symbolgestalt der positiven Zielorientiertheit, und schlußendlich eine Heilsfigur, d. h. die Heilsfigur schlechthin. In diesem Sinne gründete Wilhelm Hübbe-Scheiden 1893 die deutsche Theosophische Vereinigung und führte sie bis 1902, als ihm Rudolf Steiner in dieser Aufgabe folgte. Hübbe-Scheidens Luzifer als vorbildliche Idealgestalt seiner Weltinterpretation, als Typus des Strebens zu Gott, ergriff nicht nur Steiner, sondern brachte eine ganze Reihe hochkarätige und Bekennende Luziferisten (wie etwa Fahnenkrog und Fidus) hervor, die sich der nationalsozialistischen Bewegung anschließend Luzifer zunächst mit germanischen Zügen versahen und ihn schließlich im "Führer" des deutschen Volkes (d. i. Hitler) erkannt haben, so daß sie von der nationalsozialistischen Bewegung als Vorkämpfer geehrt wurden(1766). Strittig sind allerdings die nationalsozialistischen Bezüge von Steiners Anthroposophie, weil Steiner mit ca. 90 Prozent der Mitglieder der damals von ihm geführten Theosophischen Gesellschaft von der Zentrale in Indien ausgeschlossen wurde, und anscheinend kamen nur die "Mitglieder" (Anhänger) der "orthodoxen" Linie bei den Nationalsozialisten zu Ehren, während Steiners Anbiederungsversuche von den Nationalsozialisten zurückgewiesen worden sein sollen, so daß (unbewiesenen) Gerüchten zufolge sogar das Niederbrennen des Hauptheiligtums der Anthroposophie (Goetheanum) den Nationalsozialisten zugeschrieben wird.

5.2.2. Luzifer-Gnosis

Alles Anthroposophische versteht sich als Produkt der vom Rudolf Steiner (1861-1925) verkündeten pseudochristlichen Offenbarung(1767) um die Jahrhundertwende. Die gnostische Sekte Steiners artikuliert sich religiös in der sog. "Christengemeinschaft"(1768), ihre Breitenwirkung entfaltet sie jedoch vor allem über ein Netz von Vorfeld- und Tarnorganisationen, zu denen u. a. die sog. Waldorfschulen(1769) und die politische Partei der Grünen(1770) gehören. Der Deutsch-Österreicher Dr. Phil. Rudolf Steiner ist zunächst Sekretär und dann Wortführer der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland gewesen, und machte sich als Herausgeber der Zeitschrift "Luzifer" einen Namen. Die Zeitschrift wird in der Folge mit der Zeitschrift "Gnosis" fusioniert und erscheint (1904) unter dem Namen "Luzifer-Gnosis"(1771). Steiner wird 1913 aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen, weil er sich weigerte, den in Indien von der theosophischen Dachorganisation zum Avatar, bzw. zu der Inkarnation Jesu gekürten Hinduknaben Krischnamurti anzuerkennen. Steiner spaltete nun die theosophische Häresie unter dem Namen Anthroposophie ab und schmückt sich zunehmend mit christlichen Federn. Die Aufzählung der pseudochristlichen Kuriositäten Steiners würde zu weit führen, am makabersten dürfte aber sein Kindheits-Evangelium Jesu sein, bzw. die Offenbarung über zwei gleichzeitigen Jesus-Knaben, deren einer die Inkarnation Zarathustras und der andere die Inkarnation Buddhas sein sollte(1772).

5.2.3. Archetypus Luzifer

Schon in den Anfängen knüpft Steiner an Goethe und dessen Faust an, um seine Weisheit zu artikulieren: "Das bedeutsame Symbol der Weisheit, die uns durch Forschung gegeben wird, ist Luzifer, zu Deutsch Träger des Lichtes. Kinder des Luzifer sind alle, die nach Erkenntnis, nach Weisheit streben. Die chaldäischen Sternkundigen, die ägyptischen Priesterweisen, die indischen Brahmanen: sie alle waren Kinder des Luzifer. Und schon der erste Mensch wurde ein Kind des Luzifer, da er sich von der Schlange belehren ließ, was 'gut und böse' sei. Und alle diese Kinder des Luzifer konnten auch Gläubige werden. Ja, sie mußten es werden, wenn sie ihre Weisheit recht verstanden. Denn ihre Weisheit ward ihnen eine 'frohe Botschaft'. Sie kündete ihnen den göttlichen Urgrund von Welt und Mensch. Was sie durch ihre Erkenntniskraft erforscht hatten, das war das heilige Weltgeheimnis, vor dem sie in Andacht knieten, das war das Licht, das ihren Seelen die Wege zu ihrer Bestimmung wies. Ihre Weisheit in andächtiger Verehrung geschaut, das ward Glaube, das ward Religion. Was ihnen Luzifer gebracht das leuchtete vor den Augen ihrer Seele als Göttliches. Dem Luzifer verdanken sie, daß sie einen Gott hatten. Es heißt das Herz mit dem Kopf entzweien, wenn man Gott zum Gegner des Luzifer macht. Und es heißt, den Enthusiasmus des Herzens lahmlegen, wenn man es macht, wie unsere Gebildeten, welche die Erkenntnis des Kopfes nicht erhebt zur religiösen Hingabe."(1773)

5.2.4. Geliebter Luzifer

Die von Steiner im Menschen angesiedelten Göttliche und Luziferische, wobei das Luziferische dominiert, verhalten sich nicht als Gegensätze zueinander, sondern das Luziferische definiert sich gerade dadurch, daß es den Menschen zur Vollkommenheit, zur Göttlichkeit streben läßt(1774). Im Gegensatz zum herkömmlichen Christen läßt sich der luziferisch beseelte Mensch nicht (passiv) von Gott helfen, sonder (mit der Hilfe Luzifers) ergreift er die Vollkommenheit aktiv. In einem von Rudolf Steiner bearbeiteten Mysterien-Drama des französischen Theosophen Eduard Schuré (Rudolf Steiner und Edouard Schuré, Luzifer, Die Kinder des Luzifer, Das Schauspiel "Die Kinder des Luzifer" von Edouard Schuré in der Übersetzung von Marie Steiner von Sivers, in freie Rhythmen gebracht durch Rudolf Steiner, Der Aufsatz "Luzifer" aus dem Jahre 1903 von Rudolf Steiner, Zwei esoterische Betrachtungen "Luzifer" und "Die Kinder des Luzifer" aus dem Jahre 1906 von Rudolf Steiner, Dornach 1955, S. 101) ist dieser Prozeß gestaltet: Theokles, ein Suchender in finsterer Zeit, erkennt, daß der Weg zu Gott nur über die Treue zum eigenen Ich führt, und erwählt sich Luzifer zum Leitbild. Bis zu der symbolisch-zweckdienlichen Heirat des Theokles mit einer Christin, um Selbstbewußtsein durch "Liebe", und somit die Vereinigung des Sternes Luzifers mit dem Kreuz Christi zu erreichen (das Kreuz im Stern), ist der Erzählstrang einigermaßen nachvollziehbar. Der Rest ist eine Herausforderung für die Fantasie (wo übrigens nach Jacob Böhme das Reich des gefallenen Luzifers ist).

Immerhin kommt dann in den folgenden Luziferdichtungen Steiners (Steiner/Schuré, S. 238) einigermaßen klar das Dionysische durch: "Wären wir geblieben im Schosse der Götter, ohne zersplittert zu sein im Sinne der Dionysissage, dann würde uns die Gottheit selbst hinführen zur Gottseligkeit. Aber so nehmen wir uns wie abgefallene Gottessöhne aus. Und diese Kraft in uns als Dionysossöhne hinführen soll zu dieser Gottseligkeit, diese Kraft ist die Luziferkraft, das luziferische Prinzip, jenes Licht, das der Mensch in Freiheit in sich entzündet, um als ein Teil der göttlichen Wesenheit den ganzen Gott einst zu finden." Mit seltener Klarheit leuchtet Steiner den vorgezeichneten Weg des luziferischen Menschen aus, der sich über das soziale Mittelmaß dergestalt hinauszuentwickeln habe, daß er sich aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang heraussprenge und mit der Kraft der Liebe in die Tiefen des Alls schnelle, d. h. das Ideal der Vollkommenheit gegen die restringierende menschliche Gesellschaft ins eigene Ich rette(1775).

5.2.5. Der leibhaftige Goethe(1776)

Später hat Steiner in den Fußstapfen Nietzsches mit einem pseudopersischen Synkretismus(1777)die Luzifer-Gnosis überdacht und kreierte ein im Detail auch für ihn nicht problemlos nachvollziehbares(1778) Dreiecksverhältnis "Luzifer-Jesus-Ahriman". Um die von ihm auch so empfundene Unklarheit zu überwinden, flüchtete sich Steiner (methodisch) nach altmanichäischem Vorbild in die Ikonographie(1779) und beschrieb seine "theologischen" (theosophischen) Intentionen als Altarbild in dem Goetheanum(1780). Steiner wob in seine ikonographischen Erörterungen auch seine Kosmologie ein, wonach (von Deutschland aus gesehen) der Osten des Globus (auch die christliche Orthodoxie) ahrimanisch und der Westen Luziferisch sei(1781), und so der Universal-Jesus in der Mitte (d. i. Deutschland) alles durch einen Balance-Akt (Harmonie) in sich vereint(1782).

Steiner bemüht sich dabei um die kontrastierte Hervorhebung des gnostischen Gegensatzes zum traditionellen Christentum: "Daß in Bezug auf das Verhältnis des Menschen und des Christus zu Luzifer und Ahriman noch keine Klarheit herrscht, daß mag Ihnen durch Folgendes anschaulich werden. Auch das Größte, das, was nach der einen Richtung das Größte enthält, ist nicht immer frei von dem, was noch als Einseitigkeit in der Zeit herrschen muß. Man kann gewiß nicht hoch genug stellen jenes Bild, das Michelangelo in der sixtinischen Kapelle in Rom hingestellt hat, 'Das jüngste Gericht', dieses wunderbare Bild. Der Christus triumphierend, die Guten nach der einen Seite lenkend, die Bösen an der anderen. Schauen wir uns diesen Christus an. Die Züge hat er nicht, die wir gerne erreichen möchten bei dem Christus, der in unserem Dornacher Bau(1783) stehen soll. Das muß ersichtlich werden, daß der Christus die Hand erhebt in Mitleid, trotzdem da oben Luzifer ist. Luzifer soll nicht gestürzt werden durch die Macht des Christus, sondern er stürzt sich selbst herab, weil er nicht ertragen kann, was von dem Christus ausstrahlt in seiner Nähe. Und der Christus erhebt sein Auge und faltet die Stirn, indem er die gefaltete Stirn zu Luzifer erhebt. Und Ahriman wird nicht durch den Haß des Christus überwunden, sondern er fühlt, daß er nicht ertragen kann, was von dem Christus ausströmt. Der Christus aber steht inmitten als derjenige, der das Parzivalelement(1784) in die neuere Zeit(1785) heraufbringt, der nicht durch seine Kraft, sondern durch sein Dasein zur Sich-Überwindung die anderen bringen muß, so daß die anderen sich selbst überwinden und nicht er sie überwindet. Bei Michelangelo sehen wir noch, wie der Christus durch seine Gewalt die einen zum Himmel, die anderen zur Hölle schickt. Das wird in der Zukunft nicht der richtige Christus sein, sondern das wird ein Christus sein, der noch sehr luziferisch ist."(1786) Es wäre für jeden Sektenforscher ein exegetischer Leckerbissen, den von Steiner hier ohnehin betonten Kontrast zum etabliert Christlichen zu unterstreichen. Eine erschöpfende Behandlung, wie und warum Steiner den Teufel in den Christus ikonographisch (über die Dreipersonalität der repräsentierten Universitas) hineinschiebt, würde wohl zu weit führen. Es möge hier der vom Steiner selbst hervorgehobene Gegensatz als Anhaltspunkt genügen.

5.2.6. Der engelhafte Teufel

Steiners Angelologie ist von der Lehre bestimmt, wonach 1879 der Erzengel Gabriel vom Erzengel Michael abgelöst worden sei(1787), womit wir uns in einem neuen, in dem michaelschen Zeitalter befänden. Michaels Entwicklungsstufe sei allerdings, so Steiner, nur der Aufbruch in die Endzeit, denn der (neue) Christus, allerdings "nur" in ätherischer Gestalt, wird erst im 20. Jahrhundert auftreten (Parusie), und von vielen "Propheten" (d. h. bei Steiner Hellseher) registriert werden(1788). Das Aufbrechen ins New Age mit Michael versteht Steiner als den "Sieg des Michael(1789) oder heiligen Georg über den Drachen"(1790), und er fährt fort: "Dieser Drache sind das Angeloiwesen, die das anstrebten aber eben nicht erreichen konnten, was ich angedeutet habe. Deshalb sind sie 1879 aus der geistigen Welt in den Bereich der Menschen herein gestürzt worden. Es war der Sturz der Angeloiwesen aus dem Bereich der geistigen Welt in den Bereich der Menschen, und in dem Bereich der Menschen wandeln sie jetzt unter den Menschen." Wie Steiner den Gedanken über die gestürzten Engel mitten unter uns weiter entfaltet, ist an dieser Stelle ohne Belang. Wesentlich ist nur, daß auch bei ihm gestürzte Engel mit dem schlechthin Bösen gleichzusetzen sind, was allerdings bei Steiner alles halb so schlimm ist. Begeistert begrüßt Steiner die Toten des Ersten Weltkrieges, die er als "unverbrauchte Ätherleiber" um sein Goetheanum aufreihen ließ(1791).

5.2.7. Luzifer Imperator

Der Steiner-Verehrer Alexander von Bernus veröffentlichte 1918 einen "Gesang an Luzifer", der 1923 als Buch erschien. Darin fungiert Luzifer als die Verkörperung des klassischen Humanismus, und dessen eine (frühere) Verkörperung der Feldherr Alexander(1792) der Große gewesen sei(1793). Die Anbiederungsversuche Steiners und der Steinianer bei den Nationalsozialisten und deren "Luzifer Imperator"(1794) blieb der Erfolg wohl nur deswegen versagt, weil die Blawatsky-Theosophen (konkret die nach Deutschland hinüberschwappenden Austro-Theosophen unter der Sammelbezeichnung Ariosophen), deren politischer Arm die NSDAP wurde, die Steinianer (fortan Anthroposophen) zuvor organisatorisch (wegen der Verweigerung der Anerkennung eines Hinduknaben als die Inkarnation Jesu) ausgeschlossen haben.

5.3. Der messianische Teufel

Größte Verbreitung und Bekanntheitsgrad hat die schottische Abzweigung der Theosophie Blawatskys unter dem Namen New Age(1795). Obwohl die wahre Dimension dieser aufs Ganze gehenden (nach der absoluten Vorherrschaft(1796) strebenden) Bewegung noch nicht endgültig geklärt sein dürfte(1797), ist New Age(1798) in den theosophischen Grundlagen relativ gut erforscht. Wie bei allen theosophischen Abzweigungen, kümmert sich die Sektenforschung nicht sonderlich um die luziferische Seite von New Age, die aber nicht minder ausgeprägt ist als bei Blawatsky. Die konkret unter dem Namen New Age bewußt auftretende Gruppe von orthodoxen (Blawatsky-) Theosophen(1799) bildete sich nach 1919 um Alice Bailey in der Arkanschule(1800). Die Arkanschule(1801) ist organisatorisch ein Teil der "Lucis Trust"(1802), früher bekannt unter dem (vollen) Namen "Lucifer Publishing Company", dem Verwalter und Herausgeber der - ebenfalls durch (spiritistische) "Offenbarung" entstandenen - Schriften von Alice Bailey(1803), die sich als die hermeneutische Kommentierung und pragmatische Umsetzung, bzw. Entfaltung in der Welt, die Verwirklichung der Theosophie Blawatskys, nämlich durch ihre Jünger, verstehen(1804).

Für A. Bailey ist Luzifer der "Beherrscher der Menschheit"(1805). So wie Blawatsky Satan/Luzifer gegen die jüdisch-christliche Theologie als höchste Wesen gegen den Usurpator Jahwe (Jehova) leidenschaftlich verteidigt(1806), so erklärt auch A. Bailey: "Jehova ist nicht Gott, der planetarische Logos, das Ewige Herz der Liebe, Den Christus offenbarte."(1807) In der an Blawatsky orientierten Theosophie der 1949 verstorbenen Bailey(1808) ist das Messianische und daher auch Pseudochristliche wesentlich ausgeprägter(1809) als noch bei Blawatsky(1810), wobei der (kommende) Messias die luziferische(1811) Initiation bringe(1812). Die zwei zentralen Themen von New Age, nämlich die Zeitenwende, das Neue Zeitalter (englisch: New Age), genannt das Wassermann-Zeitalter, oder Zeitalter des Wassermanns, und das Messianische, hängen unmittelbar zusammen, weil der neue, "kommende" Messias, der betont dem christlichen Messias als dessen synkretistische Neuauflage nachempfunden wird, die Wendezeit markiert. Und weil der biblische Messias der Christen räumlich und zeitlich absolut einmalig ist, aber der neue Messias als Nachfolger Christ aufgebaut werden soll, konzentriert sich die Propaganda von New Age darauf, Jesus Christus zu Tode zu loben, und locken damit, dem biblischen Christus einen "ehrenvollen" Abgang zu verschaffen.

Demgemäß propagiert A. Bailey die "Heiligkeit" der Zahl 666(1813), nämlich die "Zahl des Tieres" der biblischen Apokalypse(1814) (Off 13,17-18), ähnlich wie Crowley(1815), neben dem schon erwähnten (als Viertel-, Halb- oder Ganzkreis stilisierten) Regenbogen(1816) und dem Hakenkreuz(1817), bzw. sogar den Regenbogen (unter dem indischen Namen "Antahkarana"(1818)) als die "Überwindung" (im Sinne von Überholung) des Hakenkreuzes.

Das Pseudomessianische ist bei Bailey chiliastisch gestützt, nämlich auf die Zeitwende (zum Wassermannzeitalter) im Jahr 2000 (oder 1999)(1819), und zwar soll für rund tausend Jahre das Gruppenbewußtsein das Individualbewußtsein ablösen(1820), womit eindeutig an die pseudobiblisch-chiliastische Tradition angeknüpft wird(1821). Beachtlich ist daher auch der freikirchliche (evangelikale) Anhang von New Age(1822). Die von Bailey in diesem Zusammenhang zitierte Blawatsky hat zwar einen Zyklus von 100 Jahren (Zyklus der ersten Energieart) bevorzugt(1823), während sie selbst der Periode von 1000 Jahren für ungleich wichtiger hielt, allerdings sollten sieben von den hundertjährigen Zyklen, in denen die Loge der Brüderschaft jeweils besondere Wirksamkeit entfaltet, einen besonderen Höhepunkt erreichen, und wenn das Grundprinzip vom "Vielfachen von 10"(1824), auf das alles in diesem System beruhe, auch auf die 7 X 100 = 700 Jahre angewendet wird(1825), dann ergibt sich rechnerisch die Periode von 7000 Jahren, die Bailey unter anderem mit der Behauptung zitiert, daß diese große Perioden nur von den fortgeschrittenen Eingeweihten verfolgt werden könnten(1826).

Eine einfachere Rechnung wäre die Analogie der Besonderheit der sieben Zyklen von 100 Jahren, die von der Blawatsky bevorzugt wurden, auf die von Bailey bevorzugten 1000 Jahre anzuwenden(1827), wodurch wiederum die 7000 Jahre der meisten Chiliasten zum Vorschein kämen, und Bailey zitiert ja in ihrem ganzen Lebenswerk durchgehend die Bibel. Allerdings will Bailey anscheinend die Rolle hundertjährigen Zyklen, von denen sie sagt, daß jene von Blawatsky bevorzugt wurden, keineswegs schmälern, sondern baut sie vielmehr darauf auf(1828). So wie auch bei Platon die Tausend Jahre Jenseitsreise der Sünder zu je hundert Jahren für jede Sünde unterteilt sind(1829), also die 100 Jahre zu den 1000 in einer zumindest numerischen Beziehung stehen, so kann Bailey neben den Zyklen von 100 Jahren der Blawatsky die eigene 1000 Jahre hervorheben(1830). Wenn Bailey etwa an anderer Stelle das Erscheinen des siebenten Strahles (mit einer Übergangszeit von 50 Jahren seit 1625) auf das Jahr 1675 datiert(1831), dann ergibt sich mit der zyklischen Jahrhundertrechnung von der Blawatsky das Gründungsjahr(1832) der Theosophischen Gesellschaft 1875 als synchron mit Bailey und das Jahrhundert des zweiten Strahls(1833), wenn man nach dem siebenten Strahl das folgende Jahrhundert wieder mit dem ersten Strahl beginnt. Und wenn New Age im Sinne des inzwischen (1949) verstorbenen(1834) Bailey genau 1975 mit dem Programm des Wassermannzeitalters an die Öffentlichkeit tritt(1835)

5.3.1. Der rassenfeine Teufel

In der New Age Bewegung stehen, wie in den meisten theosophischen Abzweigungen, Juden und Christen - im wahrsten Sinne des Wortes - auf der Abschußliste(1836). Die Juden kommen gleich nach den Christen daran. Die Verfolgung beider Gruppen besitzt Vorrang, wobei es den Juden noch etwas schlechter ergehen soll als den Christen. Im esoterischen Kern ihrer Philosophie und ihrer Programme hält die New Age Bewegung an der okkulten arischen Lehre vom Blutmakel fest, der angeblich auf den Juden lastet. Alice Bailey(1837) interpretiert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Völkermord an den Juden unter Hitler(1838) gewissermaßen als "Gottesgericht" der besonderen Art: "Heute wirkt dieses Gesetz(1839), und die Juden zahlen den tatsächlichen und symbolischen Preis für alles, was sie in der Vergangenheit getan haben. Tatsächlich und symbolisch ... stehen sie, wie sie es von jeher gewollt haben, für Trennung(1840). [...] Sie fordern die Rückerstattung Palästinas und wollen es denen entreißen, die es viele Jahrhunderte lang bewohnt haben; [...] Sie haben sich(1841) noch nie aufrichtig und ehrlich dem Problem gestellt, warum seit der Zeit der Ägypter so viele Nationen sie weder gemocht noch gewollt haben ... Es muß noch einen Grund geben, der dem Volk selbst innewohnt, wenn die Reaktion so allgemein und weltweit ist [...] Das(1842) Problem wird durch die Bereitschaft des Juden gelöst werden, sich an die Zivilisation, den kulturellen Hintergrund und den Lebensstandard der Nation anzupassen, zu der ... er in Beziehung steht und an die er sich angleichen sollte. Dies wird geschehen durch Verzicht auf Rassenstolz und die Vorstellung des Auserwähltseins; es wird geschehen ... durch das Sich-Lossagen von Dogmen und Bräuchen [...] es wird geschehen, wenn Eigennutz in Geschäftsbeziehungen und die ausgesprochen manipulativen Tendenzen des hebräischen Volkes ersetzt werden durch selbstlosere und ehrlichere Verhaltensformen ..."(1843) Bailey verurteilt zwar verbal die nationalsozialistische Verbrechen an den Juden, und fordert "Juden und Heiden" zur Assimilierung der Juden etwa durch Mischehen auf(1844), aber sie verurteilt nicht den Rassismus an sich, sondern legitimiert tückisch die Beweggründe des Völkermordes an sich (größtenteils mit der Bibel), etwa durch die nonverbal vorausgesetzte Synonymität von Rasse und Kultur, und stellt den Juden (mitten im Zweiten Weltkrieg) die Rute ins Fenster, falls sie sich nicht assimilieren, ihre Identität nicht verleugnen und einen eigenen Staat gründen wollten(1845).

5.3.2. Der teuflische Plan

Die gleiche Alice Bailey(1846) sinniert nun auch über die "heilbringende" Atombombe: "Die Atombombe (obwohl bisher nur zweimal eingesetzt) beendete den Widerstand der Kräfte des Bösen, da ihre Stärke in erster Linie ätherischer Art ist. Gegenwärtig wird sie auf zweifache Weise gebraucht: - a.) [...] Die Atombombe entstammt einem Ashram des ersten Strahles (Wille zum Guten, Shamballa-Energien), in Zusammenarbeit mit einer Gruppe des fünften Strahles (wissenschaftliche Mitarbeiter); auf lange Sicht gesehen, war und ist ihre Zielsetzung rein wohltätiger Natur. - b.) [...] Sie ist Eigentum der Vereinten Nationen und dient dem Einsatz (oder, wie zu hoffen ist, lediglich dem angedrohten Einsatz, wenn aggressive Handlungen von seiten irgendeiner Nation zum Durchbruch kommen). Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob die Aggression von einer bestimmten Nation oder Gruppe von Nationen ausgeht, oder ob sie durch politische Gruppen irgendeiner mächtigen religiösen Organisation - wie zum Beispiel der römisch-katholischen Kirche - entsteht, die es bisher nicht fertig gebracht haben, ihre Finger von der Politik zu lassen und den Aufgaben nachzukommen, denen sich alle Religionen widmen sollen - die Menschen dem Gott der Liebe näherzubringen."(1847) Diese Passagen Baileys über die "heilige" Atombombe mit dem "guten Willen" und "rein wohltätiger Natur" sind im Klartext so zu verstehen, daß die New Age Bewegung einen durch spiritistische Offenbarung mitgeteilten "Plan" hat(1848), die Weltherrschaft zu erlangen, und dann im Besitze der Weltherrschaft die ganze Welt von widerspenstigen (Resten von) konkurrierenden Weltreligionen wie Judentum, Christentum und Islam zu "befreien", und - notfalls atomar - zu säubern(1849).

5.3.3. Heiliger Luzifer

Man beachte, daß das Wort "heilig" zu Deutsch "rein" bedeutet, so daß die religiöse "Bereinigung" der Weltgeschichte dem Ausdruck religiöser Säuberung - wenngleich nicht widerspruchsfrei - so do doch (oberflächlich) synonym verwendet werden kann, zumal im archaischen Sprachgebrauch des Kultes ein Opfertier als Gott geheiligt genannt wird. Bailey zufolge ist die bei der Zündung der Atombombe freiwerdende Energie von allerhöchster "Reinheit", hier im Sinne von "reinigend", "heiligend", um es genau zu sagen "göttlich", so daß die Überlegenheit der neuen Weltreligion des Luzifer schon allein darin zum Ausdruck komme, daß die im Judentum, Christentum und Islam erforderliche freiwillige Zustimmung zum Heil durch Gott, in dem New Age durch die (heiligende Kraft der) Atombombe ersetzt werden kann. Die apokalyptische Heils-Ökonomie der traditionellen sog. Schriftreligionen (Christentum, Judentum und Islam), wo ein - nicht freiwillig dem jeweiligen Heilsangebot zugewandter - Teil der Menschheit voraussichtlich verloren gehe, erweise sich somit als nicht mehr mit dem totalitären Heilsangebot der New Age Religion konkurrenzfähig, wo auch die Widerspenstigen durch die Zündung der Atombombe heilsökonomisch recycelt, d. h. gereinigt (bereinigt), "geheiligt" werden. Entweder denkt man "ganzheitlich", oder ist man von gestern (Old Age).

Das nukleare Seelen-Recycling ist derzeit allerdings theoretisch nur optional für den Überrest der Widerspenstigen vorbehalten. Bis dorthin hat zunächst die missionarische Offensive um freiwillige Überläufer begonnen(1850). Der nämliche - durch spiritistische Offenbarung - mitgeteilte "Plan"(1851) der schlußendlich atomar unterstützten Einheitsreligion(1852) und Weltherrschaft, sieht in der Anlaufphase das strikt antiatomare(1853), sogar radikal pazifistische Erscheinungsbild von New Age vor. Laut "Plan" wurden also Tarnorganisationen wie die Friedensbewegungen, Menschenrechtsbewegungen und ähnliches ins Leben gerufen oder bestehende (laut "Plan", d. i. planmäßig) unterwandert(1854), ausgehöhlt und (umfunktioniert) übernommen.

Die größtenteils von New Age organisierten Atomgegner und Pazifisten sollen vorerst nicht wissen, daß sie jetzt schon eigentlich (als Vorboten) im Dienste des künftigen nuklearen Heilsgeschehens stehen, da es rein theoretisch denkmöglich wäre, daß alle Anhänger von den anderen Weltreligionen rechtzeitig zu New Age (also zu Luzifer) überlaufen und sodann nicht mehr der nuklearen Erleuchtung bedürfen. New-Age-intern geht man allerdings jetzt schon ("plankonform") davon aus, daß Juden und Christen aller Voraussicht nach nicht geschlossen zum New Age konvertieren, so daß auf Plan "A" zurückgegriffen werden muß, bzw. ist Plan "B" (ohne die nukleare Wohltat) nur eine utopische Option, auf die nur aus psycho-strategischen Gründen formell nicht verzichtet werden soll. Typische Tarnorganisationen der New Age Bewegung wie "Greenpeace" und "Amnesty International"(1855) erfreuen sich bester Publicity und einer radikal antinuklearen Image, die sie mit eifriger Sorgfalt pflegen(1856).

5.3.4. U-Boot Luzifer

Das doktrinäre Schrifttum der New Age Bewegung besteht außer den Werken von Blawatsky und Alice Bailey aus den Schriften von Georg Gurdjieff(1857), Pierre Teilhard de Chardin, P. D. Ouspensky, H. G. Wels, Nicholas Röhrich und David Spangler(1858). In der ersten Phase des Planes war bis 1975 von Alice Bailey Stillschweigen, bzw. Untergrundarbeit vorgeschrieben(1859). Exakt in dem von Alice Bailey "planmäßig" vorgeschriebenen(1860) Jahre 1975 kam zunächst Marilyn Ferguson mit dem Buchtitel "Die sanfte Verschwörung" heraus(1861), gefolgt von Fritjof Capras "Wendezeit"(1862). Das permanent den Jesuiten Teilhard de Chardin zitierende Werk von Ferguson ist allzu gut bekannt und zitiert(1863). Weniger bekannt zu sein scheint, daß Spangler von der jüngeren Generation von New Age den Mitgliedern von Findhorn (in Schottland) und später der Öffentlichkeit erklärte, daß das wahre Licht Findhorns das Licht Luzifers sei(1864). Capra und andere Benützen den Namen Shiva(1865), Blavatsky und Alice Bailey verwenden den Namen Luzifer und Venus abwechselnd und mit Querverweisen(1866).

5.3.5. Der neueste Teufel

Durch die dergestalt forcierte Hervorhebung der luziferischen Grundlagen von New Age, wie überhaupt jeder Verzweigung der Theosophie, kann somit das unüberschaubar breit gewordene Feld der New Age Aktivitäten, die das Luziferische nicht immer in den Vordergrund stellen, insgesamt als luziferisch identifiziert werden. Das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zeigt also, daß die eingangs aufgezeigten gängigen Typologien des Satanismus an der Realität vorbei gehen. Es ist selbst auf die Gefahr der Wiederholung hin festzuhalten, daß den Satanismus auf den kultischen Satanismus zu reduzieren eine Engführung und eine Verschleierung der Dimension des Satanismus ist. Der sogenannte Satanismus der Sektenforscher ist lediglich ein Kuriosum innerhalb dem breiten Feld des Luziferismus. Der sogenannte (kultische) Satanismus muß als eine Randerscheinung des Luziferismus im Sinne Rupperts, der im Vergleich mit den um einiges gefährlicheren (bösartigeren) Feministen, die auch den Namen Luzifers - mehr oder minder offen - zur Schau tragen(1867), von den sogenannten Satanisten als von "Jahrmarkts- und Mickymaus-Satanisten" spricht(1868), gänzlich neu bewertet werden. Es soll zwar hier nicht darüber gestritten werden, daß die heute so genannten Satanisten bloß pseudosatanische Langweiler sind(1869), aber Ruppert ist beizupflichten, daß die als solche (nämlich Satanisten) bekannten, die harmlosesten von allen sind.

5.3.6. Der personale Teufel

Das wohl zentralste und gebräuchlichste luziferische Paradigma unserer Tage ist das "Selbst"(1870). Durch die Humanistische Psychologie ist diese Tarnbezeichnung für das Luziferische schlechthin in alle Lebensbereiche - mehr oder minder unauffällig - hineingetragen worden. Dieser Sprach-Code (der Wortsinn vom Begriff Selbst ist simpel ausgedrückt Person) für Luzifer kann am einfachsten bei der Erforschung der Humanistischen Psychologie(1871)geortet werden, der sich etwa nach dem "Dionysos" der Romantiker(1872), "Vernunft" der Aufklärer und "Natur" der Deisten und Materialisten, nunmehr hinter dem "Selbst" des Psychismus(1873)(Psychosophie) verbirgt(1874).

Den hohen Rang in der subkulturellen Hierarchie verdankt der Begriff "Selbst" dem ständig in Erinnerung gerufenen Zitat "Erkenne dich Selbst" über dem Eingang zum zentralen Heiligtum des Hellenismus(1875), und Sitz des griechischen Zwölfstämmebundes (Amphiktyonie), am Tempel des Apollo-Dionysos in Delphi(1876). Dieser paradigmatische Hauptsatz der (neuplatonisierenden) Neugnosis(1877) (zumeist mit Hinweis auf den Ursprung aus Delphi zitiert) läßt den Begriff "Selbst" als "dionysisch" definieren(1878), weil das Kultjahr im nämlichen Heiligtum je zur Hälfte den Söhnen des höchsten griechischen Himmelsgottes Zeus, dem Apollo und Dionysos geweiht war(1879), und spätestens seit Nietzsche Apollo lediglich als die lichte Seite des Dionysos(1880), bzw. (pantheistisch) als der "verklärte" Dionysos galt(1881). So kann das "Selbst" als die "ganzheitliche" Bezeichnung des dionysisch-apollonischen Gegensatzes, als Ausdruck der zur "Einheit" gebrachten Gegensätze von "hell" und "dunkel", "Bewußtes" und "Unbewußtes", "Gutes" und "Böses", oder auch "Himmlisches" (erhaben) und "Irdisches" (Unterweltliches), oder traditionalistisch ausgedrückt, als die "Einheit" von "Gott" und "Teufel" aufgefaßt werden, soweit man der modernisierenden Terminologisierung, bzw. dem modernisierenden Gebrauch des Begriffs folgt.

Mit der Erschließung der luziferischen Terminologie (Paradigmatik) wird z. B. die Grundidee der Freudschen Psychoanalyse verständlich(1882), wo Freud von der bedauernd konstatierten "Trennung" von "Vernunft" und "Natur" (als Unzustand) ausgeht(1883) (beide Begriffe bezeichnen in der Subkultur, entsprechend dem "Selbst", Gott/Luzifer, so auch bei Kant(1884)), um das Heil (gegen die "Trennung"(1885)) zu verkünden. Darauf, wieweit in der Wirklichkeit die Freudsche Unterscheidung zwischen der Vernunft im Bewußten einerseits, und der Vernunft in der neu erschlossenen (naturhaft) Unbewußten andererseits, die sodann beklagte Trennung erst künstlich schafft, bzw. was Trennung umgangssprachlich, in der Theologie, und bei Freud jeweils meint, müßte man an einer anderen Stelle noch näher eingehen. Nach der Freudschen Auffassung des Mythos als Spiegel der Psyche(1886) meint das also, daß trotz der Unterteilung des Kultjahres im Hauptheiligtum der Hellenen in Delphi in eine apollonische (vernünftige) und dionysische (naturhafte/animalische/triebhafte) Hälfte (d. i. der apollinisch-dionysischer Gegensatz Nietzsches, nämlich im Mikrokosmos-Mensch als Abbild des Makrokosmos-Jahr(1887)/Sternenhimmel), nur eine (im Selbst, das ist das Mikrokosmos-Jahr der Kabbala) "ganzheitliche" (monistische) Betrachtung (von hell und dunkel, von gut und böse) billig sei(1888). Zu Deutsch meint damit die Freudsche Psychoanalyse: Gott vom Teufel zu "trennen" mache krank, bzw. sei krank, so daß nur mehr die "Verbindung" zur "Ganzheit" (Selbst), d. i. der "Pakt" (zwischen Gutes und Böses), helfe. Also müssen die dunklen (unbewußten) Triebe bewußt gemacht und ausgelebt (befreit) werden, um von dem einseitig guten und dadurch krankmachenden (einseitig guten) Gott (wie von einer "Halben Sache") loszukommen, und dem anderen ("ganz"-heitlich) Guten sich zuwenden, das sich mit dem Bösen (als seinen besseren Hälfte) gut versteht(1889).

In den psychoanalytischen Systemen wurde den anthropomorphen Motiven der Bibeltheologie ein anthropologisches Entsprechungssystem der Psyche gegenübergestellt, wo das Bewußtsein als Reich der Vernunft dem Guten schlechthin, also Gott gleichgesetzt wurde, während das Unbewußte, bzw. Unterbewußte, der Unterwelt, topologisch der Analgegend, dem Bösen, dem Teufel entsprach. Die psychoanalytische Methode sah nun Unheil und Krankheit in dem Widerspruch zwischen Unbewußt und Bewußt, bzw. nahm die Heilung in der Bewußtwerdung des Unbewußten so an, daß das bisher Unbewußte (Krankheitsursache=Böse) bewußt, also ein Teil des Bewußten, ein integrierender Teil des Bewußtseins werde. Dieser Prozeß der Bewußtwerdung des Unbewußten (Unterbewußten) wurde theoretisch als der Ausgleich zwischen hell und dunkel, gut und böse, Gott und Teufel, nämlich als die (durch Psychoanalyse) zur Einheit geführte (zuvor gespaltene, entfremdete, eben "getrennte") Ganzheit aufgefaßt. So wie die Theologie das Heil des von Gott durch den Sündenfall getrennten Menschen nur durch die Sündenvergebung, nämlich durch das Hineinnehmen des Gefallenen (d. i. Bösen, weil dem Bösen Anheimgefallenen) in das Gute annimmt, so soll das (vernünftige) Bewußtsein des materialistischen Atheisten, "wie Gott", zum Unbewußten hinabsteigen (erkennen) um es mit sich zu vereinigen und dadurch zu heilen, von der "Trennung" zu erlösen. Diese Obsession des kokainsüchtigen Siegmund Freud von der durch Bewußtmachung domestizierten Anima, der in der Theologie der Dienstbarmachung des Teufels analog stünde, ist das mikrokosmische (psychosophische), bzw. anthropozentrische Pendant des bisher in der Philosophie und Kunst eher makrokosmisch (theosophisch-ontologisch) orientierten kosmozentrischen Luziferismus.

Der zweite Grund für die überragende Bedeutung des Begriffes "Selbst" in der Subkultur ist der bestimmende Einfluß der Tantrik in der zeitgenössischen Theosophie und der Gebrauch der Bezeichnung in der indischen Theologie für Atman(1890) (wörtlich "Atem"), die persönliche Identität (Manifestation) des höchsten Gottes Brahman(1891), der in der philosophischen Abstraktion als immanent, bzw. als die Immanenz(1892) des Kosmos(1893) (Natur), erklärt wird. Das Wort kann auch allgemein für Person stehen, die Inder kennen aber einen Unterschied zwischen dem menschlichen und dem universellen Atman, was in der abendländischen Gnosis zu verifizieren oft mühsam bis unmöglich ist, bzw. weigert sich die abendländische Gnosis - mehr oder minder offen - echte Personalität außerhalb dem natürlichen Menschen anzunehmen. Etwaige Parallelen - in Ost und West - in der Wortbedeutung oder in der Kosmologie können also nicht sprachlich, sondern, wenn, dann nur über das Eingehen auf theologische Fragen, und im jeweiligen Kontext erschlossen werden.

Die abendländische Gnosis stützt sich nun offensichtlich auf den diachronen Aspekt des relativ späten Auftretens des Atmans in der vedischen Literatur, und vor allem auf die späte Gleichsetzung von Atman und Brahman(1894). Tatsächlich gibt es (allerdings spätere) tantrische Betrachtungen, die eine Personalität aus der Immanenz des Brahman hervorgehen ließen. Wenn es stimmt, so hätte die Personalität Gottes bei den Indern Schöpfungscharakter, im Sinne von Geschöpflichkeit, sofern die Person als Gewordenes aufgefaßt wird. Die andere Auffassung hingegen, die von der noch später erkannten Identität von Brahman und Atman ausgeht, könnte schwerlich eine partielle Identität in Gott annehmen, so daß die zeitliche Abfolge der Erkennbarkeit des göttlichen Wesens für den Menschen(1895), nicht zum Maßstab des Gottesbildes gemacht wird. Solange aber diese und ähnliche Beschaffenheiten des Selbst im abendländischen Kulturkreis nicht geläufig sind, kann mit dem Begriff jedes beliebige Schindluder getrieben werden. Im Konkreten leugnet nämlich - unter dem Vorwand der Zeitlichkeit - die abendländische Gnosis jedwede universelle Personalität, bzw. wird jede Personalität außer der natürlichen Person geleugnet, oder sonstwie entwertet, damit - ähnlich Feuerbach(1896) - durch das Attribut des Göttlichen beim Menschen dessen Gott-Sein behauptet, oder auch nur nonverbal vorausgesetzt werde, sofern die Personalität Voraussetzung des Gottesbegriffes sei.

Für die abendländische Gnosis allerdings ist die Personalität, milde aufgedrückt, keine Voraussetzung zur universalen Gottheit, im Gegenteil. Diese Entpersonalisierung Gottes, bzw. die Entgöttlichung des Schöpfungsaktes mit Hilfe der Entpersonalisierung Gottes, auch wenn sie schon in der griechischen Antike vorhanden gewesen sein mag, scheint die abendländische Aufklärung (mit Leibniz beginnend) von dem chinesischen Neokonfuzianismus entlehnt zu haben, bzw. hat die Aufklärung die als Neuplatonismus und Kabbalistik tradierte Gnosis, die damals Hermetik genannt wurde, synkretistische so vereinigt, daß die innere Struktur der abendländischen Hermetik mit der neokonfuzianistischen vermengt wurde. So bekam die gleichgebliebene Hermetik (neuplatonische oder mystische Gnosis in der Hauptvariante) gleichsam ein vom christlichen Oberkleid verdecktes neokonfuzianische Unterkleid.

Es kommt dabei weniger darauf an, daß etwa Leibniz bei der Abschaffung Gottes durch Aushöhlung und taktische Verwechslung so alles durcheinander brachte(1897), daß er sogar mit der vorgeschobenen Gottlosigkeit des Neokonfuzianismus - durch das nur halbherzige Leugnen Gottes - in einen unvereinbaren Widerspruch geriet, sondern vielmehr darauf, daß die sich aus sich selbst und von sich selbst bewegende (verändernde) ewige Materie(1898) ("Chi", nämlich sowohl Materie wie Energie), und zwar ohne Heteronomie(1899), sondern ausschließlich durch Autonomie, d. i. Eigengesetzlichkeit ("Li", nämlich sowohl räumlich wie auch zeitlich) bestimmt(1900), wie sie sich der moderne Materialismus und die gesamte Säkularisation der eigenen Weltanschauung zugrundelegte, offenbar nur im Neokonfuzianismus in dieser - Gott und Geister jedwede reale Existenzmöglichkeit beraubenden - Form vorkam(1901). Für alle Fälle kann festgehalten werden, daß kaum ein luziferisches System jemals vor dem Universalismus des Neokonfuzianismus so transparent und leicht nachvollziehbar war(1902), so daß er sich für die perspektivische Untersuchung hervorragend eignet.

An der Arbeit von Jong-Su Ahn orientiert - können zunächst die typischen Fehler westlicher Forscher bei der Beurteilung östlicher Weisheit beobachtet werden(1903). Gleichzeitig lassen sich aber auch die Fehlbeurteilungen der westlichen Weisheit durch das östlich geprägte Denken ablesen, indem etwa Ahn mit einem vom Westen entlehnten Konzept gewissermaßen Selbstkritik am Westen aus östlicher Sicht übt. Indem der neokonfuzianisch angehauchte Ahn die Entwicklungsgeschichte so a priori kurzschließt, als sei das jeweils Neueste immer das Beste, interpretiert er im Rahmen seiner Kritik der Abendländer von der neokonfuzianischem Position aus den Konfuzianismus (im Sinne einer unzulässigen Vereinheitlichung alles Chinesischen, genauso wie er es den Abendländern zu Recht vorwarf) völlig falsch, nämlich als angeblich primitive Vorstufe, die eine paraphrasierende Kommentierung im Sinne einer Entschuldigung bedürfte, aber im Neokonfuzianismus zur (allerdings grundlegend "gewandelten") Vollendung kam. So versucht er etwa der Gleichsetzung Gottes mit dem Li (Gesetz) des Neokonfuzianismus durch Leibniz(1904) mit dem Argument zu widersprechen, daß angeblich schon die chinesische Klassik und der Konfuzianismus einen Himmelskönig als persönlichen Gott hätte, der nicht mit dem abendländischen Gott gleichgesetzt oder parallelisiert werden könne, weil der chinesische Gott kein Schöpfergott war(1905), sondern bloß der Repräsentant der sittlichen Weltordnung(1906). Er widerspricht sich aber zumindest insofern, als er dem altchinesischen Gott jeglichen Schöpfungscharakter abspricht(1907) und (aus der verdrehten neokonfuzianischen perspektive aus) alles Geschöpfliche als schon immer dagewesen hinstellt(1908). Hat er doch einleitend zu seinen argumentativen Erörterungen keinen Geringeren als Lao-tse zitiert(1909), der das Tao sehr wohl als Schöpfer charakterisiert, der eindeutig außerhalb der Natur ist, während in der Neokonfuzianischen Rezension der Schöpfung jegliches Außerhalb von Chi (Materie) kategorisch ausgeschlossen wird(1910). Er hat dann das Tao mit dem Li gleichgesetzt(1911), das erst vom Neokonfuzianismus (um die Jahrtausendwende beginnend) eingeführt wurde(1912), obwohl mit Li und Chi nur die Natur, also die Schöpfung, und nicht der Schöpfer des Lao-tse' erklärt wird.

Die gesamte Kernproblematik des Neokonfuzianismus und abendländische Aufklärung mit der Ontokratie könnte wohl in dem Fehlen des zweifachen Tao der Klassik auf den Punkt gebracht werden. Die chinesische Klassik ging nämlich von der Existenz eines roten Tao und eines gelben Tao aus, wobei das eine schöpferisch und das andere geschöpflich war. Offensichtlich unterscheidet sich der Neokonfuzianismus vom Konfuzianismus in Wesentlichen in diesem einem grundlegenden Punkt, wonach der Neokonfuzianismus das Gesamte, "ganzheitlich" genannte, Dasein, auf das geschöpfliche Tao reduziert, und aus dessen polare Zweiteilung - mit Hilfe von Gedankenakrobatik oder mystischen Kunstgriffe - das schöpferische Tao zu begreifen sucht. Deswegen wird nach den ersten Versuchen des Monismus (Neokonfuzianismus) der Terminus Tao von dem Terminus Chi überlagert und schließlich ersetzt, weil das verabsolutisierte Geschöpfliche, obwohl auch das Geschöpfliche in der Klassik sehr wohl ein eignes Tao hat, nichts mehr mit dem wahren Begriff des Tao zu tun hat. Vielmehr simuliert durch die Polarisierung und Vereinheitlichten Polarität das Tao des Schöpfers und das Tao des Geschöpflichen, und muß bei diesem Unding naturgemäß extreme Fertigkeiten aufbieten, von denen, bzw. von der eigenen Fähigkeit, den Unsinn sinnvoll zu gestalten, schöpferisch zu sein, berauscht wird, oder sich - etwa an sich selbst- berauscht, um sich schöpferisch zu erscheinen.

Die andere für Ahn unbequeme Eigenschaft des altchinesischen Gottes, der sehr wohl dem biblischen Gott verblüffend ähnlich im Himmel - über Himmel und Erde - als König regiert(1913), ist die in dieser Form unabdingbare Personalität, die in alten Zeiten tatsächlich nicht gefehlt hat. In diesem Punkt versucht sich Ahn auf den formalistischen Standpunkt zurückzuziehen, kann aber nur offenbar allzu subjektive westliche Autoren für die unrichtige Wertung der chinesischen Kulturtradition zitieren(1914). Nachdem aber selbst Ahn aus dem Blickwinkel der westlichen Auseinandersetzung mit dem Osten den Osten aufrollt, kann die Sache von dieser Seite her am einfachsten angenähert werden. Die große Zäsur in dem ost-westlichen Kulturaustausch war die päpstliche Ablehnung der Gleichsetzung chinesischer Begriffe(1915) (wie Gott und Himmel) mit den theologischen Begriffen des Westens(1916) im 17. Jh. Dem ist die fundierte Arbeit M. Riccis vorausgegangen (wonach die Chinesen in früheren Zeiten an einen wahren Gott geglaubt und ihn verehrt haben, aber ihre altehrwürdige Kultur sei zwischenzeitlich durch Atheismus und Rationalismus - also Neokonfuzianismus - verschüttet worden)(1917), die von den Franziskaner und Dominikaner mit dem Argument torpediert worden ist, daß die neokonfuzianische Entfremdung der altchinesischen Tradition soweit fortgeschritten sei, daß man eine Gleichsetzung der chinesischen mit den Christlichen Begrifflichkeit über Gott und Welt nicht (mehr) riskieren dürfe(1918), sondern verdammen müsse. Seit dem scheint die abendländische Auseinandersetzung mit China an diesem toten Punkt zu verweilen und die Desorientierung ist durch neuere Rezensenten und Kommentatoren ist eher gesteigert als gemildert. Klarheit hat die Forschung insofern gebracht, als die durch den Akkomodationsstreit überschattete Auseinandersetzung mit der chinesischen Tradition im Abendland ein Kapitel für sich ist, das mehr über das Abendland als über China aussagt, so daß die chinesische Tradition an sich nur davon unabhängig betrachtet werden kann. Von dieser Position aus macht sich das Bestreben von Ahn, aus der neokonfuzianischen Position aus die klassische chinesische Position mit Hilfe westlicher Irrtümer zu disqualifizieren, unangenehm bemerkbar. In den bezughabenden Abschnitten wiederholt Ahn stereotyp, daß die Chinesen angeblich immer schon nichts von einem persönlichen Gott wissen wollten und nie sich ernstlich mit Gott auseinandergesetzt hätten, weil für sie alles seit Menschengedenken klar (gottlos) auf der Hand lag, und wenn nicht, dann sei eben alles undiskutabler Aberglaube gewesen. Dabei zitiert Ahn für dieses Apriori keine Belege, außer sich selbst, wohl aber dem zuwiderlaufende Quellen. So weist er zwischendurch darauf hin, daß die altchinesische Götterwelt durchaus dem Griechischen adäquat ist und der Gottkönig des Himmels in China mit Zeus der Griechen etwa gleichgesetzt werden könne(1919). Ahn labt sich an der im wesentlichen von den aufeinanderfolgenden Missionare Ricci und Longobardi im Akkomodationsstreit (vorwegnehmend) ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten, von denen Ricci den klassischen chinesischen Himmelherr mit dem Gott gleichsetzen wollte und Longobardi ebendas wegen der Neokonfuzianischen Entfremdung davon abriet und ein neues Wort kreierte. Auch wenn Longobardi soweit Recht hatte, daß in dem Neokonfuzianischen China damals wohl verhängnisvoll gewesen wäre, den Namen des altchinesischen Himmelsgottes mit dem des abendländischen Gottes gleichzusetzen, bedeutet das noch lange nicht, daß der altchinesische Gott etwa dem jüdischen Gott der Heerscharen nicht näher stand als etwa dem griechischen Zeus(1920).

In der Umdeutung der konfuzianischen "Alleinheit" des Seins ("Tao") im Sinne von "Allverbundenheit" in der "Liebe" ("Jen") in die "Gesetzmäßigkeit" ("Li") des "Materialismus" ("Chi") im universalistischen Neokonfuzianismus(1921), ist die moderne abendländische Umdeutung der Allverbundenheit in Gott (Liebe), in die metaphysische (ontologische) Dasein (Chi) als Materie und Energie, sowie Sosein (Li) in Raum und Zeit, gewissermaßen vorweggenommen.

5.3.7. Der humane Teufel

Gemeinsamer Hintergrund des ab den 70ern zu ebenso marktbeherrschend wie unübersichtlich auswuchernden Psychobooms ist die in den 50ern in den USA aufgekommene "Humanistische Psychologie"(1922). Die u. a. von Abraham Maslow und Charlotte Bühler entwickelte Humanistische Psychologie reichte schon von ihren allenfalls noch anfänglich relativ "seriösen" Ausprägungen an über den professionell-ärztlichen Rahmen hinaus und stand im Widerspruch zu den herrschenden therapeutischen Konzepten der Psychoanalyse und Behaviorismus. Ihr Pathos war es, in einem dritten Weg (Metapsychologie/Lebensphilosophie) "humane Seelenheilung" zu finden. In den 70ern fand sich dann quer durch den Gemüsegarten hinter allen Etikettierungen wie Psychoanalyse, Selbstanalyse, Psychodrama, Urschreitherapie, Gestalttherapie, Transaktionale Analyse, Hypnose, Selbsthypnose, Bioenergetik, Rolfing, Konzentrationstraining, Autogenes Training, Encountergruppen, Marathongruppen, Sexualtherapie, sinnliche Erweiterung, Aggressionstraining, Realitätstherapie, rational-emotionale Therapie, Reinkarnationstherapie, Yoga, Tai Chi Chuan, Astrologie, Scientology, Bewußtseinserweiterung, Transzendentale Meditation, Zenbuddhismus, Tantra, Transpersonale Mentalenergetik, Rebirthing, sowie alle Strömungen östlicher (vorwiegend indischer) Weltauslegung, und Ideenströme wie etwa existenzphilosophische Einflüsse (Sartre, Heidegger, Camus), Elemente der Gesellschaftskritik (Herbert Markuse, R. D. Laings, Frankfurter Schule) usw., immer in allen Varianten die Humanistische Psychologie (eingebunden in eine weltanschauliche Dimension), die sich offen als Sinnangebot an den modernen Menschen deklariert(1923).

In der Humanistischen Psychologie(1924) begegnet uns eine Form säkularen Glaubens, die sich nicht nur als Gegenantwort zu Materialismus und Atheismus versteht, sondern als Erbin und Überwinderin der "Widersprüche" christlichen Glaubens(1925). "So kann Psychologie zum neuen Erlöser, zur neuen Kirche werden"(1926). Die zitierten "Widersprüche" des christlichen Glaubens aus der Sicht der "Neuen Psychologie" meinen unmißverständlich den Gemeinschaftscharakter des Christentums (Nächstenliebe), zumal der Psychoboom konsequent einen radikalen Subjektivismus propagiert(1927). Ausgehend von der Sinnsuche in sich selbst(1928) geht es über die Verwirklichung des Selbst bis zu der Einsicht, daß man allein auf der Welt ist, unabhängig von der offenen Anerkennung des eigenen Selbst als Gott, oder auch nicht.

Betont das Christentum die Unerläßlichkeit der Gemeinschaft (Nächstenliebe) der Menschen im Gegenüber zu Gott(1929), so kultiviert der Psychosoph seine subjektivistische Individualität als den "Neuen Menschen" (jenseits von Gut und Böse), indem er jedwede zwischenmenschliche Beziehung als Bindung, und somit als einen unversöhnlichen Feind der Subjektivität, also als den Inbegriff der Unfreiheit (aktiv oder passiv) negiert. Die auf tibetischen Vorlagen zurückgehenden Gesang-Texte der Popgruppe "Doors", wo die vollkommene Freiheit etwa durch den sexuellen Mißbrauch nächster Angehörigen (Vater und Mutter), darauffolgende Aufspießung (was das auch immer in Tibet geheißen haben mag) und schließlich Verspeisung der Eltern erreicht werden soll (Kostprobe dürfte genügen), demonstriert - makaber aber einleuchtend - den Sinn und Zweck des Freiheitsideals der Moderne, die in der Zerstörung der sozialen Bindungen ihr "Freiheit" genanntes Heil sucht. Im Abendland gilt allerdings seit Sade(1930) (auf den der kultische Satanismus anerkanntermaßen zurückgeht) der spirituelle Genuß von blutigen Fantasien als "salonfähig" und eingedenk der durch (sexuelle) Perversion unterstützte Gotteslästerung "hinreichend" für die "Befreiung".

Unter den zeitgenössischen Humanistischen Psychologen in den 90ern scheint Carl Rogers der Favorit zu sein(1931). Der gleiche Rogers ist auch der geistige Vater u. a. des Grundsatzprogramms der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Deutschlands und seines Chefs, Gruhl, die dem durch materialistische Anschauungen drohenden Weltuntergang entgegenwirken wollen(1932). Insgesamt sucht die Bewegung um die Humanistische Psychologie aus liberalen Elementen der Gesellschaftskritik eine "ideale Utopie" in eine "machbare Utopie" der Psychologen umzumünzen(1933). Dies geht mit der Abwendung von der Gesellschaft und Hinwendung zum Individuum einher. Die altliberale "Tat" in der romantischen Privatheit wird zur Maxime, da Theorien nichts bewirken können. Irgendwann wird schon die Saat der kommunikativen Gesellschaft aufgehen, so die Psychobewegung, zumal die partikularen persönlichen Betroffenheiten mit der Lehre von Rogers sodann gebündelt und politisch kanalisiert werden können(1934).

Um die Lehren von Rogers hat sich auch eine neuere Seelsorgebewegung entwickelt(1935). Die Adaptierung der humanistischen Psychologie (namentlich die von Rogers) in die Seelsorge soll etwa so auch in Wien) durch die Annahme gerechtfertigt sein, daß so wie Jesus die Sünder voll annahm, so kann, wie etwa schon Tillich - ähnlich Rogers - sinngemäß meinte, nunmehr die Annahme durch den humanistischen Therapeuten als Heil erfahren werden(1936). Das Evangelium muß sonach - via interpersonaler Begegnung - "erfahrbar" gemacht werden(1937). So kam es, daß andersdenkenden Theologen "Erfahrung" zum Reizwort geworden ist(1938), weil sie ihrerseits schlechte Erfahrungen mit der "Erfahrung" hatten.

5.3.8. Luzifer Pantheos

Ein Urtyp des radikalen Subjektivismus ist der Österreicher Rilke(1939), dessen Lebenswerk anhand seines "Orpheus und Eurydike" - nach der einhelligen Meinung der Forschung - in der Grundaussage zusammenfassen läßt, daß "Die Kunst und die große Liebe können nicht zusammenleben: jede ist von selbstischem Charakter."(1940) Dem anfänglich von religiösen Visionen geplagten und in der Folge tief enttäuschten Rilke ist die Liebe zwar durch eine Frau verkörpert, aber sie repräsentiert die Kirche(1941), zumal der dann in den Himmel aufgenommene Orpheus soetwas für den Dionysoskult ist, wie der Mohammed für den Islam(1942), wenngleich der singende Poet (Orpheus) mit der Lyra als der Inbegriff des Künstlers gilt(1943). Die klassische Geschichte des Orpheus veranschaulicht nun, daß Liebe und (dionysische) Kunst sich gegenseitig ausschließen. "Jede kann deshalb nicht ertragen, daß die Andere in sie hineindringt."(1944) Der Endlose Krieg zwischen Beiden läßt nur die Alternative zwischen Kunst und Liebe(1945). Ähnlich zitiert Sartre den Satanisten Baudelaire(1946), der die Liebe dem Sex synonym setzt, um die "Philosophie der Freiheit" als "die Wahl seiner selbst (dieses zu sein, jenes nicht zu sein), die Baudelaire traf" zu begründen(1947).

Der Radikale Subjektivismus ist um so mehr eine Kunst, da es wohl übermenschliche Fertigkeiten verlangt, das Absurde als existent, als das Existentielle schlechthin erscheinen zu lassen. Es geht aber einige Zeit, wenn die Subjektivisten einander gegenseitig zujubeln, als hätten sie etwas für andere außer dem eigenen Selbst übrig, und beteuern allen ernstes, daß sie imstande wären die anderen auf das eigene Selbst "zu beziehen": so als könnten sie wirklich "wahrnehmen" ohne innerlich berührt zu werden.

5.4. Der indische Teufel

Vielleicht verdient die eigene indische Theosophie zumindest im Hinblick auf Gandhi Aufmerksamkeit, da mit ihm das erste bleibende politische System auf Grundlage der luziferischen Theosophie Blawatskys vom Grund auf umgestaltet, bzw. neu gestaltet wurde. Interessant ist bei Gandhi seine ursprüngliche Sehnsucht nach dem kommenden "Messias" (Mahatma), zu dem er sich alsdann hinaufschwingt. Bei Gandhi kann man sich mit dem Nachweis des von ihm angenommenen messianischen Titels "Mahatma" als aus der luziferischen Hexenküche der Blawatsky begnügen. Ein Eingehen auf Gandhis pseudohinduistische Terminologie könnte mehr Übersichtlichkeit kosten als einbringen. Gandhi dürfte eine Art Weltrekord in Widersprüchlichkeit, aber auch im Heucheln, aufgestellt haben. Leider tarnt er sich dabei geschickt politisch-weltanschaulich und verbalisiert seinen Haß auf Christentum und dessen Gott als Ausländerfeindlichkeit oder Antieuropäismus.

5.4.1. Der Teufel als Hindu

Was Zitate betrifft, wonach sich Gandhi mit der linken Ideologie solidarisch erklärt hätte, so ist dazu zunächst festzuhalten, daß der selbige Gandhi auch Sympathien gegenüber dem Nationalsozialismus hegte(1948). Gandhi entdeckte den Hinduismus durch die Begründerin und erste "Prophetin" der Theosophischen Gesellschaft, H. P. Blavatsky, in London(1949) und von da an blieb er Kampfgefährte von Annie Besant, der Nachfolgerin Blawatskys und spätere Präsidentin des Congress in Indien(1950). Durch die Blavatsky angeregt begann Gandhi die religiöse Literatur Indiens zu lesen, allerdings benutzte er die "Übersetzungen" von Theosophen. In Südafrika dann führte Gandhi täglich religiöse Gespräche mit allen Mitgliedern der dortigen Theosophischen Gesellschaft, hielt Vorträge, und kritisierte die zunehmende Entfernung der Theosophen vom theosophischen Ideal (Blawatskys).

5.4.2. Eine Seele von Teufel

Auch in Indien unterhielt Gandhi eine mitunter kontroversielle Beziehung zu Annie Besant, zumal die übrigen Theosophen zumeist zur Theorie, zum (pragmatischen) Idealismus neigten, während Gandhi der praktische Theosoph par excellence war. Die Verwalter seiner literarischen Nachlassenschaft haben bisher bewußt die Herausgabe seiner sämtlicher Schriften vermieden, damit der widersprüchliche Charakter und "Lehre" des Medienjongleurs für Außenstehende nicht nachvollziehbar wird. Das hinduistisch verbrämte Theosophentum Gandhis kommt am strahlendsten in seinem Titel "Mahatma" (Große Seele) zum Ausdruck. Denn - entgegen der Verschleierungstaktik von New Age - kommt der von Madame Blavatsky kreierte Mahatma-Titel nur bei den Theosophen vor und Gandhi ist der Einzige, der jemals diesen Titel freiwillig annahm(1951).

5.4.3. Der Teufel als Lehrmeister

Die Mahatmas sind eine Art (messianische) Bodhisattwas der Theosophie(1952), und heißen im europäischen Sprachgebrauch "Meister". Ursprünglich ging die Theosophie Blawatskys von sieben "Meister" (der großen weißen Brüderschaft) aus, später soll es über zwanzig gegeben haben, zu denen Buddha, Konfuzius, Salomon, Laotze, Böhme, Cagliostro und Mesmer gehörten, und Jesus soll von ihnen unterwiesen worden sein(1953). Spätestens mit der Annahme der theosophischen Titulatur deklarierte sich Gandhi als eines der anerkanntermaßen größten Gnostiker unserer Zeit, und der Lehre Blawatskys (z. B. von den angeblichen Mahatmas, die nur bei Blavatsky gibt) verhaftet. Niemals hat Gandhi der deklariert luziferischen Lehre der Blavatsky, die von der Theosophischen Gesellschaft offiziell übernommen wurde, widersprochen, vielmehr kritisierte er in Südafrika das Abweichen von dem theosophischen Ideal. Im politischen Kampf tarnte Gandhi seine antichristlichen Polemiken "meisterhaft" als antieuropäisch, oder je nach Bedarf als "antikapitalistisch" oder "antikommunistisch". Er sprach ex cathedra die (indischen) Kühe heilig aber "Hospitäler und Industrie sind Instrumente des Teufels" für Gandhi, die aus der indischen Kultur ausgerottet werden müssen. Die religiöse Hinterlassenschaft Gandhis profilierte sich als dritter Weg zwischen Kapitalismus und Staatskommunismus auf synkretistisch religiöser Grundlage und wurde durch eine Landschenkungsbewegung bekannt: Beim Einzelnen beginnend, soll eine Revolution der Ideen zur Revolution der Gemeinschaft und zur Herbeiführung eines neuen goldenen Zeitalters (New Age) führen(1954).

5.5. Baumeister Luzifer

In diesem Ambiente - gleichsam als Blüte im inneren Garten des Bösen - entsproß im vorigen Jahrhundert die liberale Theologie. Die Forschung geht davon aus, daß sich - ungeachtet der inneren Zerrissenheit und späteren Polarisierung - in der liberalen Theologie die Summe des freimaurischen(1955) Gedankenguts manifestiert(1956). Die freimaurerische Liberale(1957) hat nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt friedliche Absichten gegenüber der Kirche signalisiert(1958), und es kam in der Zeit Kardinal Königs(1959) zu äußerst entgegenkommenden Konzessionen an die Freimaurer im deutschsprachigen Raum (auf Verhandlungsebene), die dann allerdings von Rom nicht bestätigt, ja sogar zurückgewiesen wurden. Die innerkirchliche Liberale hielt sich trotzdem demonstrativ zum Burgfrieden und versuchte diese Abweichung von Rom durch diplomatisches Schweigen und Dulden zu akzentuieren, zumal aus dem Neuen Kirchenrecht 1983 der Passus gestrichen wurde, wonach Freumaurer kraft Gesetzes exkommuniziert seien(1960). Der jüngste "Anschlag" der organisierten innerkirchlichen Liberale aus dem Hinterhalt und im Schafpelz (auf die Kirchenspitze) lassen die Aufkündigung des Burgfriedens durch die (ideell freimaurerisch/freigeistig orientierten) Liberalen mit der Kirche konstatieren.

5.5.1. Der Teufel als Freund

Der Friedensbruch ist offensichtlich unter liberal-internem internationalen Druck entstanden, weil von Irland und Amerika ausgehend weltweit eine - vom Sexismus inszenierte - strategische Verleumdung der jeweilige Kirchenspitze im Gange ist, die, sei es aufgrund der Sympathiewelle für (angeblich) sexistische Kirchenfürsten, sei es durch die allgemeine Verwirrung, offensichtlich als Vorwand für die sexistische Anreicherung des Evangeliums dienen soll. Die österreichische katholische Kirche ist also nicht länger an den stillschweigenden Sonderfrieden mit den Freimaurern gebunden, weil dieser Burgfriede von der innerkirchlichen und außerkirchlichen Liberale (Zeitschrift "profil") gebrochen wurde. Möge den Streit scheinbar der extreme Flügel vom Zaun gebrochen haben, von denen sich die Liberale der Mitte distanzieren könnte, sie tat es aber nicht. Vielmehr hat die als gemäßigt geltende Liberale im Windschatten der Extreme zum Sturm an die Kirchenspitze angesetzt. Das sog. Kirchenvolksbegehren war ein organisierter Aufstand, und zwar anscheinend von ziemlich oben her.

5.5.2. Der religiöse Teufel

Die manichäische Grundlagen des Freimaurertums kommen etwa durch die häufigste Bezeichnung Gottes, besser gesagt eines oft und gerne für Gott gehaltenen höchsten Wesens, als große Baumeister(1961) der Welt, was, bzw. "der", ansonsten, zumindest in dieser ausgeprägten Form(1962), nur bei den Manichäern vorkommt(1963). Unbestrittene "Väter" und Galionsfiguren liberaler Theologie sind der Goethe-Protegé(1964) Herder(1965) und vor allem Schleiermacher(1966), dessen "praktische Theologie" bis in die jüngste Zeit Schule machte(1967). Herder und der im Freundeskreis Hegels geistig beheimatete Schleiermacher forderten etwa gleichzeitig eine neue Mythologie, bzw. eine neue Religion, wobei im begeisterten Echo "Vernunft", "Natur" und "Ästhetik", aber auch Religion und Gott, zu Synonymen wurden. Schleiermacher bekennt sich zwar nicht öffentlich zum Luziferismus, sondern postuliert die Religion ohne Gott und mit mehreren Messiasen. Wegen der Gefahr, seine Pfarrstelle zu verlieren, publiziert er anonym und nur sein Hang (Nahverhältnis) zu den begeisterten Dionysianer (Liberale) um Hegel verrät ihn. Nichtdestotrotz gilt er in der Forschung als der Vater der liberalen Theologie, und das sicher nicht zu Unrecht. So erhellt die richtige Etymologie des Wortes "liberal" (Liber-al(1968)=Dionysianer) das wahre wesen seiner Theologie.

5.5.3. Der dialektische Teufel

Ein markantes Beispiel liberalen Treibens ist, wenn der sich als "Dialektiker" tarnende Liberaler(1969) (Dionysianer) Rudolf Bultmann, dessen Theologie mit dem doppelten bis vierfachen Boden so das Böse zu bekämpfen vorgibt, daß er massiv Dionysisches im Evangelium des Johannes behauptet und dann den Dionysos, den Geist des Dionysos, aus dem christlichen Evangelium sozusagen exegetisch "exorziert"(1970). Die von Bultmann postulierte Entmythologisierung, die quantitativ produktivste theologische Richtung der Moderne, hat aber nicht nur von der soeben aufgezeigten Seite her ihre Erklärung (Entmythologisierung gewissermaßen als moderne "Exorzierung" der Bibel, vgl. Mk 3,30), sondern begann eigentlich mit dem manipulierten Parusietermin(1971). An dem Beispiel Bultmanns kann also auch demonstriert werden, daß der eigentlich dionysische (luziferische) und der chiliastische Moment in der Subkultur kaum jemals voneinander getrennt werden könnten.

5.5.4. Der überbiblische Teufel

Der Auftakt zum theologischen Umbruch unter dem methodischen Vorwand ist an dem Namen Semler(1972) gebunden. Vieles von der späteren Entwicklung der Subkultur ist in dem weiter oben zitierten Streit zwischen Semler und Reimarus vorweggenommen(1973). So wie die "Irrtum-Jesu-Theologie" von Reimarus bis Albert Schweitzer(1974) und Bultmann eine noch relativ klare Linie zeigt(1975), so läßt sich die Spur der Semlerschen "Relativitätstheorie der Offenbarung"(1976) unter dem Stichwort "historisch-kritische Methode"(1977) verfolgen(1978), worin mit einer irritierenden Konsequenz das "objektiv" Geleugnete zugleich als (subjektiv) wahr verfochten wird.

Vor diesem theoretischen Hintergrund verdankt die seit Semler tradierte historisch-kritische Methode ihre "Beliebtheit" praktisch einer damals neuartigen "Kanonkritik", wonach das kirchliche Kanonverständnis für eine elitäre Minderheit (der historisch-kritischen Theologen) nur vordergründig gilt(1979), und im Vertrauten Kreis der intime Umgang mit den ungleich höher geschätzten Apokryphen und späteren postbiblischen Offenbarungswerken gepflogen werden sollte. Die Vorgangsweise fußt auf der von Semler vorgenommenen Umwertung der Offenbarung als übliche (dem Profanen inhaltlich gleichwertige und nur durch die besondere religiöse Form überlegene) literarische Form. Im übrigen rührt diese Art Gebrauch eines vom allzu jüdische Ballast befreiten und mit Sekundäroffenbarungen angereicherten Kanons von den Bogumilen her, die offen Zusatzoffenbarungen gehandelt haben, während etwa die Katharer, die auch etwa ein "Kommentar" der Apokalypse verbindlich benützt haben, die für jeden Sektenforscher - in mancher Hinsicht - eine kleine "Offenbarung" sein möge, die Katharer gingen aber einerseits damit vorsichtiger um und sind andererseits die meisten dem Namen nach überlieferten Quellen-Werke der Katharer (angeblich bis auf zwei aus dem Randbereich) verloren gegangen.

5.6. Der fromme Teufel

Sofern hier der Gesichtskreis zwar nicht auf die sog. Moderne eingeengt werden soll, aber den Schwerpunkt der Untersuchung zu bilden hat, ist der christliche Fundamentalismus(1980), zumindest wegen dem dortselbst verabsolutisierten chiliastischen Moment(1981), in die Betrachtung einzubeziehen(1982). Wohl könnte der Fundamentalismus weiter zurückverfolgt werden, aber der die (auf der mystischen Kabbala fußenden) Wiedertäufer und der Pietismus als urtypisch für den modernen Fundamentalismus festzustellen dürfte hinreichend sein. So wie die vernunftsorientierte Richtung des Luziferismus sich betont auf Jakob Böhme zurückführt, so läßt sich Jakob Böhme auch als Vater alles Pietistischen nachweisen(1983). Es gibt keine bekannte pietistische Richtung, die nicht mehr oder minder offen deklariert auf Böhme zurückginge. Die modernen Freikirchen (das symbolträchtige Wort "Frei-" in der gebräuchlichen Selbstbezeichnung ist genauso wie Befreiungstheologie - scheinbar auf der anderen Seite - eine Anknüpfung an Liber/Dionysos) sind überwiegend wiedertäuferisch(1984)orientiert und leiten sich mehrheitlich bis gänzlich von dem Pietismus und ebenfalls chiliastischen Wiedertäufer ab(1985). Ungebrochen ist auch die extrem-chiliastische Fixierung sämtlicher freikirchlichen Tendenzen(1986), so daß das ganze Facettenreichtum der Freikirchen und radikalen Chiliasmus gleichgesetzt werden können(1987).

Um ein markantes Beispiel für die Verquickung von pseudochristlich chiliastischer Frömmigkeit der Pietisten mit dem aufklärerischen Ideal des aufkeimenden Liberalismus (eines Goethe) zu geben, sei an den Pietismus als die Graue Eminenz der klassischen Kulturepoche durch ein Zitat aus einer unpublizierten Arbeit hingewiesen(1988):

"Die Rechtsentwicklung des Jahres 1919 steht - im Anschluß an die napoleonischen Kriege - im Zeichen des im Zuge des Wiener Kongresses (1814-1815) entstandenen Deutschen Bundes, an Stelle des Heilig Römischen Reiches Deutscher Nation(1989), und der auf Betreiben des russischen Zaren Alexander I. zustandegekommenen Heiligen Allianz, der - außer dem Papst und dem Sultan - alle (etwa 200) europäischen Staaten beitreten, und erklären; die Regierung in ihren Ländern und die politischen Beziehungen zu anderen Staaten allein nach den Geboten der heiligen Religion auszurichten(1990). Zar Alexander I. selbst war von dem prophetischen Haupt der Karlsruher Pietisten und Freund (sowie Biograph) Goethes, Jung-Stiling(1991), der das in Bälde kommende Reich Christi(1992) am Kaspischen Meer(1993)propagierte, sowie von der prophetischen Bußpredigerin Barbara Juliane von Krüdener(1994)beeinflußt, die auch den Namen "Heilige Allianz" prägte(1995). Bereits die Wiener Kongressakte enthalten zum ersten Male - auf völkerrechtlicher Basis - Bestimmungen über Grundrechte (Abschaffung der Sklaverei u. a.), die tragendes Element des Gesamtkomplexes werden sollten(1996). In diesem Sinne erhielt der russisch besetzte Teil Polens Autonomie und eröffnet Alexander 1918 den polnischen Sejm (Reichstag) und kündet für März in Rußland Reformen an. Er enttäuscht aber 1818/9 die in ihn gesetzten - wohl überspitzten - liberalen Hoffnungen durch eine verstärkt antiliberale Politik(1997).

Karlsbader Beschlüsse (1819)(1998): Überwachung der Universitäten, Zensur, Auflösung der Burschenschaften, Verbot der Turnbewegung(1999), sog "Demagogenverfolgung" in Preußen und Österreich(2000); Arndt und Schleiermacher werden ihrer Ämter enthoben, Jahn verhaftet(2001). Der Bundestag in Frankfurt am Main nimmt am 20. 9. 1819 einstimmig die Beschlüsse der Ministerkonferenz von Karlsbad an(2002). Die Tragweite dieser Rechtsakte ist etwa an der Versprechung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nach dem Wiener Kongreß zu messen, Preußen demnächst zu einem Verfassungsstaat zu machen(2003). Und obgleich gerade die preußische Verfassungspolitik nach Ansicht einiger Historiker im Ansatz stecken blieb(2004), ist die rechtliche Bedeutung dieser im nachhinein vielleicht nicht unumstrittenen Gesetzesperiode darin zu sehen, daß durch die Karlsbader Beschlüsse eine erste Bundesbehörde - zur Kontrolle des Unterrichtswesens (das von jeher als religiöses Ventil angesehen wurde) - geschaffen wurde, die konkret die Souveränität der Einzelstaaten einschränkt(2005). Mit dem Ende des alten Reiches (Kaisertum) waren die uneingeschränkten Hoheitsrechte auf die Länder des Deutschen Bundes übergegangen; die kirchenrechtlichen Verhältnisse konnten neu geordnet werden, da der landesherrliche Summepiskopat mit der Umwandlung des Territorialkirchentums in das neue Landeskirchentum auch die Verfügungsgewalt über den Bekenntnisstand einschloß(2006). Diese Gesetze fallen erst durch die Revolution 1848 und bestimmen daher das Geschehen bis zur nächsten Etappe der Verfassungsbildung(2007) um 1849. Es ist überall die Zeit der Entstehung politischer Parteien, aber auch liberaler Landesverfassungen und Kirchenunionen(2008). In Preußen festigt sich die feudale Ordnung, und für Europa hat sich der Begriff der Restauration geprägt. Mit den 1819 beginnenden Säuberungen (bis 1848/9) klingt die Reformära aus(2009)."

Kein Raum ist der vorgeblichen "Diskussion" zu bieten, wonach die Freikirchen angeblich auch nichtchiliastische Anschauungen zulassen und würdigen würden(2010). Vielmehr ist festzuhalten, daß nicht-chiliastisch anmutenden Sonderformen des Chiliasmus sporadisch bei den Freikirchen zu beobachten sind, die aber nur als Alibi benützt und daher - nur scheinbar - geduldet werden, um einen offenen Diskussionsprozeß über den - in Wahrheit doktrinären - Chiliasmus vortäuschen zu können. Freikirchentum steht und fällt insgesamt mit dem Chiliasmus und ein anderer Sinn und Zweck ist darin beim besten Willen nicht zu finden. Von dieser Einsicht her gesehen erweist sich der vorgeschobene Moralismus samt schwärmerischer Frömmigkeit nur als die obligatorisch sektiererische Alibihandlung.

Es ist relativ leicht ein objektiv jederzeit nachvollziehbares und wiederholbares Experiment mit Fundamentalisten, sofern psychologische Menschenexperimente nicht verpönt sind, daß beim Anschneiden von Parusierfragen auf jede noch so nüchterne und sachliche Argumentation der theologisch gebildete Fundamentalist m. E. völlig ausrastet: er widerspricht sich, lügt, wird gehässig, und was leider die direkte und unvermeidliche Konsequenz seines ver- und befangenen Seelenzustandes ist, er versucht mit einer ansonsten beim ihm unvorstellbaren Niedertracht seinen Gesprächspartner zu verletzen, um wenigstens so seinem eigenen inneren Widerspruch zu entfliehen.

Es ist unschwer objektiv zu erkennen, vor allem wenn man es vorher wissen, und dann im beliebigen Experiment unter Beweis stellen kann, daß der Fundamentalist bei unbequemen Parusiefragen früher oder später genau diejenigen psychischen Symptome zeigt, die er bei anderen immer als dämonisch bezeichnen würde. Ohne hier auf die unterschiedliche Terminologie zwischen Psychologie und Theologie in der Seelenkunde einzugehen, kann nach dem gelungenen Experiment objektiv ausgesagt werden, daß der Beobachter und der Beobachtete verschiedenen Geistes sind, oder, daß sie eine kontroversielle Geisteshaltung an den Tag legen.

Diese Feststellung kann auch dadurch bekräftigt werden, daß das Experiment gleichsam auf die Spitze getrieben wird, denn in der Phase, wo der Fundamentalist über seine eigene Entgleisung wieder einigermaßen zu reflektieren beginnt, drängt ihm seine innere Eingebung gleichsam mit physischer Gewalt seine Interpretation der Vorkommnisse auf, daß nämlich nicht er, sondern sein Gegenüber von einem bösen Geist besessen sei. Es genügt aber an dieser Stelle festzuhalten, daß beide Gesprächspartner und das Geschehen beobachtende Dritte einen unvereinbaren Widerspruch auf geistiger, und nicht auf psychischer Ebene wahrnehmen, wobei die seelische Verfangenheit nur als Symptom und nicht als die Ursache in Erscheinung tritt.

Es gibt in der Theologie kaum noch so eine Frage, mit der die menschliche Psyche so offenkundig ventiliert werden kann, wie die Terminfrage der Parusie. Eine unmittelbare Reaktion ist allerdings auf die Gebildeten unter den Chiliasten beschränkt, während die schwärmerischen Anhänger zuerst immer ihre geistigen Führer konsultieren und selber dann betroffen dessen Entgleisungen beobachten, ohne sich unbefangen ein Urteil über die Abläufe bilden zu können.

Ohne einen medizinisch klinischen Befund vorwegzunehmen, kann also die Summe der Beobachtungen dahingehend ergänzt werden, daß nur der theologisch gebildete christliche Fundamentalist reagiert genau so, wie der (ebenfalls gebildete) biblische Pharisäer gegen Urchristen, während die Mitläufer sich nur herauslügen und sich der Auseinandersetzung eher entziehen. Über den theologisch gebildeten Fundamentalisten kann aber um so verbindlicher ausgesagt werden, daß er mit den Widersprüchen in der Parusiefrage konfrontiert völlig aus dem seelischen Gleichgewicht gerät und sich von der fanatischen Seite zeigt, die er bei anderen als dämonisch bezeichnen würde. Analog kann die Reaktion der theologisch gebildeten Freigeister aus dem chiliastischen Lager als hysterisch bezeichnet werden, zumal die Hysterie gleichsam die Schattenseite der eher positiv interpretierten dionysischen Ekstase ist, und bildet dazu - trotz allfälliger Vorbehalte - eine Art Entsprechung(2011).

Das luziferische Moment kommt am markantesten in der ebenfalls als Alibihandlung vorgeschobenen Biblizismus zum Vorschein, der in zwei diametrale Phasen zu unterteilen ist. In der ersten Phase wird eine Art Buchstabendienst (mit wörtlichen Zitaten, die am besten auswendiggelernt werden) absolviert, um mit dessen Hilfe sich über den Wortsinn zu erheben und die inspirierte Bibelauslegung jenseits vom Wortsinn zu betreiben. Nicht nur aus dem christlichen Gesichtspunkt ist die gleichzeitige Inspiriertheit des biblischen Wortlautes und die der Auslegung, soweit sie nicht exakt übereinstimmen, als Nonsens zurückzuweisen, es sei denn, es gäbe zwei einander widersprechende Urheber der Inspiration. Diese Zwei Phasen sind beim pietistisch erweckten Karl Barth zu beobachten, der schlußendlich die für ihn angeblich unhaltbare Vorstellung einer Inspiriertheit der Schrift durch die angebliche Inspiriertheit der Lesung, also durch die Inspiriertheit der exegetischen Auslegung, ersetzt(2012). Die inspirierte Auslegung wird übrigens immer bei der Erdichtung unbiblischer (pseudobiblischer) Parusietermine angewendet(2013), zumeist über die lügnerische Vernebelung des biblischen Parusietermins, so daß der hier gesuchte Zusammenhang auf der Hand liegt. Der christliche Fundamentalismus lebt von und für ein pervertiertes Inspirationsverständnis.

Etwas exakter kommt das luziferische Moment zum Vorschein durch die - bei allen Chiliasten üblichen (zwangsläufigen) - Verschiebung des Parusietermins. Dem Wortsinn nach läßt nämlich die Heilige Schrift keinerlei über das erste Jahrhundert hinausgehenden Parusietermin zu, vielmehr bedürfte zu jedem abweichenden Parusietermin ein neues Evangelium und einen neuen Christus. Außerdem ist der Parusietermin so fest, um nicht zu sagen untrennbar, mit dem herodianischen Tempel und dessen Zerstörung verbunden (plus-minus 3,5 oder maximal 7 Jahre), daß ohne einen wiederaufbauten herodianischen Tempel jeder andere Parusietermin (biblisch) dingunmöglich ist. Der Alternativchristus zu jedem späteren Parusie-Termin ist also immer und ausschließlich als luziferisch zu verstehen.

Dazu kommt, daß die Verlegung des Parusietermins allein schon die Leugnung des biblischen Parusietermins zwingend voraussetzt, wobei immer gerade die Chiliasten die (verwirklichte) Messianität Jesu untrennbar mit der Parusie verbinden (womit zwangsläufig jeder Chiliast die wahre Messianität des wahren Jesus Christus, der zum biblischen Parusietermin seine Verheißung erfüllt hat, verleugnet). Damit leugnen weiters die Chiliasten die bereits bestehende Herrschaft Christi als König der Könige und Herr der Herren (Cyrios), und erklären die ganze Welt als unter der Königsherrschaft des Satans stehend: und setzen somit faktisch Jesus Christus mit Satan gleich(2014), der, soweit er schon gekommen ist, der Herr der Erde ist (Off 11,4). Auf eine allgemeinverständliche Kurzformel gebracht: die freikirchlichen Chiliasten (Evangelikale) gehen - verbal oder nonverbal - immer davon aus, daß "diese Welt nicht mehr zu retten sei"(2015), während die etablierten Kirchen (orthodoxe, katholische und evangelische), zumindest in ihrer noch unverfälschten theologischen Tradition, verkünden: "diese Welt ist gerettet durch Jesus Christus" (vgl. Joh 3,16-21). Demgemäß arbeitet der Chiliast auf den Untergang der Welt hin (um dem irdischen Paradies Platz zu machen), während der Christ der ("gefallenen" aber) in Gott (durch Christus) geheiligten (erneuerten) Schöpfung in der Verehrung des Schöpfers die Ehre erweist (aber nicht über die Ehrung der Schöpfung den Schöpfer zu bestechen sucht)(2016).

Aus ebendiesen Gründen geht in der Regel auch die Überdimensionierung der Lehre von der christlichen Wiedergeburt(2017) und die theologisch damit verknüpfte Wieder- oder Erwachsenentaufe(2018) mit dem spirituell orientierten Chiliasmus einher, weil sie besser als die etablierten Christen wissen, daß die Taufe (und Wiedergeburt) die Aufnahme in den Leib Christi als Kirche bedeutet, und sie eben für den neuen Parusietermin einen alterierenden (neuen) Leib Christi brauchen. Dem ist hinzuzufügen, daß auch wenn sie neuerdings oft heuchlerisch nach außen auf die Wiedertaufe der Konvertiten verzichten, an ihrem luziferischen Charakter das nichts ändert, denn die Wiedertaufe ist nur Ausdruck der luziferischen (alternativchristlich getarnten antichristlichen/pseudochristlichen) Grundeinstellung, die sich in der Leugnung (und Verfälschung) des biblischen Parusietermins manifestiert, an den vor allem die Chiliasten die Messianität Jesu (synonym dem Reich Gottes) "fixieren"(2019).

Hier kann nochmals auf die unter Pkt. 1.15.3. aufgezeigte pseudowissenschaftliche Manipulation des (kollektiven) Nachfolgeprinzips (vgl. Mt 8.18-22; Lk 9,57-62; 14,25-35; Mk 8,34-9,1//Mt 16,24; 10,17-31) durch den Chiliasmus(2020), bei der ebenfalls pseudowissenschaftlichen Manipulation des biblischen Termins der Parusie, hingewiesen werden, wodurch sie (die Chiliasten) die Stellung des Originals usurpieren. Sie tun zwar so, als sei "nur" die neue "christliche" Gemeinde eine perfekte Fälschung, als könnte sich hier und jetzt alles Biblische life ereignen mit der jeweiligen Gemeinde, sie fälschen aber vor allem den (neuen) Christus als Original in ihre Gemeinde. All diese durch Dramatisierung unterstützten Fälschungen (falsche Christusse) sind als luziferisch zu brandmarken.

Es sei nochmals betont, daß nach dem präsentischen Nachfolgeprinzip eine aktuelle Vergegenwärtigung des in der Zeit bereits vollendeten Originals nicht nur legitim, sondern unbedingt geboten ist. Eine Fälschung ist aber um so gefährlicher, desto ähnlicher sie dem Original sieht. Die Freikirchen sind die originellsten Heuchler seit langem. Die Schrift (1 Joh 2,19) sagt über solche: "Sie sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns; denn wenn sie zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben. Es sollte aber offenbar werden, daß sie nicht zu uns gehörten." (und im Hebr 6,6 heißt es: "... denn sie schlagen jetzt den Sohn Gottes noch einmal ans Kreuz und machen ihn zum Gespött"). Wir wollen hoffen, daß das Gericht in der Nachfolge nicht so "echt" sein wird wie sie es sich zu erschleichen trachten.

6. FORSCHUNGSFELD

Der hier bisher gebotene Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, postuliert vielmehr methodisch der Unumgänglichkeit einer kritischen Auswahl zum systematisierten Thema (Themenübersicht).

6.1. Ausgangsposition

Aus dem systematischen Gesichtspunkt wurde schon eher auf ein möglichst flächendeckendes Vorgehen geachtet, wohl aber unter dem Kriterium der Veranschaulichung der Position des Beobachters, womit der Erfassung des Beobachteten besser gedient werden sollte. Die nämliche Position des Beobachters sollte die der etablierten christlichen Bibeltheologie, gebunden an eine inspirierte Offenbarung (wie der Begriff der Inspiration(2021) immer enger gefaßt werden soll), sein. Es sollte nicht strittig sein, ob mit diesem Vorgehen ein apologetisches oder primär kritisches Ziel verfolgt werden soll, sofern sie nicht miteinander im Widerspruch stehen.

6.2. Horizont

Aus dem Inhaltlichen Gesichtspunkt sind zwar Themen ausgewählt worden, die der systematischen Darstellung, und somit zugleich indirekt der Veranschaulichung der Vorteile des systematischen Vorgehens, dienen sollten, es könnten und sollten aber Themen hinzugefügt werden, die unter Umständen eine Systemerweiterung bedingen. Es war davon auszugehen, daß zur Zeit die erschöpfende Auflistung der auffälligeren aber ungleich harmloseren Extremformen des Luziferismus auf die hohe Schule der wahren Meister des Luziferismus den Blick verstellt hätten. Damit soll aber nicht geleugnet werden, daß viele Formen des Luziferismus im zeitgenössischen Alltag einer gründlichen Erforschung harren. Auch die hier ins Auge gefaßte Arbeit könnte um einige Themen in diese Richtung erweitert werden.

Der historische Rückblick kann beliebig erweitert werden. Selbst auf die Gefahr hin, zu sehr in die Breite zu gehen, darf der historische Rückblick nicht vernachlässigt werden. Die Theorie des Bösen ist nämlich äußerst traditionsbewußt und beruft sich stets sowohl auf die Bibel, wie auf die Alternativquellen. Hier einige stets zitierte Namen, die für eine bestimmte Geistesrichtung oder Denkschule stehen:

Shakespeare(2022), Elisabethaner(2023)

Dante(2024)

Macchiavelli(2025)

Petrarca(2026)

Boccaccio

Typologie des Dionysos von der Antike bis zur Moderne.

Chiliasmus in der Väterzeit: (Ebioniten)

Kerinth(2027)

Doketismus(2028)

Hermas(2029)

Clemens Alexandrinus(2030)

Montanus(2031)

Tertullian(2032)

Papias(2033)

Origenes(2034)

Irenäus(2035)

Hippolytos(2036)

Victorin von Pettau(2037)

Hieronymus(2038)

Ambrosius(2039)

Lactancius

etc.

Die Aufarbeitung der fast zur Gänze satanistisch diktierten Szene der modernen Unterhaltungsmusik ist eine noch unerledigte Aufgabe(2040). Die eingangs zitierte Broschüre über Satanismus schneidet zwar dieses Thema an, begnügt sich aber mit einigen Kuriositäten, so als wollte sie alles vertuschen. Der Satanismus ist in der gesamten Branche dominierend und läßt die aufstrebenden Gruppen nur Platten (heute CD's) produzieren, wenn sie satanische Texte ins Programm aufnehmen. Die prominentesten Beispiele sind die Beatles(2041) und die Rolling Stones(2042), diese sind aber nur die Spitze eines Eisbergs. Die von der kritisierten Broschüre von Introvigne genannten Gruppen sind nicht einmal die Spitze eines Eisbergs. Man müßte z. B. Aufzeigen, daß die Manson-Morde(2043) (in den USA) bei Polansky u. a., und das ist dokumentiert, unter dem Einfluß von Liedern und Texte der Beatles vonstatten gingen. Daß die Beatles wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit von satanischen Kreisen eine eigene Plattenfirma gründeten, und sich sodann vom Satanismus losgesagt haben (und nach Indien zu einem inzwischen in die Schweiz übersiedelten Guru und Sektengründer, dem nämlichen Begründer der in Kreisen der Sektenforschung allzu gut bekannten Transzendentalen Meditation, gingen). Die Rolling Stones haben sich bis heute nicht losgesagt(2044). Ein ähnliches Schicksal hatte so gut wie jede Musikgruppe vom Rang, wobei die Ausnahmen die Regel bestätigen, um von der deklariert luziferischen Heavy Metal Bewegung(2045) einmal ganz zu schweigen.

Die gesamte Kunstszene, insb. die Surrealisten, Dadaisten, Kubisten(2046) und die sog. Wiener Schule. Erwähnung verdienen z. B. die derzeit populärsten österreichischen Maler Rainer und Nitsch. Ich zitiere aus meinem Protestschreiben wegen Rainer an den ORF von 20. Dezember 1994:

"Von Insider-Berichten, bzw. von einer Vertrauensperson, weiß ich von den schwarzmagischen Aktivitäten des Arnulf Rainer in den 70ern, also zu einem Zeitpunkt, wo Rainer mit Hilfe des Dompfarrers von St. Stephan (Mauer) Karriere zu machen begann. [...] Ich kenne sehr wohl gewandelte Persönlichkeiten, auch solche, die aus Angst von der Droge auf Alkohol umgestiegen sind, und so habe ich nachgesehen, um Rainer kein Unrecht anzutun. Ich habe weder eine Distanzierung Rainers von Drogen, noch ein Signal von den meist wohlwollenden Kritikern gefunden, wonach Rainer als zwischenzeitlich "clean" anzunehmen wäre. Vielmehr wird Pfarrer Otto Mauer vom St. Stephan zitiert(2047), für den die Kunst alle Mittel heiligt, so "auch Visionen im Drogenrausch". Noch 1990 hieß es von Rainer, daß sein Lebenswerk ein pedantisches Drogen-, bzw. Rausch-Protokoll sei(2048). Theologisch beleuchtet zeigt sich die halluzinogen phantasierte Askese Rainers als auf eine halluzinogene Eschatologie ausgerichtete phantastische Leidensgeschichte(2049). Rainer schildert selbst offenherzig, wie der Drogenrausch ihm half, aus der Entsorgung seines Innenlebens Verkaufsprodukte zu machen(2050)."

Über Nitsch ist zu berichten, daß er ein deklarierter Dionysianer ist(2051) und sein Aktionismus zur Gänze (deklariert) in diesem Zeichen steht(2052). Anläßlich seiner Opern-Dekoration leugnete Nitsch treuherzig, etwas mit Satanismus zu tun zu haben, doch gilt Aktionismus auch ohne Dionysos und Nietzsche als satanisch. Was die künstlerischen Inhalte bei Nitsch betrifft, die sprechen ansonsten für sich selbst.

Nicht wenig sollte der Forschung auch daran gelegen sein, daß die sog. Wiener Schule, deren alle vier bekannten Vertreter bereits in der Forschung als Satanisten überführt wurden, auch dann als solche in die kirchenamtliche Sektenliteratur eingehen, wenn die liberale Mehrheit das als unhöflich empfindet. Solche Rücksichten wären schon deswegen überflüssig, weil der Verkaufswert dieser Kunstwerke durch die kirchliche Ächtung automatisch ansteigen wird, und damit Satan vor aller Welt gewissermaßen entschädigt ist.

Unübersehbar lang wäre die unsystematisierte Liste der dionysisch oder ähnlich getarnten Künstler(2053). Eine statistische Analyse würde den Beweis erbringen, daß die Kunst insgesamt schon - als die schlechthinnige Alternative - so weit zu einer Antireligion ausgebaut wurde, und die gesamte Kunst mit Rang und Namen so weit von dem Luziferismus dominiert ist, daß sich der Beweis des Luziferismus im Einzelnen erübrigt, und im Zweifelsfalle der Gegenbeweis darüber zu führen ist, daß der Künstler kein Luziferist sei. Es dürften also nur die bekanntesten Namen wie Mozart (Isis) Richard Wagner (Parsifal), Picasso (Pan), Thomas Mann(2054)(Dionysos), um nur einige zu nennen, einer gesonderten (exemplarischen) Behandlung zugeführt werden. Ansonsten sollten - an repräsentativen Beispielen - "Richtungen", "Strömungen", "Bewegungen" und gleichgelagerte Kategorien verallgemeinernd untersucht werden. Es könnten allenfalls die großen Namen in dem französischen Satanismus, weil es sich dabei um deklarierte Satanisten handelt die meist Drogen nahmen, wie Marquis de Sade, Charles Baudelaire, Victor Hugo(2055), Gustav Flaubert, Artur Rimbaud und andere(2056), einer eingehenderen Erörterung zugeführt werden. Es sollten auch Drogenexperten hinzugezogen werden, die z. B. bei Picasso und anderen mühelos und einwandfrei Drogenkunst werden feststellen können. Ich fürchte allerdings, daß ohne endlich eine offene Kriegserklärung der Kirchen gegen die Moderne Kunst, d. h. gegen den Kult der Kunst(2057), d. i. die Religion der Ästhetik (d. i. Vernunft), weiterhin die Verlierer in einem Krieg sein werden, die trotz der Weigerung der Kirchen den Kampf aufzunehmen, von der sog. Kunst gnadenlos gegen die Kirche geführt wird.

Dabei würde es schon genügen, wenn die Sektenforschung den der modernen Kunst insgesamt zugrundeliegenden Betrug aufzeigt, wonach die moderne Kunst allzu einseitig auf negative bis schockierende Anti-Ästhetik spezialisiert ist, und heuchlerisch vorgibt das Negative mit dem Negativen bekämpfen zu wollen. Es genügt aber nicht bloß aus dem religiösen Gesichtspunkt festzustellen, daß die Religion den Teufel nicht mit dem Luzifer austreiben möchte, und diese Fähigkeit auch der modernen Kunst abspricht, sondern ist festzuhalten, daß Kunst und Ästhetik von der Moderne als Synonyma nicht nur als zentrale Ausdrucksmittel, sondern auch und vor allem als Inhalt verstanden werden. Legitim (und geboten) ist ausschließlich wenn die Religion Kunst macht, aber pervers, wenn die Kunst Religion zu machen versucht.

Eigens angeführt müssen die Neuheidnischen Neo-Faschisten und die Neue Linke(2058)werden(2059), wobei auch Marx & Engels hier Erwähnung verdienen. Trotz mitunter grundlegender Differenzen zwischen den etablierten politischen Kräften und den etablierten Religionen, überlappen sich die Interessen dieser Weltbilder, die sich als demokratisch bekennen, gegen Faschismus und New Age (Satanismus ist eine Spezialform von New Age, bzw. eine Spielart der Theosophie) schon allein deswegen, weil sie - nach wie vor - von den sog. "Neuen" (von "Links" und "Rechts") in ihrer Existenz bedroht werden(2060), zumindest jedoch bedroht werden sollen. Neuheidentum heute hat, wie auch bisher, immer nur eines im Sinn, auch wenn es sich derzeit gerne hinter den politischen Grünen versteckt.

Literatur zu der Walpurgisnacht (Maifeier(2061)), die neuerdings von Feministen fleißig gefeiert wird(2062), aber auch in den Fackelzügen am 1. Mai durch die sog. Arbeiterbewegung manifest ist, und überhaupt ein fixer Bestandteil des neuheidnischen Repertoires ist, soll gesammelt und ausgewertet werden. Spätestens seit Goethes Faust, aber eigentlich seit Robin Hood(2063) (der traditionelle Dionysos/Pan der Maifeier) hätte die Sektenforschung daran nicht vorbeigehen dürfen. Zum anderen sollten solche allgemeinbekannte Kuriositäten nicht auf Kosten der systematischen Übersichtlichkeit vorgeschoben werden dürfen. Es gelte der Grundsatz: Jeder Versuch der örtlichen Lokalisierung würde nur die Verlagerung bedingen, so daß stets von der (mobilen) "Allgegenwart" des Dionysisch-Neuheidnischen auszugehen ist.

6.3. Wissenschaftlicher Atheismus

Feuerbach enttarnt die Kantsche Transzendenz als Chimäre(2064), was so weit richtig wäre(2065), hätte nicht Feuerbach fälschlich die (vermeintliche) Überwindung des Christentums hieraus schlußfolgert(2066). Denn das vom Feuerbach im Hegelschen(2067) Manier überwundene vermeintliche Christentum war eigentlich keines(2068), sondern die pseudochristliche Chimäre Kants(2069) (im fiktiv Unzugänglichen, im Agnostischen). Der in der Forschung tradierten Pseudokritik an Feuerbach, wonach das Wesentlichste an der Begründung des wissenschaftlichen Atheismus die Ersetzung der Theologie durch Anthropologie sei(2070), entgegenzuhalten, bzw. ist dieser Standpunkt aus dem systematischen Gesichtspunkt dahin zu ergänzen, daß Feuerbachs "Gattungsbewußtsein" als höchste Instanz ebenso mit der "Natur" gleichgesetzt wird(2071), wie zuvor die "Vernunft" Kants. Das Anthropologische bei Feuerbach ist nur das Selbstische(2072), das Personale. Dabei möchte Feuerbach die Person Hegelianisch(2073) nur als Attribut (Prädikat), und daher als Nicht-Wesen verstehen, die ansonsten nicht weiter stört. Das Wesen der Wesen ist aber - Feuerbach zufolge - die Natur(2074) und nicht der Anthropos (mit seinem Bewußtsein, oder Gattungsbewußtsein). Wenn die Forschung auf die zynische Aushöhlung alles Heiligen durch den Pantheisten(2075)Feuerbach nur soweit eingeht, daß jener angeblich bloß Theologie mit Anthropologie gleichgesetzt habe(2076), dann übernimmt sie unversehens die Herabwürdigung der Theologie von Feuerbach. Feuerbach hat hingegen den Anthropos (als Person) als falschen Gott, als Selbsttäuschung, enttarnt, um die Natur, die er polytheistisch auffaßt, zu Gott zu Küren(2077). Sofern er also die Theologie mit Anthropologie gleichgesetzt hat, dann nur, um damit die Theologie als Unding abzuschaffen, und nicht um den Menschen die göttlichen Ehren zu erweisen, die, so Feuerbach, der Natur zukommen(2078).

Nicht neu ist bei Feuerbach die Bestimmung der Ursachen des christlichen Gottes in der Pathologie(2079), neben der Anthropologie(2080), vielleicht nur etwas ätzender als Hegel. Auch ist die "Theologie als Anthropologie"(2081) grundsätzlich bei den Humanisten und Aufklärern(2082)längst vorweggenommen, denn das ist Humanismus, nämlich anthropologische Naturalismus, und ist (die Urheberschaft) nicht bei Feuerbach zu suchen. Das wirklich Neue an Feuerbach ist lediglich der Terminus Gattungsbewußtsein(2083), und das Verlassen der heuchlerischen Linie Kants gegenüber dem Christentum (das in beiden Fällen das selbe "mißverstandene" Christentum, und nicht das Christentum selbst ist) zugunsten eines bekennenden Antichristentums (in atheistischem Gewand).

Um eines besseren Verständnisses willen kann hier