FORSCHUNGSKONZEPT
***
Versuch einer soziokulturellen Studie
zur
historischen Erforschung des modernen Luziferismus und des Bösen
und
seine perspektivische Betrachtung
am neuheidnisch-liberalen Endzeithorizont
der
sogenannten Arbeiterkultur
*
von
Gabriel Foco
Wien 1997
"Die Mitteilung der reinen Einsicht ist [...] eine durchdringende Ansteckung,
welche sich nicht vorher gegen das gleichgültige Element, in das sie
insuiniert, als Entgegengesetztes bemerkbar macht und daher nicht abgewehrt
werden kann. Erst wenn die Ansteckung sich verbreitet hat, ist sie für das
Bewußtsein, das sich ihr unbesorgt überließ ... So wie daher die reine Einsicht
für das Bewußtsein ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen sie
verrät die geschehene Ansteckung; es ist zu spät und jedes Mittel verschlimmert
nur die Krankheit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens ergriffen,
nämlich das Bewußtsein in seinem Begriffe oder sein reines Wesen selbst."(1) HEGEL
INHALTSVERZEICHNIS
1. DAS UNGUTE
1.1. Das Unwirkliche
1.2. Die Unordnung
1.3. Das Unerkannte
1.4. Die Uneinheit
1.5. Die Unvernunft
1.6. Der Unverstand
1.7. Das Undefinierbare
1.8. Das Unnatürliche
1.9. Das Unerforschliche
1.10. Das Unerklärliche
1.11. Das Nichtsein
1.11.1. Das Nichts
1.11.2. Das Unkategorische
1.11.3. Das Unverwechselbare
1.11.4. Das Unbestimmbare
1.11.5. Die zeitlose Unzeit
1.11.6. Das Unvereinbare
1.12. Das Unglaubliche
1.13. Das Unbeschreibliche
2. DAS TABU
2.1. Das Unbegreifliche
2.2. Die Unperson
2.2.1. Das Individuum
2.2.2. Das Subjekt
2.2.3. Der Kosmopolit
2.2.4. Der Spaltgeist
2.3. Das personale Böse
2.3.1. Der Widersacher
2.3.2. Das 1001. Reich
2.3.3. Das Wort
2.3.4. Der
Mikrokosmos
2.3.5. Sola solo
2.3.6. Unheilszeit
2.3.7. Der Urtyp
3.1. Der Teufelskreis
3.2. Die Gnosis
3.3. Der Apriorismus
3.4. Die Vernunft
3.4.1. Luzifer Superstar
3.4.2. Der souveräne Teufel
3.5. Der Synkretismus
3.6. Die Sünde
3.7. Die Neugnosis
3.7.1. Der Chiliasmus
3.7.2. Das "Heil Hitler"
3.8. Der Atheismus
3.8.1. Die Alternative
3.8.2. Der Agnostizismus
3.8.3. Der Antichrist
3.8.4. Die Natur
3.8.5. Soll und Haben
3.9. Die Liberale
3.9.1. Die Ganzheitlichkeit
3.9.2. Die Freiheit
3.9.3. Der Tod Gottes
3.9.4. Der Populismus
3.9.5. Der Regenbogen
3.9.6. Der Lieber
3.9.7. Die Venus
3.10. Die Basis
3.11. Die Dialektik
3.11.1. Der Widerspruch
3.11.2. Der Spekulant
3.11.3. Der Champion
3.12. Die Theodizee
3.12.1. Der ungeteilte Teufel
3.12.2. Der selbstgerechte Teufel
3.13. Die Negation
3.14. Der Irrtum
3.15. Der Kanon
3.15.1. Die Manipulation
3.15.2. Das Leugnen
3.15.3. Die Pseudowissenschaft
3.15.4. Die Fälschung
3.16. Die Häresie
3.17. Die Basilea
3.18. Die Theosophie
3.19. Der Syllogismus
4. DER UNGEIST
4.1. Der arme Teufel
4.2. Der Mystikus
4.2.1. Die Über-Reformation
4.2.2. Die Sechsfaltigkeit
4.2.3. Die totale Finsternis
4.2.4. Die Quadratur der Trinität
4.2.5. Das offenbar Böse
4.4. Der ontische Teufel
4.5.1. Der hermetische Teufel
4.5.2. Luzifer Creator
4.6. Der mythische Teufel
4.6.1. Dionysos Luzifer
4.6.2. Der archaische Teufel
4.6.3. Der prophetische Teufel
4.6.4. Der verkannte Teufel
4.7.1. Der bewußte Teufel
4.7.2. Der ausgeglichene Teufel
4.7.3. Der versöhnliche Teufel
5.1. Der Teufel der Ahnen
5.1.1. Der kultivierte Teufel
5.1.2. Der Teufel im Blut
5.1.3. Der arische Teufel
5.1.4. Luzifer Redivivus
5.1.5. Der Teufel der Tafelrunde
5.1.6. Der Teufel der Revolution
5.1.7. Himmelfahrtskommandant Luzifer
5.1.8. Der romantische Teufel
5.2. Der ideale Teufel
5.2.1. Himmelstürmer Luzifer
5.2.2. Luzifer-Gnosis
5.2.3. Archetypus Luzifer
5.2.4. Geliebter Luzifer
5.2.5. Der leibhaftige Goethe
5.2.6. Der engelhafte Teufel
5.2.7. Luzifer Imperator
5.3.1. Der rassenfeine Teufel
5.3.2. Der teuflische Plan
5.3.3. Heiliger Luzifer
5.3.4. U-Boot Luzifer
5.3.5. Der neueste Teufel
5.3.6. Der personale Teufel
5.3.7. Der humane Teufel
5.3.8. Luzifer Pantheos
5.4. Der indische Teufel
5.4.1. Der Teufel als Hindu
5.4.2. Eine Seele von Teufel
5.4.3. Der Teufel als Lehrmeister
5.5. Baumeister Luzifer
5.5.1. Der Teufel als Freund
5.5.2. Der religiöse Teufel
5.5.3. Der dialektische Teufel
5.5.4. Der überbiblische Teufel
5.6. Der fromme Teufel
6.1. Ausgangsposition
6.2. Horizont
6.3. Wissenschaftlicher Atheismus
6.3.1. Perspektive der Gotteserkenntnis
6.3.2. Perspektive des Sündhaften
6.4. Gesellschaftspolitische Perspektiven
6.5. Luzifer-Forschung
6.5.1. Stilistisches
6.5.2. Position der Luzifer-Forschung
6.5.3. Methode der Luzifer-Forschung
6.5.4. Theoretische Luzifer-Forschung
6.5.5. Praktische Luzifer-Forschung
6.5.6. Perspektiven der Luzifer-Forschung
6.5.7. Soziokulturelle Perspektive
6.5.8. Konzeptuelle Intentionen
VORWORT
Die nachstehende Arbeit ist zunächst ein noch unausgearbeiteter Entwurf, in
dem zuerst die Linienführung der Gedankengänge abschnittweise festgehalten, und
allenfalls nur an den markanten Punkten mit den später einzuarbeitenden Zitaten
provisorisch "befestigt" wird. Vorgesehen sind mindestens vier
durchgehende Arbeitsgänge, von denen das schriftliche Festhalten des (zunächst
bausteinartig geschlichteten) laufenden (argumentativ beschreibenden) Textes
der Erste ist. Die teils schon thesenhaft formulierten Sätze können vor der
Ausarbeitung als Arbeitshypothesen angesehen werden, auch wenn einige
Abschnitte einigermaßen abgesichert sein mögen. Auch wenn streckenweise schon
viele Zitate beigefügt sind oder sogar Abschnitte einen halbwegs fertigen Eindruck
erwecken, sind für die Gesamtheit der Arbeit die übrigen Durchgänge vorgesehen.
Hinsichtlich Zitate sollte nach dem ersten themenschwerpunktmäßigen Durchgang
(Arbeitsgang) im zweiten Arbeitsgang - noch immer themenorientiert - eine
Abstützung der bisherigen Zitate erfolgen, so daß einzelne Themen halbfertig
geschrieben werden. Danach soll ein Durchgang für die Gesamt-Koordination
stattfinden, in dem vor allem terminologisch die einzelnen Themen aufeinander
abgestimmt werden. Danach soll ein eigener Arbeitsgang für die Ausarbeitung der
bisher nur stellenweise (themenbezogen) zitierte Literatur vonstatten gehen,
woraus eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den Querverbindungen (im Kontext)
in der herangezogenen Literatur und - reflexiv - auch für die nachstehende
Arbeit resultieren soll. Hierbei können auch einzelne oder mehrere Abschnitte
gänzlich verschoben oder umbenannt werden, aber auch die Zitierte Korrespondenz
und eigene (unpublizierte) Arbeiten ans Ende der Arbeit (Anhang) könnten
verschoben werden. Danach ist eine absatzweise Ausarbeitung vorgesehen, in dem
auf den didaktischen Gesichtspunkt, wie die Geschlossenheit der Argumentation,
berücksichtigt werden möge. Spätestens in diesem Arbeitsgang sollten die aus
Sekundärliteratur zitierten Quellen aus dem Original zitiert werden und mit
einer Auseinandersetzung mit den Primärquellen verbunden sein. Zuletzt sollte
dann ein wissenschaftlicher Apparat mit getrenntem Index für Personen und Liste
der zitierten Bibelstellen folgen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht das Konzept großteils aus früheren
Arbeiten und Korrespondenz entnommenen Textbausteinen, ohne daß immer der
Zitatcharakter aus den eigenen Vorarbeiten hervorgehoben worden wäre. Weil die
"zitierten" eigenen Arbeiten jeweils in einem anderem Zusammenhang
standen, unterschiedliche Zweckbestimmungen hatten, weichen sie im Stil
(Linienführung) und in der Methodik voreinander mitunter erheblich ab. So kann
noch von keinem unbedingt einheitlichen Erzählstrang die Rede sein und sogar
Stilbrüche können vorkommen. Die hier zusammengetragenen Ansätze sollten
inhaltlich zunächst das Forschungsfeld ausloten und - ohne Anspruch auf
Vollständigkeit - einen repräsentativen Überblick zu verschaffen helfen.
Die spärliche und äußerst lückenhafte Forschung und Fachliteratur, sowie das
Fehlen von Standardwerken über Sondermeinungen, konkret über das Böse in der
Theologie, bedingt, daß die vielfach die ergiebigere Literatur der
konkurrierenden Sondermeinungen über andere Sondermeinungen als
Sekundärliteratur benützt wird. Da es aber zu weit führen würde, auf
Widersprüche in der zitierten Sekundärliteratur jeweils näher einzugehen, aber
in der etablierten Forschung üblich zu sein scheint, nur Zitate aus dem eigenen
Meinungsblock nicht zu kommentieren und gegenteilige Ansichten anzumerken, soll
hier allen Zitaten vorausgeschickt werden, daß unkommentierte Autoren oder
unwidersprochene Zitate, und die jeweils denen eigene Grundposition,
grundsätzlich immer als den eigenen Ansichten und Grundposition widersprechend
anzusehen sind, außer wenn ausdrücklich einer Aussage oder Meinung
beigepflichtet wird. Selbst in diesem Fall gilt die Zustimmung in dem
jeweiligen Kontext konkret erkennbaren Rahmen.
Wien, 28. Februar 1997
ABKÜRZUNGEN
A. A. B. Alice A. Bailey
a. a. O am angegebenen Ort
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
AEWK Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste
ALGM Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
Anm. Anmerkung, Fußnote
AT Altes Testament
atl alttestamentlich
Aufl. Auflage
BE Brockhaus Enzyklopädie
Bd. Band
BHS Biblia Hebraica Stuttgartensia
BRD Bundesrepublik Deutschland
BZ Biblische Zeitschrift
col. Kolonne
ed. edited
DAP Deutsche Arbeiterpartei
DEK Deutsche Evangelische Kirche
ders. derselbe
Dipl. Diplomarbeit
Diss. Dissertation
EEPhW Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaft
EKD Evangelische Kirche Deutschlands
EKL Evangelisches Kirchenlexikon
ELThG Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde
EWNT Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament
f. folgende
ff. fortlaufend
geb. geboren
gest. gestorben
Hb. Halbband
Hl. Heilige(r)
H. P. B. Helene Petrovna
Blawatsky
Hrsg. Herausgeber
HTR Havard Theological Review
HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie
Jg. Jahrgang
Jh. Jahrhundert
JL Jüdisches Lexikon
Kap. Kapitel
LÄ Lexikon der Ägyptologie
LB Lexikon zur Bibel
LThK Lexikon für Theologie und Kirche
LÜ Luther-Übersetzung
LXX Septuaginta
MA Mittelalter
MT Masoretischer Text
n. note (Fußnote)
NF Neue Folge
No Numero
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NT Neues Testament
Nr. Nummer
ÖDP Ökologisch-Demokratische Partei (Deutschlands)
ONT (Neue) Templer-Orden
OP Ordenspriester
ORF Österreichischer Rundfunk
österr. österreichische
O. T. O. Ordo Templi Orientis
ÖV Ökumenisches Verzeichnis
parr. parallel
Patr. Or. Patrologia Orientalis
Pkt. Punkt
Prol. Prolegomena
prot. protestantisch
RAC Reallexikon für Antike und Christentum
RGG Religion in Geschichte und Gegenwart
S. Seite
SA Sturmabteilung
Sp. Spalte
SS Sturmstaffel
St. Sankt
Suppl. Supplement
ThBNT Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament
ThWAT Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament
ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament
ThZ Theologische Zeitschrift
TRE Theologische Realenzyklopädie
V. Vers
Vol Volume
VT Vetus Testamentum
VWKL Wetzer und Welte's Kirchenlexikon
Umgangssprachliche Kürzeln
ca. circa (zirka)
bzw. beziehungsweise
d. h. das heißt
d. i. das ist
m. E. mit Erlaubnis
sog. sogenannt(e)
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
vgl. vergleiche
z. B. (zB) zum Beispiel
Abkürzungen der biblischen Bücher
Am Amos 2 Makk 2 Makkabäer
Apg Apostelgeschichte Mal Maleachi
Bar Baruch Mi Micha
1 Chr 1 Chronik Mk Markus
2 Chr 2 Chronik Mt Matthäus
Dan Daniel 1 Mose 1 Mose (Genesis)
Eph Epheser 2 Mose 2 Mose (Exodus)
Esr Esra 3 Mose 3 Mose (Levitikus)
Est Ester 4 Mose 4 Mose (Numeri)
Gal Galater 5 Mose 5 Mose (Deuteronomium)
Geb Man Gebet Manasses Nah Nahum
Hab Habakuk Neh Nehemia
Hag Haggai Obd Obadja
Hebr Hebräer Off Offenbarung
Hes Hesekiel 1 Petr 1 Petrus
Hiob Hiob 2 Petr 2 Petrus
Hld Hoheslied Phil
Philipper
Hos Hosea Phlm Philemon
Jak Jakobus Pred Prediger
Jdt Judit Ps Psalmen
Jer Jeremia Ri Richter
Jes Jesaja Röm Römer
Joe Joel Rut Rut
Joh Johannes Sach Sacharja
1 Joh 1 Johannes 1 Sam 1
Samuel
2 Joh 2 Johannes 2 Sam 2
Samuel
3 Joh 3 Johannes Sir Sirach
Jona Jona Spr Sprüche (Sprichwörter)
Jos Josua St zu Dan Stücke zu Daniel
Jud Judas St zu Est Stücke zu Ester
Klgl Klagelieder 1 Thess 1 Thessalonicher
1 Kön 1 Könige 2 Thess 2 Thessalonicher
2 Kön 2 Könige 1 Tim 1 Timotheus
Kol Kolosser 2 Tim 2 Timotheus
1 Kor 1 Korinther Tit Titus
2 Kor 2 Korinther Tob Tobias
Lk Lukas Weish Weisheit
1 Makk 1 Makkabäer Zef Zefanja
Abweichende Abkürzungen in der katholischen Bibel(2)
Gen Genesis (1 Mose) Koh Kohelet (Prediger)
Ex Exodus (2 Mose) Ijob Ijob
(Hiob)
Lev Levitikus (3 Mose) Ez Ezechiel (Hesekiel)
Num Numeri (4 Mose) Offb Offenbarung (Off)
Dtn Deuteronomium (5 Mose)
1. DAS UNGUTE
Den äußeren Anlaß der gegenständlichen Untersuchung gab das von dem
katholischen Sektenreferat in Wien herausgegebene Informationsheft über
Satanismus(3), das unter dem Niveau der in der
gleichen Heft-Serie erschienenen Dutzenden anderen Informationshefte - davor
und danach - war, die in der Regel zusammen mit den evangelischen Sektenreferaten
in Deutschland und der Schweiz erstellt wurden. Nachdem von mehreren Seiten
Kritik an der Broschüre über Satanismus laut geworden ist, zeigte sich die
Leiterin des Sektenreferats, Frau Dr. Friederike Valentin, aufgeschlossen
gegenüber weiterreichenden Anregungen, wollte allerdings Zitate mit genauen
Literaturangaben als Vorlage haben.
Der Horizont der im Konzept apologetisch geratenen Arbeit ist die
wissenschaftliche Vertretbarkeit der sogenannt traditionalistischen
Grundposition des Protestantismus(4), aber auch
des etablierten Christentums insgesamt(5), (in
Theorie und Praxis) zu untermauern und zeitgenössisch neu zu akzentuieren,
wonach die göttliche Offenbarung(6) (in der
bekannten und doch noch kanonisch allgemeingültig anerkannten - biblischen -
Form) die ausschließliche Primärquelle alles Christlichen (sola scriptura) in
dem Sinne ist, daß sie erstens die einzige ihrer Art, und zweitens
ausschließlich in sich selbst (und aus sich selbst) begründet ist(7),
und die daran anschließenden Lehrinhalte der christlichen Tradition(8) mit Offenbarungscharakter (Dogmatik und Mystik)
nur soweit sie mit der direkten (biblischen) Offenbarung nicht unvereinbar
sind, oder sich davon nicht zu weit - oder unnachvollziehbar - entfernt haben,
als wissenschaftliche Informationsquelle (Sekundärquelle) über das Christliche,
wie etwa in der historischen Betrachtungsweise(9),
methodisch allgemein zugelassen ist.
1.1. Das Unwirkliche
In wissenschaftlich-theologischer Hinsicht lag eine der entscheidenden
umgestaltenden Wirkungen, die von der Aufklärung ausgingen, im Ersatz des
Glaubensbegriffs durch den Religionsbegriff(10).
Damit wurde die archaisierend-humanistische neuheidnische Tradition der
Renaissance wieder aufgenommen, die vor allem Luther und der Pietismus beiseite
gedrängt haben(11). Am ausgeprägtesten erschien
diese Ausformung der Aufklärung in der neu entstehenden Religionsphilosophie
und in der Theologie Schleiermachers. Religion wurde mehr eine Angelegenheit
des Menschen (Subjektivismus(12)), als die strenge
Bindung an den Gott des Glaubens (der den Glauben gab). Es entstand zwar
besonders in Mitteleuropa eine naturverbundene (tierfreundliche) Frömmigkeit,
so als habe Gott sogar die Haupthaare der Frommen gezählt(13)
(Mt 10,30//Lk 12,7), solche (naturschwärmerische) Optimismus hatte aber das
schwerste Versäumnis zur Folge, die nahezu völlige Verständnislosigkeit nämlich
für die Wirklichkeit des Bösen und der Sünde(14).
Für die Aufklärer verschwand der Teufel im Nichts und mit ihm alles Dämonische(15), was für den christlichen Theologen nur die
eine logische Erklärung hat, daß nämlich der Teufel in dem Gott der Aufklärung
aufging, wie dieser Schwerpunkt weiter unten noch ausführlicher expliziert
werden soll.
Systematisch ist die urchristlich orientierte Grundposition(16)
mit dem methodischen Ansatz verknüpft, daß soweit (etwa mit Wenz) objektiv die
angebliche Fragmentierbarkeit der vormals unverrückbar offenbarungszentrischen
protestantischen Grundposition(17) auf Semler
zurückgeht(18), und die heute vorherrschende
Lehrmeinung in der Forschung die vom nämlichen Semler initiierte sogenannte
historisch-kritische Grundposition ist(19),
dann kann mit der Widerlegung Semlers (als pseudowissenschaftlich), oder
vielmehr mit der Nachweisbarkeit der wissenschaftlichen Unhaltbarkeit der
Semlerschen (historisch-kritischen) Grundposition(20),
die offenbarungskritische Grundposition insgesamt(21),
und sämtliche daran anknüpfende theologischen Systeme, insbesondere. die sog.
Aufklärung und Moderne, oder die Neologie in der Theologie, ab ovo als
unhaltbar und pseudowissenschaftlich nachgewiesen werden. Abgesehen von den
weiter unten im Kapitel über den Kanon eingehender Behandelten -
wissenschaftlich untolerierbaren - Schwächen der Semlerschen
(historisch-kritischen) Position und daran anschließendem Beweis des
Schwindelcharakters dieses Mißbrauchs der Freiheit der Wissenschaften, ist
durch die a priori vorausgesetzte Leugnung des Lehrkanons bei Semler und in der
historisch-kritischen Methode insgesamt (bis heute), nämlich die Leugnung eines
vorgegebenen festumrissenen Inhalts der Offenbarung(22),
und durch die dergestalt folgerichtige aber ansonsten ungerechtfertigte
Absolutsetzung des (historisch gewachsenen) Gebrauchskanons, nämlich der Form,
d. i. der bedarfsgerecht angewandten Form, ist ein alles Weiterem
zugrundegelegter Widerspruch(23), welche
Voraussetzung eben alles Weitere an Historisch-kritischem "a priori"
zum Pseudowissenschaftlichen stempelt. Denn durch die erschwindelte angebliche
Pervertierbarkeit des Kausalzusammenhangs, wonach nicht mehr die Offenbarung
die Kirche bedingt, sondern die Kirche die Offenbarung(24),
nicht der Lehrkanon den Gebrauchskanon(25),
sondern umgekehrt(26), wird von der Neologie
(logisch) widersinnig die Form dem Inhalt vorgeschaltet. Von einem falschen
Apriori (hier die Leugnung der Lehrkanons) ausgehend ist sowohl die darauf
beruhende Grundposition, wie alles Weitere an Ableitung vorweg falsch, bzw.
widersprüchlich. Eine Apologie der offenbarungszentrischen Grundposition kann
sich allerdings nicht mit der bloßen Feststellung der Widersprüchlichkeit oder
Schwächen der offenbarungskritischen Grundposition(27)
zufrieden geben, sondern fragt sogleich nach der Möglichkeit eines bloßen
(gutgläubigen) Irrtums. Die Frage nach der Redlichkeit des Irrenden ist
integrierender Bestandteil der Fragestellung, und geht sodann, soweit die
"Irrlehre" nachweisbar ist, von der nachweislichen Unmöglichkeit der
Gutgläubigkeit der Irrtümer dieser Art, also von der Notwendigkeit der Annahme
des Mißbrauchs der Freiheit der Wissenschaften, nämlich in dieser Dimension der
grundlegenden Abweichung aus(28), die - mit dem
"bekennend" historisch-kritischen Professor Niederwimmer - als die
abweichende theologische Grundposition bezeichnet werden kann. Auch wenn im
Rahmen der Auseinandersetzung mit der Offenbarungskritik der Moderne die
Pseudowissenschaftlichkeit weiter unten im Detail praktisch nachgewiesen werden
soll, ist für die hier angesprochene Apologie vorweg die theoretische
Ausgangsposition zu beziehen, bzw. zu deklarieren, daß soweit nachweisbar jede
scheinbar vertretbare neologische Offenbarungskritik die Verabsolutisierung des
(historisch in der sich entwickelnden Kirche "gewachsenen" und sich
an der Wortverkündigung und am Kultgebrauch orientierenden) Gebrauchskanons
voraussetzt(29), kann zunächst die Relevanz
jeder Offenbarungskritik an der Relevanz des (pseudowissenschaftlich)
verabsolutisierten Gebrauchskanons verbindlich gemessen werden. Diese Aussage
meint weiters nicht minder verbindlich implizite, daß sobald der Absolutheitsanspruch
des Gebrauchskanons fragwürdig wird, erweist sich die (hieraus resultierende)
Offenbarungskritik (Kritik des Lehrkanons) als unhaltbar, weil ein auch nur
fragliche Absolutheitsanspruch (hier des Gebrauchskanons) ab dem fraglichen
Zeitpunkt kein Absolutheitsanspruch mehr sein kann, zumindest haben die
Kanonkritiker den vorbehaltlosen Vorrang des Lehrkanons in der Urkirche und
Reformation mit ebendieser Logik (und damit den Lehrkanon selbst) ad absurdum
geführt(30). Logisch folgerichtig kann also
durch das Hinterfragen der Stichhaltigkeit der Begründung des
Absolutheitsanspruchs des Gebrauchskanons allein die Stichhaltigkeit der
Offenbarungskritik insgesamt hinterfragt werden. In der eingehenderen Analyse
der logischen Zusammenhänge zeigt es sich logisch zwingend, daß die
Absolutsetzung des Gebrauchskanons logisch unmöglich mit der Voraussetzung
eines Gottes der Offenbarung einher gehen kann, sondern setzt logisch absolut
verbindlich die Leugnung des Gottes der Offenbarung voraus. Damit ist der schon
eingangs zu der apologetischen Frage genannter grundlegende Wiederspruch von
einer anderen Seite her angenähert, bzw. erschlossen, welcher Widerspruch
nunmehr in diesem Zusammenhang unabdingbar den betrügerischen Vorsatz, zu einer
angeblich möglichen Interpretation der Offenbarung ohne den Offenbarenden,
voraussetzend einschließt. Man kann sich auf den formallogischen Standpunkt
zurückziehend aussagen, daß sofern die Offenbarung den sich dergestalt
mitteilenden Offenbarer so voraussetzt, daß die Mitteilung einen erkennbaren
Inhalt hat (Lehrkanon), so kann sowohl vom nämlichen Inhalt wie auch vom
Sinngehalt und Zweck der Mitteilung (Botschaft) nur mit Rücksicht auf den
Mitteilenden (Offenbarenden) über die Mitteilung (Offenbarung) befinden. Die
pseudowissenschaftliche Suggestion des Absolutheitsanspruchs des
Gebrauchskanons als Form würde aber die Mitteilung vom Empfänger der Mitteilung
abhängig machen(31), und damit sowohl an dem
sich Mitteilenden (Offenbarer), wie auch an der Logik, bzw.
Wissenschaftlichkeit, vorbeigehen. Es sei denn, den sich Mitteilenden könne es
unmöglich geben. Jeder real existente Mitteilender würde nämlich eine vom
Mitteilenden abhängige Mitteilung voraussetzen, was jedoch etwa beim empfängerorientierten
Gebrauchskanon mit Absolutheitsanspruch logisch unmöglich ist. Der
betrügerische Vorsatz zeigt sich also in der für die Offenbarungskritik
unabdingbare pseudowissenschaftliche Manipulation der verbal "nur"
geleugneten Verifizierbarkeit der Authentizität der Mitteilung, die aber - in
der Form - nonverbal das Leugnen der Verifizierbarkeit überhaupt eines
Mitteilenden zwingend voraussetzt. Steht es aber fest, daß mit der Leugnung der
Verifizierbarkeit der Mitteilung verdeckt (indirekt) aber logisch zwingend die
Verifizierbarkeit des Mitteilers geleugnet werden soll, zeigt sich der
Zugszwang der Offenbarungskritik, keine alternative Interpretation der
Offenbarung (dem Inhalt nach) auch nur theoretisch zulassen zu können, und mit
dem unabdingbar vorausgesetzten Ausschluß jeder (inhaltlich)
mitteilungsorientierten Alternative den Absolutheitsanspruch des (mitteilungs-
und mitteilerunabhängigen) Gebrauchskanons der Offenbarung
(pseudowissenschaftlich) zu begründen. Der hier vertretene apologetische Ansatz
dagegen widmet sich also nicht dem positiven Beweis oder Verteidigung der
Offenbarung, sondern dem Nachweis der Unmöglichkeit einer Offenbarungskritik
mit gleichzeitigem wissenschaftlichen Anspruch und ohne betrügerischen Vorsatz.
Es soll aufgezeigt werden, daß schon seit Semler bis heute(32)
durchgehend die protestantische Grundposition mit der Auslegung der Offenbarung
aus der Offenbarung als allein zulässige Auseinandersetzung mit dem Inhalt(33), mit pseudowissenschaftlichen Argumenten
fragmentiert worden ist. Diesem pseudowissenschaftlichen Schwindel soll
zunächst das formallogische Argument entgegengehalten werden, daß jede die
Leugnung der Offenbarung voraussetzende Beurteilung der Offenbarung ein
logisches Unding ist. Haben auch die Väter der Kirche und die Reformatoren der
rein inhaltlichen Beurteilung der Offenbarung (Lehrkanon) allein den Vorrang
gegeben(34), und sei auch die formale
Überprüfbarkeit in der Zeit (Kanonkritik) noch so legitim, die Vorrangstellung
der formalen Beurteilung der Offenbarung anhand der kultischen Anwendung in der
Zeit(35) (Gebrauchskanon), ist zunächst nur
unter der Voraussetzung der Leugnung der Vorrangstellung der inhaltlichen
Beurteilung(36), und diese wiederum zwingend
nur unter der Voraussetzung der Leugnung des Inhalts (und des Inhalt
Mitteilenden) schlechthin möglich. Schützt zwar auch die historisch-kritische
Methode heuchelnd der Anforderung der Untrennbarkeit der inhaltlichen und
formalen Beurteilung gerecht werden zu können vor(37),
sie kann es aber ausschließlich unter der Voraussetzung eines ebenso
alterierenden wie fiktiven Inhalts tun: auch wenn der Begriff der Offenbarung
als Inhalt mit dem Hinterfragen von der Form her nicht an und für sich
unvereinbar(38), und ein logisches Unding wäre.
Die sogenannte Kanonkritik der Subkultur tut so, als könnte der historische
Entwicklungsprozeß der Formgießung (Gebrauchskanon) eines von Anfang an
vorgegebenen festen Rahmens für den Inhalt (Lehrkanon) unmöglich miteinander
vereinbart werden, und erhebt diesen betrügerisch vorgespiegelten Trugschluß
zur Maxime und Ausgangsposition alles Alternativen(39).
Es liegt auf der Hand, daß dieser Stumpfsinn unmöglich mit seriösen Mitteln
seit Jahrhunderten über die Distanz gehalten werden konnte, sondern den
betrügerischen Vorsatz zur Pseudowissenschaftlichkeit - auch methodisch -
zwingend voraussetzt.
Von der nämlichen - hier logistisch apologisierten - altchristlichen
Grundposition(40)ausgehend, ist die Arbeit der
erschöpfenderen Explikation der Nachweisbarkeit der direkten Ableitbarkeit der
resultierenden These gewidmet, wonach die wissenschaftliche (nichtspekulative)
Vertretbarkeit jeder (von dem offenbarungszentrischen protestantischen - und
seit dem Zweiten Vatikanum(41) auch weitgehend
katholischen(42) - Glaubensverständnis)
abweichenden Grundposition absolut unmöglich, geschweige denn wissenschaftlich,
und daher ausschließlich durch den bösen Vorsatz zur betrügerischen Absicht
geleitet, also immer nur pseudowissenschaftlich, möglich ist. Anders
ausgedrückt, gilt den hier folgenden Explikationen jede direkte oder indirekte
Infragestellung oder Umgehung (insb. exegetische oder hermeneutische, also
pseudowissenschaftliche Umgehung) der Offenbarung als ausschließliche Primärquelle
alles Christlichen, als pseudochristlich, und alles Pseudochristliche immer und
ausschließlich dem nämlichen betrügerischen Vorsatz alles Subkulturellen
verpflichtet(43). Damit soll die theoretische
Möglichkeit des gutgläubigen Irrtums, oder andere Varianten des Selbstbetrugs,
nicht überhaupt ausgeschlossen werden, wo in der Regel die eigenen guten
Absichten des "Irrenden" den guten Absichten Gottes vorangestellt,
bzw. vorgezogen werden, sondern der traditionalistischen Grundposition das Wort
geredet werden, wonach es absolut unmöglich einen "zufälligen"
Selbstbetrug, oder durch den trügerischen Schein verursachten Irrtum geben
kann, sondern all diese Manifestationen der Unordnung Teile eines geordneten
Ablaufs (im etwaigen Sinne von Nebenprodukt oder unerwünschte Nebenwirkung)
sind, sozusagen die Schattenseite der Ordnung, und diese Ordnung ist durch den
menschlichen Verstand soweit nachvollziehbar(44),
bzw. erkennbar, daß er die Ordnung von der Unordnung, gut und böse, voneinander
unterscheiden kann (1 Mose 2,9.17; 3,5.22). Diese Gabe der Unterscheidung von
gut und böse (Ordnung und Unordnung) setzt allerdings aus dem
traditionalistischen (christlichen) Gesichtspunkt auch schon eine unabdingbare
Ordnung voraus(45), und schließt sie so mit
ein, daß die Unordnung in ihrem Wesen (begrifflich) ausschließlich mittelbar
über die Ordnung dem erkenntnisorientierten Denken zugänglich ist.
Eine dergestalt unumgängliche Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie
einerseits, und mit den in der Ausgangsposition ins Blickfeld gebrachten
betrügerischen Vorsatz samt Pseudowissenschaftlichkeit als unentbehrliches
Grundelement subkultureller Umtriebe andererseits, kann der Arbeitshorizont vor
der Berührung mit der Wissenschaftstheorie nicht halt machen. Vielmehr soll die
Immunschwäche des Hochschulsystems als Kult- und Werkstätte der
Wissenschaftlichkeit, mit einem unkontrollierbaren Vertrauensgrundsatz in die
eigene Funktionstüchtigkeit, mit allem Nachdruck aufgezeigt werden. Ohne hier
auf die derzeit vorhandenen legistischen und administrativen Möglichkeiten
einzugehen, dem Mißbrauch der Verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der
Wissenschaften und der freien Meinungsäußerung einen Riegel vorzuschieben, sei
hier als Faktum festgehalten, daß das System (der Immunisierung von
Pseudowissenschaftlichkeit) gegenwärtig nicht funktioniert. Die aufklärerische
Heuchelei hat reichlich Früchte getragen und zunächst alles unverhältnismäßig schwer
Hinterfragbares als freie Meinungsäußerung eines allenfalls sich irrenden
Wissenschaftlers umfunktionieren können. Die Entziehung von akademischen Titeln
wegen wissenschaftlicher oder charakterlicher Unzulänglichkeiten ist inhaltlich
so gut wie abgeschafft, selbst wenn sie formell noch als Erinnerungstatbestand
dahinfristen. Die Begriffe Pseudowissenschaftlichkeit oder gar betrügerische
Manipulation oder Wissenschaftsbetrug scheinen aus dem Wortschatz akademischer
Instanzen spurlos entschwunden zu sein, um formalistischen Spitzfindigkeiten
als Alibi Platz zu machen. Die angestrebte Untersuchung stellt sich also
themenorientiert auch der weiterreichenden Herausforderung, auf die Frage der
Anfälligkeit und Durchlässigkeit der Wissenschaftstheorie für das Böse, mit
besonderer Berücksichtigung der Erkenntnistheorie, grundsätzlich einzugehen,
ohne eine erschöpfendere Abhandlung dieser Vorfrage zu geben.
So definiert sich aus diesem Gesichtspunkt das Böse - alle spätere
Ableitungen vorwegnehmend - in der nicht allzu komplizierten theoretischen
Feststellung, daß jede zur Ausgangsposition genommene Unordnung (Chaos), oder
jede der Ordnung - wie auch immer - systeminhärent vorangestellte Unordnung,
das schlechthin Böse ist, unabhängig davon, ob das Böse die Vorrangstellung der
Ordnung durch Negierung der Erkenntnisorientiertheit des Denkens indirekt, oder
direkt durch die Absolutsetzung der Unordnung (etwa in der Zeit) als
"Ursprung", also letzte Ursache, vorzieht. Weniger unkompliziert
zeigt sich die praktische Faßbarkeit des Bösen über das Ordnungsprinzip: in der
sich schelmisch auf das Ordnungsprinzip berufenden Neuplatonismus stützt sich
aber die vorgeschützte Ordnung(46)des Seins auf
das Nichtsein(47), bzw. auf Nichts als das
absolute Nichtsein, also auf die Unordnung im christlichen Sinne(48)
(nach Augustinus).
Methodisch baut also die hier ansetzende Arbeit auf die These, daß nichts, aber auch gar nichts in der biblischen Offenbarung gibt oder geben kann, das den wohlverstandenen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht wäre. Und es gibt nichts, aber auch gar nichts in der aufklärerischen Moderne, die Naturwissenschaftlichkeit heuchelnd vorschiebt, ohne im entferntesten mit der Naturwissenschaft vereinbar zu sein, die irgendwie dem vollmundig vorgeschützten wissenschaftlichen Anspruch gerecht wäre. Vielmehr kann die neuerdings Aufklärung (im Sinne von Erleuchtung) genannte Gnosis (Neugnosis, in der Theologie Neologie genannt) nur von und für den betrügerischen Vorsatz "seiend" sich irgendwie behaupten, und folglich würde sie jede wirkliche Wahrheit oder echte Wissenschaftlichkeit eigentlich außerhalb der Aufklärung und Moderne stellen. Ausgehend von der Faktizität des Subjektivismus als Ausgangs-, bzw. Grundposition der aufklärerischen Moderne(49) und Neologie, kann der vorliegenden Arbeit die methodische These zugrundegelegt werden, daß sofern eine subjektivistische Grundposition zwangsläufig nur subjektivistische Resultate hervorzubringen vermag, ähnlich einer fehlerhaften Grundrechnung, die nur mehr fehlerhafte Resultate zeigen kann, so zeigt sich in der Summe die aufklärerische Kritik an der traditionalistischen Grundposition (d. i. die Orientierung nach der Offenbarung) vorweg als immer und ausschließlich (in der Summe) pseudowissenschaftlich. So kann auch der Subjektivismus als die Pervertierung der Geisteswissenschaften schlechthin definiert und in der sozialen Dimension als Weltanschauung (im unvereinbaren Gegensatz zum Weltbild) genannt werden. Auf der Grundlage dieser Einsicht ist auch nachvollziehbar, daß die Subkultur die Wegrationalisierung der Geisteswissenschaften, d. i. die Wegrationalisierung des Intelligiblen (Verstandes), mit Hilfe des (auf Absolutismus fixierten) Subjektivismus nur durch mißbräuchliche (weltanschauliche) Entfremdung der Naturwissenschaften als Vorfeld hat - so weit so gut - bewerkstelligen können, obgleich der Subjektivismus (zumeist, bzw. grundsätzlich immer weltanschaulicher Prägung) mit den Naturwissenschaften noch weniger gemein hat, als mit den durch vorgeschützten naturwissenschaftlichen Argumenten ausgehöhlten und entfremdeten (d. h. aufgeklärten) Geisteswissenschaften.
Die christliche Offenbarung lehrt über sich und über die Welt, daß die wahre
höhere Ordnung, zwar im Lichte der natürlichen Vernunft sehr wohl, doch durch
die natürlichen Sinne nicht (unmittelbar) erkennbar ist, und daher eine
Offenbarung über den (intelligiblen) Gemeinschaftssinn unabdingbar ist(50), die sowohl zu der wesenhaft als
Kommunikation verstandene Gemeinschaft, wie auch zu der Kommunikation selbst,
bzw. zum Erkennen der Möglichkeit und der eigenen Fähigkeit (auf der intelligiblen
Ebene) zu kommunizieren, aber auch zum Erkennen der Bedingtheit der nämlichen
(intelligiblen) Erkenntnisfähigkeit durch die (nichtbereinigte) Sünde, befähigt(51). Erkenntnistheoretisch stützt sich die hier
in Angriff genommene Arbeit auf die zutiefst christliche These, daß der
menschlichen Erkenntnisfähigkeit im höchstentwickelten (christlichen) Sinne
eine soziale Dimension, also gleichsam ein (intelligibler) Gemeinschaftssinn,
theologisch Liebe (als Bindung) genannt, neben den natürlichen (individuellen)
Sinnen (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Spüren) so zugrundeliegt, daß
asoziales Verhalten (Sünde) unweigerlich die Beeinträchtigung (bis zum
gänzlichen Verlust) des intelligiblen Gemeinschaftssinns (man kann den
Gemeinschaftssinn gegenüber dem natürlichen Sinn des Gespürs mit dem Terminus
Gefühl abgrenzen) bedingt(52).
Dementsprechend definiert sich die höchstentwickelte Stufe des Bösen,
nämlich auch die niedrigste Stufe des Menschen, als die Infragestellung der
menschlichen (intelligiblen) Erkenntnisfähigkeit, und oder die der darauf
aufbauenden intelligenten Ordnung der menschlichen Gesellschaft im Kleinen und
im Großen, im Diesseits und im Jenseits. Aus dem logischen Gesichtspunkt der
hier eingenommenen Grundposition gibt es also nichts grundlegend böseres, als
die Leugnung der Erkennbarkeit der Wirklichkeit durch Kant, worin sich
zumindest die betrügerische Absicht manifestiert, die
"Unwirklichkeit" (also Nichtigkeit, bzw. Bosheit) dieses Kantschen
Postulats vorgeblich nicht (wirklich) erkennen zu können.
1.2. Die Unordnung
Ähnlich (grundlegend) widersprüchlich bis widersinnig, bzw.
pseudowissenschaftlich ist die evolutionistisch abgeleitete Ordnung aus der
Unordnung, bzw. die evolutionistische Rückführung der empirisch erkennbaren
Ordnung auf die Unordnung (Chaos) im Materialismus(53),
der systematisch als der naturalistische Flügel des (gnostischen)
Neuplatonismus(54) erkennbar ist. Denn die
Evolution widerspricht naturgemäß weder sich noch der Offenbarung, geschweige
denn der wohlverstandenen Wissenschaft, wohl aber der Unordnung, weil sie
selbst die Manifestation einer, bzw. der Ordnung schlechthin ist(55).
Und der biblische Gott ist der Gott der Ordnung, der sich atl in der historisch
dargebotenen Entwicklung seines Verhältnisses zum Menschen manifestiert, ob er
als derjenige erkannt wird oder nicht.
Die Evolutionstheorie(56) bildet
grundsätzlich nicht einen Gegensatz zu der wohlverstandenen Religion der
christlichen Offenbarung an sich, sondern ist nach dem eigenen aufklärerischen
Selbstverständnis mit der Pseudoreligion der Aufklärung absolut unvereinbar,
und führt diese - mit der ihr zugrundeliegenden streng antiteleologischen
Grundposition(57) - ad absurdum. Die Lehre von
der Evolution trifft den Existenznerv der Aufklärung, konkret den religiösen
Anspruch der Aufklärung, oder auch nur den transzendentalen Anspruch der
Aufklärung, dessen Galionsfiguren wie Hegel, Kant, Schleiermacher u. a., in der
Teleologie zu Recht die Existenzbedrohung der Aufklärung erkannten, und ihr
aufklärerisches Programm der Naturverherrlichung global auf eine spekulative
Antiteleologie abgestellt hatten(58), indem sie
zynisch die "Emanzipation der Naturtheorie aus den Zwängen der
Teleologie"(59)
postulierten.
Man kann es auch als grotesk ansehen, daß der die Naturwissenschaftlichkeit
vorschützende Materialismus mit dem pseudoevolutionistischen Schema
"Ordnung aus der Unordnung" bestenfalls in dem Mythos über den Chaos
im Anfange, auf jeden Fall jedoch in der Unlogik gründet, aber dem Schöpfergott
genau die eigenen Mängel (zumeist als Theodizee ausformuliert) unterstellt.
Soweit gesichert annehmbar in der vorhistorischen Entwicklungsgeschichte des
Menschen der Homo sapiens (Verstandesmensch) auf den Homo erectus
(Willensmensch) folgte, und nicht umgekehrt, kann der naturalistisch
aufklärerische Versuch, die willensorientierte Vernunft dem
verstandesorientierten Glauben vorzuziehen, als ein Rückschritt, und die
Aufklärung als ein verhängnisvoller Ausrutscher der Evolution des
Intelligiblen, betrachtet werden.
1.3. Das Unerkannte
Die inhaltliche Ausgangsposition ist der von Anselm von Canterbury(60) prägnant ausformulierte anti-neuplatonische
Metaphysik des Augustinus(61), wonach das viel
Verwirrung stiftende Gegenüber von "gut und böse", in der möglichst
undurchsichtigen Analogie zum "Sein und Nichtsein" auf der rationalen
Ebene, nur auf der erkenntnistheoretischen (intelligiblen) - und nur auf der
erkenntnistheoretischen - Ebene objektiv verbindlich aufgelöst werden kann(62), indem jede Negation, jeder Widerspruch,
ausschließlich von dem Negierten oder Widersprochenen her (mittelbar)
begreiflich (erkennbar) sei, so daß jede ausgesagte Verneinung (über Nichtsein)
logisch zwingend das Verneinte (das Sein verbal oder nonverbal) voraussetzt(63). Sonach setzt die Aussage über das Nichtsein
immer das Sein implizite (inhärent) so voraus, daß jede Aussage über das
Nichtsein immer und ausschließlich eine indirekte (mittelbare) Aussage (in der
Sprache prädikativ) über das Sein meint(64),
und nur das und so meinen kann, und unmöglich anders. Also ist diese Aussage
absolut unumkehrbar.
Dementsprechend wäre also die (neuplatonisch-gnostische) Umkehrung der
selben Aussageweise, wonach nunmehr jede Aussage über das Sein zwangsläufig
eine indirekte Aussage über das Nichtsein - etwa in dem Sinne - impliziere, daß
alles was ist (oder alles was soundso ist), zugleich bedeute, daß das alles
nicht (anders) ist, also eine Aussage über das Nichtsein so impliziere(65), als könne das Nichtsein (als das Andere)
genauso hinter jedem Sein (oder Sosein) stehen, wie das Sein (bei Anselm)
hinter jedem Nichtsein(66), logisch ein Unding,
nämlich das ("substantielle", bzw. existentielle) Sein des
Nichtseins. Folgerichtig ist auch die Grund- und Ausgangsposition des von
Augustinus als Nichtsein definierten Bösen(67),
will es sich selbst rechtfertigen, eine die Erkenntnistheorie umgehende Finte,
wonach das Nichts genannte absolute Nichtsein formallogisch scheinbar doch
Etwas sein müsse, auch wenn "es" nicht im (seienden) Sein - also ohne
Substanz - "ist", sonst wäre die Aussage über das Sein des
Nichtsseins nicht möglich, so daß sich die Philosophie des Nichtseins
(Neuplatonismus) prädestiniert sieht, das Nichtsein (Nichts) als den
(logischen) Vater alles Seins anzusehen, zumal die scheinbar sinnwidrige
Aussage, daß das Nichtsein sei (das Nichts ist) doch (verbal) möglich sei. Die
dergestalt (subjektivistisch) im Absoluten Nichts gründende hohe Schule des
Stumpfsinns(68), sozusagen die Satire der (von
Augustinus und dann von der Scholastik forcierten) aristotelischen Metaphysik
(der übernatürlichen Substanz), die sich in der Kurzform auch als das Absolute,
oder die Lehre vom Absoluten, zu nennen pflegt, ist der rote Faden der
Subkultur von der Gnosis her über Manichäismus und Neuplatonismus, Mystik
(vornehmlich Jakob Böhmes) und Aufklärung bis hin zum Nihilismus (Moderne), und
meint ursprünglich und eigentlich ganz bewußt das Absolut Böse, das dergestalt
zunächst (öffentlich) unerkannt zur Geltung kommen soll(69).
Der scheinbare Erfolg und relative Existenz des Bösen hängt kausal immer mit
der Trennung von der - für die Theologie untrennbaren - Substanz und Sein
zusammen, und von dieser alles weitere entscheidende Abweichung abgesehen ist
(als Form ohne Inhalt, nämlich Bild, Abbild, Spiegelbild) analog folgerichtig
wie die aristotelisch-augustinische-scholastische Substanzmetaphysik.
Strukturell benützt der das Nichts verabsolutisierende Neuplatonismus die
Aristotelische Metaphysik unterlaufende oder umgehende Platonische Logik(70), wonach die von Parmenides (über Aristoteles
bis Augustinus und Anselm) vorgegebene Ausschließlichkeit der ontologischen
Wahrheitsfindung vom Sein her(71), also
erkenntnistheoretisch von der substanzorientierten (seinsorientierten)
Verstandeslogik her, mit der substanzunabhängigen reflexionsorientierten
(seinsunabhängigen) Vernunftslogik umgehbar sei(72),
um die platonisch noch relativ wirkliche Transzendenz(73)
(Sein des Übernatürlichen, oder das höchste Sein, von Platon das Gute genannt,
jenseits vom Sein) mit dem Nichts der Gnosis zu ersetzen. Schon bei dem von
Platon zitierten Parmenides(74) stehen terminologisch
unausformuliert aber im Kontext unverkennbar die erkenntnisorientierte
Verstandeslogik und reflexionsorientierte Vernunftslogik (jeweils für sich
betrachtet) einander als die Repräsentanten von gut und böse gegenüber(75). Bei Aristoteles kommt durch das
entgegengesetzte Substanzverständnis in der Metaphysik (einerseits) und in der
nicht minder berühmten Kategorienlehre (andererseits) das faktisch gleiche
Gegenüber von Denklogik und Sprachlogik zum Vorschein, das Gegenüber vom
direkten und indirekten Erkennen, so daß fortan vom (gleichen) Gegenüber der
Verstandeslogik des Denkens und der Vernunftslogik der Sprache die Rede sein
kann, wobei die gleiche Wirklichkeit die Verstandeslogik des Denkens vom Dasein
her, also direkt, während die Vernunftslogik vom Sosein her, also indirekt,
begreift(76). Dadurch kann der eingangs
genannte Gegensatz von Verstandeslogik (des Denkens) und Vernunftslogik (der
Sprache) als der Gegensatz von
-Sein und Wesen (der Wirklichkeit)
-Wandelbar und Unwandelbar
-Ding und Phänomen (der Naturwissenschaft)
-Metaphysik und Kategorienlehre (des Aristoteles)
-einfache Substanz (des Subjekts) und zweifache Substanz (des Prädikats und
des Prädizierten) in der Sprache
aufgefaßt werden. Immer dort, wo die Verstandeslogik des Denkens nur eine
einzige einfache Substanz kennt, kommt die Vernunftslogik der Sprache unmöglich
ohne die Gegenüberstellung der prädikativen Substanz mit dem prädizierten
(seienden) Substanz aus. Die weltbewegende erkenntnistheoretische Frage nach
dem Bösen gründet also in dem unvereinbar gegensätzlichen Substanzverständnis
in der Verstandeslogik einerseits und in der Vernunftslogik andererseits. Die
Vernunftslogik der Sprache, anders als die vom Erkennen ausgehende und vom
substantiell einfachen Sein auf die vorhergewußten Phänomene (Prädikate) des
Seins schließende Verstandeslogik des Denkens, geht reflexiv vom Prädikat
(Phänomen) oder Wesen aus und unternimmt das Sein (des Prädizierten) indirekt
(über das durch Prädikate erschlossene Wesen mittelbar) zu erkennen. So hat ein
die Vernunftslogik verabsolutisierender Kant solange absolut das Recht auf
seiner Seite mit der (agnostischen) Unerkennbarkeit der Wirklichkeit (des
Seins), bis die Usurpation der Vernunftslogik nicht länger gewährt und die
exilierte Verstandeslogik des Denkens restauriert wird, womit auch die
Erkenntnisfähigkeit des Menschen respektive göttliche Offenbarung (implizit)
"wieder" legitimiert werden. Selbst in der Sprache ist die seinsorientierte
Denklogik in allen unprädikativen Sätzen wie "das Sein ist", oder
"die Substanz ist", manifest, und kann mit der auch in der Theologie
üblichen totalitären Leugnung der Leugnung der Existenz und Relevanz von
nichtprädikativen (ontologischen) Aussageweisen der Absolutheitsanspruch der
Vernunftslogik postuliert werden. Sämtlichen die Vernunftslogik
verabsolutisierenden Richtungen ist also das Verschweigen oder Verleugnen der
Parallelität von Verstand und Vernunft oder Sein und Wesen (Dasein und Sosein)
gemeinsam, um die Denklogik mit der Sprachlogik manipulierend die wirklich
vorausgesetzte Substanz (als Gegenstand) der Denklogik mit der imaginären
(immer und ausschließlich nur relativen) zweiten Substanz (des Prädizierten)
der Sprachlogik zu ersetzen. Die revolutionäre Errungenschaft der
aufklärerischen Moderne kann also als die Einführung der Soseinsmetaphysik (der
Vernunftslogik) und das Vertauschen der Soseinsmetaphysik mit der
Daseinsmetaphysik (der Verstandeslogik) bezeichnet werden, zumal ebendas die
unverträgliche Einverleibung des Daseins durch das Sosein, des Seins durch das
Werden, und damit faktisch die Vernichtung der Daseinsmetaphysik zur Folge
hatte. Weil aber der traditionalistische Gesichtspunkt ausschließlich eine
Daseinsmetaphysik zuläßt und das Sosein nur einer Pseudometaphysik für fähig
stempelt, hält er grundsätzlich jedwede Pseudometaphysik ohne betrügerischen
Vorsatz, sei es auch nur um sich selbst zu betrügen, für nicht möglich.
Ein Böses nämlich, dessen Lippen sich scheinbar offen bekennen, nicht, nicht
wirklich, oder gar absolut Nichts zu sein, ist in der (aufklärerischen)
Vulgärlogik solange unanfechtbar, absolut harmlos und über jede Kritik erhaben,
bis ihm die Befähigung zu dieser Selbstaussage genau dann (als eine Aporie)
abgesprochen werde, wenn es genau das und genau so wäre was es von sich
(implizit vorausgesetzt) behaupte. Wohl hat noch die Kirchenversammlung von
Florenz dem Bösen jedwede Natur (Substanz im eigentlichen Sinne) abgesprochen,
"weil alle Natur, insoweit Natur, gut ist"(77),
doch so wie die Lüge oder Unwahrheit eine relative Existenz hat, eine Form ohne
Inhalt ist, und die Möglichkeit der Lüge zu leugnen die Lüge schlechthin ist,
hat die Lüge keine "Natur", keinen (wirklichen) Inhalt, bzw.
Substanz, weil die Substanz der Wahrheit (d. i. Gott) vorbehalten ist. Die
Aussage, daß die Lüge kein Sein hat, bedeutet anders ausgedrückt, daß die Lüge
nicht (wahr oder wirklich, eben "nichts") ist.
Methodisch funktioniert das Alternativsystem der Ersetzung der Metaphysis
(als Substanz(78)) durch das sogenannte
(absolute) Nichts, das ist die Ersetzung der metaphysischen
(göttlich-übernatürlichen) Substanz(79) durch
das imaginäre Abstraktum (im Sinne des Gegenübers von dinglicher Wirklichkeit
und abgebildeter Wirklichkeit in der Wahrnehmung des Subjekts(80)),
indem die Unwirklichkeit der Imagination(81) in
der Perversion auch dem aristotelischen Original, und zwar so unterstellt wird,
als würde etwa Aristoteles oder Augustinus (und die Scholastik) eine
übernatürliche Substanz aus einer logischen Verlegenheit heraus vorlügen(82), welche übernatürliche Substanz es aber
unmöglich wirklich (nachweisbar) geben kann. Denn das aufgeklärte Sein bestimmt
nicht mehr das eigene Wesen (Sosein), sondern das Wesen (Prädikat) das
(aufgeklärte) Sein. Nicht mehr das (aufgeklärte) Sein tritt in Erscheinung,
sondern die Erscheinung (Wesen/Prädikat/Kategorie/Phänomen/Sosein) verleiht
(dem Seienden) das (aufgeklärte und dadurch mögliche) Sein, weil sie (als
Voraussetzung) "logisch" danach verlangt, womit (kantianisch) die
erkenntnistheoretische Grundposition Anselms in den Subjektivismus der Moderne
pervertiert werde.
Nicht zufällig setzte also der Exmanichäer Augustinus (antimanichäisch)
gegen den Neuplatonismus hier an, der die Sprachlogik unzulässig vorschiebend
das Nichts und oder Nichtsein als doch scheinbar Etwas(83)
(dem Sein zumindest ebenbürtiges, aber in der Kausalordnung sogar
vorgeordnetes) behauptet und diese Fehlansicht - über die sprachliche
Imagination - verabsolutisierend, die aus Natur (Physis) und Übernatürliches
(Metaphysis) bestehende ambivalente Wirklichkeit der aristotelischen Metaphysik
so (monistisch(84)) kurzschloß, daß er das
Metaphysische (Übernatürliche) schlechthin mit dem Nichts (Nichtsein) definitiv
gleichgesetzt hatte. Die von der Gnosis übernommene neuplatonische
Gleichsetzung der jenseitigen (transzendenten) Substanz der Metaphysik und
Theologie mit dem substanzlosen "Etwas" des (imaginär wirklichen)
Nichts (und oder Nichtsein) ist bis heute die wichtigste Tarnung des von und
für diese Lüge (scheinbar) "seienden" nämlichen Bösen (Gnosis), das
spätestens seit Augustinus in der Theologie mit dem Nichts und oder Nichtsein
terminologisch (bis heute theoretisch als Lehrtradition gültig) gleichgesetzt wurde(85). Zu der Erhellung dieses Schwindels ist zu
vergegenwärtigen, daß die Gnosis, und mit ihr der Neuplatonismus, das Nichts
mit der Materie gleichsetzt, also alles Mentale als Phänomen der Materie
erklärt. Die Neugnosis setzt die Materie mit Natur gleich, und faßt das
Stoffliche als niedere Manifestation der Materie auf, während die Spirituellen
Dinge Manifestationen der gleichen Materie nur höherer Ordnung wären(86).
1.4. Die Uneinheit
Strukturell spaltete sich die stets auch die übrigen Grundbegriffe des
abendländischen Kultur-Etablissements analog umkehrende (pervertierende) - mehr
oder minder verdeckte - Kultivierung des Bösen als (vorgeblich) substanzloses
Nichts (Nichtsein) in die scheinbar polaren Gegensätze des mystischen, bzw. des
mystizisierenden Fundamentalismus einerseits, und der philosophischen
Aufklärung (Säkularismus) andererseits, wobei die gleiche neuplatonische
"Mystik" (Gnosis) Jakob Böhmes sowohl dem pseudochristlichen
(chiliastischen) Pietismus wie auch dem pseudometaphysischen Nihilismus, aber
auch der pseudophilosophischen Aufklärung (und anderen - abgeleiteten oder
kombinierten - Spielarten) zugrundelag. Diese Entwicklung entspricht der -
historisch bedingt - unterschiedlichen Rezensionen des Neuplatonismus im
Mittelalter, nämlich
die theologische (theosophische) nach dem Chiliasten Dionysos Aeropagita,
die philosophische des Humanisten Pico der la Mirandola,
und das mystische (psychosophische) nach der jüdischen Kabbala,
die - jeweils für sich schon synkretisierend - bei Jakob Böhme synthetisch
auf die neuplatonische Ureinheit des Nichts (als Gott) gebracht wurden. Ginge
man auf das überhebliche Selbstbewußtsein der gnostischen Subkultur ein, und
wäre etwa die sogenannte Neuzeit der Historiker kulturhistorisch, bzw.
soziokulturell als die (bipolar) dualistische Alleinherrschaft (Monismus(87)) von Säkularismus und Fundamentalismus
verbindlich charakterisierbar(88), dann wäre
die von der abendländischen Kultur stark geprägte Neuzeit verallgemeinernd als
das Zeitalter Jakob Böhmes, als die Nachfolge des mit dem Mittelalter und
Reformation auslaufenden christlichen Zeitalters zu bezeichnen, und müßte mit
dem Geburtsjahr Jakob Böhmes, oder mit dem Geburtsjahr seines Erstlingswerks,
"Morgenröte" (bezogen auf den Morgenstern, auf den Lichtbringer,
nämlich den Planeten Venus, dessen Mutter in der lateinischen Tradition Aurora,
die Morgenröte war, wobei Lichtbringer im Lateinischen, und daher der Name des
Planeten Venus, Lucifer war), beginnen. Denn so wie auf den biblischen Jesus
(Christus) einige Jahrzehnte später das Interregnum des Antichristen so folgte
(vgl. Off 11,1-8), daß dessen geistiges Erbe in der Gnosis (und dann
Manichäismus und Neuplatonismus) fortbestand, und von Anfang an das Christentum
mit wechselndem Erfolg - einem Schatten gleich - begleitete, so folgte auf die
Reformation die Pseudoreformation Jakob Böhmes, den fortan alle vom
Kultur-Etablissement Abweichenden zitieren und oder auf ihn zurückführbar sind.
Schematisch dargestellt steht aus der Sicht der wohlverstandenen Theologie
dem Monopol des Guten (Gottes) strukturell ein Dipol des (in sich polar
gespaltenen) Bösen so strukturell absolut unvereinbar gegenüber, daß das
dipolare/bipolare (in sich gespaltene und sich selbst "polar"
widersprechende und den Wiederspruch so zur dipolaren Einheit führende) Böse in
sich selbst den unvereinbaren Gegensatz zum Monopol des Guten zu repräsentieren
vermeint(89). Das allerdings ist in allen
erdenklichen Varianten nur unter der Voraussetzung der Leugnung des (Monopols
des) Guten möglich, und zwar insb. auch dann, wenn das Böse die eigene Einheit
in den polaren Gegensätzen erkennt und sich monistisch(90)
an die Stelle des in seiner Existenz global geleugneten (monopolaren) Guten
setzt(91) (indem das Gute/Übernatürliche als
ein Pol des bipolaren Bösen/Natürlichen aufgefaßt wird(92)).
Die - wie auch immer - als monistische Einheit aufgefaßte Bipolarität(93) des Bösen hat (inhaltlich) mit dem Monopol
des Guten absolut nichts zu tun(94), und ist
damit logisch absolut so unvereinbar, wie in der Theologie Schöpfer und
Geschöpflichkeit. So steht also für die metaphysische Betrachtung dem Monopol
des Seins im Seienden der Dipol des Monismus(95)
(als die Ganzheitliche Betrachtung des Dipols) im Nichtsein gegenüber.
Gilt also in der wohlverstandenen Theologie mit Augustinus und Anselm die
Verifizierbarkeit des Bösen so ausschließlich mittelbar über das
(erkenntnistheoretisch begriffene) Gute, daß ohne einen Begriff über das wirklich
(wahrhaft) Gute das Phänomen und Begriff des Bösen absolut unmöglich (der
Erkenntnistheorie) zugänglich ist, so gilt seit der Hochgnosis bis heute
(Moderne/Neugnosis) für das mit Vorliebe die Philosophie entfremdende Böse
alles genau umgekehrt (pervers), indem das Übel in der Welt zur bleibenden
Ausgangsposition der Spekulation über Gott (Theodizee) und die Welt geworden
ist(96).
Für die Neugnosis stellt sich das Unlösbare Problem in der Fiktion einer
einzigen Substanz der Emanationslehre dar, während die christliche Theologie
zwischen der Substanz des Schöpfers und die der Schöpfung als einander
ausschließende und unvereinbare Größen schärfstens unterscheidet. Treffend faßt
Bailey die Gnostische Tradition zusammen: "Es besteht in unserem
offenbaren Universum die Wesensäußerung einer Energie oder eines großen
Lebewesens, das die verantwortliche Ursache für die verschiedenen Formen und
für die ungeheuere Rangordnung empfindender Wesen ist, welche die Gesamtheit
all dessen ausmacht, was existiert. Dies ist die sog. hylozoistische Theorie
(die Theorie vom Belebtsein allen Stoffes), obwohl die Bezeichnung nur zu
Verwirrung Anlaß gibt. Dieses große Leben ist die Grundlage des Monismus, und
alle erleuchtete Menschen sind Monisten. »Gott ist Eins«, das ist ein wahrer
Ausspruch. Eine einzige Lebensessenz durchdringt alle Formen, und diese Formen
sind die Ausdrucksmittel der zentralen universellen Energie in Zeit und Raum.
Schöpferisches Leben bringt Existenz und Beschaffenheit hervor. Es ist darum
die tiefste Ursache der Dualität. Diese Dualität, die in Erscheinung tritt, wen
Objektivität vorhanden ist, und die verschwindet, wenn der Formaspekt vergeht,
wird mit vielen Ausdrücken bezeichnet, von denen die gebräuchlichsten um der
Klarheit willen hier angeführt werden sollen:
Geist Materie
Leben Form
Vater Mutter
Positiv Negativ
Dunkelheit Licht."(97)
In diesem (gnostisch-neuplatonisch-emanatorischen) Schema ist die Substanz
von Geist und Materie dem Sein nach ident, indem Materie als manifester Geist
(auf einer niedrigeren Stufe der gleichen Substanz) erklärt wird. Ja sogar, und
darauf kommt es an, Geist und Materie werden gnostisch als die beiden Pole
eines einzigen Seins hingestellt. Demgegenüber unterscheidet die christliche
Theologie schärfstens zwischen der Substanz des Schöpfers und die der
Schöpfung, und teilt die Schöpfung - und nur die Schöpfung - (auch
substantiell) für sich in die polaren Gegensätze wie Mann und Frau. Eines der
wichtigsten Voraussetzungen der christlichen Theologie ist die Unterscheidung
in der Schöpfung einer himmlischen und einer irdischen Ordnung der Schöpfung,
wobei beide Ordnungen der Schöpfung, wiewohl substanziell, nicht ident mit Gott
sein können. Die himmlische Ordnung mit den Engeln ist sehr wohl, wie der
Säkularist das ausdrücken würde, Vorbild, Idealbild, der irdischen Ordnung, ist
aber trotzdem selbst geschöpflich.
Gilt also in der wohlverstandenen Theologie mit Augustinus und Anselm die
Verifizierbarkeit des Bösen so ausschließlich mittelbar über das
(erkenntnistheoretisch begriffene) Gute, daß ohne einen Begriff über das
wirklich (wahrhaft) Gute das Phänomen und Begriff des Bösen absolut unmöglich
(der Erkenntnistheorie) zugänglich ist, so gilt seit der Hochgnosis bis heute
(Moderne/Neugnosis) für das mit Vorliebe die Philosophie entfremdende Böse
alles genau umgekehrt (pervers), indem das Übel in der Welt zur bleibenden
Ausgangsposition der Spekulation über Gott (Theodizee) und die Welt geworden
ist(98). Wenn nämlich mit dem Theodizee-Problem
das philosophisch Böse auch tatsächlich hinreichend erfaßt ist, indem alles
moderne Philosophie die absolut unmögliche Sisyphusarbeit der immer neu
versuchten Annäherung Gottes vom Bösen (in der Welt) her unternimmt, und so
nicht nur (vorhersehbar) immer zwangsläufig scheitert, sondern in dem
(wissentlich absolut sinnlosen) Versuch des Wiedersinns schon sich als das Böse
(schlechthin) manifestiert(99). Denn zynisch
verhöhnt die Theodizee den Glauben durch die schleichende Umdeutung des
Begriffs, so als sei Glaube ein subjektives Trotzdem wider das objektiv
Unmögliche, so als wären Glaube und Utopie synonym.
Verblüffend übereinstimmend kommen die Verfechter beider miteinander
unvereinbaren Grundpositionen der wohlverstandenen Theologie und die Neologie
der (theosophisch entfremdeten) Philosophie(100)
(als die derzeit vorherrschende Spielart der Gnosis/Neugnosis oder
Säkularismus) - auf noch so unterschiedlichen Wegen - früher oder später zu dem
immer gleichen alles überragenden Schluß, daß nämlich ein von dem Übel (in der
Welt) ausgehend gewonnener Gottesbegriff (Theodizee bedeutet etwa: die
Rechtfertigung Gottes) weder irgendeinen Sinn noch (adäquate) Wirklichkeit
haben kann(101): also der Gott der Theodizee
in allen Varianten immer und ausschließlich ein (logisches) Unding sein kann(102), der (in sich) Widerspruch par excellence(103). Außer vielleicht damit Bibliotheken zu
füllen und eine wirtschaftliche und kulturelle Präsenz (durch die
Inanspruchnahme der Förderungen für die Wissenschaft und Forschung) so zu demonstrieren,
daß einerseits die wirklichkeitsfremde Sinnwidrigkeit (zumindest als
"möglicher", also potentieller Teil des Sinns) allezeit demonstrativ
im Raum steht, und andererseits die konkurrierende Grundposition die scheinbare
Allpräsenz des Phänomens zur Rechtfertigung, zur Legitimierung der
Sinnwidrigkeit an sich als Primärursache (und erkenntnistechnische
Ausgangsposition der verstandlosen, weil den übergangenen Verstand
bevormundenden Vernunft) vorschieben kann.
In dem augustinisch vorgegebenen logischen Schema, bzw. Struktur, wonach
Sein gut und Nichtsein ungut bedeute(104),
steht dem Monopol des (höchsten) Seins der Dipol des Nichtseins (relativen oder
"schattenhaften" Seins) so gegenüber, daß nur im seinsunabhängigen
System des (wirklichkeitsfeindlichen) Nichtseins (als Primär- oder
Kausalursache), in dem Spannungsfeld der Polarität des maximalen (absoluten)
Nichtseins (Nichts) und minimalen Nichtsein (Phänomen), ein relatives Sein
fälschlich so vorausgesetzt wird, als könne ein Mehr oder Weniger an Nichtsein
das Sein (im Verhältnis zueinander) scheinbar ersetzen. Daß natürlich im
vorgenannten geschlossenen System des Nichtsseins relativistisch (qualitativ)
simulierte Sein (Quantität/Substanz) kein wirkliches Sein haben kann, auch und
gerade dann, wenn im geschlossenen System des Nichtseins selbst der unendliche
Mangel an Sein (erkenntnistheoretisch) nicht systemkonform bejaht oder verneint
werden kann, also der Schein des relativen Seins als die ausschließlich systemkonforme
Erklärung des Seins (systemintern) unwidersprochen bis unwiderlegbar in dem
(nichtseienden) Raum steht, zwingt (den Neuplatonismus unter dem modernen Namen
Nihilismus) systemkonform zu der dergestalt unausweichlichen Annahme (a
priori), daß das (absolute) Nichtsein der Vater alles Seins sei, das ja hinter
diesem Zwiespalt von mehr oder weniger Sein stehe. Das nämliche System des
Nichtsein, das auch als das System des relativen Seins, oder polemisch als die
Relativitätstheorie des Seins bezeichnet werden kann, ist also in sich
geschlossen und von innen her absolut unwiderlegbar, es sei denn, es ist
(insgesamt), in der Grundposition (Apriori), absolut falsch, d. h.
wirklichkeitsfremd. Es ist eine Frage der theologischen Grundposition, und nur
der Grundposition. Nämlich eine Frage des Verstandes, ob er die Vorherrschaft
der Vernunft über sich zuläßt oder nicht. Denn die zur höchsten Denkinstanz
erhobene Vernunft (deren kantianisch aufgeklärt untergeordneter, bzw.
entmündigter Teil, der Verstand ist) könnte dingunmöglich das Nichtsein vom
Sein her zufriedenstellend erklären, bzw. begreifen, und es zwingt sich ihr
(systemkonform) der unausweichlicher Schluß auf, daß das Sein von Nichtsein her
begründet sei. Ein Kunststück, das wiederum der Verstand - als höchste
Denkinstanz - dingunmöglich schaffen könnte, ohne sich selbst, die eigene
Identität zu verleugnen.
1.5. Die Unvernunft
Aus diesem Gesichtspunkt kommt der Wirklichkeit, das ist, in unserem - der
Aufklärung kritisch folgenden - Verständnis, der Umgang mit der Wirklichkeit(105), die entscheidende Bedeutung zu. Die
aufklärerische Moderne stellt nämlich der metaphysischen (ontologischen)
Fassung der Wirklichkeit von und für das Sein die phänomenologische
(subjektivistische) Fassung des Wesens der scheinbaren Wirklichkeit des Seins
so gegenüber, daß die für den Vorzug vorgeschützten Bequemlichkeits- oder
Vernunftsargumente den Souveränitätsanspruch verschleiern sollen. Diese zwei
Wirklichkeiten sind zwar die zwei Seiten der gleichen Wirklichkeit, allerdings
nur unter Wahrung der zugrundeliegenden Ordnung, nämlich der Wirklichkeit der
Ordnung, in welchem Verhältnis die Beiden Seiten der Wirklichkeit zueinander
stehen. Diese Unterscheidung bringt das Spannungsfeld zwischen gedanklicher und
sprachlicher Reflexion des Erkennens über die gleiche Wirklichkeit zum
Ausdruck, daß nämlich Denken und Sprache unterschiedlichen, ja
wohlunterschiedenen Strukturen unterliegen und infolgedessen unterschiedlich
(über den gleichen Gegenstand) reflektieren(106).
Die grundlegende Frage der Legitimität von Kultur entscheidet sich an der
Frage, ob und welcher Kausalzusammenhang zwischen Verstand und Vernunft
besteht, und ob dieser Kausalzusammenhang umkehrbar ist oder nicht.
Bis zu der abendländischen Aufklärung galt die Verstandeslogik (Intellekt)
der Denklogik adäquat und die Vernunftslogik (Ratio) der Sprachlogik
entsprechend. Zwar überlappen sich die beiden logischen Strukturen weitgehend
und sind auch einander unwandelbar zugeordnet, aber sie zeigen auch
Unterschiede, die das manipulative Auseinanderdividieren (paradoxerweise etwa
durch die an sich unmöglichen Gleichsetzung oder Tausch der beiden) scheinbar
ermöglichen. Die Verstandeslogik orientiert sich am Sein, an der Faktizität, am
"Objekt", am Ding, an der Dinglichkeit schlechthin, während die
Vernunftslogik an dem Verhältnis des Faktums (zu sich un zu anderen Fakten),
und auf sich gestellt nur den indirekten Umgang mit den Fakten aus ihren
Verhältnissen heraus (indem sie aus dem Umstand des Seins, aus dem Prädikat,
aus dem Verhältnis, vom Wesen her auf das Sein schließt). Die vom Verstand
abgekoppelte Vernunft kann also logisch folgerichtig nur zu dem Schluß über die
Wirklichkeit kommen, den sie a priori voraussetzt und voraussetzen muß, daß
ihre Faktizität, ihr Sein, eine Funktion der Verhältnisse, also das Sein
insgesamt schlechthin relativ ist. Die Abkoppelung der Vernunft vom Verstand
setzt von da an, nämlich vom Anfang (der Abkoppelung) an, gleichsam aus sich
selbst (a priori) unausweichlich voraus, und führt unausweichlich zwingend zu
dem Schluß, daß jedes (aus den Verhältnissen) resultierende Sein zwingend einen
(logischen) Grund (Verhältnis) voraussetzt, was zunächst in der Gnosis und dann
im Neuplatonismus philosophisch in die (logische) Begründung des Seins aus dem
Nichtsein ausformuliert und festgeschrieben wurde.
Demgegenüber kann die Denklogik des Verstandes nur von Fakten ausgehen und
hieraus alle Verhältnisse bestimmen, so daß die Wirklichkeit der Verhältnisse
von den (dieser Logik, der Logik schlechthin) zugrundegelegten Fakten bedingt
ist. Der Verstand kann schon deswegen schwer von der ihr innewohnenden Vernunft
abgekoppelt werden, weil er im Gegensatz zur Vernunft auch die Verhältnisse als
Faktum begreift, also mit der ihm untergeordneten Vernunft eine integrierend
unauflösliche Einheit bildet. Der Unterschied zwischen bedingten und
unbedingten Fakten verträgt sich sowohl mit der Wirklichkeit wie auch mit dem
Faktum, daß die Vernunft integrierender Bestandteil des Verstandes, und dessen
eine, wenngleich die wohl wichtigste Funktion ist. Der Verstand ist absolut
unfähig zur Unvernunft, und kann nur über die verfälschten Fakten und über die
relative Wirklichkeit getäuscht werden, so wie etwa Kant die Erkennbarkeit der
Wirklichkeit leugnet (und damit den Verstand außer Gefecht setzt), während die
Vernunft ohne Verstand unmöglich die eigene Vernünftigkeit verbürgen oder
widerlegen kann und daher auf sich gestellt die Unvernunft auch dann par
excellence ist, wenn sie in sich eingeschlossen sich selbst nicht nachweisbar
systemkonform widersprechen könnte. Hierin ist also die Erklärung der
theologischen Kritik an dem revolutionären Postulat Kants, daß die
Absolutsetzung der Vernunft die Befreiung des Menschen aus der unmündigen
Abhängigkeit des von alters her dem Verstand zugeordneten Glaubens sei, weil
die Vernunft ohne Verstand keine wirkliche Vernunft, geschweige denn mündig
(autonom) sein kann. Die kürzeste Formel der Gottlosigkeit wie überhaupt des Bösen
ist also Unverstand. Denn auch die Unvernunft ist integrierender Bestandteil
des Unverstands, wie die Vernunft integrierender Bestandteil des Verstandes
ist: dessen wesentlichster (essentieller) Teil.
1.6. Der Unverstand
Der systematisch wichtigste Aspekt der erkenntnistheoretischen (Anselmschen)
Grundposition ist der als Verstandesfunktion vorausgesetzte (christliche)
Glaube(107). Mit Anselms "fides
quaerens intellectum" ist dem Verstand bibelkonform so die
Schlüsselfunktion in der Theologie (und Glauben) zuerkannt worden(108), daß die schelmischen Rezensenten oder
Kritiker Anselms durch die Diskreditierung des (logisch unzulässig zur
Vernunftsfunktion degradierten) Verstandes den christlichen Glauben aushöhlen
und ad absurdum führen konnten.
Die geistige Sterilisierung durch die Desavouierung des Verstandes - soweit
erfolgreich - verdankt die Menschheit Kant, der schlicht und einfach den
Verstand (Intellekt) mit der Vernunft (Ratio) vertauscht(109),
und damit den Verstand im eigentlichen Sinne faktisch abgeschafft, indem er den
cartesianischen Subjektivismus verabsolutisiert hat (und damit den Verstand in
der Vernunft "für immer" verschwinden ließ). Der kümmerliche Rest des
ins Unwirkliche (Pseudo-Jenseits) beförderten, sozusagen transzendierten
Verstandes, im Schatten der absolutgesetzten Vernunft der aufgeklärten Moderne,
reicht kaum noch aus, um sich darüber lustig zu machen. Und während die
neuzeitlich abendländische Zivilisation so - dank Kant und Aufklärung -
sozusagen den Verstand verlor, beeilte sich die gleiche Aufklärung den
ursprünglichen Kausalzusammenhang von Verstand und Vernunft so in den
Kausalzusammenhang Glaube und Vernunft umzudefinieren(110),
daß der in "Glaube" umbenannte Verstand pauschal als
"Aberglaube" interpretiert(111) und
gleichzeitig in der hegelianisch von der Philosophie vereinnahmten Theologie
die religiöse (christliche) Position (samt Offenbarung) als sektirische
Sondermeinung abgetan wurde(112).
Treffend hat Hegel die allgemeine Lage der Aufklärung als infektiöse
Krankheit beschrieben, so als sei der Glaube durch die aufklärte Vernunftskritik
angesteckt(113). Die sich krankhaft
infektionsartig (unterschwellig) einschleichende Einsicht (über das in sich
Geschlossensein des Unverstandes) erzwingt also nach der verhängnisvoll
irreversiblen Inkubationszeit den Ort, die Art, und vor allem das (niedrige)
Niveau der Auseinandersetzung mit der schon ebenso ausgewachsen wie (bis zum
totalen Triumph) feindselig in Erscheinung tretenden Bewußtseinsveränderung,
und diktiert schon nach den Gesetzen der initiativen Handlung die Neubestimmung
der Innen-Außen-Beziehung von Verstand ("Glaube") und Vernunft(114).
Die so durch Überrumpelung (von innen her) um den Verstand gebrachte
Bewußtsein ist mit dem Verstand des Kernstücks seines gesamten Immunsystems
beraubt, und kann außer der totalitären Übermacht der Infektion nichts mehr
wirklich erkennen, bis es sich vollends mit der (schizoid) krankhaften
Veränderung des eigenen Bewußtseins als neue Identität abfindet und die als
totalitär erfahrene Übermacht der infektiösen Krankheit zwanghaft als die
unbeschränkte (weil subjektiv unbeschränkbare) Überlegenheit des neuen
Bewußtseins "erkennt", und es schließlich das unvermeidlich Erfahrene
als Aufklärung (Erleuchtung) wertet. Der (gleichsam infektiös) veränderte, im
Klartext: verdrehte bis umgedrehte Bewußtsein mit der aufgezwungenen fremden
(schizoid kranken) Identität wertet nun - ohne (eigenen) Verstand - die eigene
Vernunft als Unvernunft und die Unvernunft als Vernunft um, bzw. ist im umgepolt
verändertem Bewußtsein (ohne funktionierenden Verstand) diese Perversion der
Vernunft zwingend (unabdingbar, bzw. unumgänglich) vorgegeben. Hegel beschreibt
aus eigener Erfahrung plastisch den nämlichen Vorgang als die Aufhebung des
vormals externen Verhältnisses von Glaube (Verstand) und Vernunft in ein
Binnenverhältnis, durch das Glaube und Vernunft gleichermaßen und jeweils für
sich bestimmt sind(115): "Über den
alten Gegensatz von der Vernunft und des Glaubens, von Philosophie und
positiver Religion hat die Kultur die letzte Zeit so erhoben, daß diese
Entgegensetzung von Glauben und Wissen einen ganz anderen Sinn gewonnen hat und
nun innerhalb der Philosophie selbst verlegt worden ist." (d. h. die
Philosophie habe die Theologie so geschluckt, daß sie als Teil der Philosophie,
als interne Teil-Disziplin der Philosophie, noch eine nominelle
Eigenberechtigung habe, oder mit den zynischen Worten Kants ausgedrückt: mündig
geworden ist). Für die dergestalt auf den Kopf gestellte Vernunft(116) gilt nach Löwith(117)
der - ähnlich dem bisherigen unwiderstehlich aufzwingenden - Grundsatz, daß
sobald alles andere in der - aus der (subjektivistischen) Kopfstandposition aus
gesehen - verkehrten Welt der bisherigen Kulturtradition auch auf den Kopf
gestellt wird, hätte wider alles seine (ganzheitlich subjektivistische) Ordnung(118).
Es mag eine schicksalhafte Fügung sein, daß bei der Beschreibung der Aufklärung
als die in dem Unabwendbaren gipfelnde Einsicht, der davon selbst betroffene
Hegel den Prozeß des Durchdringens, oder eher (passiv) Durchgedrungenseins,
nicht etwa als eine medikamentöse Wirkung oder ähnlicher Heilprozeß, sondern
als krankhafte Veränderung unter Ausschluß der (auch nur denkbare Möglichkeit)
Heilung beschrieben hat. Damit offenbart Hegel den Sinngehalt und Wesen der
Aufklärung, nämlich als die befreiende Einsicht über die Unheilbarkeit des
Unheils, über die alle Betroffenen künftiger Generationen aufgeklärt, bzw.
missioniert, gleichsam infiziert werden müssen, weil jeder Versuch des Heils
eine Zunahme des Unheils bedinge. Auffallend ist dabei, daß etwa der Vergleich
Jesu über den Sauerteig (Mt 13,33) zur bildlichen Beschreibung ähnlicher
technischen Abläufe des fortschreitenden Durchdringens (auch im Negativen zur
Beschreibung des Zweifels und Unglaubens: Mt 16,12; Mk 8,15) einen positiven
Gehrungsprozeß heranzieht.
1.7. Das Undefinierbare
In der eingehenderen Auseinandersetzung mit dem komplexen Stoff der
Satanskunde zeigte es sich, daß es nicht nur an seriösen und erschöpfenden
Standardwerken fehlt(119), sondern das - von
der modernen theologischen Forschung ausgeblendete, bzw. wie nach einer
verlorenen Schlacht verlassene, um nicht zu sagen verschämt geräumte
Forschungsfeld, von der Subkultur, nicht zuletzt von den davon betroffenen
Kreisen(120), regelrecht verheert(121) und noch unzugänglicher gemacht worden ist(122), als es ohnehin schon war(123).
Teils durch den Schwung der euphorischen Aufbruchsstimmung(124)
der aufklärerischen Neuerer der letzten Jahrhunderte verdrängt(125)
teils durch die latent drohende Emotionalisierung von der seriösen Forschung
gemieden(126), geriet die Erforschung des
wirklich Bösen auch in der Theologie mittlerweile so sehr ins Abseits, daß es
heute schwer wäre jemanden fehlenden Überblick vorzuwerfen, der trotzdem
einigermaßen sachlich versucht das Forschungsfeld zu betreten(127),
weil es kaum etwas an Erforschtem zu überblicken gibt(128).
Vielmehr betont die etablierte Sektenforschung selbst, daß das Feld (des
Unerforschten) einfach schon quantitativ so unübersichtlich geworden ist(129), daß selbst Spezialisten nur mit Vorbehalt
von genügenden relativen Kenntnissen(130)(nämlich
über den Grad ihrer Unkenntnis) sprechen wollen. So kann die seriöse
Sektenforschung weniger nach dem Stand des wohlverstandenen Wissens, sondern
viel eher nach dem offen deklarierten Grad des Unwissens gemessen werden.
Nach wie vor scheint der Zugang zu der Erforschung des Bösen nur deduktiv
gegeben, was eine anwendbare Theorie des Bösen voraussetzt(131),
also eine konkret umrissene Vorstellung (und Begriff) darüber, was denn
eigentlich (ursächlich) Böse sei, doch schaffte es der Zangenangriff des
pietistisch-mystischen Fundamentalismus und der aufklärerischen Moderne,
ebendiese Voraussetzung des als allgemeingültig begriffenen Bösen, den
allgemeingültigen Begriff des Bösen, zu verteufeln(132).
Anstelle einer allgemeingültigen Definition des Bösen wurde von den Anhängern
des (relativ) Bösen ebendiese allgemeingültige Definierung des (wirklich) Bösen
- unter falschem Vorwand - als das allgemeingültige Böse definiert(133). Solange nun dieser Widerspruch (seitens
der Rehabilitierungsbewegung zugunsten des relativ Bösen) nicht als die
Manifestation des wirklich Bösen schlechthin definiert, besser gesagt
redefiniert wird, wonach die Leugnung des allgemeingültig definierbaren
wirklich Bösen exakt die Definition des Bösen impliziert, die sie zu negieren
vorgibt, wird das Forschungsfeld kaum entsprechend zugänglich sein. Die
Möglichkeit der allgemeingültigen Definierbarkeit des wirklich Bösen zu leugnen
ist eben jener "perverse" Zirkelschluß, der nur per definitionem
aufrechterhalten werden kann, nämlich durch die vorausgesetzte Definierung des
Bösen als die Definition des Bösen. Die Verteufelung der Definition ist selbst
eine Definition.
1.8. Das Unnatürliche
Die Bibel gibt im NT eine Definition des Bösen als "die Lüge"
schlechthin(134) (Joh 8,44), wobei Lüge als
die bewußte Abweichung von objektiver und subjektiver Wirklichkeit im
Erkenntnisprozeß des Subjekts verstanden wird, und bestimmt den Anfang vom Ende
in der Priorität der Physis(135) (Natur) auf
Kosten der dadurch - ohne Umkehr (im Extremfall) - dem Untergang geweihten, zumindest
jedoch gestörten Psyche(136) (Seele) und
Spirit (Geist(137)), bzw. Pneuma(138) (Jak 1,13-15). Faßt man "Psyche"
und "Spirit" (im Erkenntnisprozeß) hilfsweise als das
"Mentale" in einem Begriff zusammen(139),
dann kann die bibeltheologische Definierung des Guten(140)
als eine Ordnung(141) (1 Kor 14,33; vgl. Röm 13,2)
der vom hierarchisch übergeordneten, bzw. kausal vorgeordneten Mentalen (als
Urheber(142)) her bestimmten Physis(143) wiedergegeben werden(144),
wobei der biblische Sprachgebrauch allgemein die Termini "himmlisch"(145) und "irdisch"(146)
für das entsprechende Gegensatzpaar(147)
verwendet(148). Obgleich das als Unordnung
(vgl. 1 Kor 14,32) aufgefaßte Böse (Diabolos(149)
bedeutet wörtlich etwa das Durcheinanderwerfen(150),
also sinngemäß etwa: das Umwerfen, das Umstoßen, das Umstürzen, etwa im heutigen
Sinne des Begriffes Revolution, was ursprünglich wörtlich übersetzt bloß
Umdrehung, bzw. Umkreisung, bedeutet) bei der Physis ansetzt (vgl. Jak 1,14),
bzw. dortselbst so verankert ist, daß es kaum um die (kausale) Absolutsetzung
der Natur (Physis) umhin kann(151), bewirkt
die (aus der Sicht der sich verselbständigenden Physis) in ihrer Unter-Ordnung
veränderte Physis - im Verhältnis - zwangsläufig ein (scheinbar) verändertes,
gestörtes Mentale (Jak 1,15), eine alterierende, "sekundäre
Mentalität", die nicht mehr ursächlich die Physis bestimmt, sondern (im
Alterieren) zunächst von der Physis her bestimmt wird(152),
und sodann nunmehr als Sekundärmentalität wiederum auf die Physis (zurück)
wirkt. Nicht als ob das Mentale selbst (quantitativ) in der Sekundärmentalität
verändert sei, denn die Theologie setz im Verhältnis zwischen Mentale und
Physis das Mentale (als Primärursache) als unwandelbar voraus, sondern das
durch die Störung des ursprünglichen Verhältnisses ausgekoppelte, sozusagen
abgefälschte, verfälschte, "abgefallene", in der Theologie
"unrein" genannte, also sekundäre Mentale, das Negative, wird durch
eine Alternative ersetzt, bzw. ist die (sich selbständig machende) Alternative.
Diese vom Bösen als die Befreiung von der unmündigen Abhängigkeit(153) gefeierte schizoide(154)Entfremdung
stützt sich auf eine dem Wunschdenken der entfesselten Physis entspringende
Projektion des alterierenden (sekundären) Mentalen(155),
das sich zu Recht als von der Physis her ursächlich bedingt begreift(156), aber zu Unrecht das Wunschdenken der
christlichen Religion unterstellt. Ob sich diese mentale Alternative nach außen
als der Physis unter- oder übergeordnet gibt, sie ist immer das von der
vorgeblich "befreiten" Physis abhängige (substanzlose) Trugbild (wie
im Spiegelbild oder Foto-Negativ) des primär Mentalen(157),
das Sekundär-Mentale(158).
Natürlich kann mit der neuerlichen Differenzierung im Mentalen zwischen
Psychischem und Spirituellem eine beliebig lange Liste der Typologie des Bösen
konstruiert, bzw. rekonstruiert werden. Die Bibeltheologie kennt aber nur
dieses eine einzige Böse, das die hierarchisch vorausgesetzte Ordnung zwischen
dem Mentalen und Physischen stört, durch seine Existenz in Frage stellt. Es ist
auch das gleiche Böse, das versucht diesen Widerspruch sodann auch mental zu
rechtfertigen, unabhängig davon, auf welcher Ebene dieser - immer ursächlich
gleiche - eine einzige Widerspruch sich manifestiert und wie er vom Bösen
artikuliert wird. Die Abweichung von dieser vom Guten für wahr(haftig) und
einzig wirklich gehaltenen Ordnung des Mentalen, also die Unordnung gegenüber
der Wahrheit (über die Wirklichkeit des primär Mentalen), sei es in Worten oder
Werken, hält die Bibeltheologie für die nämliche Lüge, der den biblischen
Teufel ausmacht, ob nun das Mentale gänzlich als wirklich geleugnet, oder als
von der Physis - über beliebig viele Stufen - abgeleitet wird.
In der später zumeist auf mentaler Ebene ausgetragenen Kontroverse zwischen
Gut und Böse stellt die Bibeltheologie entschieden in Abrede, daß die Kluft
zwischen den Mentalitäten der Lüge und der Wahrheit irgendwie - von der Lüge
her - überbrückbar wäre (vgl. Lk 16,26), spricht dem Bösen gewissermaßen die
(überzeitliche) Existenzberechtigung ab(159),
weil für sie die vom Bösen verlassene Ordnung unwandelbar (ewig), und nur das
Unwandelbare wahrhaft (ewig) existenzberechtigt ist. Damit wird die zeitliche
Existenz des Wandelbaren keineswegs in Abrede gestellt, sondern als eine
andere, die zeitliche Dimension des Daseins aufgefaßt.
Nach Anselm von Canterbury kann (in der Denklogik des Verstandes) der noch
von Platon (in der Vernunftslogik) zuerst aufgeworfene scheinbare Widerspruch
in der Sprachlogik, wonach zwar mit dem Wort "ist" nur das bezeichnet
werden kann was wirklich ist, aber mit dem "Nichtist" (Nichtsein)
etwas Unmögliches bezeichnet wäre(160), wenn
die Sprachlogik das "Nichtist" ("Nichtsein") nicht als
"etwas" voraussetzte, das "ist"(161)
("sei"), woraus dann die abenteuerlichsten Spekulationen der Gnosis
und Neuplatonismus über das Nichts als den Vater aller Dinge, sozusagen die
Wahrheit hinter der Wahrheit, abgeleitet wurden(162),
sehr wohl (nämlich nur erkenntnistheoretisch) aufgelöst werden: "Wie
jede andere Negation (z. B. non-homo), nur dann erkannt werden kann, wenn das,
was negiert wird, schon positiv erkannt ist, so muß auch schon das Etwas
erkannt sein, um den Begriff 'Nichts' verstehen zu können. «Destruendo non
significat nihil sed aliquid, et constituendo non significat aliquid sed nihil»
(indem er zerstört, bezeichnet er [der Ausdruck Nichts] nicht nichts, sondern
etwas, und im Zusammenbringen bezeichnet er nicht etwas, sondern nichts). Daß
aber der Eindruck entsteht, das Nichts sei selbst etwas, liegt, wie bei vielen
anderen Privationen, in der «forma loquendi», nicht in der Sache (secundum rem)
begründet, denn wir sprechen über solches, was nicht «etwas» ist, «wie über
existierende Dinge»."(163) Damit ist
aber der wichtigste (Augustinische) Grundsatz in der traditionellen
christlichen Theologie über das Böse (d. i. das Nichts(164)
des Augustinus) ausformuliert, wonach das Böse aus sich selbst keinen Sinn
haben kann (und folglich die Leugnung des Bösen die Leugnung des - dem logisch
vorangestellten - Guten voraussetzt).
1.9. Das Unerforschliche
Es wurde von der Subkultur nicht ganz ohne Erfolg unternommen, die
traditionellen Ressentiments gegen das Böse auf die Erforschung des Bösen zu
übertragen(165). So blickt etwa die jüngste
Forschungsgeschichte, die eine auch nur ähnlich lautende Bezeichnung gar nicht
verdient, auf eine - in jüngster Zeit - beispiellose Hetzkampagne gegen alles,
was das Böse beim Namen nannte, zurück(166).
So übertraf etwa die Verteufelung der Inquisition, wäre seelische Grausamkeit
als der physischen Folter gleichwertig anzusehen, bei weitem die
inquisitorischen Übergriffe.
Die neugeschaffenen Strukturen der Moderne erlauben unter dem Vorwand eines
vorgeblich für alle geltenden grenzenlosen Freiheitsideals jedem finanziell
gutdotierten Stumpfsinn(167)beliebig viele
seelische Beeinträchtigungen unters Volk zu bringen, weil in der
gleichgelagerten Engführung der modernen Ideologie das Böse (ursächlich)
ausschließlich im Physischen(168), bzw. im
Sinnlichen(169) lokalisiert wird (so als könnte
seelisches und geistiges Übel ausschließlich physische Ursachen haben). Die
dergestalt gewillkürt vorgebliche Exilierung des Bösen in das
Materiell-Sinnliche beschert dem nämlichen Bösen eine noch in der
Weltgeschichte kaum jemals da gewesene totalitäre Freiheit im Reich des
Seelischen und Geistigen. Eine fragwürdige Freiheit des geleugneten (sekundär)
Mentalen, die außer dem nämlichen psychischen und spirituellen Übel nichts und
niemand so vollkommen auskosten kann. Diese vorgebliche Dienstbarmachung des
Spirit und Psyche durch den Zauberlehrling Physis ist aber gar nicht so modern,
wie es der Schein verheißt. Oder wie der Traditionalismus, wenn er noch etwas
zu sagen hätte, es ausdrücken würde: die älteste Methode das Gleichgewicht der
natürlichen Kräfte zu stören ist, bei der vorgeblich absoluten Physis
anzusetzen, zumindest steht das schon in den ältesten Beschreibungen des Bösen.
Entsprechend vielschichtig - wenn nicht chaotisch - wäre das noch nicht
hinreichend erschlossene Forschungsfeld(170),
so daß gegebenenfalls jede noch so gültige Aussage im Kontext sich zunächst
etwas verloren ausnehme. Die Hauptschwierigkeit sind aber die unbewußten
Wirkmechanismen eines oft und gerne wissenschaftlich verbrämten Propagandaapparates,
in diesem Fall des Bösen, das sich nicht nur selber leugnet, sondern natürlich
auch sein Propagandaapparat(171), den
getäuschten Opfern des Propagandaapparates (des Bösen) plausibel zu machen, daß
die auf dem Bildungsweg zur Selbstgerechtigkeit aufgestachelte Kontrollinstanz(172) des dadurch subjektivierten(173)
Subjekts(174) die Kulturmanipulation - weil
durch das besagte Propagandaapparat vernebelt - nicht mehr registriert. Es
mußten also vor einer (allgemein) gültigen Aussage über das Böse
Rahmenbedingungen für die nämliche Aussage geschaffen werden, die sonst, wollte
sie vor den alles überschattenden Rahmenbedingungen der sich modern gebenden
Subkultur abheben, im leeren Raum gestanden wären.
Die andere Schwierigkeit, man kann sie die zweite Hauptschwierigkeit nennen,
ist die Aushöhlung von Kirche und Theologe (durch das Böse von innen und außen
her), so daß die Schätze der Kirche, weil gewissermaßen eingemottet,
unzugänglich sind. Inzwischen sind die an sich richtigen Lehren der Kirche -
etwa über das Böse - in der vom liberalen Medienmonopol dominierten
öffentlichen Meinung soweit vorurteilsbeladen, daß eine sachliche Diskussion auf
der Ebene der kirchlichen Lehre nicht einmal mehr in der Wissenschaft und
Forschung, geschweige denn in der Öffentlichkeit möglich scheint. In der
Handhabung ist die Lehre der Kirche auf die solidarische Koordination durch
befugten Theologen ausgelegt, früher hieß so etwas "brüderlich", eine
Voraussetzung, die heute so gut wie nicht mehr zu geben scheint. Zumindest
nicht im Hinblick auf die Lehre der etablierten Kirche, sondern wurde die sog.
"Brüderlichkeit" - mehr oder minder offiziell - für die Abwandlung
der unwandelbaren Werte entfremdet.
Für den Bibeltheologen ist das Gesetz unwandelbar, daß jede auch nur
versuchte Wandlung des Unwandelbaren zwingend den Verlust der Unwandelbarkeit,
also den Verlust der unwandelbaren Existenz bedingt. Und das so gewandelte
Mentale (unwandelbare Form ohne - unwandelbarem - Inhalt) kann nichts mehr mit
dem mental Unwandelbaren zu schaffen haben, auch wenn das wandelbar Mentale
nach dem unwandelbaren Gesetz immer wieder im Zeitlichen verpufft und alles
Wandelbare den unwandelbaren Widerspruch zum Unwandelbaren manifestiert. Die
Bibeltheologie ruft vielmehr zur Umkehr, denn das von der (in ihrer
Abhängigkeit) veränderten Physis her bestimmte (sekundär) Mentale ähnelt dem
über die Physis bestimmenden (primär) Mentalen spiegelbildlich. Das Böse ist
sonach gleichsam das (Spiegel-) Bild oder Photonegativ des Guten ohne die
Substanz (des Unwandelbaren) und (spiegel-)verkehrt (auf Latein:
"pervers").
1.10. Das Unerklärliche
Der Kampf des Guten gegen das Böse kann also allgemeinverständlich als das
eiserne Gesetz bildlich veranschaulicht werden, indem etwa ein
zweidimensionales Abbild dem dreidimensionalen Original den Rang streitig
machen oder wenigstens auch ihm nur Zweidimensionalität bescheinigen will. Es
gibt auch Eigendefinitionen des Bösen, vor allem in der Theosophie, wo alles
genau verkehrt (pervers) und das Gute (zumeist dem Christentum gleichgesetzt)
als zeitlich begrenzt und die Naturkräfte der Physis als die einzig
Unwandelbaren dargeboten werden(175). Aber
genau daran ist aus dem christlichen Gesichtspunkt die Lüge der Theosophie
ersichtlich, das die Mentalität des Bösen sich immer nur über die christliche
Mentalität erhebt, aber niemals über die eigene Physis(176),
denn das Böse könnte unmöglich über das Energiefeld der Physis hinausdenken und
eine über die Physis hinausgehende Primärursache außerhalb der Imagination
"wirklich" annehmen(177). Das Böse
kann den Spirit ausschließlich als Neben- oder Endprodukt, bzw. Phänomen der
Physis, also geschöpflich und nicht als Schöpfer, als eine vom Physis abhängige
Größe, voraussetzen(178), auch wenn scheinbare
Vermittelbarkeit vorgetäuscht wird(179). Und
wenn neuerdings dieser Zusammenhang agnostisch(180)
verschleiert werden soll, so als wäre die Abhängigkeit der Mentalität des Bösen
von der Physis nicht hinterfragbar(181), so
weiß die Bibeltheologie diese Lüge auch als die Älteste und Wohlbekannteste zu
entlarven.
Auch versäumt das Böse selten sich selbst grundsätzlich zu widersprechen,
und so ist diese Arbeit auch dem Nachweis gewidmet, daß das Böse kaum jemals
widerspruchsfrei agieren kann, und in den meisten Fällen sich vor allem selbst
nachweisbar widersprechen muß. Es soll nachgewiesen werden, daß das Böse sich
notorisch als das Neueste vom Neuen ausgibt (vgl. New Age, Neologie, Neugnosis,
Neosatanismus usw., wobei natürlich der Glanz des Neuen sich nicht in der
Namensgebung erschöpft), so daß dies die älteste Tradition des Bösen ist, die
Tradition des Guten mit dem Argument des immer Neuen zu bekämpfen, und diese
immer neu präsentierte älteste Lüge - naturgemäß - stets zeitbezogen
(eschatologisch) zu tarnen(182). Demgegenüber
geht das Gute von dem unwandelbaren Gesetzt der Entwicklung aus (vor allem ist
das ganze AT insgesamt eine Entwicklungsgeschichte schlechthin), allerdings von
einer Entwicklung, die auf dem besagten unwandelbaren Gesetz beruht. Deswegen
gibt es für den Guten nur einen Garant der unaufhaltsamen Entwicklung, nämlich
das unwandelbare Gesetz der Entwicklung unwandelbar zu belassen, zu
konservieren und zu tradieren. Wenn nämlich das Unwandelbare als solches
erkannt und respektiert wird, dann ergibt sich die (mental vorgegebene)
Entwicklung aus sich selbst ohne aktives Zutun (als Vorsehung), und alle
Aktivitäten von außen sind nur passiv begleitender Nachvollzug(183)
im "Gehorsam", bildlich ausgedrückt etwa wenn im Frühjahr gesät und
im Herbst geerntet wird. Jede Manipulation der Zeit - die ehedem der
Entwicklung (als Fortschritt) synonym Verwendung fand - wertet das Gute als die
Entfremdung des Unwandelbaren: also wertet das Gute etwa im Sommer zu sähen und
im Winter zu ernten als böse, weil die Entfremdung des Unwandelbaren die
Entwicklung verhindert, die er zu erneuern verheißt. Die Früchte der
Zeitverschiebung im Namen der Manipulierten Entwicklung (Pseudofortschritt)
sind auch in der Landwirtschaft, in der physischen Natur, Tod und Verderben.
Weil das Gute nur eine sich mit unwandelbarer Konsequenz immer wieder
manifestierende Entwicklung kennt, einen physischen Nachvollzug des mental
Vorgegebenen, wie es z. B. im biblischen Sabbatgebot (2 Mose 20,8.11; 23,10-12;
31,12-17; 35,1-3) urtypisch zum Ausdruck kommt, muß das Gute zwangsläufig alles
außerhalb dieser lebendigen Ordnung der unwandelbaren Entwicklung als dem Tod
geweiht, als das Böse betrachten. Nur eine dem übergeordneten Mentalen konforme
Physis ist Teil, hat Anteil an der unwandelbar lebendigen Ordnung der
Entwicklung, während jede dem Unwandelbaren nonkonforme Mentalität böse, im
wahrsten Sinne des Wortes dem Tode geweiht ist. Wichtig ist allerdings den
Kausalzusammenhang zu beobachten, wonach jede zum Unwandelbaren alterierende
Mentalität nicht die Physis bestimmt, sondern zunächst selbst von der Physis
her bestimmt ist: denn obwohl in der Bibeltheologie landläufig von den Bösen
Geistern, also scheinbar auch von der mental dirigierten Physis die Rede ist,
gehört es zum Wesen der Sekundärmentalität, daß sie ursächlich, bzw. kausal mit
der von der Primärmentalität abgekoppelten Physis zusammenhängt, welches
Übergewicht die Sekundärmentalität in der Folge über die Physis auch gewinnt,
also in der spiegelverkehrten(184) (und der
Dimension der substanziellen Wirklichkeit ledigen) Welt des Bösen der scheinbar
gleiche Kausalzusammenhang zwischen Mentalem und Physischem gewissermaßen auf
dem Kopf steht. Das christliche Evangelium betont aber konsequent, daß die
Macht der Bösen Geister über den Menschen immer und ausschließlich von der
Sünde, nämlich von der Störung der mental vorgegebenen natürlichen Ordnung
bedingt ist, und die Sünde immer im (bevorzugten) Physischen wurzelt, auch wenn
die fatalen Folgen der Sünde einen Widerspruch zum Mentalen zeitigen. Wenn
jedoch die Sünde sich als die mit dem mental Unwandelbaren nonkonforme Physis
definiert, aus der erst dann zwangsläufig der mentale Widerspruch, die Lüge
resultiert, dann verdirbt zwar die Lüge (Alternativmentalität,
Sekundärmentalität) einer Kettenreaktion gleich immer mehr die Physis, wie bei
der Fäulnis (aber auch in der sog. Psychosomatik) allgemein zu beobachten ist,
aber ähnlich wie die Fäulnis sich in der Regel um eine physische Verletzung
herum ausbreitet, so leitet die Theologie den Ursprung der Macht des mental
Bösen von der Erbsünde, also von der alterierenden Physis her, die sich - die
unwandelbare Ordnung des wirklich Lebendigen verletzend - von seiner Bestimmung
durch den Unwandelbaren sich (widersetzend) verselbständigt, sich verändert
hat. Im säkularen Sprachgebrauch heißt das etwa bildlich die eitrige Entzündung
um eine Wunde, nämlich als Folge einer Verletzung, die bis zu der Heilung die
Physis gewissermaßen beherrscht.
Die hier in Angriff genommene Untersuchung geht zunächst davon aus, daß ein
Widerspruch in dem Sprachgebrauch des Säkularismus - oder dem einer anderen
Häresie - auch nur ein Widerspruch ist, und das Böse auch dort Böse. Zumindest
müßte aber die Überlappung der jeweiligen Begriffsinhalte für die einleitende
Verständigung reichen, und der babylonischen Sprachverwirrung (1 Mose 11,1-7)
in der Forschung, durch kulturelle Entfremdung durch sog. Paradigmenwechsel und
Aushöhlung der herkömmlichen Begrifflichkeit, soll erst später gedacht werden.
Oder anders ausgedrückt: kann zumindest das Böse auch außerhalb dem - von der
Kirchentradition entwickelten - theologischen Sprachgebrauch begrifflich
adäquat erfaßt, und damit der Macht des agnostischen Naturalismus(185) und aufklärerischen Gnosis entrissen
werden. Das größere Übel ist nämlich der innere Feind, das die Kirchen
unterwanderte und aushöhlende Böse. Soweit also die Arbeit auch ein
apologetisches Ziel verfolgt, dann etwa durch die Reklamierung der Freiheit im
Namen einer höheren Gerechtigkeit, das Übel wieder beim Namen nennen zu dürfen,
ohne dafür diskriminiert und verfolgt zu werden. Deswegen soll auch in der
Untersuchung - gegen den Strom schwimmend - das Böse konsequent Böse geheißen
werden, und die ehedem gebräuchlichen prämodernen Synonyma wie Teufel, Satan,
Luzifer als legitime Termini wieder eingeführt werden. Die nämliche Renaissance
der unmodernen Begrifflichkeit des Übels sollte nunmehr die Teufelskunde soweit
revolutioniert haben, daß dem Forschungsfeld sodann zu Leibe gerückt werden
kann.
1.11. Das Nichtsein
Durch die Moderene wurde die von der Aufklärung unterschwellig eingeführte babylonische Sprachverwirrung (1 Mose 11,1-7), und damit die vorgeblich permanente Aufklärungsbedürftigkeit in der sog. Metaphysik so konserviert, daß es schwer fiele von keiner absichtlichen Täuschung über den Zugang zur Philosophie, und zu der von der Philosophie dergestalt vereinnahmten Theologie, zu sprechen. Kurz gesagt - geht es der aufklärerischen Moderne um die methodische Leugnung des Wesens und Grundvoraussetzung der antiken Philosophie und Metaphysik, nämlich um die Leugnung der vom Übernatürlichen als Primärursache bestimmten Natur(186), die Leugnung der Ordnung der von dem Mentalen her bestimmten Physis, indem das Übernatürliche als Primärursache generell geleugnet wird(187). Paradox und quantitativ ins Unermeßliche Aufgebläht ist die Problematik deswegen, weil diese Aushöhlung, Entfremdung und Zerschlagung der antiken Philosophie heuchlerisch im Namen der nämlichen Philosophie und mit dem pathetischen Erbanspruch der Erbschleicher geführt wird(188), die sie sozusagen buchstäblich "ins Jenseits befördert", sozusagen transzendiert haben (was sie leugnen). Diese heuchlerische Pseudophilosophie und Pseudometaphysik(189) der aufklärerischen Moderne, die sich auch noch zynisch Transzendentale Philosophie nennt(190), das betrügerisch erschlichene Erbe der klassischen Metaphysik mit zwei - allenfalls drei - sich ergänzenden Methoden an, indem das (früher Immaterielle genannte) Übernatürliche:
Gänzlich als Wirklichkeit(191) geleugnet
wird (Naturalismus)(192).
Nach dem Schema der platonischen Dreiteilung des Übernatürlichen, Psyche,
Polis (Staat) und Kosmos(193) (Universum), die
Beiden letzteren, also das autonome Mentale des Sozialen und Kosmischen, so als
Wirklichkeit geleugnet werden, daß sie als Projektion, oder Teil der
menschlichen Psyche(194) hingestellt werden
(Subjektivismus)(195).
Eine "agnostische" Übernatur(196) (rational a priori oder spekulativ immanent) so vorgespiegelt wird, daß ein unabdingbares Sekundärwesen als Mittler (zumeist Demiurg(197) genannt) dazwischengeschoben und als der menschlich erkennbare Schöpfer (mit dem Anspruch, Gott der Religion schlechthin zu sein) so vorgetäuscht wird, daß dann in der pantheistischen (monistischen) Perspektivierung die Übernatur als Imagination mit der Natur ineinsgesetzt wird(198) (Gnostizismus/Agnostizismus).
Diese Dreiteilung entspricht übrigens der schon aufgezeigten Platonischen Gliederung
der Metaphysik, bzw. des Metaphysischen, in Psyche, Staat (Polis) und Kosmos(199) (Universum), so daß die übergreifende
Argumentation in den drei Gruppen ebenso wenig schwer fällt, wie die Abgrenzung
des Naturalismus gegenüber der Aufklärung oder Universalismus, weil sie die
drei Ebenen der gleichen Gnosis schlechthin sind.
1.11.1. Das Nichts
Nichts beleuchtet im Lichte der natürlichen Vernunft die metaphysischen Zusammenhänge rund um das Sein als (ontologischen) Zentralbegriff mehr, als die Genese und Metamorphosen des Begriffes des Nichts, und die des Nichtsein(200). Ausgangsposition in dem hier gesuchten Zusammenhang rund um das Böse ist die Rezipierung und gänzliche Umdeutung des neuplatonischen Begriffs des Nichts durch Augustinus, die für den theologischen Sprachgebrauch ausschlaggebend gewesen wurde(201). Augustinus prägte der Theologie nach ihm mit seiner Auffassung von Gott als dem höchsten Sein, "daneben", bzw. dem gegenüber das Nichtsein oder Nichts keinerlei Substanz hatte(202), die bis heute für authentisch gehaltene theologische Interpretation auf. Der Tod der Seele ist - augustinisch - die Abwendung von Gott (Sein) zum Nichts(203) (Nichtsein). Weil die Sünde nichts ist, werden auch die Menschen zu Nichts, wenn sie sündigen. Diese These Augustins von dem Nichtigkeitscharakter der Sünde wurde in der protestantischen Orthodoxie wieder aufgenommen und kontrovers diskutiert(204).
Die nachvollziehbare metaphysische Genese des Begriffes Nichts geht wohl auf
des Parmenides ebenso simples wie offenbares «Nichts ist nicht» zurück(205), und wird zum ersten Mal erkennbar zum
Problem in dem nichtmetaphysischen "Nichts als Leere" der Atomisten
gegenüber dem eleatischen "Nichtsein ist nicht", wobei Platon die
(sprachlogisch bedingte) gedankliche Abstraktion und Reflexion scheinbar (nur
verbal) zum Reich des Nichtseins, wenngleich auch nur zur Hälfte, erklärte(206). In dem von einem gewissen David
aufgezeigten Gegensatz zwischen Platon und Aristoteles, wonach Platon das Nichtsein
als das verstanden habe, was weder gedankliche oder vorstellungsmäßige noch
aktuelle Existenz hat, umfaßte nach Aristoteles dieser Begriff all das, was
keine aktuelle Existenz in der Naturwirklichkeit, aber doch ein Sein in
Gedanken oder in der Einbildungskraft hat(207).
Soweit erstens das Sein oder Nichtsein die zentralen Begriffe der Metaphysik
sind(208), und zweitens die Metaphysik als das
Herz- oder Hauptstück der Philosophie gilt(209),
kann an der Entwicklung der nämlichen Begrifflichkeit rund um das Nichtsein als
an dem Begriff die Geistesgeschichte besser abgelesen werden(210),
als an dem Begriff des Seins. Aus dem logischen Gesichtspunkt ist klar
erkennbar, daß je nach dem ob das Sein, und dementsprechend das Nichtsein,
entweder ausschließlich auf die natürliche Wirklichkeit (Dinglichkeit, das ist
in der philosophischen Fachsprache der gedanklichen Reflexion als "Gegenständlichkeit"
terminologisiert), oder aber auch auf die Abstraktion bezogen wird, die im
Denken eine doch andere, reflektierende (bildliche) Wirklichkeit hat. Es ist
erstaunlich, wie viele Varianten diese - lediglich abgezählt zwei - Komponente
hervorzubringen vermochten, aber alles Metaphysische und damit Philosophische
läßt sich auf diese zwei Komponente mit mathematischer Exaktheit zurückführen,
und wird auch mit unablässigem Eifer (unvermeidlich) zurückgeführt(211).
Mit dem Verhältnis zwischen dem Sein in der Natur (einerseits) und dem Sein
im Denken (andererseits) ist nämlich schon eine dritte Komponente aufgetreten,
nämlich das Sein im Verhältnis der Beiden ersteren, die scheinbar zu beliebig
vielen Ableitungen Anlaß gab. Die Unübersichtlichkeit begann aber erst mit der
Übertragung des vorgegebenen Verhältnisses von "natürlichem Ding" und
"gedachtem Ding" auf das Denken selbst (das Denken denken), so daß
mit dem sogenannten Selbstbewußtsein eine vierte Komponente zu der Gesamtbetrachtung
hinzugekommen ist, indem das gedachte Ding zugleich die ursprüngliche Funktion
des natürlichen Dinges (im Denken) übernahm.
Doch wie viele Komponente auch immer eine Rolle spielen, entscheidend war
Platons in manchem mißverständliches "Nichtsein ist" für die
Abstraktion(212), dem dann des Aristoteles
ambivalentes Sein, nämlich einerseits in der Physis (Natur) und andererseits in
der Metaphysis (Übernatur, bzw. jenseitigen Natur), gegenüberstand, neben der
gar kein (platonisches(213)) "Sein des
Nichtsein" geben kann(214). Die
terminologische Umdefinierung von Platons Nichtsein in metaphysisches Sein des
Aristoteles, so daß übernatürliches, bzw. abstraktes Sein nicht
"Nichtssein ist", sondern "jenseits vom Sein ist",
definiert wird(215), ist und bleibt das ganze
Problem der zwar abgeklärten, jedoch von der Subkultur von außen mit manchem
Erfolg (durch Verfälschung) bekämpften Begrifflichkeit bis heute. Aristoteles
hat nämlich die sprachliche Umständlichkeit rund um die Begrifflichkeit, auch
die des Nichtseins, aus der Metaphysik ausgegliedert, bzw. jener
vorausgeschickt, und in seiner Kategorienlehre abgehandelt(216).
Die aristotelische Neudefinierung dient im wesentlichen einer klaren Trennung
zwischen der Denklogik und der Sprachlogik, die ein und das selbe Ding anders
erkennen und reflektieren, aber in der Synthese wieder einheitlich sein müssen
(so wie heute noch von diesen zwei Wegen zur Fassung der Wirklichkeit(217) gesprochen wird).
Wichtig für die spätere Betrachtung ist die Vorbemerkung, daß der
Unterschied zwischen der platonischen und aristotelischen Begrifflichkeit bei
weitem nicht so groß ist, wie es seit dem Neuplatonismus zur Leugnung bis
Pervertierung der Wirklichkeit entfremdet wurde. Zu dem Problem der
Begrifflichkeit kommt noch die unterschiedliche inhaltliche Auffassung vom
Übernatürlichen und Abstrakten, womit die fünfte Komponente, die in der
aufklärerischen Moderne so entscheidende Rolle spielen sollte, in die
Gesamtbetrachtung hineinkäme. Eine Unterscheidung, die von der Aufklärung
(Kant) so wieder rückgängig gemacht wurde, daß das Übernatürliche im Abstrakten
(Apriori) verschwand. Und zwar so, daß dabei die eingangs aufgezeigte
Komponente der unterschiedlichen Begrifflichkeit mißbraucht wurde(218).
Mit den bisherigen fünf Komponenten ist gewissermaßen die erste Runde abgeschlossen
und die Argumentation so im Kreis geschlossen, daß die Deduktion auf einer
neuen Ebene der Wirklichkeit von vorne beginnen kann. Weil bisher alle vier
Komponente zum Bereich des Formalen gehören, kann mit der fünften Komponente
logistisch eine neue, zweite Ebene, die Ebene des Inhaltlichen, eröffnet
werden, so daß die fünfte Komponente in der Gesamtbetrachtung die erste
Komponente der zweiten Ebene ist.
Herrschen nun einmal von Anfang an zwei konkurrierende Begrifflichkeiten in
der gleichen wissenschaftlichen Disziplin, und bedenkt man, daß das menschliche
Denkvermögen so beschaffen ist, um einen einfachen Vergleich für dessen
Begrenztheit heranzuziehen, daß auch der beste Schachspieler nur maximal vier
Züge im voraus denken kann, dann wird dem Hinzukommen der sechsten Komponente
der bisherigen Betrachtung, die zweite Komponente der zweiten Ebene der
Komponenten, nämlich der Unterscheidung vom menschlichen Denken und
übernatürlichen Denken(219), die einfachste
Sache der Welt, für das menschliche Denken einfach methodisch vollends
unübersichtlich (weil nicht unmittelbar nachvollziehbar) und somit der
Haupteingang jeglicher Bewußtseinsmanipulation. Die scheinbare
Unübersichtlichkeit in der modernen Denkdisziplin ist allerdings dadurch
bedingt, daß der moderne Mensch kaum mehr eine Ahnung etwa davon hat, was eine
juristische Person wirklich ist. Selbst für den antiken Denker wie Platon war
es selbstverständlich, daß der Wille, und daher auch das Denken des Gemeinwohls
(Allgemeinheit) eine andere ist, als das Denken und Wollen des Einzelnen(220). Und da kommt die ursprüngliche Differenz
in der Begrifflichkeit rund um das Sein oder Nichtsein im Jenseits zum
Vorschein. Denn so wie die Seele des Einzelnen denkt, so denkt für Platon die
Seele der Gemeinschaft, der Allgemeinheit, und sogar - unabhängig von den
Erstgenannten - die Universalseele des Kosmos jeweils für sich, so wie wir
heute sagen würden, als Person(221).
So wie auf der ersten Ebene die konkurrierenden Begriffe Nichtsein und
Jenseits in dem "Verhältnis" eine zweite Komponente hatten, so hat
die zweite Ebene, nämlich das über sich selbst inhaltlich reflektierende
Denken, in der Unterteilung der wesentlichen Charakteristika der Person,
nämlich Wollen und Denken, bzw. Erkennen, das sind das praktische (rationelle)
Denken und theoretische (intelligible) Denken, ihre dritte Komponente, die in
der Gesamtbetrachtung die siebente Komponente ist. In diesem dritten, bzw.
siebenten Stock der Metaphysik erkennt wiederum der Rationalist, daß das
Nichtsein nicht ist, außer als Abstraktum, so als sei das Abstraktum das
Nichtsein schlechthin, und bleibt in den logischen Denkbahnen seiner
Begrifflichkeit Gefangen. Demgegenüber erkennt auf gleicher Höhe die zwischen
Physik und Metaphysik real differenzierende Intelligenz in dem gleichen
Zusammenhang etwa, daß das jenseits von ihm Denkende, wie der Staat, auch
tatsächlich ist, nämlich unabhängig von der Einbildung der natürlichen Person,
völlig autonom. Profanisierend ausgedrückt geht es darum, ob und wie der Wille
einer juristischen Person wirklich ist, oder man (materialistisch) nur so tut,
als ob. Wenn nämlich der autonome Wille der Allgemeinheit (Staat) wirklich ist,
dann ist das Denken jenseits des Denkens des Einzelnen auch wirklich, und ist
der Einzelne dem Allgemeinen als Mit-Glied nachgeordnet. Dann ist der
Staatsmann ausschließlich als Vollstrecker des staatlichen Wollens tätig, und
selbst als gesetztgebendes Organ versucht er das mental oder ideell Vorgegebene
nachzuvollziehen und umzusetzen, nämlich nicht den Inhalt, sondern bloß die
Form (Gesetz) zu geben. Wenn hingegen der Wille der Allgemeinheit bloß
Einbildung, Konsens, und nicht mehr als die Summe und Produkt von Einzelnen
ist, also die Einheit von den Vielen abgeleitet wird, dann ist der Staat ein
Machtinstrument, dem nicht der Einzelne dient, sondern das dem Einzelnen zu
dienen habe.
Weil Platon schon von drei "metaphysischen" Ebenen, von drei
Vernunftswesen spricht, nämlich Seele, Polis (Staat) und Kosmos(222)
(Natur- oder Weltseele), ist mit dem Denken der Weltseele(223)
die achte Komponente, die vierte Komponente der neuen (zweiten) Ebene, zu
alldem hinzugekommen. Und da erst kommt mit voller Schärfe der ursächliche
Unterschied von platonischem "Nichtsein" (Nichts(224))
und aristotelischem "Jenseits", die jeweils scheinbar das selbe
begrifflich ausdrücken wollen, zum Vorschein, indem die Idee der Schöpfung aus
dem Nichts(225) in die Welt eintritt.
Nirgends kommt so klar und so grundlegend die Unvereinbarkeit des
Platonischen mit dem Neuplatonischen zum Vorschein, wie in der Plotinschen
Neudefinierung der Materie als das "Nichtsein im primären Sinne"(226). In dieser - zumindest aus platonischer
Sicht - verkehrten (perversen) Welt des Neuplatonismus ist jede mit Körper
(Physis) bestückte Seele dem Tod geweiht, indem die materielle Verwirklichung
des Mentalen, das als vorhergehend angenommen wird, den Tod des Mentalen
bedeutet.
Nirgends kommt so klar und so grundlegend die Unvereinbarkeit des
Platonischen mit dem Neuplatonischen zum Vorschein, wie in der Plotinschen Neudefinierung
der Materie als das "Nichtsein im primären Sinne"(227). In dieser - zumindest aus platonischer
Sicht - verkehrten (perversen) Welt des Neuplatonismus ist jede mit Körper
(Physis) bestückte Seele dem Tod geweiht, indem die materielle Verwirklichung
des Mentalen, das als vorhergehend angenommen wird, den Tod des Mentalen
bedeutet. Die Materialisation ist der Tod des Geistes des Neuplatonismus: das
vollkommene Nichtssein des Seins. Das absolute Nichts.
Das Kennen und Verstehen der neuplatonischen Pervertierung der bis dorthin
vielleicht strittigen oder unklaren Wirklichkeit im historischen Kontext, ist
wohl die schlechthinnige Voraussetzung zum Verständnis der abendländischen
Geistes- und Kulturgeschichte(228). Denn
solange der Neuplatonismus nicht kategorisch als absolut mit alles davor und
danach Unvereinbare kritisch erkannt und terminologisch als das philosophische
Gewand der Gnosis(229) bestimmt wird, ist jede
auch nur entfernte Berührung des Themas Neuplatonismus als
pseudowissenschaftlich zu verwerfen. Mit dieser neunten Komponente, und fünften
Komponente der zweiten Ebene, ist die begriffliche Genese rund um das Sein oder
Nichtsein abgeschlossen, und damit auch schon die neue (dritte) Ebene, die
Ebene der Begrifflichen Inflation, eröffnet. Die Ebene der bunten Vielfalt der
sogenannt freien Meinungsäußerungen über das Sein, oder auch Nichtsein, die man
je nach dem, als die Epoche der unentbehrlichen oder entbehrlichen Wichtigkeit
der Philosophen charakterisieren könnte. So erscheint den Einen die Schließung
der (platonischen) Akademie in Athen(230)
(529) als Untat, den anderen als Wohltat durch den christlichen Kaiser.
Auf ebendiese neuplatonische Begriffsbestimmung griff nun der Exmanichäer
Augustinus zurück, um Gott und die Welt des Gedachten und Wirklichen wieder
zurückzupolen, wofür er - oft auch falsch zitiert - von der modernen
Pseudophilosophie fälschlich als bloßer Rezensent der neuplatonischen
Begrifflichkeit hingestellt wird(231), so als
wären seine Änderungen das Neuplatonische weiterentwickelnde Neuerungen. Die
Materie des Augustinus ist nämlich (absichtlich im Gegensatz zum Neuplatonismus)
aus dem Nichts geschaffen, und ist das Nichts (im Sinne von Form ohne Inhalt)
im Reich des geschaffenen Seins auch noch in der Form der Hinfälligkeit,
Verächtlichkeit, Defizienz, Vergänglichkeit, als eine »andere« anwesend. Weil
die Sünde nichts ist, so Augustinus, werden auch die Menschen zu Nichts, wenn
sie sündigen, und der Tod der Seele ist die Abwendung von Gott (der das höchste
Sein ist) zum Nichts(232)(zum Nichtsein), also
genau gegenteilig als bei den Neuplatonikern(233).
Die nächste Etappe ist die Rezipierung von Dionysios Aeropagita durch Thomas
von Aquin(234), der dem Neuplatoniker Proklos
folgend Gott nicht nur als Jenseits vom Sein expliziert, sondern von da
ausgehend auch als Nichtsein des Seins(235).
Während die Frühscholastik (besonders Anselm von Canterbury) die Augustinische
Terminologie weitgehend übernimmt, wird das neuplatonisch-gnostische
Verständnis der Schöpfung aus dem Nichts in der jüdischen Kabbala rezipiert und
von Jakob Böhme vermittelt; von diesem übernahmen die Pietisten (Oetinger) und
Aufklärer (Baader, Fichte und Cohen u. a.)(236).
Anselm zeigt den logischen Zusammenhang auf, wonach etwas negativ als Nichtsein
nur erkannt werden kann, wenn es zuvor schon als positiv (Sein) erkannt worden
ist. Daraus folgt aber schlüssig, daß das Negative (Böse) nicht geleugnet
werden kann, ohne implizit, d. h. vorher das Gute (Gott) verleugnet zu haben.
1.11.2. Das Unkategorische
Die "eine" Substanz in der aristotelischen Schrift über Metaphysik
und die "zwei" (bis "viele") Substanzen in der
aristotelischen Kategorienschrift(237)
scheinen - beim ersten Hinsehen - miteinander wohl deswegen nicht vereinbar zu
sein(238), und ließen daher zu Unrecht an der
Echtheit der aristotelischen Kategorien in der Neuzeit aufkommen (eigentlich
ließ die Neuzeit künstlich die nämlichen Zweifel(239)
wieder aufkommen), weil die seiende Substanz der Metaphysik nicht ident mit der
prädikativen Substanz der Kategorien sein kann(240),
und die Moderne durch Umgehung des Substanzbegriffs das Sein (zugunsten des
Nichtseins) aus der Welt schaffen möchte (weil das Sein traditionell das
Gute/Gott ist). Auch die Wirklichkeit wird in den Naturwissenschaften und
Geisteswissenschaften verschiedentlich angenähert und interpretiert, nämlich
einerseits dem Sein (Dasein) nach, und andererseits dem Wesen (Sosein) nach(241), also entweder ontologisch (metaphysisch)
oder phänomenologisch (empirisch, zugespitzt im Positivismus)(242):
d. h. entweder nach dem Dasein, oder aber nach dem Sosein (Wesen) beurteilt(243), wobei nur das Dasein (in der Aussage) die
Primärbestimmung sein kann und das Sosein (in dem sprachorientierten Denken)
stets nur Sekundärbestimmung ist(244). Diese
Zweiteilung hat allerdings den Subjektivismus der Moderne nicht daran
gehindert, durch die Absolutsetzung der Sekundärbestimmung beide Wirklichkeiten
unwiderruflich zu "verlieren"(245).
Sozusagen einen Bogen (auf krummen Wegen) um die Wirklichkeit machen.
Zum Verständnis muß die Grundlage der klassischen (aristotelischen)
Metaphysik vergegenwärtigt werden, wonach Metaphysik von der gegenseitigen
Bedingtheit von Wirklichkeit, Denken und Sprache im menschlichen Erkennen
ausgeht(246), und diese seine Grenzen nicht
"wirklich" transzendiert(247). In
der Frage der Substanzen geht es - simpel ausgedrückt - um die der Sprache (und
folglich dem begrifflichen Denken) innewohnende Gesetzmäßigkeit, wonach die
gleiche Wortbedeutung funktionell (im Syntax) entweder als Subjekt(248) oder als Prädikat ("Objekt")
verwendet werden kann, jedoch so im Syntax (je nach der Stellung im Satz,
relativ zum Verb) grundverschiedene Bedeutungen hat. In den zwei (schematisch
"X ist Y") Beispiel-Sätzen:
"Das Organische ist leben(dig)" ("Organisches ist
Leben")
"Das Leben ist organisch" ("Leben ist Organisches")
sind beide Satzsubjekte (als Begriffe) - im Syntax vertauscht - jeweils einmal als Subjekt und einmal Prädikat ("Objekt") verwendet worden: das erste Wort, bzw. der erste Halbsatz(249), »"X" ist ...«, ist eine ontologische (daseinsmetaphysische) Aussage, während der zweite Halbsatz, »... ist "X"«, oder »... ist "Y"«, ist keine ontologische sondern (prädikativ) kategoriale (soseinsmetaphysische) Aussage(250). Die zitierten aristotelischen Unterschiede in den Subjektbestimmungen, metaphysisch (ontologisch) oder kategorial, sind also solche, die eine Substanz entweder seinsmäßig (ontologisch) als Subjekt(251) (seiendes Sein), oder kategorial als Prädikat (als Wesen) fassen. Der Begriff "Substanz" als (inhärentes) Subjekt(252)der jeweiligen Aussage ist (durch sich) selbst bestimmt (faktisch), während der (gleiche) Begriff "Substanz" als Prädikat der Aussage nicht selbst bestimmt ist, sondern bestimmend: also (nicht naturwissenschaftlich, sondern sprachlogisch) eine (gleichsam virtuelle) "zweite Substanz", die nur relativ zu der "ersten Substanz" (denklogisch und sprachlogisch dadurch bedingt) "ist"(253). Die Ontologie (Seinslehre) der Metaphysik hat direkt das Bestimmte (Sein) an sich zum Gegenstand, während die Kategorien als Prädikate (Wesen), nämlich als die (wesentlich) Bestimmenden, indirekt das Bestimmte (das Sein) - durch Näherbestimmung - "ermöglichen", nämlich dem Erkennen (indirekt) zugänglich machen sollen(254). Alles was ist (daseinsmetaphysisch), so auch die Substanz (als seiend), ist "einfach"(255). Während alles sprachlich und erkenntnistechnisch vom Sosein her angenäherte, und so (begrifflich-erkenntnismäßig) abhängig gemachte Dasein, so auch die Substanz, ist (soseinsmetaphysisch) mindestens zweifach(256), also immer vielfach(257). In der obigen Aussage im Beispielsatz, daß "das Organische ist X", bezeichnet "das Organische ..." (begrifflich) eine einzige "einfache" Substanz, während in der Aussage, daß "X ist organisch" steht (begrifflich) der einfachen Substanz des "X" die "zweite Substanz" des Organischen der Aristotelischen Kategorielehre gegenüber. Substantiviert (ontologisch) kann es also immer nur eine einzige einfache Substanz (in der Begriffswelt der Sprache) geben(258), während prädikativ (wesenhaft) muß es - sprachlogisch - mindestens zwei einander zugeordnete (in Beziehung gestellte) Substanzen geben(259), nämlich die Substanz des Beschriebenen (Prädizierten) und die Substanz des Beschreibenden (Prädikativen), deren Identität (Einfachheit) unmöglich prädikativ (kategorial), sondern nur ontologisch (metaphysisch) behauptet, ausgesagt werden kann. Wenn also - beispielsweise in einer "X = Y" Identitätsaussage - auch nur von einer einzigen "einfachen" naturwissenschaftlichen Substanz die Rede ist, kann unser sprachlogisch orientiertes erkennende Denken nur von zwei Substanzen ausgehend optional auf die Einfachheit der zwei - oder mehreren - Substanzen zugehen, indem die Aussage der Einfachheit (Identität) zweier Substanzen (sprach- und denklogisch) die zwei Substanzen (die sodann ineinsgesetzt werden) voraussetzt. So mußte die Kategorienlehre des Aristoteles von der "zweiten Substanz", während die Metaphysik des gleichen Aristoteles von einer einzigen Substanz ausgehen(260), weil er das erkennende Denken an die Sprachlogik gekoppelt hat, bzw. so voraussetzt.
Mit Hilfe dieser Einsichten, kann die Daseinsmetaphysik als Ontologie,
während - davon begrifflich (als Teil) abgegrenzt - die Soseinsmetaphysik, auch
(und insbesondere) wenn sie die Erkenntnisfähigkeit oder die Ontologie selbst
zum Gegenstand hat, als die Negation der Ontologie bezeichnet werden(261). Ebenso kann die Kantsche Revolution der
Metaphysik und die von ihm in Anspruch genommene (aber neuplatonische)
Begriffskreationen wie "Onto-Theologie"(262),
als die Negation der Ontologie und Theologie, aber auch der sogenannten
Ontotheologie somit näher bestimmt werden. Denn die revolutionäre
Errungenschaft Kants kann einfachst so zum Ausdruck gebracht werden, daß er die
Soseinsmetaphysik absolut setzend die Daseinsmetaphysik faktisch, und damit die
Möglichkeit der Ontologie als Fassung der Wirklichkeit, global, selbst für die
Naturwissenschaften, abgeschafft, ad absurdum geführt hat. Die erkennende
Vernunft wird heuchlerisch so absolut gesetzt(263),
daß sie praktisch nur als sklavisch abhängig von den Sinnen, und weniger von
der Wirklichkeit Natur (Physis), überhaupt eine Existenzberechtigung zugewiesen
bekommt(264). Die ad absurdum geführte
Daseinsmetaphysik wird von Kant kartesianisch durch die absolutgesetzte
Soseinsmetaphysik so ersetzt, daß nunmehr die Wirklichkeit vom Erkennen, und
nicht das Erkennen von der Wirklichkeit bestimmt wird (Subjektivismus, bzw.
Weltanschauung statt Weltbild). Dieser aufklärerische Teufelskreis, mit dem
menschlichen Erkennen (als die vorgeblich einzige wirklich verifizierbare
Wirklichkeit seit Descartes) im statischen Mittelpunkt, um das herum sich das
natürliche Universum des dinglich Wirklichen zu drehen hat(265),
kann in dem Terminus "Weltanschauung" begrifflich gefaßt werden.
Kants vorgeblich neue Metaphysik und Onto-Theologie ist also eine salonfähig
gemachte Weltanschauung mit dem obligaten (der Weltanschauung innewohnenden)
Absolutheitsanspruch, der in der diesseitigen (pseudometaphysischen und damit
faktisch antimetaphysischen) Betrachtungsweise jeglicher Weltanschauung als
Machtanspruch zu verstehen ist.
Anhand der hier aufgezeigten Denkvoraussetzungen kann auch - in der
historischen Betrachtungsweise(266) - der
unheilbare Bruch der Aufklärung mit der klassischen Metaphysik aufgezeigt, und
die Aufklärung als Verfechter einer Pseudometaphysik und Pseudophilosophie
nachgewiesen werden. Die schon zitierte Kantkritik Oehlers zeigt einige
markante Reibungsflächen auf:
"Der Anfang des Kategorienproblems ist nicht identisch mit dem
Anfang der Philosophie. Erst als das Denken sich selbst als Gegenstand
entdeckte und sich der Beziehung zwischen Sein, Denken und Sprechen bewußt
wurde, begann die Untersuchung der Formen des Logos, der in der für
griechisches Welterleben charakteristischen Weise beides ist; Sprache und
Gedanke. In Zusammenhang mit der Reflexion auf Strukturen des Logos entstand
das Kategorienproblem, das fortan die Philosophie als eines ihrer Hauptprobleme
begleitete, und zwar so konstant, daß seitdem an der Geschichte des
Kategorialproblems die Geschichte der Philosophie ablesbar ist."(267)
Die Entwicklung in der Antike gipfelte in der weiteren, allerdings
unzulässigen, Differenzierung der Kategorien durch den Neuplatonismus (Plotin),
die sowohl Aristoteles wie auch Platon pervertiert(268).
Platons Zweiweltenlehre (das Mentale und das Materielle(269))
wurde von Plotin dergestalt mit dem aristotelischen Gegenüber von Metaphysik
und Kategorienlehre synkretisiert, daß er für die sogenannte sichtbarte Welt
(reduziert) die Kategorien des Aristoteles beibehielt, und für die denkbare
(unsichtbare) Welt die "obersten Gattungen" des Platon als Kategorien
(des Denkens) adaptierte(270), bzw.
entfremdete. Damit hat Plotin der Philosophie sozusagen ein Ei gelegt, das -
von Simplikios kritisch verworfen - erst von Plotins Schüler Porphyrios
ausgebrütet(271), von Augustinus als
ungeeignetes Instrumentarium beiseite geschoben(272),
bzw. abgeschafft, fortan bis zu der spekulativen Philosophie des deutschen
Idealismus das Geschehen in der Philosophie bestimmend geprägt hat, weil im
lateinischen Mittelalter die gängige Übersetzung der Kategorienschrift des
Aristoteles von dem Kommentar des (Übersetzers) Boethius zur Porphyrios
begleitet wurde(273), während die Kirche sich
theoretisch stets an Augustinus orientierte. Noch "Thomas von Aquin geht bei
seiner Deduktion der Kategorien von der prinzipiellen Parallelität von Sein,
Denken und Sprache aus und begründet so, indem er die Seinsweisen (modi
essendi) den Aussageweisen (modi praedicandi) entsprechen läßt, mit den Arten
der Prädikation die Anzahlt der Kategorien. [...] Für die Geschichte der
Kategorienlehre in der Folgezeit war im Mittelalter der wichtigste Schritt die
allmähliche Außerkraftsetzung des Parallelismusschemas von Sein, Denken und
Sprache."(274) Der Dammbruch erfolgte in
der Bezeichnung der "Kategorien als Bezeichnung der Bezeichnung"
durch Ockham(275). "Dieser Ansatz hat
nicht nur Folgen auch für das Verständnis von erster und zweiter Substanz,
sondern auch für das Verständnis von erster und zweiter Substanz selbst, denn
»die ersten Substanzen sind nicht Gegenstände, die den zweiten Substanzen
wirklich subsistieren, sondern sie sind Gegenstände aufgrund der Prädikation«
(substantiae primae non sunt subjectea realiter subsistentia substantiis
secundis, sed sunt, subjecta per predicationem, Wilhelm von Ockham, S. Logica I
42, 122-124). Ockhams Unternehmen, die Kategorien zum integrierenden
Bestandteil der Konstitutionsleistung des Subjekts des Erkenntnisvorganges zu
machen und ihren systematischen Ort im Denken, im Geist des Menschen
auszumachen, weist bereits über sich hinaus auf die neuzeitliche
Erkenntnistheorie, insonderheit auf die transzendentalphilosophische
Erkenntniskritik Kants, in der sich der Status des Kategorienbegriffes
entscheidend verändert durch die Bestimmung der Kategorien als reine
Verstandesbegriffe."(276) Nach der
wechselvollen Entwicklung(277)erreicht (über
Descartes) also in Kants Kritik der reinen Vernunft (1781) die
Diskussion ein neues Niveau(278). "Das
Hauptwerk Kants bedeutet auch in der Geschichte der Kategorienlehre eine Zäsur
und teilt diese Geschichte in eine vorkantische und eine nachkantische. Nach
der Grundlegung der Kategorienlehre durch Aristoteles ist die Neufassung
derselben durch Kant das zweite große Ereignis in dieser Geschichte
gewesen."(279) Der ganze Kunstgriff
Kants, alles bisher in der Philosophie Dagewesene außer Gefecht zu setzen, und
etwas (vorgeblich) noch nie Dagewesenes (und natürlich alles Überragendes) von
sich selbst zu behaupten(280), war, den
vielzitierten Parallelismus von Sein, Denken und Sprache(281)
über Bord zu werfen(282), und der - nach der
Sprachstruktur orientierte Kategorienlehre - als unzulängliche Denkstruktur der
Klassik zu disqualifizieren(283), damit die
Kategorienlehre mitsamt wohlverstandener Philosophie und Metaphysik
abzuschaffen(284), um schließlich die
Kategorien im - ohne die traditionellen Korrelationen - isolierten Denken als
deplaziert zu konstatieren. Kant schritt sodann zu der Begründung seiner alternativen
Kategorienlehre, die, so versichert Kant, als "bloße
Gedankenformen" die "Bedingungen der Möglichkeit der
Objektivität zu Ordnungsbegriffen in Bezug auf die erfahrbare Welt"
abgäben(285). In der Neuschöpfung der Kategorienlehre
imitiert Kant formal das Vorbild des Aristoteles(286),
um dem neuzeitlichen Denken (Aristoteles vollinhaltlich widersprechend) drei
grundlegende Unterschiede zu dem klassischen (antiken) Denken zugrundezulegen: "(1)
das Problem des Ursprungs, (2) der Nachweis der Vollständigkeit und (3) die
Rechtfertigung der Kategorien als Bedingungen der Objektivität der Erfahrung.
[...] Daß Kant bei diesem gewaltigen Unternehmen an für ihn zentralen Punkten
aus heutiger Sicht scheiterte, ist eine andere Sache, wenn auch eine Tatsache.
So fällt letzten Endes Kants Kritik an Aristoteles, dieser habe die Kategorien
zu »rhapsodisch« aufgerafft (KdrV B 107), in gewissem Sinne wieder auf Kant
selbst zurück; denn sein Versuch, die Kategorien aus einem Prinzip abzuleiten,
und zwar mit Hilfe einer für vollständig gehaltenen Urteilstafel, gilt als
mißlungen, und auch die Konsistenz der viel von ihm aufgestellten
Kategoriegruppen sowie das Verhältnis der drei Kategorien in jeder der vier Kategoriengruppen
zueinander ist alles andere als »artig« (Proleg. ' 39), wenn auch nicht, das
sei eingeräumt, ohne »eine gewisse Schönheit« (Proleg. ' 39). Aber nicht nur
die Systematik der Kategorien ist Problematisch. Nimmt man mit Kant an, daß die
Identität des Selbstbewußtseins die Notwendigkeit der Kategorien begründet, so
gilt diese Notwendigkeit doch nur für Kategorien allgemein, denn warum es genau
nur die in der metaphysischen Deduktion enthaltenen Kategorien sind, die als
Kategorien sollen gelten können, wird in der transzendentalen Deduktion gar
nicht bewiesen. Der Anspruch der Vollständigkeit ist nicht erst aufgrund der
Weiterentwicklung der Logik unhaltbar; er ist schon gemessen an Kants eigenen
Maßstäben."(287) Dementsprechend
turbulent ging es bei den immer mehr zum Flickwerk entartenden Versuchen in der
Nachfolge Kants zu. Wie es sich bei Hegel zeigt, war "der Gedanke
Schellings (1800) folgenreich, daß die Funktionalität der Kategorien nicht
verstehbar ist, solange man sie auf den bloßen Gegensatz zwischen logischen
Begriffen und sinnlicher Anschauung beruhen läßt. Hier bahnt sich das Hegelsche
Verständnis des Kategoriebegriffes an, das sich von dem Gedanken der
Selbstkonstitution des endlichen Bewußtseins löst und die Kategorien als
Grundbestimmungen des absoluten Wissens begreift. [...]Die Kategorien werden zu
Strukturmomenten des absoluten Wissens, das als sich selbst bestimmendes Denken
sich selbst zum Gegenstand hat(288) und sich
dabei mittels der Kategorien in verschiedenen Weisen der Gegenstandsbeziehung
bewegt. [...] Als die wichtigste Konsequenz der Hegelschen Kategorienlehre
erscheint die Aufhebung des Unterschiedes von Verstandesbegriff und
Anschauungsform, indem die Momente der reinen Anschauung und des reinen
Begriffs in den Gesamtprozeß der sich begreifenden Vernunft vollständig
integriert werden. Damit hängt zusammen, daß die Kategorien nicht mehr, wie bei
Kant, Intentionsgeltung für Objekte haben, sondern in dem Prozeß der sich
selbst vermittelnden Subjektivität nur noch auf sich selbst bezogen werden, d.
h., sie verlieren ihren logischen Status im erkenntniskritischen Sinne. [...]
Das gilt auch für die zahlreichen weniger gewichtigeren Entwürfe einer
Kategorienlehre, die im Kielwasser der großen Systeme der Deutschen Idealismus
entstanden. Ihnen allen ist gemeinsam, daß ihre spekulative Phantasie sich
immer weiter entfernt von der Beantwortung jener Grundfrage, auf die die
Kategorienlehre ihrer ursprünglichen Ansicht gemäß eine Antwort zu geben
versuchte, nämlich der Frage nach der Genese und Struktur unserer Erfahrung im
Zusammenhang von Sein, Denken und Sprache."(289)
Als Ergebnis dieser Bestrebungen kann - außer der anrollenden historischen und
sprachkundlichen Erforschung(290) der
allgemeinen Begriffsverwirrung infolge der Aufklärung - die mitunter
gegenteilige Umwandlung bislang gebräuchlicher Begriffe, wie z. B. die der
Kategorien(291), deren eigentliche Bedeutung
auch in der Gelehrtensprache erblaßt ist. Im Mittelpunkt dieser Umpolung von
Gott und die Welt steht aber immer Kant, in Vergleich zu dem ein Hegel zwar als
der große Verwirklicher dasteht, gleichsam als die Manifestation des Kantschen
(auch und gerade als Anti-Kantsches), mit allenfalls anwendungsbedingten
Modifizierungen, nicht jedoch als der "Unbewegte Beweger"(292), nicht als (statischer) Urheber, der alles
nur sola Kant sein konnte. Auch die zentralsten Begriffe der
Aufklärung wie Vernunft hat Kant umgedreht, und mit dem Verstand bleibend
vertauscht(293). "Im deutschen
Sprachgebrauch ist von Meister Eckehart, Luther u. a. bis ins 17. Jh. und noch
darüber hinaus Vernunft die Übersetzung für ratio, Verstand die Übersetzung für
intellectus. Nach dem Vorgang der Aufklärungsphilosophen war es besonders Kant,
der die Bedeutungen von Vernunft (ratio) und Verstand (intellectus) umkehrte,
indem er dem Verstand die Konstituierung der Erfahrung auf Grund der
Sinneseindrücke und der Kategorien zuschrieb, der Vernunft aber als dem »oberen
Erkenntnisvermögen« die Ideenerkenntnis und die Bildung der metaphysischen
Begriffe zuwies. »Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da
zum Verstande, und endigt bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns
angetroffen wird« (Kritik der reinen Vernunft B 355). Die Idee einer
intellektuellen Anschauung, eines intuitiven »urbildlichen Verstandes
(intellectus archetypus)« wird von Kant nur als »Dagegenhaltung« gegen den
diskursiven menschlichen, »der Bilder bedürftigen« Verstand (intellectus
ectypus) bestimmt (Kritik der Urteilskraft ' 77). Nach Kant kommt diese
Anschauung nur Gott zu. Obwohl Kant bezüglich seiner Lehre von der
intellektuellen Anschauung die Nachfolge versagt blieb (vgl. Goethes Aufsatz
»Anschauende Urteilskraft«, 1817), ist die Umkehrung des Verhältnisses von
Vernunft und Verstand in der deutschen Philosophie nach Kant beibehalten
worden. Ausnahmen von dieser Erscheinung sind vor allem Fr. Schlegel und
Schopenhauer, die an dem älteren Sprachgebrauch bewußt festhielten. Für Hegel,
der die Kantische Umkehrung nachvollzieht, ist die Vernunft das Vermögen des
dialektischen Denkens der lebendigen Ganzheit und Einheit der Gegensätze im
Unterschied zum fixierenden, festlegenden, isolierenden, gleichsam tötenden
Verstand. Seit Hamman und Herder bezeichnet Vernunft auch das Vermögen des
Vernehmens und Empfangens des Transzendenten, Ewigen und Göttlichen. In der Gegenwart
ist eine zunehmende Unsicherheit im distinkten Gebrauch der Ausdrücke Vernunft
und Verstand deutlich spürbar. Diese Unsicherheit hat zwei Ursachen: einmal
historisch die ziemlich willkürliche Umkehrung des traditionellen Verhältnisses
der Bedeutungen beider Ausdrücke durch Kant, zum anderen sachlich der Umstand,
daß das Wissen um die ontischen Sachverhalte, die ursprünglich das
philosophische Denken zum Ansatz dieser beiden geistigen Vermögen veranlaßte,
mehr und mehr aus dem philosophischen Bewußtsein unserer Zeit entschwunden ist.
Dieser begriffsgeschichtliche Tatbestand steht in einem eklatanten
Mißverhältnis zu der Aktualität bestimmter erkenntnistheoretischer Fragen in
der modernen Physik."(294) Selbst
wenn die betrügerischen Absichten Kants nicht als bekannt gelten würden, ist
davon auszugehen, daß der gewillkürte Paradigmenwechsel von ihm keineswegs
irrtümlich, sondern mit einer bestimmten - über terminologische
Spitzfindigkeiten hinausreichenden - Absicht konsequent durchgeführt wurde,
also Kant nicht etwa seine Weltanschauung nach seiner selbst erschaffenen
Begriffswelt (Terminologie), sondern vielmehr seine Begriffswelt nach seiner
Weltanschauung (neu) erschaffen hat. So ist auch verständlicherweise die
Kantsche Unterteilung der Vernunft in theoretische (intelligible) und
praktische (Wille), wobei er der nach dem Willen ausgerichteten praktischen
Vernunft das Primat zuspricht(295), inhaltlich
im Widerspruch mit der Absolutsetzung der Vernunft(296).
1.11.3. Das Unverwechselbare
Die von Kant "verwechselten", bzw. vertauschten Begriffe
"Vernunft" und "Verstand" sind gerade - in einer neuerdings
von der Subkultur heuchlerisch postulierten ganzheitlichen Betrachtungsweise -
offenbar ein mindestens so großer Schwindel in der Philosophie, wie die
Parusieverschiebung (d. i. Parusieverzögerung) in der Theologie. Es scheint
auch, daß die aristotelische Unterscheidung zwischen Seinslehre (Metaphysik)
und Kategorienlehre eben jenen Unterschied zwischen Intellekt und Ratio im
Gesamtkontext meint. Der Naturalismus und hieraus (geistesgeschichtlich)
resultierende Natürliche Religion (Deismus) der Aufklärung, auf jeden Fall
jedoch Kant, hat mit der vorgeblichen Fixierung auf die Empirie, mit der
Sinneswahrnehmung als einzige (objektive) Informationsquelle (von der
Wirklichkeit her), die vermittelte Information in der begrifflichen Abstraktion
unzulässig ausgeblendet.
Kant spricht da einerseits von der sinnlichen Wahrnehmung (Empirie) und
andererseits von den Apriori(297), womit das
Repertoire an - der Wirklichkeit adäquaten - Information an Denkbaren angeblich
erschöpft sei, aber gerade die Methode der so unlauter Verschwiegenen
vermittelten (begrifflichen) Information wendet er selbst an. In Wirklichkeit
sind die sogenannten Sinneswahrnehmungen auch eine Art Informationsvermittlung,
so daß die begrifflich wahrgenommene Sprache, nämlich weder als "nur"
Ton (Phonem), noch (in der Schriftsprache) als "nur" Bild (Graphem),
sondern eine eigene ebene der Wahrnehmung (mittels Begriffe), ebenfalls zu den
Sinnen gehört, bzw. ist (als Wort - oder auf Griechisch - Logos, vgl. Joh
1,1-14; Off 19,13) der Sinn schlechthin. Selbst Kant spricht vom inneren Sinn(298), von der Vernunft, reduziert aber so alles
auf die (rationelle) Reflexion über die Sinneseindrücke einerseits und von den
Apriori her (als technische Voraussetzung der Reflexion über das empirisch
Wahrgenommenen) andererseits, daß von ihm der ganze (intelligible) Sinn des
Denkens auf der Ebene der Begrifflichkeit unzutreffend und unzulässig auch als
Reflexion qualifiziert, bzw. als Reflexion vorausgesetzt wird. Damit geht der
Kantianer der Wahrnehmung mittels Begriffe der intersubjektiven Kommunikation,
und damit der eigentlichen Wirklichkeit der zivilisierten Gesellschaft im
weitesten Sinne, unwiderruflich (gewissermaßen a priori) verlustig(299).
Man kann vielleicht Intellekt und Ration mit den Bedingten und Unbedingten
Reflexen in Beziehung bringen, in dem die Sprache (mechanisch) ein Bedingter
Reflex, aber ein Reflex ist, während die sogenannten Sinne unbedingte Reflexe
darstellen. Nicht zufällig spricht man vom Denken als von der Reflexion
schlechthin(300). Unser Denken ist eine
Organfunktion, und kann Begriffe sowohl wahrnehmen, wie auch mit ihnen umgehen,
sie reflektieren. Für Kant aber ist verbal alles über die (in der
Sinneswahrnehmung eingeengte) Empirie und über den (unbewußten/unwillkürlichen)
Apriori Hinausgehende ist reine (seelenlose) Funktionalität(301)(mechanische
Reflexion) ohne sinntragenden Begriffen(302).
Demgegenüber wird dann Hegel den Begriff als den Sinn schlechthin absolut
setzen(303) und geht so gleichsam
spiegelverkehrt der (gleichen) Wirklichkeit verlustig(304),
weil in beiden großen Idolen der Subkultur siegt immer nur die ("bewußte")
halbe Wahrheit. Denn "Begriff(sform)" ist sinnverwandt bis
bedeutungsgleich mit "Kategorie(form)"(305).
Also urteilt Hegel über die offenbare Begriffsstutzigkeit Kants: "Die
Einschätzung des »erkennenden, diskursiven Verstandes« als »das Absolute des
menschlichen Geistes« hat Kant dazu geführt, »dogmatisch« die Möglichkeit der
»Vernunftserkenntnis« zu negieren, wobei er der Vernunft den Formalismus und
die Abstraktion zuschreibt, die dem Verstand eigen sind (W 8,201; vgl. W 2,21;
W 17,228), und wobei er vor allem »das höchst wichtige Resultat« verliert, das
mit der Intuition der notwendigen Widersprüchlichkeit der Bemühungen erreicht
worden war, das Unendliche durch die Kategorien zu bestimmen (W 20,352-63; vgl.
W 5,38-9; W 11,472). Die realistische Auffassung des Widerspruchs - die Idee
der konstitutiven Widersprüchlichkeit des Wirklichen (Landucci 1978, 71) -
liegt gleichzeitig der gegen Kant gerichteten Psychologismus-Anklage und der
Definition des Verstandes als Fähigkeit des abstrakten Bestimmens zugrunde.
Gerade hier, wo es seine Verbindung zum spekulativen Kern der Dialektik
offenbart, beweist das Thema des Verhältnisses von Verstand/Vernunft seine
Zentralität: daß das Endliche den Unterschied in sich trägt, daß es »das andere
seiner selbst« ist; daß diese Negativität - diese »Unruhe«, die das Endliche
über seine Grenzen hinaus treibt (W 5,138) - »der einfache Punkt der negativen
Beziehung auf sich [...], die dialektische Seele« ist, »die alles Wahre an ihm
selbst hat, durch die es allein Wahres ist«; daß »Alles Konkrete, alles
Lebendige« in sich »dieser Widerspruch« ist: dies ist für die »begriffslose
Betrachtung« eines »toten Verstandes« unverständlich, der »die Identität zum
Gesetze erhoben« hat und damit »den widersprechenden Inhalt [...] in die Sphäre
der Vorstellung« hat fallen lassen; daher kann er nicht im »Denken des
Widerspruchs« - durch das »der Gegenstand dialektisch und als anderer bestimmt«
wird - das »wesentliche Moment des Begriffes« erkennen (W 6,560-6; W 17,230-2;
vgl. W 18,100-1; Bodei 1981), erhebt sich die Macht der dialektischen Vernunft,
um das Nichtsein der Verstandesbestimmungen zu beweisen (W 4,90)."(306) Während aber Kant lediglich die zwei Begriffe
Verstand und Vernunft direkt vertauscht, reichert Hegel den gleichen Schwindel
mit einigen spekulativen Varianten an, um durch seine Pseudokritik an Kant
dessen (durch Tausch erschwindelten) Resultate für sich zu reklamieren. Richtig
ist zwar von Hegel einerseits festgestellt, daß Kant Verstand und Vernunft
vertauschte, und daß Kant dadurch der Möglichkeit der Vernunftserkenntnis
(Sinn) dogmatisch leugnen muß, es ist aber andererseits falsch, daß die
nichtvertauschten Vernunft und Verstand das von Kant so verlorene Resultat
zeigten, wonach die Bestimmung des Unendlichen durch die Kategorien nicht
möglich sei. Die Kontrarevolution Hegels gegen Kant bestünde demnach darin,
nicht nur die Resultate durch den Kantschen Tausch der Begriffe, sondern auch die
damit absolut unvereinbaren Resultate vor dem Begriff-Tausch zu versöhnen.
Hegel relativiert also die Unterordnung von Begriffen (im Schema
Unterbegriff-Oberbegriff), die als Teil von Oberbegriffen aufgefaßt werden, und
erklärt (neuplatonisch), daß der Teil (Unterbegriff) die Ganzheit (Oberbegriff)
als sein ganz Anderes in sich trage (wie etwa - neuplatonisch - das Sein das
Nichtsein). Das ist aber im wesentlichen nicht mehr und nicht weniger, als die
bloße pseudokritische Verwischung der Spuren des für Hegel viel zu exakten und
daher viel zu leicht nachvollziehbaren Kantschen Schwindels, nämlich mit dem
Austausch der Begriffe Verstand und Vernunft. Folgerichtig macht also Hegel das
(logisch) Unmögliche (spekulativ) möglich, indem er sich von der (Kantschen)
Selbstkonstitution des endlichen Bewußtseins lösend, die Kategorien als
Grundbestimmungen des absoluten Wissens begreift(307):
"Die Kategorien werden zu Strukturmomenten des absoluten Wissens, das
als sich selbst bestimmendes Denken sich selbst zum Gegenstand hat und dabei
mittels der Kategorien in verschiedenen Weisen der Gegenstandsbezeichnung
bewegt. Danach lassen sich drei Kategorienbereiche unterscheiden: in der
Seinslogik, in der Reflexionslogik und in der Begriffslogik. Die jeweilige
Bedeutung der Kategorien hängt ab von ihrer Stelle im System Hegels (1807,
1812-1816, 1817). Als die wichtigste Konsequenz der Hegelschen Kategorienlehre
erscheint die Aufhebung des Unterschiedes von Verstandesbegriff und
Anschauungsform, indem die Momente der reinen Anschauung und des reinen
Begriffs in den Gesamtprozeß der sich begreifenden Vernunft vollständig
integriert werden. Damit hängt zusammen, daß die Kategorien nicht mehr, wie bei
Kant, Intentionsgeltung für Objekte haben, sondern in dem Prozeß der sich
selbst vermittelnden Subjektivität nur noch auf sich selbst bezogen werden, d.
h., sie verlieren ihren logischen Status im erkenntniskritischen Sinne.
Kategorien, aufgefaßt als Reflexionsstufen des zu sich kommenden Geistes, vermögen
zwar noch kategorial differenzierte Regionen der Subjektivität zu bezeichnen,
aber die Bestimmung dessen, in bezug worauf die Kategorien denn nun eigentlich
objektiv gelten, gelingt nicht mehr. Das gilt auch für die zahlreichen weniger
gewichtigen Entwürfe einer Kategorienlehre, die im Kielwasser der großen
Systeme des Deutschen Idealismus entstanden. Ihnen ist allen gemeinsam, daß
ihre spekulative Phantasie sich immer weiter entfernt von der Beantwortung
jener Grundfrage, auf die die Kategorienlehre ihrer ursprünglichen Absicht
gemäß eine Antwort zu geben versuchte, nämlich die Frage nach der Genese und
Struktur unserer Erfahrung im Zusammenhang von Sein, Denken und Sprache."(308)
Es scheint, daß die seit Descartes vorgeschobene mathematische Logik als
Maßstab der Erkenntnis(309), natürlich unter
dem Vorwand der Naturwissenschaftlichkeit, lediglich dem an der Sprachlogik
orientierten Erkennen des Übernatürlichen (und damit auch des Begrifflichen)
den Boden entziehen soll, bis schließlich Kant die Sprachlogik und das darauf
aufbauende System der Erkenntnistheorie durch den Tausch der Begriffe Vernunft
und Verstand(310) ad absurdum führt. Also
schon Descartes liefert für Kant die methodische Handhabe, die bestehende
sprachorientierte Denklogik als erkenntnistheoretische Grundlage abzuschaffen,
indem er an der Mathematik orientierte Denklogik als für das
naturwissenschaftliche Erkennen besser geeignet vorschiebt(311).
Hat die spätere Wissenschaftstheorie zwischen Naturwissenschaften und
Geisteswissenschaften sodann klar unterschieden, so lag dem offensichtlich der
erkenntnistheoretische Grundsatz von der Unterschiedlichkeit der
Erkenntnismethodik zweier komplementärer Wissenszweige zugrunde. Ging nämlich
diese wissenschaftstheoretische Zweiteilung in Natur- und Geisteswissenschaften
von den konträren Erkenntnismethoden aus, bzw. gründet die Unterscheidung in
dem Unterschied der Erkenntniswege, so kann die Revolution (zu Deutsch:
"Umdrehung", "Umsturz") der Aufklärer(312)
als die Vereinnahmung der Geisteswissenschaften durch die Naturwissenschaften(313), vermittels der unzulässigen Verdrängung
des an der Sprachlogik orientierten Denkens(314)
durch das an der mathematischen Logik orientierte Denken(315),
verifiziert werden. Die Zahl gegen das Wort, oder das Symbol gegen den Begriff(316). Es könnte zu weit führen nachzuweisen, daß
allein schon das Dezimalsystem der Zahlen der Sprach- und natürlichen Denklogik
entlehnt ist, da ansonsten wohl ein binäres Zahlensystem von Anfang an
eingeführt und tradiert worden wäre. Es geht aber hier weniger um die
technische Seite des Schwindels, sondern um die inhaltliche, substanzielle
Seite. Soweit also - erkenntnistheoretisch - die ontologisch metaphysische
einerseits, und die aristotelisch kategoriale andererseits(317),
der intelligiblen (denkorientierten) und rationalen (sprachorientierten)
Fassung (Reflektierung) der Wirklichkeit jeweils entsprechen(318),
so daß ("vorkantianisch") sowohl erkenntnistheoretisch wie auch
wissenschaftstheoretisch von der Intelligiblität (Verstandesorientierung) der
Geisteswissenschaften und Rationalität (Vernunftsorientierung) der
Naturwissenschaften die Rede sein kann, dann definiert sich der bei Descartes
ansetzende und mit Kant vollbrachte(319)
(nachkantianisch(320)) aufklärerische
Schwindel als die Wegrationalisierung der Geisteswissenschaften: nämlich als
die logisch dingunmögliche Vereinnahmung der Intelligiblität durch die
Rationalität. ... Das ist die totale Vereinnahmung des Verstandes durch die
Vernunft(321). Die Vereinnahmung der
unmittelbaren Erkenntnis (Intellekt) durch die mittelbare Erkenntnis (Rationalität).
Das alles bisher Dagewesene überragende Genialität Kants gründet also in der
bewußten Lüge, wonach die Intelligiblität (Verstand) der untergeordnete Teil
der Rationalität (Vernunft) sei(322), und
nicht umgekehrt. So also ist Kants berühmt berüchtigter Agnostizismus zu
verstehen, wonach alles Intelligible unmöglich "wirklich" erkannt
werde(323) und daher auch unmöglich (als
Wirklichkeit) verifiziert werden könne(324),
so daß - mit dieser Kantschen Einsicht - der Wirklichkeit an und für sich
verloren ginge. Alles was einmal im Denken abstrahiert ist, wäre nach Kant
(agnostisch) endgültig für die Wirklichkeit (im Schwarzen Loch der rational-universalistischen
Transzendenz) verloren. So auch Gott, insbesondere als Wort (Off 19,13, vgl.
Joh 1,1 ff.). Von dieser Position aus kann unmöglich der Umkehrprozeß, nämlich
ob und wieweit ein Abstraktum realistisch sei, auch nur als kontrollierbar
behauptet werden(325), so daß der
Agnostizismus absolut, um nicht zu sagen absolut unhinterfragbar erscheint,
womit der unbegrenzte, weil in diesem System unbegrenzbarer Machtanspruch des
gewillkürten Abstraktums (Idee, bzw. Idee der Idee) totalitär gesichert wäre.
Kant bezeichnet zwar verbal das Denken als innerer Sinn(326),
so als sei außer den sinnlichen Sinnen noch ein übersinnlicher Sinn in der
Erkenntnisinventur des menschlichen Denkens, nämlich dessen eigene Reflexion
über sich selbst, und in seiner Sinnorientierung vorhanden, doch koppelt Kant
den nämlichen inneren Sinn (Denken) vollends von der Wirklichkeit (des
begrifflich Reflektierten) ab, so als sei die begriffliche Abstraktion generell
unumkehrbar, und selbst wenn, dann unnachvollziehbar (agnostisch). Das
methodische Erfolgsrezept der Kantschen Lüge ist sonach: das begriffliche
Erkennen als mittelbare Wahrnehmung mit dem dazu eigens vorhandenen Sinnesorgan
(Denkorgan) außer, bzw. neben den sogenannten natürlichen Sinnesorganen, als
die eigentliche Wahrnehmungsfunktion und wirkliche Erkennbarkeit der
Begriffsinhalte hinter der Begriffsform so zu leugnen(327),
daß gleichzeitig von Kant alles an Lügen dem Leser (genauso) begrifflich (wie
geleugnet) vermittelt wird. Geht nämlich der Leser von Kant kantianisch davon
aus, daß durch begriffliches Erkennen kein Erkennen der Wirklichkeit wirklich
möglich sei, dann erkennt er die Lüge Kants nicht, nämlich als wirklich das, um
es metaphysisch auszudrücken, was es wirklich ist, nämlich (als) Lüge. So wie
der Magier auf der Bühne immer die Zuschauer ermuntert, ihm auf die Finger zu
schauen, so suggeriert Kant auf die sinnliche Wahrnehmung (Empirie) - als
(vorgeblich) ausschließliche Möglichkeit ihn zu übertölpeln - zu achten. Kant
belügt nämlich nicht die Sinne, sondern das Denken, die von ihm vorgeschützte
Logik(328) und Vernunft. Das dergestalt
Übersinnliche. Und er leugnet daher nicht die Relevanz der natürlichen Sinne,
sondern den Sinn im Denken, die Begriffe mit erkennbarem Inhalt. Denn die
natürlichen Sinne können niemals das Denken kontrollieren, wohl aber kann das
Denken (weltanschaulich) die Sinne (etwa durch unbewußte Selektion der Information)
kontrollieren. Deswegen schützt Kant die Abhängigkeit des Denkens von den
Sinnen und Sinnlichen so vor, daß er mit seinen tückisch ausgedachten Lügen
(weltanschaulich) blenden kann(329). Mit
welchem Sinn wohl hat Kant erkannt, daß angeblich nicht die Vernunft (Ratio)
dem Verstand (Intellekt), sondern der Verstand der Vernunft (als integrierender
Teil) untergeordnet sei? Er spricht von "synthetischen Urteilen a
priori" (unhinterfragbar vorausgesetzt) und erklärt kurzerhand alles
komplett verkehrt (pervers) für Apriori(330),
nämlich unhinterfragbar (agnostisch). Also sprach Kant: "Aristoteles
hatte zehn solcher reinen Elementarbegriffe unter dem Namen Kategorien [...]
zusammengetragen. [...] allein diese Rhapsodie konnte mehr für einen Wink für
den künftigen Nachforscher, als für eine regelmäßig ausgeführte Idee gelten und
Beifall verdienen, daher sie auch bei mehrerer Aufklärung der Philosophie als
ganz unnütz verworfen worden. Bei einer Untersuchung der reinen (nichts
Empirisches enthaltenden) Elemente der menschlichen Erkenntnis gelang es mir
allererst nach langem Nachdenken, die reinen Elementarbegriffe der Sinnlichkeit
(Raum und Zeit) von denen des Verstandes mit Zuverlässigkeit zu unterscheiden
und abzusondern. Dadurch wurden nun aus jenem Register die 7te, 8te, 9te
Kategorie ausgeschlossen. Die übrigen konnten zu nichts nutzen, weil kein
Prinzip vorhanden war, nach welchem der Verstand völlig ausgemessen und alle
Funktionen desselben, daraus seine reinen Begriffe entspringen, vollzählig und
mit Präzision bestimmt werden könnten. Um aber ein solches Prinzip auszufinden,
sah ich mich nach einer Verstandeshandlung um, die alle übrige enthält und sich
nur durch verschiedenen Modifikationen oder Momente unterscheidet, das
Mannigfache der Vorstellungen unter der Einheit des Denkens überhaupt zu
bringen, und da fand ich, diese Verstandeshandlung bestehe im Urteilen."(331) Hierauf beschreibt der "Richter"
(Kritiker) Kant narrativ wie er - nachdem Todesurteil über die Antike und
Mittelalter - spekulativ ein alternatives System von Kategorien schuf, das er a
priori als das Bessere postuliert, um von dieser unhinterfragbaren Position aus
mit der Begründung seines vernichtenden Urteils über die bisherige Philosophie
ein für allemal ein bleibendes Exempel zu statuieren: "Das Wesentliche
aber in diesem System der Kategorien, dadurch es sich von jener alten
Rhapsodie, die ohne alles Prinzip fortging, unterscheidet, und warum es auch
allein zur Philosophie gezählt zu werden verdient, besteht darin: daß
vermittels desselben die wahre Bedeutung der reinen Verstandesbegriffe und die
Bedingung ihres Gebrauchs genau bestimmt werden konnte. Denn da zeigte sich,
daß sie für sich selbst nichts als logische Funktionen sind, als solche aber
nicht den mindesten Begriff von einem Objekte an sich selbst ausmachen, sondern
bedürfen, daß sinnliche Anschauung zu Grunde liege, und alsdann nur dazu
dienen, empirische Urteile, die sonst in Ansehung derselben zu bestimmen, ihnen
dadurch Allgemeingültigkeit zu verschaffen und vermittels ihrer
Erfahrungsurteile überhaupt möglich machen. Von einer solchen Einsicht in die
Natur der Kategorien, die sie zugleich auf den bloßen Erfahrungsgebrauch
einschränkte, ließ sich weder ihr erster Urheber, noch irgendeiner nach ihm
etwas einfallen; aber ohne diese Einsicht (die ganz genau von der Ableitung
oder Deduktion derselben abhängt) sind sie gänzlich unnütz und ein elendes
Namensregister ohne Erklärung und Regel ihres Gebrauchs. Wäre dergleich jemals
den alten in den Sinn gekommen, ohne Zweifel das ganze Studium der reinen
Vernunftserkenntnis, welches unter dem Namen Metaphysik viele Jahrhunderte
hindurch so manchen guten Kopf verdorben hat, wäre in ganz anderer Gestalt zu
uns gekommen und hätte den Verstand der Menschen aufgeklärt, anstatt ihn, wie
wirklich geschehen ist, in düsteren und vergeblichen Grübeleien zu erschöpfen
und für wahre Wissenschaft unbrauchbar zu machen."(332)
Kant scheitert aber nicht nur in der mehr oder minder phantasievollen
Ausgestaltung seiner Neogenese bei der Pioniertat der phantastischen Expedition
ins Transnirwana, sondern schon im Ansatz, indem er seinen eigenen Grundsätzen
widerspricht, bzw. denen argumentativ zuwiderläuft(333).
1.11.4. Das Unbestimmbare
Weil die Scholastik mit Thomas von Aquin das Verhältnis von Vernunft (ratio)
und Verstand (intellectus) mit dem Verhältnis von Zeit (ratio) und Ewigkeit
(intellectus) verglich(334), kommt dem
revolutionären Paradigmenwechsel Kants, in dem jener, ebenso bewußt wie
willkürlich, Verstand und Vernunft - ohne eine sonst nachvollziehbaren
vernünftigen Grund - vertauscht hat(335), eine
grundlegende Bedeutung zu. Denn offensichtlich galt der klassischen
Erkenntnistheorie das Nebeneinander und Gegenüber, bzw. Ineinander von Verstand
und Vernunft, analog für die Methoden der Ontologie (Seinslehre) und
Kategorienlehre(336). Der Ort des Erkennens
und Reflektierens ist umgangssprachlich als das Denken, und die Art des
Erkennens und Reflektierens ist grundsätzlich metaphysisch(337).
Nun gliedert sich das Denken funktionell in den Verstand und Vernunft(338), und methodisch in die seinsmäßige und
wesensmäßige Erkennung, bzw. Reflektierung der Wirklichkeit(339).
Hieraus ergibt sich, daß das Erkennen im Denken die Verstandesfunktion
schlechthin, während das Reflektieren die Vernunftsfunktion ist(340),
so daß die Begriffspaare:
ratio intellectus
Vernunft Verstand(341)
Reflektieren Erkennen
Wesen(342) (Qualität) Sein (Quantität) Zeit Ewigkeit(343)
Kategorienlehre Metaphysik(344)
Vieles (Substanzen) Eins(345) ("einfache" Substanz)
(Erde Himmel)
Immanenz Transzendenz
Form Inhalt(346)
eine übersichtliche Ordnung zeigen, die nicht ohne die Zerstörung des
gesamten Weltbildes, nicht ohne die Zerstörung der Erfassung der - so
bestehenden - Wirklichkeit (Ordnung) vertauscht werden können. Denn dieses
optische Nebeneinander ist in Wirklichkeit ein Übereinander in dem Sinne, daß
die Vernunft (und die jeweiligen Glieder der darunter liegenden Spalte:
Begreifen, Wesen, etc) nur jeweils ein (untergeordneter) Teil des Verstandes
(und der jeweiligen Glieder der darunter liegenden Spalte: Erkennen, Sein, etc)
ist (sind), also die paarweise angeordneten Begriffe jeweils Oberbegriff und
Unterbegriff sind (zB ist die Zeit Teil der Ewigkeit, oder ist Form Teil des
Inhalts, oder Vernunft ist Teil der Vernunft, oder ist Kategorienlehre Teil der
Metaphysik, Erde ist Teil des Himmels, und nicht umgekehrt). Kehrt man also das
Ineinander von Vernunft und Verstand um, dann wird in dieser von der Antike
festgeschriebene Gesamtordnung auch die Ewigkeit zu einem Teil der Zeit(347), und wird das Ewige in der Zeit begriffen(348). Und ebenso wird es einleuchtend, warum der
selbe Kant, der Vernunft und Verstand vertauscht, sowohl die antike Kategorienlehre,
wie auch die Metaphysik als vollkommen unbrauchbar verwirft, und eine eigene
Kategorienlehre erschaffen muß(349), die
sodann die Metaphysik in sich schließt, die Metaphysik Kants begründet. Hier
ist die Erklärung dafür, warum der gleiche Kant als der Vater der
Unerkennbarkeit des Seins (Agnostizismus) gilt, wie überhaupt der Menschheit
die (transzendentalphilosophische) Neuerschaffung der Wirklichkeit(350) (als Wesen statt Sein), einen neuen Himmel
und eine neue Erde (vgl. Off 21,1), sogesehen Kant zu verdanken hat. Deswegen
ist der Erfinder der Transzendentalen Philosophie der gleiche Kant, wie
überhaupt von alles Revolutionärem (Umgedrehtem) und Perversem (Verkehrtem),
wie etwa der zwar denkbare, aber nicht erkennbare (agnostischer) Gott, oder in
der Pervertierung der Wirklichkeit mündig gewordene Mensch(351).
Weil die Forschung die Geschehnisse soweit nachvollzogen hat, daß einerseits
(rückblickend) Kant lediglich den von Descartes zugrundegelegten Ansatz(352) ganzheitlich umgesetzt (verwirklicht hat),
und andererseits - trotz formaler Scheingefechte gegen Kant(353)
- auch Hegel (und Marx) den nämlichen Tausch von den Begriffen Verstand und
Vernunft inhaltlich übernommen(354) hatte(n)(355), so daß von den wiederum nur formalistisch
Begründenten Ausnahmen (Schopenhauer(356),
Friedrich Schlegel) abgesehen(357), die
Gesamtheit der fortan fast nur mehr die großen Idole reflektierende
aufklärerische Philosophie der Moderne(358),
die sich so gut wie geschlossen als dem "revolutionärem" Ideal
ergeben versteht(359), aus dem eigentlich
philosophischen Gesichtspunkt der Antike, in der Pervertierung der Wirklichkeit
gründet. Es wäre eigentlich die Aufgabe der Philosophie, die sogenannte humanistische
Aufklärung als die angebliche Renaissance und angebliche Erneuerung und
Weiterentwicklung des antiken Kulturgutes, kategorisch als die unzulässige
subkulturelle Verfälschung der Antike, mit unverkennbar betrügerischer Absicht,
zu "verurteilen", bzw. kritisch zu erhellen: über die Aufklärung als
vorsätzlicher Betrug aufzuklären. Nachdem aber die Metaphysik, die Erste
Philosophie, (aristotelisch) als Theologie verstanden wird(360),
kann die Theologie der Philosophie gut und gerne als Ausgangsposition zu einer
Diskussionsbasis bescheinigen, daß die neuere Metaphysik und Ontologie mitsamt
Transzendentaler Philosophie und Ontotheologie noch weniger mit Theologie etwas
tun hat, als mit der wohlverstandenen Philosophie. Sollte diese Klarstellung
von der gelehrten Welt allgemeingültig akzeptiert werden, kann man künftig,
vorausgesetzt der einvernehmlichen Aufkündigung des aufklärerisch
erschwindelten Ineinanders, mit einem friedlichen Nebeneinander von Philosophie
und Theologie in der wohlverstandenen Metaphysik(361)rechnen(362), weil und soweit sie sich faktisch beide
auf ihre eigenen (ihnen jeweils eigentümlichen) Positionen zurückgezogen haben.
So könnten allfällige künftige (aufklärerische) Grenzüberschreitungen von
beiden Seiten gemeinsam (als unzulässig, bzw. pseudowissenschaftlich)
deutlichst zurückgewiesen werden. Die Kantsche Betrügereien waren nur durch
Apriorismus möglich und so begann auch die Analytische Philosophie(363) (ähnlich der historischen
Betrachtungsweise) in jüngster Zeit allmählich auf die methodische, bzw.
strukturelle Widersprüchlichkeit in der sogenannten Philosophie der Neuzeit
aufmerksam zu werden(364), ohne allerdings die
aufdämmernde Ernüchterung in die Stürzung der aufklärerischen Idole direkt
überzuleiten. Den Denkmüll und die spirituelle Umweltvergiftung der Aufklärung
zu beseitigen, und nicht zuletzt künftighin für eine gesunde und verträgliche
Denkökologie Verantwortung zu übernehmen, ist aber die gottverdammte Pflicht
der Philosophie, denn - so könnte Manus meinen - es stinkt bis zum Himmel.
1.11.5. Die zeitlose Unzeit
Dadurch etwa, daß Kant zunächst die Zeit als (ebenso substanzlose wie
unwirkliche) Voraussetzung (a priori) des Begreifens des Raumes deklariert(365), aber dann den Raum als schlechthinnige
Voraussetzung der Zeit(366), ergibt sich der
Raum als Kants geheimnisvolles (agnostisches) Apriori der Zeit: nämlich als
dingliche Wirklichkeit jenseits vom Denken und also - vom Denkenden aus
formallogisch gesehen - in der Transzendenz. Die Zeit sei also nach Kant die
subjektive, und der Raum die objektive (sogesehen transzendente) Seite der
Betrachtung. Dadurch gibt Kant seine einseitig (festgefahrene) statische
Position preis, die - ähnlich dem erdzentrischen Weltbild des Mittelalters
(Ptolemaios) vor Kopernikus - von einem statisch absolut unbeweglichen (absolut
egozentrischen) Beobachter(367) (unbewegten
Erde) ausgeht und das Wahrnehmbare (in jenem Fall die "bewegte"
Sonne) in das Vokabular des statischen Beobachters übersetzt. Und so wie mit
der kopernikanischen Wende der bewegte Beobachter aus dem (statischen)
Mittelpunkt gerückt(368) und eine neue
Dimension der Wirklichkeit für die gleiche sinnliche Wahrnehmung eröffnet hat,
so wandelt Kant (mit Hilfe der statischen Empirie) - umgekehrt - den bewegten
Beobachter des Denkens zurück in einen Unbewegten (Statischen), um ihm den wohl
wesentlichsten Teil der übergeordneten natürlichen Wirklichkeit zu nehmen.
Des dynamischen Elements - gleichsam seiner besseren Hälfte - beraubt,
erstarrt die von Kant denkerisch (durch den "inneren Sinn"(369)) wahrgenommene Natur zum Schatten ihres
Selbst und geht der Wirklichkeit gänzlich verloren, bzw. schafft die
Wirklichkeit unwiederbringlich ab. Neben der alles bisherige überbietende
Kantsche Einsicht, als menschliche Vernunft der souveräne Herr des Erkennens zu
sein, dem sich das empirisch Wahrnehmbare sowohl, wie auch das Denkbare (durch
den sog. inneren Sinn Kants wahrnehmbare), zu Beurteilung darzubieten habe(370), verbannt Kant die "unbequeme",
gleichsam unhöfischere (dynamische) Wirklichkeit(371)
in die Transzendenz. Ausgehend also von der kategorischen Negation der
Wirklichkeit der Zeit an sich durch Kant(372),
kann festgehalten werden, daß sofern Kant ebendort alles nur in der Zeit fassen
zu können behauptet(373), dann seine Aussagen
im Einzelnen und gemeinsam nur bestenfalls die halbe Wahrheit (über die Wirklichkeit)
sein können. Wenn nämlich Kant im Denken die Grenzen der Statik nicht
"wirklich" überschreiten zu können vermeint(374),
und alles jenseits der Statik als unwirklich postuliert, dann erweist sich
Kants Transzendenz, zumal als vorgeblich schlechthinnige Grund von alles
denkbar Wirklichem, als Farce(375).
Wenn jedoch der Kausalzusammenhang zwischen Statik und Dynamik (Materie und
Energie), im Gegensatz zu Kants statischem Denken (in der die Zeit nur im Raum
"begreifbar", also denkbar ist(376),
also der Begriff der Zeit den Begriff des Raumes unabdingbar voraussetzt),
zugunsten der Dynamik entschieden, und also nicht die Zeit im Raum, sonder der
Raum in der Zeit in dem Sinne begriffen wird(377),
daß die Wirklichkeit des Dynamischen, die Wirklichkeit der Zeit, dem Raum erst
Wirklichkeit verleiht, dann sinkt (hegelianisch) die physische Natur (war
kantianisch einseitig als "reiner" Raum begriffen) zum Phänomen der
Energie (Dynamik(378), Zeit) etwa in der Weise
herab, wie eine stehende Welle in der Physik nur scheinbar statisch, also die
Statik bloß ein Sonderfall der Dynamik ist(379).
1.11.6. Das Unvereinbare
Methodisch könnte das friedliche Nebeneinander von Philosophie und Theologie
mit einer neuerlichen Terminologisierung beider Disziplinen beginnen, sofern
sie zueinander in Beziehung gesetzt werden, indem besonders die neueren Termini
kritisch gesichtet und die traditionellen etymologisch durchleuchtet und auf
das Bedeutungsspektrum sowie auf Bedeutungsschwankungen untersucht werden. Um
etwas begründetere und legitime Unterschiede in der Terminologie zu
veranschaulichen, kann der Begriff Parusie, der in der Philosophie (insb. bei
Platon) eindeutig "andauernde Gegenwart" und
"Gegenwärtigkeit", während in der Theologie (dem Sprachgebrauch der
Zeitwende - Koine - entsprechend) eindeutig "Ankunft" (Advent), und
nicht einmal eine mit Ankunft beginnende Gegenwart, bedeutet, sondern sinngemäß
etwa "Einzug", "Einmarsch", herangezogen werden. Weniger
verträgliche Unterschiede in dem terminologischen Sprachgebrauch sind an dem
Begriff "Dualismus" zu demonstrieren, der in der Theologie, eingebürgert
zur Bezeichnung des in etwa ebenso gleichwertigen wie autonomen Nebeneinander
zweier obersten Götter, oder personifizierten Prinzipien(380)
des Guten und des Bösen der altpersischen Religion (Ahuramazda und Ahriman) und
dann des Manichäismus, nicht für die Bezeichnung zweier einander hierarchisch
untergeordneten, oder zwar polaren aber heteronomen Subjekte verwendet werden
kann, wird dagegen von aufgeklärten Philosophen, in den Fußstapfen der Esoterik(381), in der prädikativen Form
"dualistisch" querfeldein auch auf untergeordnete oder polare und
heteronome Subjekte der Theologie, wie Himmel und Erde, Gute und Böse, Vater
und Sohn, (theologisch unzulässig) angewandt(382).
Nirgends in der herkömmlichen Theologie konnte und durfte das (aus der
diesseitigen Perspektive) polar anmutende Verhältnis von Gutem und Bösen als
Dualismus oder auch als dualistisch bezeichnet werden, weil der Begriff der
persischen Analogie in der Gnosis und Manichäismus - bis zu der Aufklärung -
vorbehalten war. Der theologisch so genannte Dualismus meint immer und
ausschließlich ein (autonomes) polares Nebeneinander auf der gleichen
Rangstufe, während philosophisch auch ein Ineinander oder Übereinander als
Dualismus bezeichnet und (theologisch unzulässig) auf jede paarweise erfolgte
Zuordnung verallgemeinert wird. Die (philosophisch) aufgeklärten, sogenannten
modernen Theologen wie Bultmann, sprechen aber - terminologisch unzulässig -
von dem Dualismus(383) vor allem in der
Theologie des Johannes (wo schematisch Himmel und Erde gegenübergestellt
werden). Die Übereinkunft zwischen Theologie und Philosophie mußte also darin
bestehen, daß die Theologen Bultmann weder der Sprache noch dem Inhalt nach als
den ihrigen anerkennten, während die Philosophen zwar der Sprache nach wohl,
nicht jedoch dem Inhalt nach als den ihrigen anerkennen. Denn die
Religionswissenschaft bedient sich der Sprache der Philosophie, ohne allerdings
Philosophie im eigentlichen Sinne zu sein, auch zu der Beschreibung
theologischer Inhalte, und ist heute eine eigene theoretisch (von den
Grundlagen her) unabhängige Disziplin(384).
Noch bedeutungsschwerer ist der Begriff Glaube, umgangssprachlich mit einem
weiten Bedeutungsspektrum, der für den christlichen Theologen grundsätzlich
immer nur als Kurzform des Begriffes Glaubensgewißheit(385)
geläufig ist, als eine sichere Annahme (intelligibles Wissen) ohne empirischen
Beweis (Hebr 11,1), eigentlich sogar ohne Notwendigkeit des empirischen
Beweises, während der Glaube der Philosophen, zumindest der heute Sogenannten,
etwas durchaus Subtiles und vor allem Ungewisses bedeutet. Solange z. B. von der
Kugelgestalt der Erde keine Satellitenaufnahmen gab, mußte man eine Theorie
darüber glauben, zumal die Hohlwelttheorie nicht widerlegt werden konnte.
Deswegen auch war der Herausgeber des Kopernikus, Osiander, und Luther, nicht
bereit dem Kopernikus zu glauben, weil für sie sogar das zu wenig zum Glauben
war, so daß erst das Fernrohr Jahrhunderte später die Glaubensgewißheit über
die kopernikanische Wende besorgt hat. Im theologischen Verständnis sind auch
die mathematischen Axiome, die ja bekanntlich (aus logistischen Gründen) nicht
Gegenstand des Beweises sein können, Gegenstand des Glaubens. Nur drückt sich
der Theologe zum gleichen Sachverhalt verbal anders aus als der Mathematiker.
Es kommt eben darauf an, wie man Wissen definiert. In solchen Fragen könnten
aber Theologie und Philosophie einander - unter Wahrung der nötigen Distanz -
näherrücken, wenn die Philosophie von sich aus die auffallende Nähe des antiken
Glaubensbegriffs der Philosophie (Platon(386),
Aristoteles) zu dem der Theologie inne wird, und des ebenso unerklärlichen wie
unzulässigen Unterschieds zum ausgehöhlten modernen Glaubensbegriffs gedenkt.
Der gordische Knoten bei dieser Annäherung in der Erarbeitung der Unterschiede
zwischen Theologie und Philosophie ist die gemeinsame Qualifizierung des
Neuplatonismus als Theosophie (Selbstbezeichnung der Neuplatoniker wie
Iamblichos), also Religionswissenschaft(387),
die weder zu der Theologie, noch zu der eigentlichen Philosophie gehört. Und da
könnte sogar zu einem Schulterschluß zwischen Theologie und Philosophie in der
vielleicht sogar gemeinsamen oder überlappenden Erklärung kommen, daß der auf
dem Neuplatonismus fußende Renaissance-Humanismus und Aufklärung zu Unrecht der
Philosophie unterstellt wurde. Denn so wie der Räuber gewöhnlich mit einem
gestohlenen Wagen zur Bank vorfährt, so plündert die Theosophie(388)
die Theologie im Namen (mit einem "philosophischen Kennzeichen" am
Gefährt) der zuvor entfremdeten Philosophie. Eine Debatte darüber, ob - in dem
bildlichen Vergleich - nun der gestohlene Wagen vielleicht mehr Wert war als
das geraubte Bargeld aus der Bank, dürfte sich erübrigen, wenn sich die
gegeneinander ausgespielten Theologie und Philosophie merken, daß sie da etwas
gemeinsam haben, daß sie etwas wirklich verbindet, wenngleich nicht so, wie sie
es vielleicht bisher "geglaubt" haben.
Von da an könnte die (neuplatonische) Theosophie mit dem Angriffspunkt von
Theologie und Philosophie in die Zange genommen werden, daß der Neuplatonismus
seinerzeit ganz simpel den von Platon(389)
irrig so vorausgesetzten Naturalismus (Naturphilosophie) der Vorsokratiker als
Monismus(390) mit dem Unterschied neu
Adaptiert hat, daß die alt-neue ("absolute") Einheit(391)
nunmehr auch Inklusiv-Anspruch auf Gott und die Religion (über die gnostische
Emanationslehre(392)) erhebt(393).
Dieses Hinterfragen des Naturbegriffs (Natur ist Physis) der Vorsokratiker
durch die spätere Metaphysik(394) und dann die
neuerliche Vereinnahmung der Metaphysik durch eine "neue" Physik mit
(untergeordneten, bzw. inklusiven) metaphysischem Anspruch (also eine alte
Physik mit neuem Anspruch auf Metaphysik) des Neuplatonismus, hat sich im
postmittelalterlichen Naturalismus und Aufklärung im modernen Abendland
wiederholt(395), und ist, zumindest theologisch
und philosophisch, nicht minder verwerflich (Pseudometaphysik), wie dann die
Neugnosis(396).
Strukturell ist in der pseudowissenschaftlichen Methodik in der sogenannten
Metaphysik-Forschung die Manipulation aufzudecken, daß die aristotelische
Metaphysik, als eine wirklichkeitsadäquate "Physik" (Naturkunde) des
Übernatürlichen, die von diesem namentlich zum ersten Mal so begründet wurde(397), spekulativ auf Platon (über Parmenides)
zurückgeführt wird(398), um den durch nichts
begründeten und sogar sinnwidrigen Anspruch des Neuplatonismus auf die
monistische Entfremdung der Metaphysik plausibel zu machen, und so den modernen
Anspruch auf die naturalistische Erklärung Gottes(399)
(natürliche Religion des Deismus) und der Metaphysik in der Aufklärung (Kant)
zu legitimieren. Denn sogar die monistische Synthese der platonischen
Zweiweltenlehre ist selbst dann außerhalb der davon synkretistisch
beanspruchten aristotelischen Metaphysik, wenn die nämliche Synthese der zwei
platonischen Welten nicht ein Unding, auf jeden Fall jedoch antiplatonisch,
wäre. Danach ist der Neuplatonismus als das philosophische Gewand der fortan
bis zur Moderne hier zu ortenden Gnosis(400),
die exakt um diese Zeit angeblich aus dem Gesichtspunkt der Forschung
verschwunden sei. So kann in der historischen Betrachtungsweise die direkte Entwicklungslinie
von der Gnosis über Manichäismus und Synkretismus bis zum Aufgehen im
Neuplatonismus nachgezeichnet werden. Und fortan kann faktisch alles
Philosophie oder sogenannte Platonismus mit Neuplatonismus gleichgesetzt
werden, also mit Gnosis, denn die dem Neuplatonischen entgegengesetzte
Philosophie des Aristoteles, die eigentliche Metaphysik des wirklich göttlichen
Seins, wird in der Scholastik des Mittelalters, aber schon bei Augustinus,
gewissermaßen vereinnahmt.
Es ist darauf hinzuweisen, daß die Gnosis vom Anfang bis zum Ende
synkretistisch vorging, so daß der Synkretismus das Erkennungszeichen der
Gnosis schlechthin ist. Unter dieser Voraussetzung ist aber der direkte Schluß
unausweichlich, daß die Gnosis immer mit einem wandelbaren Äußeren aber mit
einem doch unwandelbarem Inhalt einhergeht, sofern überhaupt von einem Inhalt
der Gnosis, über das "Absolute Nichts", zu sprechen zulässig ist.
1.12. Das Unglaubliche
In dem vom Referat für Weltanschauungsfragen der katholischen Kirche Wien
1991 herausgegebenen nämlichen Informationsheft leugnet Wenisch (zwar nicht
unumwunden) letztlich doch Teufel und böse Geister(401),
und in schwammige Formulierungen eingebettet "bekennt" er
schlußendlich(402) "Gestaltungsprinzipien
des Kosmos" als "Geistwesen" in der Form "anzunehmen",
wie es (von ihm wohlwissend hervorgehoben) nicht "unmittelbare
(kirchliche) Glaubenswahrheiten" sind(403).
Damit ist aber schon gesagt, daß er sie in der Form einer Glaubenswahrheit, d.
h. die Geister der Glaubenslehre, von "dem" Geist einmal ganz zu
schweigen, eben nicht "glaubt". Um es mit Hilfe des Sprachgebrauchs
des zitierten Autors auszudrücken; Geister im Sinne von Glaubenswahrheit könnten
nur "Fundamentalisten" und "Traditionalisten"
ernst nehmen, mit denen aber der Autor der zitierten Broschüre über Satanismus
nichts zu tun haben will. Mit seinen nebulosen "Wesenheiten" steht
Wenisch aber auch nicht ganz auf der Seite der säkularen Spiritualität(404), sondern im Dunstkreis des
Esoterisch-Gnostischen(405), bzw. auf der
Seite des nämlichen Okkulten, das er hätte kritisch abhandeln sollen, und das
er zur Kirchenkritik und zum Kritik an Gott pervertiert, mißbraucht hat.
Die ebenso klare wie deklarierte Distanzierung von Glaubenswahrheiten wäre
im Namen des kirchlichen Lehramtes(406) formal
bereits bedenklich genug(407). Die Termini
"Gestaltungsprinzip" und "Geistwesen"(408)
(statt "Geist") können in Fachkreisen als bestenfalls zur Sprache der
Philosophie(409), viel eher aber der Sprache
der Esoterik und Neugnosis(410)(Okkultismus)
angehörend(411) verifiziert werden(412). Es gibt sehr wohl jede Menge Geister, die
unabhängig von qualitativen Unterschieden - Gegenstand des lehramtlich oder
bibeltheologisch vertretenen Glaubens sind, von dem Evangelium ganz zu
schweigen. Wenn also Wenisch Prinzipien(413)und
Wesen anführt, die nicht Gegenstand des Glaubens sein sollen, die er aber als
einzige "Möglichkeit" gelten läßt, weil alles Geglaubte sonach rein
subjektivistisch(414) zu verstehen, und daher
Gegenstand der Para- und sonstigen Psychologie sei, dann dokumentiert er einen
klaren Bruch mit der christlichen Tradition(415)
(insb. mit der Überlieferungstradition des Evangeliums). Dies ist gewissermaßen
der entschiedenste Bruch mit dem (überkommenen) Christentum, den es überhaupt
gibt. Der zynische Versuch alles Christliche als "Traditionalismus"
zu diskreditieren(416), macht Wenisch zu einem
Überchristen aus eigenen Gnaden, der einem verheißungsschwangereren
Gottesverständnis nacheifert, als das "traditionalistische"
Evangelium zu bieten vermag. Die Behauptung etwa, daß Satanisten und
Satansgegner in dem Irrglauben "einig" seien, daß der von ihnen
verehrte oder verfolgte Satan tatsächlich (als solchen) gäbe(417),
ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen, womit sich Wenisch
"rationell" jenseits von gut und liberal begibt(418).
Charakteristisch in der Systematisierung für beide Autoren der kritisierten
Arbeit über Satanismus, Wenisch(419) und
Massimo Introvigne(420), ist die Engführung
über Crowley und dem kultischen Satanismus, die einer Vertuschung der
Gesamtdimension der von der Satanskunde zu erfassenden Phänomene des Bösen
gleichkommt(421). Mit der methodischen Übersicht(422), die aber dann in der Auseinandersetzung
gekonnt umgangen wird, ist die Vereinnahmung alles Satanischen versucht, so als
sei mit der vorgelegten Abhandlung in der zitierten Broschüre nicht nur alles
Satanische(423), sondern alles Böse
"erledigt"(424), und das Böse
gewissermaßen (in der Harmlosigkeit der Bedeutungslosigkeit)
"aufgehoben". Eine kurze Einblendung der weiteren Verfächerung der
Satanskunde durch die zitierten Autoren, so als sei der Luziferismus ein völlig
harmloser Teil des Satanismus und nicht umgekehrt, überführt aber die dann
folgende Einengung der Sicht auf auffällige Extremformen und Kuriositäten im
Bereich des Satanischen als Alibihandlung. Willkürlich herausgegriffene
Kuriositäten dort zu verallgemeinern, wo auch noch ganz andere übergroße
Bereiche als zum Thema gehörend genannt werden, ist pseudowissenschaftlich.
Insb. dann, wenn die mehr als oberflächlich "erledigten" zentralen
Teile zuvor vom gleichen Autor aus dem Themenkreis herausdefiniert worden sind(425). Es ist u. a. schelmisch, den
Forschungsgegenstand als "Phänomenologie [...], die als Satanismus
einzig und allein jenes Phänomen bezeichnen darf, indem man die Person verehrt,
die die Bibel Satan oder Teufel nennt", einzuengen(426),
und gleich anschließend den in der Forschung als größten modernen Satanisten
gehandelten Crowley(427), den selbst die Autoren
der zitierten Broschüre überstrapazieren, mit der Begründung als keinen
eigentlichen Satanisten methodisch auszugliedern, daß Crowley ja den biblischen
Teufel als existent leugne. Nachdem die von Introvigne zitierte Bibel den Satan
als "Vater der Lüge" (Joh 8,44) definiert, überführt sich Introvigne
selbst der Lüge, wenn er den bekennenden Satanisten und Satan selbst danach
qualifizieren will, was jener über sich selbst sagt. Zynisch zitiert sodann
Introvigne Worte und Werke Crowleys, die betont den nämlichen (von ihm
zitierten) biblischen Kriterien entsprechen, aber nach Introvigne nicht
satanisch sein können, weil ja Crowley den Teufel der Bibel als existent
leugnet.
Ausgehend von der von Introvigne nach dem Lehrinhalt als
Beurteilungskriterium gegebenen "Typologie"(428)
(Systematisierung), wonach vier Haupttypen des Satanismus
("rationalistischer", "okkulter", "acid" und
"luciferistisch") gäbe, ist in dem zitierten Informationsheft über
Satanismus(429) nachweisbar, bzw. erwiesen,
daß der Satanismus als Phänomen "okkulter" und
"drogenabhängiger" ("acid") Kreise(430),
mit allfälligen Querverweisen auf den "rationalistischen" Satanismus,
verharmlost und mit pseudokritischen Effektenhascherei von dem
"Luziferismus" (d. i. nämlich der "geglaubte", dem
jeweiligen Glauben realen Teufel, sowohl dem der Gegner, wie auch dem der
Anhänger) abgelenkt werden soll(431).
Besonders der Versuch von Introvigne, den "geglaubten" Teufel mit C.
G. Jung zu "wegrationalisieren", bzw. zu "subjektivieren"(432) (d. i. als subjektivistische Einbildung
umdeuten), macht die Manipulation offenkundig, und ist genau in dem Sinne
satanisch, wie etwa die bekennenden Satanisten den von Ihnen mehr oder minder
phantasievoll verehrten Satan (subjektivistisch) für ein psychisches Phänomen
(Einbildung) ausgeben. Wenn nämlich das Satanische den biblischen Satan
leugnet, dann leugnet er nicht wirklich die "Person" (Wesen) des
biblischen Teufels, wie es Introvigne dem Leser teuflisch vorlügt, sondern das
schlechthin Böse in Satan (weil für ihn der Widerspruch zu Gott eine andere
Bedeutung hat als dem Theologen). Auffällig schelmisch ist die Terminologisierung
des Bösen durch Introvigne als Person, und ausschließlich als Person(433), da das Hauptcharakteristikum alles
"wahrhaft" (wesenhaft) Satanischen ist eben die Leugnung der
Personalität von Gott und Teufel(434). Wo
immer der Theologe von Person spricht oder eine Person meint, meint der
Satanist immer und ausschließlich Wesen oder Wesenheit. Verlogen ist also die
Behauptung Introvignes, wonach der Satanist mit Wesen (Unperson) nicht das
selbe meine, wenn er alterierend terminologisiert, wenn der Satanist sich nicht
in der Sprache der Theologie ausdrückt(435).
Der Satanist wäre, im Gegensatz zu Introvigne, gerade dann kein richtiger
Satanist, wenn er das Weltbild und Sprache des Theologen hätte. Es gibt zwar
Satanisten wie de Sade, die das Böse als die ausschließliche und absolute Macht
ansehen, und sogenannte Startheologen wie Bultmann, A. Schweitzer und andere(436), die ihren Alternativgott vor der Kulisse
des christlichen Weltbildes im hellen Schein des Lichtgewandes der
theologischen Sprache erscheinen lassen (2 Kor 11,14), ohne allerdings ihr
pseudochristliches Wesen, nämlich die Lüge wirklich verleugnen zu können. Eine
Lüge sagt zwar sehr viel über den Lügner aus, sie offenbart aber gleichsam
dessen Wesen, dies allerdings nur unter der Bedingung, daß die Lüge als Lüge,
infolgedessen der Lügner als Lügner erkannt und anerkannt wird. Wenn jedoch
Introvigne die Lüge aus dem Munde des Lügners zu einer Grundwahrheit seines
wissenschaftlichen Erkennens über den Lügner macht, dann pervertiert er das
religiöse Bekenntnis an sich, und macht den Wahrhaftigen zum Lügner.
Im übrigen besteht zwischen "rationalem" und "okkultem"
Satanismus kaum ein sachlicher Unterschied, denn vor allem der von den
zitierten Autoren viel strapazierte und als "okkult" eingestufte
Crowley sich selbst als "Rationalist" deklariert(437)
und als solcher dem "Okkulten" - ebenfalls erklärtermaßen - anhängt.
Eine Unterscheidung der Alt- und Neo-Crowleyaner als "Rationalisten"(438) und "Okkulten"(439)
erscheint als an den Haaren herbeigezogen. Auch zwischen dem "Okkulten"
und "Luziferischen" wäre schwer eine klare Grenze zu ziehen(440), denn den "Glauben" an der
personalen Wirklichkeit haben sie beide gemeinsam(441),
und sich nur allenfalls im Verhältnis zur gnostischen Offenbarungstradition
unterscheiden. Auffällig an der Typologie von Introvigne ist, daß faktisch alle
von ihm näher bezeichneten Typen des Satanischen eigentlich nicht den
Voraussetzungen des von ihm zuvor so definierten Satanischen entsprechen, daß
diejenige satanischen Phänomene, die auch nur teilweise außerhalb seiner
Definition geraten, keine Satanisten und daher nicht Gegenstand seiner
Untersuchung sein könnten. Wäre auch nicht die klassische Definition des
Teuflischen in der Theologie der Widerspruch, müßte Introvignes Untersuchung
satanischer Phänomene, von denen er zuvor definitiv ausgeschlossen hat, daß sie
satanisch sein können, sprachlich als schelmisch bezeichnet werden(442).
Die Kritik kann noch damit ergänzt werden, daß alle neugnostischen
("luziferischen") Richtungen (offen oder verdeckt) jeweils
Variationen (Verästelungen) der manichäisch-gnostischen(443)Linie
sind(444), und die "okkulte" und
"luziferische" Richtung sich nur durch ein verschiedentlich
fortgeschrittenes Offenbarungsverständnis unterscheiden. Vor allem die
kategoriale Unterscheidung, wonach die "Luziferisten" das Böse im Teufel
leugnen würden, die "Okkulten" aber nicht, ist schwer in dieser Form
zu halten, denn es geht auch bei den "Okkulten" immerhin um Hilfe und
Beistand des Bösen, wenngleich mit einer intensiveren Relation von
"Kosten-Nutzen", und mit einer angepaßten "Administration"
des Bösen. Die okkulte Theosophie der Blawatsky, und die ist die mit Abstand
Repräsentativste von allen, leugnet das Böse in Luzifer, die sie ausdrücklich
als den Satan der Bibel ausweist, und zum obersten Herrn hoch über dem
biblischen Gott erklärt. Schon anläßlich des Psycho- und Okkultbooms(445) in den 20ern wies der von Introvigne
zitierte Gnostiker(446) C. G. Jung(447) auf die Wechselbeziehung zwischen
Okkultismus und Gnosis (Luziferismus) hin(448),
was also fortan größere Aufmerksamkeit verdient(449).
Gänzlich verschwinden zu scheinen allfällige Trennlinien angesichts der
verbindenden Gemeinsamkeit im Hinblick auf das Wassermann-Zeitalter, das -
"Rationalisten"(450) wie
"Okkulten"(451) - den Quantensprung
zum neuen Menschen(452) (vor kurzem noch offen
"Übermensch" genannt) mit dem revolutionierten Bewußtsein
gleichermaßen verheißt. Daß die Luziferisten sich stets mit dem
Wassermann-Zeitalter legitimieren, dürfte allgemeinbekannt sein.(453)
Wie schon der von Introvigne gewählte Name besagt, hätte sich die eigentliche
Satanskunde mit dem Luciferismus (Introvigne schreibt
"Luziferianismus") zu befassen, dessen bloße Randerscheinungen die
übrigen (drei) "Typen" (des Satanismus) sind. Obwohl die Gnosis
(Luziferianismus) weder mit C. G. Jung beginnt, noch mit ihm aufhört, ist in
dem durch Introvigne vorgegebenen Zusammenhang wohl - auch in der Kritik - von
der Position des von ihm vorgeschobenen C. G. Jung(454)
auszugehen. Die zentrale theologische Frage bei Jung ist demnach die Aufstockung
der Trinität - mit Luzifer (als dem älteren Sohn Gottes vor Jesus) - auf eine
Quaternität. Zu der nämlichen - numerisch der Trinität eindeutig
"überlegenen" - (bekennend gnostischen) Quaternität(455)
C. G. Jungs bekennt sich u. a. ausdrücklich Karl R. H. Frick in seinem
fünfteiligen Werk(456) (2 Bände mit je 2, bzw.
3 Teilen), "Satan und die Satanisten", gibt aber eine
übersichtlichere und umfassendere Typologie des Satanismus(457).
Auch dieser fünfteilige Wälzer eines modernen Gnostikers über die Schwarzen
Künste ist alles andere als auch nur annähernd vollständig, bietet aber trotz
schwerer Verdaulichkeit und Weitschweifigkeit, wenn vielleicht keinen tieferen
Einblick, so doch zumindest - allein schon quantitativ - einen besseren
Überblick als vergleichbare Arbeiten(458),
zumal die gnostische Grundposition des Verfassers (Frick) darin nicht geleugnet
wird. Außer den historischen Streifzügen wird in der Untersuchung durch Frick
laufend auf neuere Richtungen Bezug genommen und im letzten Teil, nach einer
allzu ausführlichen Abhandlung über die Freimaurer, das Hyper-Moderne an Bösem
abgehandelt(459). Die Grundthese von Frick,
wonach der moderne Satanismus praktisch ausschließlich französischen Ursprungs,
und de Sade der geistige Vater von allem Bösen sei, dürfte kaum unkritisch
übernommen werden können(460), obgleich manche
Argumente und der diachrone Aspekt (Zeit der Französischen Revolution) in
Teilbereichen einiges für sich zu haben scheinen, bzw. für de Sade als eine
Orientierungsgröße des Satanismus sprechen. Immerhin verdankt die Systematik
Sade die - einigermaßen artikulierte - Souveränisierung des Bösen als das Böse
schlechthin, neben dem das ohnmächtige Gute gar nicht, auf keinen Fall jedoch
wirklich, bestenfalls als Abglanz, bzw. als trügerischer Schein geben könne.
Die philosophische Aufarbeitung des Themas unter dem Titel "Das Problem
des Übels" in drei Bänden von Billicsich geht thematisch vollinhaltlich an
der theologischen Fragestellung nach dem Bösen vorbei, liefert aber mit dem
Hinweis auf die Theodizee als der immer gleiche Ausgangspunkt der Gottesfrage
in der Gnosis und Moderne(461) die methodische
Grundlage für die Beurteilung der modernen Philosophie insgesamt, sofern sie
nach Billicsich tatsächlich nach wie vor vom Bösen (Übel in der Welt) ausgehend
nach dem Guten (Gott) fragt, als eine Manifestation des Bösen, weil nach dem
hier zugrundegelegten (Anselmschen) Grundsatz(462)ein
logisches Unding ist vom Bösen her nach dem Guten zu fragen. Soweit also
einerseits die Theodizee (und damit das Böse) mit Billicsich die
Ausgangsposition der modernen Philosophie ist (um das Gute zu Begründen oder zu
Ergründen), aber andererseits mit Anselm das Böse logisch unmöglich die
Ausgangsposition (geschweige denn Grund) in Richtung Gutes sein kann, kann jede
Philosophie, soweit von der Theodizee (vom Bösen) ausgehend oder darin
gründend, als eine Manifestation des Bösen verifiziert werden, zumal eine
vorhergewußte dingunmögliche Sisyphusarbeit in ihrer Sinnlosigkeit die
Manifestation des Bösen ist. Der Gott der Philosophen kann also den Gott der
Offenbarung formal scheinbar noch so annähern, aber niemals mit ihm ident sein.
Soweit treffend zeigt also Billicsich ebendort die abzählbar endliche
Möglichkeiten auf(463): "Denn man kann,
wie es geschehen ist, durch die Tatsache des Übels bis zur Annahme eines bösen
Schöpfergottes gedrängt werden, man kann aber auch das Schlechte rundweg
ableugnen, es als bloß subjektiv erklären, es als ein Unvollkommenes neben dem
Vollkommenen, es als Durchgangsstufe in der Entwicklung zu immer Besserem und
Höherem auffassen. Alles dies sind Antworten auf unsere Frage. Freilich kann
nicht auf jeden Lösungsversuch der Name »Theodizee« in strengem Sinne
angewendet werden. Denn eine solche liegt gemäß der Prägung des Begriffes durch
Leibniz nur dann vor, wenn der Glaube an einen allmächtigen, allweisen und
allgütigen Gott angesichts der Übel verteidigt wird. Wer überhaupt keinen Gott
annimmt oder keinen solchen, dem er die erwähnten Eigenschaften zuspricht, der
braucht ihn nicht zu rechtfertigen." Richtig schlägt Billicsich an
der Leibnizsche Terminologie vorbei den Begriff "Theodizee" im Sinne
von "Kosmodizee" weiter zu fassen und so auf das Böse (Übel in der
Welt), bzw. auf die Erklärung des Bösen schlechthin zu verallgemeinern(464).
1.13. Das Unbeschreibliche
Beizupflichten ist dem eingangs zitierten Autor der Broschüre über
Satanismus(465), wonach es an einem wirklich
akzeptablen Standardwerk mangelt, welche Schlüsse hieraus immer gezogen werden
können und sollen. Nachstehend soll nun das für relevant gehaltene
Forschungsfeld abgesteckt werden, es sollen zuvor allerdings einige Gedanken zu
einer ergänzenden oder auch "neuen" Broschüre über das "Böse"
vorausgeschickt werden (Pkt. 1-2).
Es gäbe theoretisch zumindest zwei Möglichkeiten ergänzende Information über
den "Luziferismus" (Gnosis) breiteren Leserschichten näher zu
bringen. Entweder eine Neuauflage der Broschüre 59/1991 - wegen der laut werdenden
Kritik und wegen objektiv feststellbarer Unvollständigkeit - herauszubringen,
oder eine zweite Broschüre mit einem abgewandelten Titel herausgeben, wie das
etwa bei den Broschüren über "Neugnosis" und "New Age" der
Fall war. Im letzteren Fall wäre etwa ein Titel zu bevorzugen wie
"Neuheidentum und Luziferismus", oder besser "Neuheidentum und
Liberalismus als Vorfeld und Tarnung des Luziferismus", sofern der
Wortlaut in einer anderen Broschüre noch nicht besetzt ist.
2. DAS TABU
Es ist zunächst zu klären, ob das Resultat der Untersuchung vorweggenommen
und aufgezeigt, oder erst als aus der Beweisführung gewonnen dargestellt werden
soll. Denn obgleich eine große Anzahl Vorarbeiten die fertige Theorie - mit dem
räumlich nachgeordneten Beweis - vorauszuschicken erlaubt, könnte aus
didaktischen Erwägungen der demonstrativ vorangestellte Nachweis der
zugrundegelegten (ursprünglichen) Arbeitshypothese zielführender sein.
Die Arbeit verfolgt das Ziel, die komplexe Materie über die Erforschung des
Bösen strukturanalytisch zu erschließen. Ausgehend von einer
Schwachstellenanalyse der etablierten Forschung ergab sich, sofern nicht
gewissermaßen das Thema insgesamt eine einzige Schwachstelle ist, eine
Notwendigkeit der Neuorientierung hinsichtlich der Kriterien der Untersuchung.
Es sind vor allem Vorfragen im Hinblick auf die Ausgangsposition zu klären, ob
etwa vom Religiösen her auf das Säkulare zu, oder vom profanen Verständnis des
Bösen her auf den Teufel der Religion hin das Forschungsfeld untersucht werden
soll.
Bedauerlicherweise zeigte sich aber auch während der in Angriff genommenen
Untersuchung, daß eine zwar theologisch fundierte aber einer breiteren
Leserschicht zugängliche Arbeit über das Böse gewissermaßen die Enttabuisierung
der Fragestellung als Vorfrage der Vorfragen erfordert. Die Auseinandersetzung
mit dem an sich Bösen ist bestenfalls zur medialen Kommerzialismus verflacht
und der lange Schatten der Moderne läßt ein propagandistisch triumphal
verabsolutisiertes Wertesystem ohne Reflexion über das Böse an sich als
unhinterfragbar erscheinen. Diese auf die politische und mediale Macht der
Profanität in der Welt gestützte Entspiritualisierung der Kultur, die
sogenannte Säkularisierung, zeitigt aber - gleich der positiven Hälfte eines
Dipols(466) - zunehmend gegenteilige Auswüchse
und fördert die Wucherung spiritueller oder spiritualisierender Sondermeinungen(467), die unter dem Namen Esoterik und
Okkultismus leider allzu gut bekannt sind. Hinter der Tarnung dieser
überschäumenden Oberflächlichkeit ist aber eine schier allgegenwärtige
Kultivierung des Bösen zu beobachten, die sich - unter dem Deckmantel der
Aufklärung als Naturalismus - aus dem Untergrund in den Hintergrund
aufgearbeitet hat, und sich nun vorerst als die Graue Eminenz der Welt in
Kultur und Politik, aber auch in der Religion gefällt, ohne sich damit in der
Langzeitperspektive zufrieden zu geben. Hier soll aber auf die selbstgefällige
Überheblichkeit der Moderne verzichtet, und ohne Pathos ein wenig Rampenlicht
hinter den Kulissen zugelassen werden. Es soll u. a. gezeigt werden, daß das
Böse selbst von der Totalität der eigenen Illegalität in der menschlichen
Gesellschaft so ausgeht, daß es ihm logisch der ausschließliche Weg über die
Kontrolle der hierarchischen Spitze der menschlichen Gesellschaft erscheint, so
daß für ihn über die absolute Macht in der Welt kein Weg zu der eigenen
Legalisierung vorbei führt.
2.1. Das Unbegreifliche
Sofern es eine Typologie des Bösen geben soll, wäre zwar als Orientierung
die von Frick vorgenommene grobe Unterteilung in religiöse und areligiöse
Satanismus(468) der von Introvigne(469) vorzuziehen, für die eingehendere
Auseinandersetzung und für die Beurteilung ist dieses Schema der Zweiteilung
auch nicht ganz hinreichend. Ausgehend von einer groben Unterteilung des Bösen
nach seiner Bedeutung für den Einzelnen und dem Allgemeinen, ist für die
strukturelle Auseinandersetzung einerseits das Kriterium entscheidend, ob der
jeweilige Anhänger das Böse als real oder unreal (Phänomen), und andererseits,
ob er das Böse als personifiziert voraussetzt. Eine Unterscheidung kann also
kaum verbindlich nach den äußeren Merkmalen erfolgen, vielmehr muß nach der Art
und Weise des Satanischen an sich die Typologie des Satanismus vorgenommen
werden. Eine Typologie des Satanismus hat sich also nach der Typologie des
Satans selbst zu orientieren. Und obwohl es natürlich nur einen Teufel in dem
Sinne gibt, meint hier die Typologie des Satans die Auffassungen über den
Satan, wie er wohl sei. Die Typologie von Frick ist also insofern hilfreich,
als die von ihm gezeigte grobe Unterteilung in religiös und areligiös auch hier
als die Position des Beobachters aufgegriffen wird, jedoch von da aus -
gegebenenfalls grenzüberschreitend - nochmals die gleichen Gruppen und
Meinungen behandelt, bloß aus einem anderen Blickwinkel.
Es sind natürlich noch andere Typologien des Bösen im Umlauf. Äußerst
oberflächlich und irreführend ist z. B. die Einteilung der Teufel nach dem
literarischen Gebrauch der Romantik in "komische" und
"schaurige" Gestalten(470), die von
diesen als Alibihandlung selbstporträtierten Teufelsbildern der Romantik her
eine landläufig angenommene tiefere Beziehung der Romantik zum Satanischen in
Frage stellen soll(471). Bezeichnend für
solche mehr Verwirrung als Klarheit schaffenden Unterscheidungen, die sodann
unzulässig als Unterteilungen gehandhabt werden, daß die auch von der Bibel
apostrophierte innere Spaltung und Zerrissenheit des Teuflischen (Mt 12.25)
umgedeutet, und die Gespaltenen nicht als Teile des selben Wesens angesehen
werden sollen. Typisch ist in diese Richtung etwa eine Typologie, die das
Hexentum und Ritualmagie insgesamt - von dem Boden des Pseudoschamanischen her
- mit der Begründung aus dem Satanischen ausgliedern und zu einer unabhängigen
Größe machen will, daß der Satanismus dem Teufel diene, während das Hexentum
sich den Teufel dienstbar machen wolle, also seien das zwei konträre Dinge(472), die methodisch streng getrennt werden
müßten.
Weniger von den Autoritätsverhältnissen und von der Dienstleistungsseite im
Geschäft (Pakt) mit dem Teufel her hat Aristoteles eine Typologie des Bösen zu
geben unternommen. Auch Aristoteles ging zuerst von der Definition des ethisch
Guten als "Gerechtigkeit" und "Freundschaft" (also von
zwischenmenschlicher Bindung, Verbundenheit, bzw. von der Gerechtigkeit gleichsam
als Handhabung der Bindung) aus, um eine Art Theorie des Bösen als die
"Charakterschwäche", die "Zügellosigkeit" und eine durch
normwidrige Erziehung bedingte "perverse Lebensorientierung" (kurz
"Perversion"), zu liefern(473). Bei
Platon erklärt Sokrates das Böse(474) soweit
trefflich aus dem Guten, bzw. ebenfalls aus der Gerechtigkeit(475),
das, bzw. die als (absolute, alles-durchdringende) Dynamik aufgefaßt wird und
den Anaxagoras mit der Vernunft gleichgesetzt habe(476).
Die traditionell orientierte Handlungstheorie überbot Hegel mit der
einübungsbedingten Einsicht, daß Freundschaft die Gerechtigkeit überflüssig
mache(477). Die kopernikanische Wende war
jedoch die Aufwertung der Freiheit (Liber) durch Kant, die als Selbstbestimmung
die Autonomie der philosophischen Ethik begründet (wobei allerdings Kant stets
Autonomie sagt wenn er Souveränität meint). Alle bisherigen sittlichen
Maßstäbe, mit Einschluß des Höchsten, der Glückseligkeit, fallen damit der
Heteronomie, d. h. der (a priori unerwünschten) Fremdbestimmung anheim(478). Die Glückseligkeitsethik der
(christlichen) Tradition erfährt (durch Kant) eine besondere Zurückweisung(479), weil sie sich an einem Prinzip orientiert,
das die "Neigung"(480) nicht dem
guten Willen zugeordnet hat(481).
Der Satanismus etwa eines Baudelaire ergeht sich zwar in pseudoreligiösen,
jedoch nicht minder "echt" hingebungsvollen Emotionen, leugnet aber
die objektive Realität jedweder Religion dem Wesen nach, so auch der
satanischen "unter anderen", sowie deren Inhalt, all deren
ausschließlicher Ort für den Satanisten, wenn überhaupt, dann in der
menschlichen Psyche (als Imagination), im bloßen Phänomen zu suchen sei(482). Religion oder Glaube entspringt für das
Böse aus einem - wie immer gearteten - seelischen (psychischen), also
subjektiven Bedürfnis, so daß die Befriedigung dieses Bedürfnisses - für den
säkularen Gnostiker - als Glaube oder Religion aufzufassen ist(483),
wobei Glaube und Religion und deren Inhalte als bloße (subjektivistische)
Phänomene aufgefaßt werden. Sonach haben Glaube und Religion (respektive
Inhalte der Religion und des Glaubens, wie etwa Gott oder Teufel) nur in der
Empfindung (Erfahrung) des psychischen Subjekts, als Phänomen des Scheinbaren
eine "reale" Existenz. Damit ist zwar noch nicht ausgesagt, daß jede
Empfindung eine Fiktion sein muß, sondern, daß fiktive Empfindungen, wie z. B.
die Befriedigung des Bedürfnisses nach Glaube und Religion, (für Satanisten)
sich durch ihren fiktiven Charakter von den übrigen Empfindungen (Erfahrungen)
unterscheiden.
Die theologische Position wüßte zwar sehr wohl um die reine Subjektivität
solcher Religiosität, kann aber die Unterstellung des rein subjektiven
Charakters alles Religiösen schon aus logistischen Gründen nicht hinnehmen,(484) weil pseudoreligiöse Einsichten, aus
welcher Richtung auch immer betrachtet, nicht auf die Religion übertragbar
sind. Das theologische Eingehen auf die Pseudoreligion, wonach das personale
Böse zu leugnen nur unter der Voraussetzung der Leugnung des personalen Gottes
möglich ist, wiewohl zutreffend, stellt aber scheinbar nur die theologische
Argumentation zufrieden. Die methodische Frage also ist, ob die theologische
Rüstung genügt, oder das Böse mit den eigenen Waffen, auf seinem eigenen
Terrain zu begegnen ist.
Das Zweite Vatikanum etwa forciert zwar die zeitgemäße Auseinandersetzung
mit dem Zeitgeist, allerdings gewiß nicht, um die Theologie und die
eigentlichen theologischen Positionen preiszugeben, zumal wenn sie das
Unwandelbare und Ewige betreffen. So soll in dieser Arbeit sehr wohl große
Aufmerksamkeit der konsequent destruktiven und asozialen Charakter des sich als
human und sozial - oder zumindest harmlos - gebärdenden Bösen, gewidmet werden.
Der strukturelle Schwerpunkt hat aber auf dem Nachweis zu liegen, daß ebenjener
Böse, der auch der profanen Welt Geißel ist, sich - auch in der vorsichtigsten
Formulierung - in nichts von dem Teufel der Religion unterscheidet. Ja die
Theologie betont sogar, daß sich die Macht des Bösen der Religion im Niederen
manifestiert, obgleich sein Ursprung wesenhaft im Widerspruch zum Höchsten (zum
höchsten Gut) liegt.
Hier muß allerdings vorausgeschickt werden, was eine weiterführende
Auseinandersetzung erst zeigen wird, daß die Beschreibung des Teufels von der
Position des Beobachters abhängt, so daß der Teufel für den Theologen etwas
anders aussieht als für den Satanisten, und so werden auch die Unterteilungen
von den verschiedenen Positionen her anzunähern sein. Der Unterschied zwischen
dem gnostisch-luziferischen (satanischen) und dem christlichen Standpunkt kann
vorerst begrifflich mit den Termini Weltanschauung(485)
und Weltbild(486) zum Ausdruck gebracht
werden. So sollen im Folgenden zuerst die Perspektiven des Bösen aus dem
weltanschaulichen und sodann aus dem theologischen Gesichtspunkt untersucht
werden.
2.2. Die Unperson
Es gibt Satanisten, und das sind heute die bekanntesten, die zwar einen
satanischen Kult pflegen, aber sein "Wesen" auf das Sinnliche
(Materielle) beschränken, um das Spirituelle als Anomalie des Materiellen zu
erklären(487). Es gibt Anhänger des
Satanischen, die als solche eher unbekannt und eher unter dem Terminus
Luziferisten einzuordnen sind, die einen Kult für ein Sonderbedürfnis innerhalb
des Satanischen (Luziferischen) halten (z. B. die Liberal-Katholische Kirche(488) der Theosophie), aber alles Materielle (die
sog. Natur) - mit Goethe(489) - für die
Manifestation (Materialisation) des von der christlichen Religion sogenannten
Teufels (Luzifer), also für die Verfestigung eines ureigentlich spirituellen
(gefallenen) Wesens, sozusagen einem anderen (niedrigeren, d. h.
grobstofflicheren, festeren(490))
Aggregatzustand(491) des Teufels halten(492). In beiden Fällen versagt also die
Unterteilung des Bösen in religiös und areligiös, wie sie von Frick vorgenommen
wurde(493). In beiden Fällen geht aber das Satanische
von einem Innewohnen des Bösen der Materie, von einer gegenseitigen Bedingtheit
vom Mentalen und Materiellen (Sinnlichen) aus. Nur sehen den Kausalzusammenhang
der gegenseitigen Bestimmtheit von Sinnlich und Übersinnlich die beiden
Satanismen scheinbar diametral entgegengesetzt. In diesem Sinne kann also in
einer ersten groben Unterteilung von dem realen (existenten) und von dem
unrealen Satan (als bloßes Phänomen) - natürlich aus der Sicht der Satanisten
selbst - gesprochen werden, wobei wohlgemerkt, von der den beiden (polaren)
Teilen des Selbigen die Rede ist(494).
Es würde zu weit führen hier nachzuweisen, daß es sich auch statistisch auf
tatsächlich so verhält, aber kann mit dem Vernunftsargument darauf hingewiesen
werden, daß die gleiche Zweiteilung aus dem Weltanschaulichen Gesichtspunkt von
der einander bedingenden Gegenüber von Mikrokosmos(495)
und Makrokosmos - im traditionellen Sinne(496)
- herrührt(497), zumal ausschließlich
Sinnliches wahrzunehmen aus dieser Sicht nur die mikrokosmische Seite imstande
ist(498). Wo der Theologe von einem Gegenüber
von Dämonischen (Mentalen) und Leibhaftigen spricht, kommt der Gnostiker mit
dem Begriffspaar kosmisch und psychisch aus(499),
ohne auch nur die psychische Wesenheit personifizieren zu müssen(500).
2.2.1. Das Individuum
Die Frage stellte sich unter Satanisten allerdings anders, denn auch die
Anhänger des realen Teufels sprechen grundsätzlich die Personalität im
theologischen Sinne Gott und Teufel ab. Es geht vielmehr darum, ob Satan als
Individuum, gewissermaßen als organisches Wesen oder anorganisches Wesen (quasi
Wesenheit), vorausgesetzt wird(501). Es ist
aber daran wiederum ersichtlich, daß sich beide Teufelsauffassungen des
Satanismus wieder in dem Begriff der Natur treffen(502),
ob diese nun als "organisch" oder "anorganisch"
(ursächlich) bestimmt vorausgesetzt wird.
Im weiteren Vorgehen muß näher auf die Sprache des Satanischen eingegangen
werden, wo "organisch" oft und gerne synonym zu
"energetisch" verwendet wird(503),
so als sei dem Gnostiker die energetisch bestimmte und sinnlich wahrnehmbare
Veränderung der materiellen Dinge geordnet, und daher sozusagen als organ-isch,
weil organ-isiert(504). Das sinnlich
Satanische begreift beispielsweise das Organische ähnlich dem Biochemiker nicht
vom eigentlichen Wesen des Organischen, sondern von den Merkmalen, von den
sinnlich erfahrbaren biochemischen Prozessen, von den Phänomenen her, nämlich
als eine Anomalie der Chemie(505). Für den
spirituellen Satanisten ist - umgekehrt - ein chemischer Prozeß, um bei dem
nämlichen bildlichen Vergleich zu bleiben, bloß Teil des Organischen (Ablaufs)
und das Anorganische bloß Abfall, ein Herausfallen aus dem Organischen, oder
Abseits vom Organischen.
Geht man weiter auf diese äußerlich naturorientierte Weltanschauung des
Bösen ein, dann kann direkt auf die sogenannten Grundkategorien der Natur
zurückgegriffen werden, die auch von der modernen Naturwissenschaft so
vorausgesetzt werden. Das sind einerseits Raum und Zeit(506),
und andererseits Materie und Energie, wobei die beiden Letzteren von der
modernen Physik per definitionem wiewohl empirisch (trotz aller
Veränderlichkeit, d. i. Wandelbarkeit) als "ewig" (an sich -
quantitativ/substanziell(507) - unwandelbar,
ewig "seiend") vorausgesetzt werden(508).
Das mehr Ineinander als Nebeneinander dieser zwei unwandelbaren
"Ewigkeiten" der Materie und Energie(509)
wird meistens logistisch vorausgesetzt(510),
da man eine einzige absolute Ewigkeit anzunehmen geneigt ist, und die
Atomphysik inzwischen auch Nachweise des Übergangs zumindest von der Materie
zur Energie erbracht hat(511), so daß dieser
Teil übersprungen werden kann, wenn sodann z. B. Hegels Raum in Zeit übergeht.
Etwas kniffliger ist die Zeitbedingtheit - im Sinne von Zeitlichkeit - alles Materiellen wie auch Energetischen der sinnlichen Wahrnehmung(512), wodurch sich auch Raum als zeitbedingt erweist(513). Die vielzitierte Einsteinsche Gleichung (e = m x c5, oder verbalisiert: Energie = Masse Mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit) veranschaulicht(514), daß eine Veränderung im Raum von der Energie und Masse (Materie) als Variablen abhängt, wobei im mathematischen Abstraktum auch das Kausalprinzip (Materie oder Energie als das Ursächlichere) variabel erscheint. Einstein hat auch nicht gezögert die Vorstellung des absoluten Raumes und der absoluten Zeit, d. h. der absolut gleichförmig ablaufenden Zeit(515), als unhaltbar nachzuweisen(516), so als sei die absolute Zeit und Raum nur analog axiomatisch vorauszusetzen, wie die absolute Gerade, absolute Parallele, der absolute Punkt und die absolute Einheit, bzw. Zahl, in der Geometrie und Mathematik(517).
Versucht man nun Raum und Zeit einerseits, sowie Materie und Energie
andererseits, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so zeigt sich, daß die
zwei - für den Naturalisten - "ewigen" (unvergänglichen) Komponente
des (natürlichen) Daseins, nämlich Materie und Energie, so wie sie in ihrem
Dasein unwandelbar sind, so sind sie in ihrem Sosein wandelbar, gleichsam die
Manifestation der ewigen Wandlung schlechthin. Sind also Materie und Energie
die höchsten Kategorien des Daseins, so sind Raum und Zeit die höchsten
Kategorien des Soseins(518)(der Wandlung). Und
so wie der Kausalzusammenhang zwischen Materie und Energie das Ventil war für
das Begreifen, so ist er nun das Ventil zwischen Dasein und Sosein.
Es sollte sodann ersichtlich sein, daß der naturalistisch am Naturbild
weltanschaulich orientierte Satanismus mit seiner Zweiteilung in der Annahme des
teuflischen Wesens, nämlich als real und unreal, den aufgezeigten zwei
Grundkategorien, Materie und Energie, bzw. Raum und Zeit, entsprechend, die
nämliche unwillkürliche Zweiteilung vornimmt. Je nach dem, ob er das Materielle
vom Energetischen oder das Energetische vom Materiellen her bestimmt
voraussetzt, hält er den Teufel für real oder unreal(519).
Etwa entsprechend dem, ob er - umgangssprachlich - den Weltraum (Kosmos) als
(materielle) Leere oder als (energetische) Fülle(520)voraussetzt.
Anders ausgedrückt, kann das Böse entweder als eine stoffliche oder als eine
energetische Anomalie, also entweder als eine quantitative oder qualitative
Anomalie betrachtet, und je nach Beobachterposition für real (wirklich) oder
unreal (surreal) gehalten werden, ohne daß dieser Satanismus-internen
Kontroverse, etwa in der Art, ob das Huhn oder das Ei Kausalursache war, der
Theologe etwas abgewinnen könnte(521). Für den
Theologen ist die physisch verfügbare oder sonstwie allzu unmittelbare Energie
das nämliche Sekundär-Mentale, das er für das Böse hält, zumal in dieser
autonomen Form als (vorgeblich) letzte Ursache.
Analog ist dem Materialisten Zeit nur im Raum vorstellbar(522),
d. h. greifbar, und ist für ihn die Zeit von dem Raum her bestimmt(523) (weil ohne räumliche Orientierung wäre Zeit
nicht meßbar, d. h. nicht faßbar)(524). Der
Spiritualist kann hingegen Raum nur als zeitbestimmt, als die Funktion der Zeit
vorstellen(525), und mehr oder minder bewußt
die Zeit mit "Gott" (als "Höhere Gewalt") gleichsetzt(526) (indem er den Raum als "Zeitlichkeit"
schlechthin auffaßt(527)). An einem
naturwissenschaftlichen Vergleich könnte dieses Dilemma veranschaulicht werden,
wenn das sogenannte elektromagnetische Feld herangezogen wird. Die neuere
Physik hat nämlich gezeigt, daß die zunächst als unabhängige Kräfte erfahrene
Elektrizität und Magnetismus sich stets gegenseitig bedingen und keiner der
beiden Wirkkräfte ohne der anderen vorkommen kann(528)
(Induktion). Jede Veränderung des magnetischen Feldes ruft unweigerlich eine
elektrische Veränderung hervor und umgekehrt. Nur sind die beiden Kräfte immer
senkrecht zueinander, also in einer anderen Dimension. Sie bilden aber eine
unauflösliche Einheit(529). Sie sind die
Einheit der Gesamtheit der Natur durchwaltenden physischen Kräfte, die zwei
unabdingbare Hälften der Energie schlechthin.
2.2.2. Das Subjekt
Vor allem Hegel, im bewußtem Gegensatz zu dem statisch-raumorientierten
Kant, unternahm es - Aristoteles äußerlich nachahmend - Gott und die Welt von
der Zeit her zu erklären(530), oder wie er
meint: zu begreifen(531). So ging er zunächst
von der Definition des Punktes als Negation der Ganzheit aus, um die Ganzheit
und überhaupt alle Oberbegriffe - logisch unzulässig - wiederum als die
Negation der Negation(532) zu begreifen(533). Dieser Punkt repräsentiert für Hegel sowohl
Raum wie Zeit und seine zentrale Bedeutung besteht in seiner Rolle als das
Zentrale (Punkt) schlechthin definiert worden zu sein. In der Tat hebt Hegel
nun die bisherige Welt mit diesem Punkt durch eine weitere Definition aus den
Angeln(534), wonach nämlich dieser Punkt
gegenüber dem Ganzen sich als ein anderer erkennt. Denn, so Hegel, sich als ein
anderer kann der Punkt nur unter der Voraussetzung erkannt (begriffen) haben,
daß er etwas außerhalb seines Selbst als ein anderer erkannt hat. Dieses
Erkennen des Unterschieds als Unterschied schließt für Hegel ein doppeltes
Erkennen, nämlich das Erkennen des Unterscheidenden durch das Erkennen des
Unterschiedenen, ein(535). Also, keine
Selbsterkenntnis(536)(als möglich) ohne etwas
außerhalb vom Selbst, das auch noch vorher erkannt werden müsse, so daß das
Absolute, das alles in sich schließend gedacht wird, "logisch", bzw.
"definitiv" aus der Selbsterkenntnis ausgeschlossen ist. Selbst das
Selbsterkennen des Punktes wird dahin relativiert, daß die Subjektivität des
(dynamischen) Vorganges des Selbsterkennens eine Bewegung sei, die unmöglich
dem Punkt selbst zukommen könne, der statisch vorausgesetzt wird, so daß die
Subjektivität im Selbsterkennen lediglich ein ephemerer Schein ohne
Wirklichkeit, und also der Punkt nicht wirklich Subjekt sei, sondern nur von
der Religion irrig (als Schöpfer) dafür gehalten(537).
Des weiteren definiert nun Hegel den "Begriff" als den sich selbst
begreifenden Punkt(538), also den
berühmt-berüchtigten sich selbst denkenden Gedanken(539),
der sodann als das Wesen des Geistes definiert wird, der aber pardoxerweise
kein Subjekt sein kann(540), auch wenn der
nämliche Punkt in der Folge als der Schöpfer erscheint(541).
Der mittlerweile auf ein halbes Dutzend spekulative Definitionen gestützte
Geist Hegels schreitet sodann zur Selbstoffenbarung(542),
indem da - abgekürzt ausgedrückt - ein Unterschied zwischen dem wahren Begriff
der Ganzheit über sich, und dem relativen Begriff des Punktes über die Ganzheit
per definitionem konstatiert wird. Der wahre Begriff der Zeit steht über der
Zeit, so Hegel, während der Geist sich als der relative, also unvollkommene
Begriff der Ganzheit definiert. Daraus folgt für Hegel, daß die Existenz des
Geistes ausschließlich durch ihre Unvollkommenheit (d. i. bei ihm einfach
quantitativ die Nicht-Ganzheit) bestimmt ist, und in der Vollkommenheit der
Geist sich zwangsläufig aufheben würde. Die Existenz des Geistes ist absolut
durch seine eigene Unvollkommenheit bestimmt, bzw. ist die Unvollkommenheit des
Geistes schlechthinnige Existenzvoraussetzung (seiner Existenz).
Nichtsdestotrotz tendiert der Geist Hegels definitionsbedingt zur
Vollkommenheit, nämlich wie zwei Linien einer im Koordinatensystem
dargestellten Exponentialgleichung, die sich zwar theoretisch ebenso immer mehr
annähern, wie sie sich sicher nie berühren, nie übereinstimmende Punkte
besetzen können.
Diese hochtrabende und die Wissenschaftlichkeit - sozusagen als die
graphische Linie der oben zitierten Exponentialgleichung - immer mehr annähernde
aber nie erreichende Erklärung des Geistes, entpuppt sich beim näheren Hinsehen
als so gut wie deckungsgleich mit der Definition des Dämonischen und
Satanischen(543) in der Theologie. Denn die
sich selbst begreifende Zeit stellt Hegel über die Zeit(544)
und noch mehr außerhalb dem Geist, als den Unterschied par excellence. Geist
definiert Hegel als die Aberration im Selbstbegreifen der Zeit in seiner
Negation (Punkt), als den Inbegriff der Unvollkommenheit, die ja dessen
Wirklichkeit, die Realität der Existenz bedingte.
Zu Recht bemängelt auch Heidegger, daß die Herkunft der Weltzeit bei Hegel
völlig im Dunkel bleibt und a priori vorausgesetzt, bzw. dann später als
"schicksalhaft" hinzunehmend definiert wird. Deswegen muß der Geist
Hegels "in die Zeit fallen", um zu "Sein", wobei er dieses
Fallen (luziferisch, bzw. neuplatonisch als Emanation)(545)
mit "Verwirklichung" gleichsetzt(546).
Auf das Wesen der Verwirklichung als Unvollkommenheit, und das Wesen der
Vollkommenheit als unreal, sowie auf die deckungsgleiche Definition Hegels für
den "Punkt", "Zeit", "Raum", "Geist",
"Begriff", "Selbst", "Gott", jeweils als
"Negation der Negation", soll an dieser Stelle nicht näher
eingegangen werden. Lediglich die Bedingtheit des "Selbst" von der
"Verwirklichung", also von der eigenen "Unvollkommenheit",
verdient Aufmerksamkeit, womit die "Selbstverwirklichung" Hegels
unmittelbar von der "Unvollkommenheit" abhängt, weil die
Vollkommenheit von der Selbstverwirklichung, wie überhaupt aus jeder
Wirklichkeit (als Realität), ausgeschlossen ist. Ansonsten kann die Summe der
mit Negation der Negation bezeichneten Dinge (im Einzelnen und gemeinsam) mit
der Feststellung beiseite gelassen werden, das sie schon deswegen ein
spekulatives Husarenstück Hegels ist, weil logisch ein Unding. Sofern etwa der
Punkt als Negation der Ganzheit als Ausgangsposition genommen wird, dann gilt
die Negation des Punktes, das ist die Negation der Negation, nur für Hegel als
wiederum die Ganzheit, nicht jedoch für den Rest der Welt. Auf keinen Fall
jedoch für die Logik, zumal Hegel selbst den Begriff der Ganzheit von sich
selbst und den Begriff der Ganzheit für die Nichtganzheit (Punkt) als
wohlunterschieden definiert hat, und er die Negation der Negation sehr wohl
detailliert von der Negierung der Nichtganzheit her begreift (so daß die
Negierung der Nichtganzheit ebensowenig zwingend die Ganzheit ergibt, sondern
eine andere Nichtganzheit(547), wie etwa das
Leugnen des Leugnens die Wahrheit ergibt, oder der Widerspruch zum Widerspruch
Gott: der Hegelsche Terminus "Negation der Negation" täuscht zwar die
"doppelte Verneinung" als Affirmation vor, ist aber in Wirklichkeit
eine verdoppelte Verneinung, und keine - affirmative - doppelte Verneinung).
Hegel hat vordefiniert, daß der Begriff der Ganzheit über sich selbst ein
anderer ist, als der Begriff des Punktes über die Ganzheit, woraus zunächst
Zwingend ein Unterschied in den beiden Nichtganzheiten zu konstatieren ist, so
daß die Frage im Raum schwebt, welche Nichtganzheit der Punkt negieren muß, um
zu wirklicher Ganzheit zu mutieren, bzw. welche Ganzheit kann die negierte
Nichtganzheit meinen. Ob der Punkt die Ganzheit als wirklich begreifen könnte,
um die wirkliche Nichtganzheit zu negieren, oder ist der Punkt durch den
unvollkommenen Begriff der eigenen Nichtganzheit unmöglich selbige so negieren
kann, um wirklich die Ganzheit zu repräsentieren. Feuerbach nämlich wird später
in der Kritik der Theologie, aber auch (zugleich implizit) der Philosophie, den
Gedanken aufwerfen, daß die Nichtganzheit, das begrenzte Bewußtsein (d. i. die
Negation der Ganzheit bei Hegel), unmöglich die Ganzheit (Unbegrenztheit) fassen
kann, am wenigsten durch Gegenüberstellung mit der eigenen Nichtganzheit
(Negation der eigenen Nichtganzheit, mit Hegel(548):
"Negation der Negation"), weil jede Nichtganzheit nur so viel von der
Ganzheit fassen kann, wie er selbst ist, so daß alles über den Punkt
hinausgehende für den Punkt - als Erkennender - jenseits des
Erkenntnishorizontes steht und daher unmöglich erkennbar ist. Aus der
Hegelschen Definition der Negation, bzw. des Punktes, folgt die Unmöglichkeit
die Ganzheit vom Punkt her als Wirklichkeit zu begreifen. Selbst die innere
Logik der Sprache setzt voraus, daß die Negation der Negation niemals
Wirklichkeit begreifen kann, sondern nur eine utopische, imaginäre Möglichkeit.
Das gesamte System Hegels, mag es abstrakt für sich ein geschlossenes Ganzes
bilden, es ist aber nicht wirklich, und mit der Wirklichkeit, im Gegensatz etwa
zur Mathematik, auch nicht vereinbar, weil die Voraussetzungen (axiomatische
Apriori) nicht der Wirklichkeit adäquat sind, und die von Hegel spekulativ
vordefinierten Scheinwirklichkeit naturgemäß sogar miteinander im Widerspruch
stehen. Vergeblich versucht also Hegel die inneren Widersprüche mit immer neuen
Definitionen zu überbrücken, die letztlich doch zu einer Vermehrung der Widersprüche
führen. So definiert auch Hegel vergeblich noch so spitzfindig, "daß
das Endliche den Unterschied in sich trägt, daß es »das andere seiner selbst«
ist; daß diese Negativität - diese »Unruhe«, die das Endliche über seine
Grenzen hinaus treibt (W 5,138) - »der einfache Punkt der negativen Beziehung
auf sich [...], die dialektische Seele« ist, »die alles Wahre an ihm selbst
hat, durch die es allein Wahres ist«; daß »Alles Konkrete, alles Lebendige« in
sich »dieser Widerspruch« ist:"(549),
die so definiert vorausgesetzte (neuplatonische) monistische Einheit(550), die das Endliche (Punkt) als "das
andere seiner selbst" in sich trage und daher über sich hinaus strebe,
kann - unter den Hegelschen Bedingungen - von der Ganzheit nur ein Begriff
haben, ohne die Ganzheit wirklich begreifen zu können. Und da ist noch gar
nicht vom Unterschied im Begreifen und Erkennen die Rede.
Weil Anselms axiomatischer "Beweis" Gottes - besonders in den
aufklärerischen Rezensionen "seines" sog. ontologischen
Gottesbeweises - etwas unglücklich Gott "als das Größte was man sich
denken kann" definiert(551), folgt daraus
noch lange nicht, daß das Größte, was sich Hegel so denkt, auch tatsächlich Gott
ist. Am wenigsten dann, wenn er die Wirklichkeit des Gedachten a priori
leugnet. Anselm hat nämlich ausdrücklich die Wirklichkeit(552)(Dinglichkeit)
zu der nämlichen Bedingung der Vollkommenheit gemacht, und meinte, daß nur der
vollkommenste aller Möglichkeiten an Gedanken auch tatsächlich
("natürliche", existentielle) Wirklichkeit habe, so daß die
Wirklichkeit das schlechthinnige Kriterium der Vollkommenheit sei. Offenbar
deswegen meidet Hegel also den Namen Anselms direkt zu nennen, wenn er dessen
halbe Wahrheit entlehnt, um seine zentrale Idee über seinen halbstarken Gott,
der ganz und gar unwirklich ist, darauf zu gründen. Denn Hegels Vollkommenheit
setzt die mangelnde Existenz unabdingbar voraus, und keine dingliche (existenziale)
Wirklichkeit kann je vollkommen sein.
Wichtig scheint in unserem Zusammenhang, daß für Hegel das Wesen des Geistes
"Begriff" meint, und der Begriff ein Begreifen als Selbst (durch den
Unterschied zum Selbst), den sich selbst denkenden Gedanken, meint(553). Daß Hegel selbst seinen (absoluten) Geist
als mit sich selbst (nämlich mit der eigenen Vollkommenheit) im permanenten
Widerspruch, also als endlich, charakterisiert(554),
als das unüberwindbare Hindernis des eigenen Zwecks, nämlich sich selbst (ganz)
zu begreifen. Daß die Verwirklichung des Geistes für Hegel ein "harter,
unendlicher Kampf gegen sich selbst" ist, weil die Selbstbestimmung des
Geistes, vollkommen (als die Ganzheit) begreifen zu müssen, trotz der ständigen
Annäherung, ein Unding (absolut unmöglich) ist. Daß aber der Geist solange
existiert, bis das Unmögliche erreicht, und von ihm die Zeit, die nur von sich
selbst vollkommen begriffen werden könne, vom (aus der Zeit-Ganzheit
herausgefallenen) Geist vollkommen begriffen ist.
2.2.3. Der Kosmopolit
Diesen Geist des Widerspruchs definiert Hegel sodann als den Geist der
Geschichte(555), weil für ihn die Geschichte
"definitiv" eine Geschichte des Geistes ist. Der Geist ist - nach
Hegels historizisierendem Konzept - im Abendland, namentlich im
Christlich-Germanischen, zur Vollendung gelangt, um den Weg alles
(hegelianisch) Vollendeten (in die Auflösung, bzw. Aufhebung) zu gehen(556). Dergestalt ist für Hegel das Christentum
die Religion der Vollendung schlechthin(557),
denn schon mit dem Eintritt des Christentums in die Welt diese zum Geist (des
Widerspruchs und des in der Unvollkommenheit vollendeten Geistes) befreit
worden sei, nämlich von der "Selbst-losigkeit" des Heidnischen.
Weil Hegel eine Orientierungsgröße der modernen Geistesgeschichte
schlechthin ist, und die Welt seiner Gedanken in seiner Geschichtsphilosophie
komprimiert ist, die - nach ihm - eine Philosophie der Geschichte des Geistes
ist(558), kann hier mit allem Nachdruck darauf
hingewiesen werden, daß der nämliche Geist (das "Absolute als
Weltgeist")(559), den er ausdrücklich als
christlich vorgibt, von ihm direkt und unmittelbar aus der Zeit abgeleitet ist(560). Diese Zentrierung der Zeit an sich in der
Philosophie und Lebenswerk Hegels kann als der Angelpunkt für die
Auseinandersetzung mit dem Bösen genommen werden, denn Hegels Beschreibung des
Geistes an sich deckt sich mit der Beschreibung des Teufels in der Theologie(561), bzw. ist die Überlappung so groß, daß von
einer faktischen Deckungsgleichheit gesprochen werden kann(562).
Raum, also Schöpfung, ist für Hegel, wie für alle luziferischen Gnostiker,
die Verwirklichung des höchsten Wesens, nämlich durch Herabsinken (Abfallen,
Herabstürzen) in die Existenz, in die Materie, d. h. durch Herabsinken des
Subtilen zum Stofflichen(563), zur Existenz.
Dies höchste Wesen ist für Hegel die Zeit, wobei die sich verwirklichende Zeit
immer nur ein Teil der Ganzheit sein kann(564)
(das Überzeitliche wird zwar bei Hegel per definitionem verbal vorausgesetzt,
bleibt aber völlig im Dunkel, so als sei die Zeit an sich die Manifestation des
Überzeitlichen), der sich selbst (als davon unterschieden) begreifen kann. Um
aber Mißverständnisse zu vermeiden, sei hier darauf hingewiesen, daß Hegel zwar
- wie alle Gnostiker vor und nach ihm - ebenfalls eine eigene
chiliastisch-eschatologische Linie vorgibt(565),
aber es hier vorrangig um seine allgemeingültige Rückkoppelung an die Zeit -
als die schlechthinnige Ausgangsgröße - in der Theorie geht, und weniger um
seine persönliche (subjektive) Ableitung des obligat Chiliastischen, bzw.
Eschatologischen(566).
Die große Schwäche und Stärke der von Hegel absolutgesetzten Zeit ist die
nur a priori definierte "vorhandene Begrifflichkeit" der Zeit(567). Denn zuvor erklärte Hegel das Begreifen
aus der Relation(568) (zum Unterschied),
woraus zwingend folgt, daß ein absolut alles in sich Begreifende, der nichts
außerhalb von sich hat, also nichts von sich unterschiedenes, wie der
absolutgesetzte Natur-Begriff des Gnostikers, der wirklich alles nur als in
sich selbst vorhanden begreifen müßte, der kann unmöglich sich selbst (nämlich
als Selbst) begreifen, außer - natürlich - per definitionem (a priori)(569) von außen(570).
Begreifen setzt - in den Definitionen Hegels - Abgrenzung voraus, so daß etwas
absolut Unbegrenztes nicht als Selbst begriffen werden kann. Am wenigsten aber
kann sich Hegels Grenzenlose, geht es nach Hegel, sich selbst (als Selbst)
begreifen. Deswegen definiert Hegel das sich selbst Begreifen als Unruhe und
Unfreiheit, die gegen das unendliche Begreifen tendiert, wo sich dann alles
Existierende aufhebt, bzw. aufheben würde, wenn es (außer in der Zeit)
erreichbar wäre(571).
2.2.4. Der Spaltgeist
Deswegen kann für den Gnostiker, hier konkret für Hegel, das Absolute, das
alles nur innerhalb von sich selbst begreifen könnte(572),
keine Personalität (die im gnostischen Sprachgebrauch das Selbst meint) haben.
Wenn Heidegger meint, daß das Grenzenlose (das Absolute) wohl Bewußtsein habe,
während Selbstbewußtsein nur einem Teil der Ganzheit (in der Relation)
vorbehalten ist, dann spricht er von der Ganzheit als Unperson (Selbst=Person),
weil sonach nur ein Teil der Ganzheit Personalität (Selbst) haben kann.
Deswegen wohl kennt Hegels Jesus, wie der Jesus des - von Hegel als sein
Vorläufer hochgelobten - Jakob Böhme, keinen eigentlich persönlichen Gott,
weder als Vater, noch als Sohn(573), und "Der
Glaube an das Göttliche stammt also aus der Göttlichkeit der eigenen
Natur"(574). Hegel widerspricht sich
aber vollends im Konzept, wenn er einerseits der Vollkommenheit der Zeit - im
Gegensatz zum in die Zeit gefallenen und sich selbst dort verwirklichenden
Geist - das Wort redet, und andererseits das eschatologische Ende des
Christentums durch die Verwirklichung ebendieses Geistes (in der Zeit)
postuliert. Hegel meint zwar zum Ausdruck gebracht zu haben, daß am Anfang der
Zeit die Verwirklichung des Unvollkommenen die Manifestation (d. i. die
materielle Existenz) bedeutet, aber am Ende der für den Geist bestimmten Zeit
die gleiche Verwirklichung so nahe an die Vollkommenheit herangereicht sei(575), daß schon alles wieder aufgehoben werden
könne und müsse(576).
Der Gipfelpunkt der Entwicklung vor der Talfahrt des Geistes war für Hegel
die Französische Revolution und die Vermittlung(577)
des Geistes durch Rousseau, bis auf der allerletzten Stufe der Geschichte des
europäischen Geistes sich endlich der "reine freie Wille"
hervorbringt, "der sich selber will und weiß was er will".
Der Mensch stellt sich damit zum ersten Mal "auf den Kopf",
und das Geschehen in der Welt wird identisch mit dem Gedanken der Philosophie. "[...]
Die sogenannte Säkularisierung des ursprünglichen Christentums - seines Geistes
und seiner Freiheit - bedeutet also für Hegel keinen verwerflichen Abfall von
seinem ursprünglichen Sinn, sondern im Gegenteil: die wahre Explikation dieses
Ursprungs durch seine positive Verwirklichung. Und wie die Geschichte der
christlichen Welt eine Bewegung des Fortschritts ist über die Antike hinaus, so
ist sie auch die wahre Erfüllung der Sehnsucht der alten Welt. Die
griechisch-römische Welt ist in dem christlich Germanischen aufgehoben [...]"
Also wie das Christliche die Antike Vollendet und dem Untergang geweiht hat, so
ist im Germanischen die Vollendung des Christlichen nach Hegel zu sehen(578), wenngleich Hegel da etwas schwammig
formuliert.
2.3. Das personale Böse
Das zweite Kriterium der Unterscheidung im Satanischen ist die Frage der
Personalität. Diese kann natürlich aus der Weltanschaulichen Sicht kaum angenähert
werden, denn das christliche Weltbild von einer realen Substanz durchwaltet
ist, die in der weltanschaulichen Dimension zur Gänze fehlt(579),
bzw. ausgeblendet (geleugnet, oder "uminterpretiert") ist(580). Kant hat einmal den Unterschied so
formuliert: "Der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen
lebendigen Gott", womit er gar nicht so Unrecht hatte(581).
Aus der Sicht des Theologen ist die mangelnde Akzeptanz gegenüber dem Urheber
des besagten Lebens das an sich Böse, und eine Typologie richtet sich nach dem
Grad oder Art und Weise der Leblosigkeit.
Die Theologie geht von der substantiellen Wirklichkeit der (für die Natur)
transzendenten Energie aus(582), die auch eine
sinnlich wahrnehmbare Lebensform ursächlich bewirkt (vgl. 1 Kor 1,24; 4,20),
während der Gottesleugner Leben nur als Sekundärursache(583)
(hinter dem Sein) auffassen kann(584). Der
Theologe nimmt das werdende Leben so in der Primärursache vorgegeben, wie im
aufkeimenden Samen auf der materiellen Ebene (vgl. Mt 13,18-13,39; Mk 4,1-31).
Analog ist dem Theologen das Sozialgefüge etwas Vorgegebenes, und zwar wohl in
Entwicklung begriffen, aber gerade deswegen nur als organische Wirklichkeit,
lebendig im wahrsten Sinne des Wortes. Liebe ist nicht geworden, sondern sich
fortschreitend manifestierend. Liebe kann nicht entstehen und ebensowenig
vergehen (1 Kor 13,8), sonst wäre sie nicht. Allerdings kann sie von dem
Seinsbegriff der Philosophen und von der Ontotheologie(585)(Ontosophie(586)) nicht eingefangen und verfügbar gemacht
werden. Diese Unverfügbarkeit nämlich dessen, der über alles verfügt, ist der
sprichwörtliche Stein des Anstoßes (Lk 20,17-18; Ps 118,22), der Anlaß zum
Widerspruch, Grund der mangelnden Akzeptanz, der Ansatz des sogenannten Bösen
(zum Widerspruch). Der scheinbare Widerspruch zwischen Autonomie des lebendigen
Individuums einerseits, und Heteronomie alles Lebens an sich andererseits,
überfordert das Selbstempfinden eines in Entwicklung befindlichen Bewußtseins(587), das (noch) mit dem Unterschied von Autonomie
und Souveränität nicht umgehen kann(588)
(Sündenfall, die sog. Erbsünde). Das Böse ist, soweit die Personalität als das
Kriterium und die Ebene der Beurteilung herangezogen wird, sozusagen ein
autonomie-nonkonformes Bewußtsein, die Usurpierung der Souveränität durch die
Autonomie (der Vernunft), die Revolte gegen die Heteronomie alles Lebens im
Namen der Individualität. Die entfesselte, die (von der Realität) entbundene
Vernunft. Die von Kant zynisch als angebliche "Mündigkeit"(589) postulierte Akkulturation. Die Opposition
der Vernunft zur Realität; wobei die (subjektive) Realität(590)
(gegenüber der objektiven Wirklichkeit) sich (für gewöhnlich in der Zeit) - mit
den zur Rede stehenden ("das Böse" genannten) fatalen Folgen -
verschiebt. Das an das Personale schlechthin gebundene Phänomen (das Böse),
zumal an die Vernunft geknüpft ("gebunden"), die Theologen in der
Person, Gnostiker jedoch - aus dem nämlichen Grunde - auch in der Unperson(591) (Natur) voraussetzen. Kurzum: Immer wenn
die an die Personalität gekoppelte Vernunft in der nämlichen Verbindung einen
Mangel der Vernunft als Mangel der Person fehlinterpretiert, spricht der Theologe
vom (personalen) Bösen, weil nicht die Personalität (des Bösen) an sich ist
mangelhaft, sondern die daran gebundene Vernunft, das Bewußtsein der
(mangelhaften) Vernunft über die Personalität.
Den lebendigen Gott zu akzeptieren bedeutet sonach von ihm und für ihn zu
leben, im eigentlichen Sinne zu leben, während die mangelnde Akzeptanz das
Absterben (vom Leben im lebendigen Gott) besagt, dessen auch mehrere Varianten
gibt. Um aber an den über die Satanisten - aus der Sicht der Satanisten -
bisher Gesagten nicht vorbeizugehen, könnte einfach das Böse in der Theologie
typologisch in die vorchristliche und nachchristliche Widersacher Gottes
eingeteilt werden, die landläufig unter dem Namen Atheist (eigentlich
Gottloser) und Antichrist bekannt sind. Doch diese Einteilung wäre auch der
biblischen Beschreibung des Teufels, die in der Offenbarung drei Abstufungen
(Off 12,1-13,18: Satan, Antichrist und falscher Prophet) aufzählt, scheinbar
nicht auf Anhieb ganz gerecht.
2.3.1. Der Widersacher
Allgemeinverständlich definiert sich das Böse als der Gegensatz, der
Widerspruch zum Guten (das Ungute), und zwar so, daß - zumindest in der
Theologie - diese Aussage nicht (direkt) umkehrbar ist(592).
Der simpelste profan umgangssprachliche Ausdruck für den höchsten Wert der
Religion, für das höchste Gut, ist Bindung (Hebr 4,14-10,18;
vgl. Mk 14,24//Mt 26,28; Lk 17,2; 22,20; Apg 3,25; Röm 9,4; 11,27; 1 Kor 11,15;
2 Kor 3,6.14; Eph 2,12; 10,29; 13,20, und im AT: der Bund mit Noah in 1 Mo 6,18;
9,1-17; der Bund mit Abraham in 1 Mo 15,1-21; 17,1-27; 2 Mo 2,24; der Bund mit
Mose in 2 Mo 19,1-24,18; der erneuerte Bund in Hes 16,8-60; Jes 42,6; Hos
2,18-25). Die christliche Religion geht davon aus, daß die höchste und reinste
Form (und zugleich Inhalt) der Bindung, das eigentliche (wahre) Wesen der
Bindung, die Liebe ist, die einzig wahre (reine) Form der Bindung, in dem Gott
selbst manifestiert ist, bzw. in dem sich (seiner Natur gemäß) Gott selbst
(persönlich) manifestiert, denn er ist Liebe (1 Joh 4,8). Aus dieser Sicht der
Dinge kennt und anerkennt die christliche Religion abgewandelte Formen der
Bindung, die trotz gelegentlichem, oder durch die Schwachheit des Menschen
sogar permanenten Mißbrauch (Sünde) die Existenzvoraussetzung (des Daseins) sowohl
im Jenseits wie im Diesseits, bis in den profansten Teil des Alltags hinein,
sind.
Das umgangssprachlich beschriebene Böse definiert sich also aus der Sicht
der christlichen Religion als die Abweichung von der oben beschriebenen
"sozialen" Grundposition(593) (der
Bindung(594)), die Opposition zur Gebundenheit
(in der Liebe), wobei die Theologie sowohl aus den geoffenbarten, wie auch von
den tradierten Erfahrungsschätzen her den Standpunkt zu vertreten sich
gezwungen sieht, daß bei den beiden genannten Größen um sich gegenseitig
ausschließende konträren Wertvorstellungen handelt, die jeweils für sich
Absolutheitsanspruch erheben, bzw. dies ihnen jeweils unabdingbar innewohnt
(wie Leben und Tod). Aus der Sicht beider geht es in der alltäglich
kontroversiellen Auseinandersetzung im wesentlichen nur darum, welche von
Beiden den anderen gewissermaßen mit einschließt, um den Absolutheitsanspruch
legitim zu vertreten, und welcher ist der "abgefallener" Teil des
Absoluten. In dieser Fragestellung zeigt es sich, daß das Gute durchaus neben
sich das Böse kennt und als solches anerkennt, den er aber - bis auf die
sprichwörtliche Ausnahme - als einen gewissermaßen verlorenen und
wiederzugewinnenden Teil beansprucht. Das Böse hingegen anerkennt das Gute
nicht neben sich, nicht als solches, sondern höchstens als einen mit ihm
"einvernehmlich (zum Ganzen) verbundenen" Teil. So verhöhnt das Böse
den Absolutheitsanspruch des Guten, der selbst offen zugibt, das mit ihm
Unvereinbare auszugrenzen. Das Gute wiederum mahnt vor dem trügerischen Schein
der vorgeblich absoluten Einheit im Bösen, das angeblich nichts und niemanden
ausgrenze, das aber zu diesem Zweck das wirklich Gute aus der Welt schaffen,
total ausgrenzen müßte ("provisorisch" durch das Leugnen der Existenz
des eigentlich Guten, das die absolute Ausgrenzung ist), ohne das offen
zuzugeben. Dieses auch das nämliche Gute in sich miteinschließen zu wollen, das
jedwede Böse von ebendiesem Guten ausgrenzt, ist solange ein logisches Unding,
bis das nämliche wirklich Gute, so wie das wahrhaft Gute (der Theologie) sich
selbst definiert, auch tatsächlich (wirklich) ist. Nur durch die Leugnung des
an sich Guten in dessen Eigendefinition als überhaupt existent, ist der
Absolutheitsanspruch, die duale Einheit von Gut und Böse(595)(im
Bösen), überhaupt logisch denkbar. Anders ausgedrückt: Das Böse rechtfertigt
seine dem Guten konträre Eigendefinition des (relativ) Bösen durch die
Umdefinierung des (somit geleugneten) Guten. Die weltanschauliche Entfremdung
des Guten durch das Böse, die Legitimierung des Bösen als "halb so
schlimm", ist aber das Hauptcharakteristikum des Bösen aus dem
Gesichtspunkt des (wirklich) Guten.
Vor dem theoretischen Hintergrund dieses (quer über die Jahrtausende)
prolongierten Geplänkels manifestiert sich die permanente Auseinandersetzung
der alltäglichen Praxis in dem Für-und-Wider zur (persönlichen) Bindung. Das
Gute lebt von und für die Bindung, versteht Freiheit proportional zur Bindung
(Röm 6,15-22; 1 Kor 9,19; vgl. Phil 2,7), bildlich symbolisiert etwa durch die
Nägel im Kreuz Christi, allerdings als eine andere Dimension (Jenseits). Das
Böse versteht demgegenüber Freiheit als Losbindung(596)
(nicht zu verwechseln mit "bindungslos") und Lieblosigkeit
(assoziiert mit Individualität, bzw. Fürsichsein) als die "Natur" des
("vernünftigen") Absoluten(597). Das
genannte Paradoxon in der Position des Bösen ist, daß die Utopie der
Bindungslosigkeit einen Weg mit bösen Überraschungen dem Adepten verheißt, den
er gewiß nicht ginge, wenn er nicht sozusagen "absolut" an die
Bindungslosigkeit gebunden wäre(598). Diese
trübe Suppe der "Bindung" des Bösen an die Ungebundenheit versucht
nun das Gute dem Bösen zu versalzen, während das Böse insb. mit Pseudobindungen
als Umgehung der Bindung kontert.
2.3.2. Das 1001. Reich
Aus den bisher Gesagten ist nicht nur für Theologen und Gläubige, sondern
aus Vernunftsgründen einigermaßen ersichtlich, daß keine lebensfähige
politische Ordnung offen und auf Dauer Position gegen die Bindung beziehen
kann, womit in dem hier sogenannten Bösen jede Politik (als Handhabe der
allgemeinen Bindung) und jede wohlverstandene Religion (als verinnerlichende
Vergegenwärtigung der allgemeinen Bindung) einen gemeinsamen Feind hat. Mit der
Einbeziehung der Politik in die Betrachtung empfehlt es sich nun
differenzierter vorzugehen und zumindest teilweise zu theologischen Ausdrucksweisen
zurückzukehren. Es soll ein Versuch unternommen werden, die Struktur des
logistischen Aufbaus der Untersuchung zu skizzieren.
Im Zentrum des didaktischen Vorgehens ist das Hervorheben der markantesten
Punkte eines seit Jahrtausenden währenden Stellungskampfs der
Geistesgeschichte. Es klingt zunächst vielleicht zu theoretisch, daß die
wichtigste Komponente einer jeden Bindung die Zeit ist (Mk 1,15; Lk 21,8; vgl.
Apg 3,21), und so faktisch jede Bindung an der Zeitkomponente am einfachsten und
verbindlichsten beurteilt werden kann. Im Alten Testament kann die Zentrale
Stellung der Zeit im sog. Dekalog (2 Mo 20,1-17; vgl. 2 Mo 20,22-23,19) gezeigt
werden, wo das Sabbatgebot an erster Stelle steht und faktisch besagt, daß -
simpel ausgedrückt - alles räumliche Geschehen nach der Zeit verbindlich
auszurichten ist (alles zu rechten Zeit ist Leben und zu Unzeit der Tod), womit
die Zeit gewissermaßen über den Raum gestellt wird(599).
Die Positionierung des Sabbatgebotes an erster Stelle im Dekalog bringt formal
zum Ausdruck, daß bei der Bindung an Gott, nicht für Gott, sondern für den
Menschen, an erster Stelle die Zeit steht. Auch etwa wenn die Übertretung des
Sabbatgebots mit dem Tode bestraft wird, bringt zum Ausdruck, daß der Abfall
vom Bund vor dem lebendigen Gott dem Tode gleichkommt, und der Sinn eben
zeitbedingt ist: gestörte Zeit bedeutet den Tod.
Inhalt der Bindung (d. i. im AT das Gesetz) ist Liebe (Gott, vgl. 1 Joh 4,8)
und das Gesetz ist die Form (Heb 10,1), wobei natürlich der Inhalt aus der
christlichen Sicht absolute Priorität hat (vgl. Heb 7,12; 8,4), zumal sie der
(äußeren) Form vorangeht (weil innen mit der Form eins ist). Und weil der
Inhalt allein vollkommen ist, kann der Form (Gesetz) nichts und niemand außer
dem Inhalt (Gott in Christus) selbst gerecht werden (Röm 8,2-7). Wenn jedoch im
mosaischen Gesetz die Allgemeinheit des Volkes Israel an die Form (Gesetz), und
dadurch mittelbar an den Inhalt (Gott) gebunden wurde, so ist die Bedeutung des
Christus und die sog. Überwindung (Röm 10,4; Gal 3,24) des Gesetzes (Form) die,
daß der Inhalt (Gott) als König (stellvertretend) die Gestalt des gebundenen
Volkes annimmt (Gal 4,4), weil nämlich der Form (Gesetz) nur der Inhalt (Gott)
selbst wirklich gerecht wird. Durch das Christusereignis wird die Form
(Gesetzt) nicht aufgehoben, sondern erfüllt (Mt 5,17-20; Röm 3,31), nämlich
stellvertretend für das Volk durch den Christus vollkommen erfüllt, so daß von
da an das Gottesvolk nicht mehr direkt an das Gesetzt (Form) und dadurch
indirekt an Gott (Inhalt) gebunden ist (Röm 10,4), sondern durch Christus
direkt an Gott, der für das Volk (in Christus) das Gesetz erfüllt (Apg 13,38;
Röm 8,2-7). Es geht also um den bibeltheologischen Grundsatz, daß jeder immer
ausschließlich daran teilhat, woran er gebunden ist. Der in Christus an Gott
gebundene Christ hat Anteil an der Erfüllung (Inhalt) des Gesetzes (Form) durch
Christus und muß sich im wesentlichen nur mehr um seine Bindung an Christus
kümmern, die auch für ihn persönlich (durch die Teilhabe an Christus) die
Erfüllung des Gesetzes mit einschließt. Würde er sich nämlich nicht sosehr um
seine Bindung an Christus kümmern, sondern selbst das Gesetz erfüllen wollen,
könnte er das nicht (Röm 3,20; 8,3; vgl. Gal 2,16) und würde sich nur an seine
eigene Eitelkeiten binden und die Bindung an Christus verlieren (Gal 5,4).
Damit also, daß der Christ sich nicht mehr im Besonderen um äußere Erfüllung
des Gesetzes (Form) bemüht, kommt nicht zum Ausdruck, daß das Gesetz und die
Bindung an die Zeit aufgehoben seien, sondern vielmehr, daß es für ihn durch
Christus erfüllt sei, und er sich nicht mehr darum eigens zu bemühen habe,
außer die Bindung zu Christus zu erhalten. Methodisch besteht nun zwischen den
beiden Bünden durch Mose und Jesu der wesentliche Unterschied, daß Gott sich
über den Mittler Mose nur mit der Allgemeinheit verband (Bund mit dem Volk;
Gott band den Einzelnen an die Allgemeinheit und damit an das Gesetz, und nicht
an sich direkt), während in Jesus sich Gott an jeden einzelnen Band, so daß die
Gesamtheit der Gebundenen das neue Volk ergibt. Nur ist die Bedingung nicht
mehr die Bindung der Allgemeinheit an Gott, sondern der Bindung des Einzelnen
(durch Christus) direkt an Gott (Gal 5,4.14).
Um aber die zwingende Notwendigkeit auch im Profanen einzusehen, daß nämlich
die alterierende Zeit vor allem für den Bösen der Politik das schlechthinnige
Charakteristikum ist, zumal ja Christus in der Zeit kam, muß eine theologische
Typologie des Bösen vorausgeschickt werden.
Wenn eine Typologie des Bösen nach den Maßstäben der Theologie erstellt
wenden soll, dann immer nur nach dem Kriterium eines gestörten Verhältnisses
zur "Bindung" (Bund). Will also das Böse in Kategorien eingeteilt
werden, müssen zunächst die Kategorien der Bindung untersucht werden. Es kann
hier abkürzend die Rechtswissenschaft als die Disziplin für die Lehre über die
Bindung im Profanen angenommen und die ihr eigene Unterteilung (als anschaulich
genug) übernommen werden. Die Lehre der Rechtswissenschaft verwendet allgemein
für Bindung die Begriffe "Verhältnis" oder "Beziehung", so
daß der Gegenstand der Rechtskunde in zunächst zwei Gruppen eingeteilt ist, je
nach dem, ob es um ein Verhältnis zwischen den Einzelnen, oder zu der
Allgemeinheit geht(600). Ist im Bilde der
Familie die persönliche Bindung (des Einzelnen) an Einzelne anschaulich genug,
so kann die Bindung (des Einzelnen) an das Allgemeine etwa am profanen Beispiel
der Vaterlandsliebe demonstriert werden, die zumindest theoretisch das genannte
Verhältnis (in der Religion gilt die Liebe zum himmlischen Vaterland) zum
Ausdruck bringt. Aus dem religiösen Standpunkt kann dem ergänzend hinzugefügt
werden, daß die Bindung des Einzelnen sowohl über einen Einzelnen, wie auch
über das Allgemeine (Kirche) erfolgt. Es geht nämlich weniger um den
Gebundenen, und auch nicht darum, mit wem sich der Einzelne bindet, sondern um
die Bindung (dazwischen), denn das Wesen der Bindung bleibt gleich.
Das soll und kann keineswegs die Undifferenziertheit der Bindung und der
Bindbarkeit bedeuten, im Gegenteil. Jede authentische Bindung setzt gewisse
unabdingbare Voraussetzungen voraus. Das bedeutet praktisch, daß so wie z. B.
auch die Feinde vom Christen geliebt und nicht gehaßt werden sollen (Mt
5,43-48//Lk 6,27.35), so doch nicht, um mit dem Feind eine Bindung vor der
Versöhnung einzugehen (vgl. Lk 10,19), sondern um vorweg auch nur einseitig
versöhnt zu sein, damit im Falle der dann beiderseitigen Versöhnung die Bindung
eigendynamisch sogleich zustandekommt, bzw. wirksam wird (die juristische
Legaldefinition der Bindung im Profanen, grundsätzlich jedes zweiseitigen
Vertrages, ist die Willensübereinstimmung, in unserem Fall also müssen beide
Willen mit einem dritten Willen, nämlich mit dem Willen Gottes übereinstimmen,
der will, daß die zwei sich lieben, daß sie sich um seinetwillen lieben, also
binden: Joh 13,34-35; 15,12.17; 16,27; 1 Joh 2,10.15; 3,10-18; 4,7-16.20-21).
Theoretisch bedeutet das gleichzeitig, daß ohne eine Bindung an den Nächsten,
ohne wahre Nächstenliebe die Bindung an Gott, und auch die wahre Bindung an die
Kirche Christi dingunmöglich ist. Aus der Sicht der Bibeltheologie ist absolut
unmöglich, eine Bindung mit Gott einzugehen, ohne zugleich mit allen in Gott
verbundenen verbunden zu sein, vielmehr setzt die persönliche Bindung an den
jeweils einzelnen Nächsten die Bindung an das Allgemeine voraus. Und die
Umkehrung, so als könnte die Bindung an die Allgemeinheit die Bindung an den
einzelnen Nächsten legitimieren ist - in einem weiterem Sinne - vom Teufel,
auch wenn dieser auf der Hand liegende Zusammenhang fälschlich zu der
Verteufelung des alten Bundes am Sinai mit Moses, ja sogar zu der Verteufelung
des Gottes des Alten Bundes bei den Gnostikern (Marcion), geführt hat. Nur wer
sich an den "einzelnen" Jesus und dementsprechend an den
"einzelnen" Bruder und Schwester bindet, ist dadurch - und nur
dadurch - Teil der Allgemeinheit, und ist durch seine Bindungen an Einzelne an
die Allgemeinheit gebunden (Gal 5,14). Der Grund warum die Theologen der
Vernunft nur begrenzte Kompetenzen bei der Beurteilung dieser Zusammenhänge
zugestehen wollen ist, daß die Bindung an den Nächsten als unabdingbare
Voraussetzung der Bindung an die Allgemeinheit (Gal 5,14) nach außen den Schein
erweckt, als wäre die Bindung an die Allgemeinheit nur eine mittelbare: dem ist
aber nicht so (Mt 25,31-46). Bildhaft kann das etwa so veranschaulicht werden,
als sei der Christ ein Gefäß (vgl. Röm 9,21-23; 2 Kor 4,7; 2 Tim 2,20-21),
durch dessen Öffnung der Inhalt, in unserem Fall Gott, d. h. Gottes Liebe,
direkt und unmittelbar zum nächsten Gefäß gelangt (Röm 13,8; vgl. Gal 5,14).
Die Theologen sagen, daß so wie der Einzelne in Jesus Christus direkt Gott
unmittelbar so gegenübersteht, daß die nämliche Unmittelbarkeit Gottes durch
Christus Jesus, und nur durch diesen (1 Tim 2,5), "vermittelt" wird
(Hebr 8,1-13; 9,15; 12,24), sozusagen die ansonsten dingunmögliche
Unmittelbarkeit Gottes wird durch Christus - der mit Gott eins ist - zugänglich,
genauso begegnet ein Christ auch schon durch die immanente Bindung Gottes durch
Christus an jeden Menschen, in jedem noch so ungläubigen Menschen (durch
Christus vermittelt) unmittelbar seinen Gott und Herrn (Mt 25,40.45; vgl. Joh
14,9; 15,23). Ähnlich wie eine Biene nicht anders kann, als - aus eigner
Interesse - Blütenstaub zu sammeln und so gleichsam "unbewußt" die
jeweils nächste Blume zu befruchten, so Befruchtet die menschliche
Kommunikation - scheinbar nur in eigener Sache unterwegs - jeden Einzelnen mit
Gottes Liebe, so als sei das Graue des allzu profanen Alltagsgeschäfts ein
himmlischer Garten. Die Bibel spricht da mehr von Samen säen in den Acker (Spr
11,18; Sir 7,3; Jes 55,10; 61,11; Jer 31,27; Hos 8,7; Mt 13,1-23.37-39; Mk
4,1-9.14.26-31; Lk 8,4-8; 1 Kor 9,11; 15,36-44; 2 Kor 9,10; Gal 6,7; Jak 3,18;
1 Petr 1,23; 1 Joh 3,9), so als dankte die von der bereuten Sünde zerfurchte
morsche Boden der menschlichen Seele mit der größten Frucht für Gottes Mühsal,
aber für unseren profanen Gebrauch reicht der Blütenstaub als Analogie des
christlich Unbewußten zum biblischen Sämann (Mt 13,1-23.37-39; Mk
4,1-9.14.26-31; Lk 8,4-8). Schließlich kann die Saat des Sämannes auch nur
Früchte tragen, wenn sie zuvor selbst befruchtet wurde.
Wenn wieder auf ein naturwissenschaftliches Bild zurückgegriffen werden
soll, um die Unterscheidung der persönlichen (einzelnen) und der allgemeinen
Bindung zu veranschaulichen, dann kann die derzeit gängige Ansicht über die
biologische Evolution herangezogen werden, wonach jeder biologisch komplexe
Organismus als eine Entwicklungsstufe der Einzelle anzusehen ist, wobei dieses
Verhältnis des Einzelnen zum allgemeinen Komplex relativ zur Zeit steht. Die
Entwicklungsstufe des Organismus wird verallgemeinernd als zeitabhängig
bestimmt, woraus der bestimmende Charakter des Zeitfaktors für die in
Entwicklung begriffene menschliche Gesellschaft (in der Religion Heilsordnung
und Heilsgeschichte genannt) folge, so als sei Entwicklung eine Funktion der
Zeit, so als könne an der Zeitskale auch der exakte Ort der Entwicklung
(zumindest rückwärts) verbindlich abgelesen werden. Etwas abgekürzt lautet das
Resultat der theoretischen Überlegung so: Auch wenn die Entwicklung nicht
zeitbedingt wäre, geht das Böse der Allgemeinheit immer davon aus, dem sei es
so, und so manifestiert sich sein gestörtes Verhältnis zu der Allgemeinheit
stets in seinem gestörten Verhältnis zur Zeit. Eine weiter ins Detail gehende
Typologie der Zeit, als periodische und lineare Zeit, kann größere
Übersichtlichkeit schaffen, um das gestörte Verhältnis zur Zeit besser fassen
zu können, wobei natürlich beide als variabel weitere Kombinationen ergeben.
2.3.3. Das Wort
Außer einer Typologie des Bösen ist noch der kommunikative Charakter der
Bindung als Denkvoraussetzung der Gesamtbetrachtung zu vergegenwärtigen, also
die Bindung als Inbegriff der Kommunikation schlechthin. Die Bindung lebt
gewissermaßen von und für die Kommunikation, die Bindung ist die manifeste
Kommunikation. Ohne hier auf die Kommunikationswissenschaft näher einzugehen,
kann die Kommunikation dem Begriff "Austausch" synonym verwendet
werden. Denn Warenaustausch z. B. ist ebenfalls Kommunikation, ein Verhältnis,
obgleich in der Moderne Kommunikation eher (assoziativ) auf eine Untergruppe
der Kommunikation, nämlich Informationsaustausch, eingeengt wurde. Erst in
jüngster Zeit, etwa bei Geldüberweisungen über das Datennetz, bekommt
Kommunikation als Informationsaustausch wieder Substanzcharakter in der
Sinngebung, auch in der Abstraktion. So kann also Nahrungsaufnahme auch als
eine Spezialform der Kommunikation, wenn nicht die Urform (sprachlich
konserviert in Ausdrücken wie "Geschmack haben", "zum Fressen
gern haben" und ähnliches), verifiziert werden.
In diesem erweiterten Verständnis der Bindung kommt der Information als Verhältnis von Abstraktion und Realität zentrale Bedeutung zu, wobei die Abhängigkeit der Information von der Wahrnehmung auf der Hand liegt. Im Idealfall sind Wahrnehmung und Wahrgenommenes (Information) ident, und das bildet nun die ideale Voraussetzung der Kommunikation, während eine gestörte Wahrnehmung gewöhnlich eine gestörte Kommunikation bedingt. Demgemäß nimmt der optimal gebundene Mensch die Bindung (Liebe) als die schlechthinnige Voraussetzung seiner (als gesund vorausgesetzten) Existenz wahr, während der in seiner Bindung Gestörte die Bindung sozusagen als die Störung seiner Existenz wahrnimmt, und nicht was es real ist.
Der in seiner Bindung Gestörte weiß zwar abstrakt, daß die in ihrer Bindung
Nicht-Gestörten der Bindung Priorität geben und in dieser Dimension einen
Einzelnen (Ungebundenen, d. i. Unkommunikativen) gar nicht als (in ihrer
Realität) Existent akzeptieren (ein Einzelner, d. h. Unkommunikativer, kann
demnach kein richtiger Mensch sein, sondern macht sonach die Bindung, die
Kommunikation den eigentlichen Menschen - gegenüber der simplen Anima - aus),
er kann aber diese Form der (gebundenen) Existenz nicht real wahrnehmen,
sondern ist gewissermaßen genötigt das für ihn subjektiv nicht Wahrnehmbare für
objektiv unwahrnehmbar, und für die subjektiv-unreale Wahrnehmung der
(ungestört) Gebundenen zu halten. Deswegen kann das sogenannte Böse stets seine
eigene Aberration nur unter der Voraussetzung der - dem Guten unterstellten -
mangelnden Realität negieren.
So setzt die Leugnung des Bösen das Leugnen des Guten voraus, auch wenn
gerade die Satanisten mit Vorliebe zynisch darauf hinweisen, daß sie - durch
ihre Existenz - aus der Sicht des Guten der (mittelbare) Beweis des Guten sein
müßten. Der Satanist höhnt also, daß das Leugnen nonverbal immer den
Geleugneten zwingend voraussetzt, weil kein Leugnen ohne den Geleugneten
denkbar wäre. Nach den Gesetzen der Logik ist der Zusammenhang darin begründet,
daß das Gut und Böse der Theologie sich auf der Ebene jenseits der Profanität
befindet, nämlich im übernatürlichen Wesen der wahren (reinen) Liebe, deren
Wirklichkeit auch nur teilweise geleugnet, wie z. B. durch die Leugnung des
Bösen (Lieblosigkeit), die Wirklichkeit der ganzen Ebene (der Liebe), bzw. die
ganze Ebene der Wirklichkeit (der Liebe), geleugnet wird.
Charakteristisch in dieser Relation ist, daß die Gebundenen, die im
Mann-Frau Verhältnis ein Urbild der Bindung(601)
ein Urbild der Bindung (Hos 1,1-3,5 vgl. Mt 9,15//Mk 2,19-20; Lk 5,34-35; Mt
25,1-10; Joh 3,29; Gal 4,21-31; Off 21,2.9.17), den Bundesbruch (sinnbildlich)
als Ehebruch verstehen (vgl. Jer 3,1-13; Hos 1,1-3,5; Hes 16,8-60), und
selbstredend die Bindung selbst, den Sinn der Bindung, in dem gemeinsamen Kind
als dritte Person (physisch) manifestiert sehen (vgl. Mt 18,20), auf der Ebene
der Allgemeinheit nur von der Personalität der Bindung (umfassende Liebe)
ausgehen können(602) (versinnbildlicht im
Christkind: vgl. Jes 7,14; 9,1-6; Gal 4,21-31; Off 12,1-5). Die Ungebundenen
(Bindungsgestörten) können (und "wollen") hingegen keine (Substanz
der Bindung und) Personalität außer sich selbst (und der natürlichen Person an
sich) wahrnehmen (allenfalls nur gedanklich voraussetzen), und so - mehr oder minder
aufrichtig - die Personalität des Bösen, allerdings nach der Negierung der
Personalität des Guten, leugnen. Es wäre vielleicht an dieser Stelle zu prüfen,
ob die Personalität nicht überhaupt ursprünglich und eigentlich - für die
menschliche Erkenntnisfähigkeit - der Dritte im Bunde, nämlich der Bund selbst
war (vgl. Mt 18,20), und ist so auf die zwei Gebundenen übertragen worden, so
daß die Bindung die Denkvoraussetzung der Personalität überhaupt ist.
An dieser Stelle könnte es aber zu weit führen, die Faktizität und
Bedingtheit der Person (an sich) in und durch die Bindung beweismäßig
aufzurollen. Dem Theologen genügt die Feststellung, daß Bindung und
Personalität sich gegenseitig bedingen und die Unperson eben außerhalb der
Bindung zu orten ist(603). So kann der
Theologe nur davon ausgehen, daß die gestörte Bindung zwar nicht der
wohlverstandenen Bindung gleichkommt, aber auf gar keinen Fall mit einer
Nichtbindung verwechselt werden kann, auch wenn dabei Phänomene der Bindungslosigkeit
auftreten. Vielmehr gilt es für den Theologen, daß in der Zivilisation die von
dem Bösen (unter dem Namen Freiheit) angestrebte Bindungslosigkeit
dingunmöglich ist. Und eine gestörte Bindung gewissermaßen zwangsläufig die
anderen Bindungen stört, ja gefährdet. Eine andere Frage ist die von den
Theologen nicht nur geduldeten, sondern geförderten Pufferzonen, sog. scheinbar
bindungsfreie Räume im Alltag, in denen die Bindung nicht unmittelbar und
aufdringlich als Existenzvoraussetzung erscheint, um den zwingenden Charakter
der Bindung nicht zu Unzeit aufzudrängen.
Sofern die zentrale Rolle der Wahrnehmung für die Kommunikation gleichsam
als Wesen der Bindung gewichtet werden soll, so kann aus der Sicht der
Theologie eine besondere Wahrnehmungsfähigkeit des sogenannten Gläubigen
angenommen werden, die in der Kunst bildlich mit dem absoluten Gehör des
Dirigenten vergleichbar ist. Oder wenn nicht so hoch gegriffen werden soll,
dann mit der Reaktion der Hunde auf eine Ultraschallpfeife oder mit jeder
anderen über die für Menschen sinnlich als normal angenommene Wahrnehmung
liegende Wahrnehmung. Gleichzeitig soll dieser bildliche Vergleich dahingehend
ergänzt werden, daß aus der Sicht des Gläubigen nicht der Gläubige über dem
Wahrnehmungsniveau des Ungläubigen liegt, sondern der Ungläubige unter dem
normalen Wahrnehmungsniveau.
Für den Theologen ist es daher auch selbstredend, daß jemand mit einer
gestörten Wahrnehmung, das gleichsetzbar mit Beziehungsgestört
(Bindungsgestört) ist, seine Mängel im Wahrnehmungsbereich anderweitig, oft
intellektuell, kompensiert. Offensichtlich versucht das Böse deswegen
seinerseits jenseits, bzw. abseits der Wahrnehmung durch den Guten zu
kommunizieren, d. h. die Kommunikation zu manipulieren, wobei allerdings diese
Umgehung der Wahrnehmung in der Regel auf dem Niveau von Zauberer bewegt, die
sogar lebende Tauben und Hasen aus einem Zylinderhut hervorzaubern können, ohne
daß der Schwindel direkt sinnlich wahrnehmbar wäre(604)
(optische Täuschung).
Die besondere, scheinbar der des Gläubigen analoge - wenn nicht jene überflügelnde - besondere Wahrnehmungsfähigkeit des Esoterikers soll allerdings hier nicht übergangen werden. Im Gegenteil. Denn genau dort, wo sich der Geist Gottes wegen der Sünde verweigert(605), haben andere (alterierende) Geister um so mehr freie Bahn. Und diese können vieles nachmachen, ja sogar in den allzu menschlichen Praktiken den Geist Gottes scheinbar übertreffen (vgl. 2 Mose 7,10-12.22; 8,3.14), weil sie sich unmittelbarer und gebrauchsfreundlicher geben. Diese Fragen allerdings sind nur soweit Gegenstand der hiesigen Untersuchung, als es grundsätzlich gut zu wissen ist, daß nicht jede Wahrnehmung eines Geistes der Geist Gottes ist(606). Man verabsolutisiere nicht die Wahrnehmung, die zwar unentbehrlich ist, aber nicht der Wahrgenommene ist für die Wahrnehmung da, sondern umgekehrt. Die weiter oben öfter erwähnte Mangel der Wahrnehmung bezog sich vor allem auf das Säkulare Umfeld. Für den Bereich der sogenannten übersinnlichen Wahrnehmung gilt sie auch, aber anders, indem die Substanz der Bindung hier auch nicht real (d. h. ungetrübt) wahrgenommen werden kann (wegen der Sünde(607)), sondern nur allenfalls (indirekt) als Phänomen, und das übersinnlich Wahrgenommene ist einfach außerhalb dem Gesichtskreis des Gebundenen (vgl. 1 Sam 28,5-19). Wohl kennt der Glaube (der Gebundene) verschiedene Charismen (1 Kor 12,1-11.28-30), doch die scheinbar gleichen Charismen, aber durch einen alterierenden Geist (als der Geist der Bindung), sind das schlechthin Böse (vgl. Apg 16,16-18).
Aus der Sicht des Theologen folgt aus den bisher Gesagten auch schlüssig, daß
der in seiner Wahrnehmung Gestörte nicht leicht einsehen kann, daß durch den
nämlichen Mangel (der Wahrnehmung) zusätzlich viel Unheil angerichtet wird
(weil er seinen Mangel an Wahrnehmung eben nicht wahrnimmt), und der Mangel nur
unter der Voraussetzung der Einsicht, nämlich darüber, daß es sich dabei um
einen Mangel (der Wahrnehmung) handelt, heilbar ist, daß man diese Fähigkeit
wahrzunehmen sich selbst und anderen schuldet, und man, wie man das immer auch
dreht und wendet, schuldig ist, die Möglichkeit der Wahrnehmung nicht
wahrgenommen zu haben. Profanisierend ausgedrückt besagt nämlich das Evangelium
von Jesus Christus nichts anderes, als daß die Wahrnehmbarkeit (der
Wirklichkeit lebensspendender Substanz - oder Wirklichkeit - der Bindung) für
jeden (in seiner Bindung gestörten) möglich wurde (weil eigentlich jede von uns
irgendwo irgendwie in seiner Bindung gestört ist), der diese Möglichkeit der
Wahrnehmung wahrnimmt: sozusagen glaubt. Daß es sich dabei sozusagen nur um
eine Verstopfung oder Störung in der Leitung der Kommunikation handelt, die von
den Theologen Sünde genannt wird, und im wesentlichen nicht mehr und nicht
weniger meint, als daß - im wahrsten Sinne des Wortes - ein tödlicher Fehler
(Sünde, bzw. Todsünde) ist, die Möglichkeit der Wahrnehmung nicht wahrzunehmen,
d. h. zunächst (die vom Evangelium postulierte bedingte Wahrnehmbarkeit) nicht
zu glauben(608) (ähnlich wenn der Patient dem
Arzt, oder der Klient dem Anwalt nicht glaube, daß etwas helfe, bzw. daß man
"schuldig" ist etwas zu tunt oder zu lassen).
2.3.4. Der Mikrokosmos
Es kann in der Kürze der nächste logische Schritt im Verständnis wiederum
nur bildlich veranschaulicht werden, und das soll auf das in der Philosophie
und Theologie parallel (aber aus verschiedenem Blickwinkel) gebrauchte Bild vom
Mikrokosmos(609) (Kirche etwa ist für den
Theologen der Leib Christi(610))
zurückgegriffen werden, so als sei die Zeit der sprichwörtliche rote Faden,
gleichsam der Blutkreislauf, die Sehnen oder das Rückgrat der Geschichte
(Entwicklung), also ein integrierender Teil, so daß die Durchtrennung oder
Deformation (Verschiebung der Zeit) Verhängnischarakter für den räumlichen
Ablauf (aber auch Dasein) hat. Ein wesentliches Charakteristikum der
biologischen Körperlichkeit ist das (organische) ineinander Verwobensein der
Leitungsbahnen (Adern, Nerven) mit Knochen, Sehnen und Muskeln, so daß die
Deformation einer Komponente (z. B. Nerven) das Verhältnis (Bindung), und
dadurch mittelbar die anderen Komponente stört. Das Wesen jeder Bindung - wie
schon weiter oben gesagt - ist die Wechselwirkung, die ebenso als Kommunikation
bezeichnet werden kann. In jeder zeitgebundenen Entwicklung bewirkt die
Zeitstörung eine Entwicklungsstörung. In diesem bildlichen Vergleich gleicht
die Verletzung des Sabbatgebotes sinngemäß etwa einer Herzrhythmusstörung der
alttestamentlichen Gesellschaft, nämlich als Körper(schaft).
Obwohl die Kommunikation grundsätzlich als wechselseitig vorausgesetzt wird,
punktuell wechselt die aktive und passive Seite sich gegenseitig ab (man denke
z. B. an den überaus "kommunikativen" (elektrischen) Wechselstrom aus
der Steckdose, der zwar insgesamt konstant als Verbindung anzusehen ist, jedoch
die Richtung ständig wechselt). Die passive Seite der Kommunikation als Subjekt
hat außer dem Wahrnehmenden selbst die Komponente
Wahrnehmung und
Gegenstand (das Wahrgenommene, Objekt)
wobei der Gegenstand (Objekt) in
Konstante und
Variable
unterteilt werden kann. Demgemäß können theoretisch auch die Störungen der
Kommunikation in solche unterteilt werden, die durch die Mängel der
Wahrnehmung, oder durch die Mängel des Wahrgenommenen bedingt sind, wobei die
hieraus resultierenden Mängel des Wahrnehmenden außer acht gelassen werden,
bzw. wird der Wahrnehmende in der Wahrnehmung mit inbegriffen.
Die Mängel des Wahrgenommenen (Objekts) können - in der Bindung - im
konkreten Fall lediglich als Folge der überforderten Wahrnehmung aufgefaßt
werden, etwa wenn der Bindungsgestörte die Bindung (als Objekt der Wahrnehmung)
auch bei anderen nicht richtig wahrnehmen kann, denn er schließt von sich auf
andere. Trotzdem kann diese Komponente differenziert behandelt, und analog in
konstante oder variable Mängel des Gegenstandes unterteilt werden.
Demnach negiert der Ungebundene "konstant" die Personalität
außerhalb dem Wahrnehmenden als Voraussetzung der richtigen Wahrnehmung, doch
"variiert" er ebendies in Bezug auf die Allgemeinheit in der Zeit.
Die Zeit ist gewissermaßen der Angriffspunkt, mit deren Hilfe der Ungebundene
die Bindung samt Personalität aus den Angeln (der Wahrnehmbarkeit) heben
möchte.
So ist der Ungebundene "konstant" im schelmischen Bestreben, die
Bindung als (in der Zeit) "variabel" so hinzustellen, als könne das
von ihm variierte Unvariable(611) in der
Vergangenheit, vor allem aber in der Zukunft wahrnehmbarer sein(612),
bzw. wahrnehmbar werden. Mit dieser Scheinherrschaft über die Zeit wähnt sich
der Ungebundene dem vernichtenden Urteil des Gebundenen entziehen zu können,
wonach er ungebunden menschenunwürdig animalisch sei, weil ja die Tiere an die
Zeit gebunden sind, er aber scheinbar nicht. Kurzum, der Ungebundene meint die
Zeit unabhängig von der Realität, also ungebunden an den Gegenstand, wahrnehmen
zu können. Zumindest meint er das behaupten zu können.
Die in der Moderne unauffälligste aber mit Abstand effektivste Form Inhalte
ad absurdum zu führen ist die Variierung der (unvariablen) Zeitkonstante.
Soweit also der Ungebundene von den Variablen (der Evolution) als Funktion der
Zeit ausgeht, braucht er nur die Zeit zu manipulieren, um ansonsten alles
bestechend exakt und folgerichtig vorzuexerzieren. Deswegen versucht das Böse die
Ungebundenheit als eine (meist vorweggenommene) Phase der Entwicklung
hinzustellen und legitimiert sich durch die (manipulierte) Zeit, oder geht von
der (nonverbal) als manipuliert vorausgesetzten Zeit aus, und spricht kryptisch
vom "Werden", oder "(geworden) Sein", vom variierten
Invariablen, als vorgeblich "variabel".
2.3.5. Sola solo
Das christliche Schuld- und Sühneverständnis geht - in dem hier dem
Säkularismus angepaßten Sprachgebrauch - von der Unabdingbarkeit der Bindung aus,
und weiß ebenso von unabdingbaren Voraussetzungen der Bindung. Dieser Bindung
"schuldet" der Gebundene nicht nur sich selbst, sondern auch dem
anderen Gebundenen, der ja unabdingbare Voraussetzung der Bindung ist. Aus der
Unabdingbarkeit der Bindung folgt zwingend die Unabdingbarkeit der
Exekutierbarkeit der Bindung (am Kreuz). Dieses Schuldverständnis ist bildlich
am ehesten so erklärbar, als würden die Christen sinngemäß meinen, daß
jedermann schuldig ist zu atmen(613), weil
durch sein Atmen sich an die Welt und ans Leben bindet, bzw. durch seinen Atem
an die Welt (und an das Leben darin) gebunden ist, und die Unterlassung zu
atmen Sünde (sozusagen eine Todsünde im wahrsten Sinne des Wortes), in diesem
Fall durch schuldhafte Unterlassung, sei. Jemand anderen am Atmen zu hindern
ist lediglich ein qualitativer Unterschied (im Hinblick auf die Sünde), was
einen noch nicht selber zu Atmen entsühnen kann. Also ist alles was gegen die
Liebe, gegen die Bindung (hier - bildlich ausgedrückt - durch Atem) ist, sei es
aktiv oder passiv, sei es die eigene oder fremde Bindung, sei es persönlich
oder die Allgemeinheit betreffend, ist immer Sünde, sozusagen Todsünde. Im AT
wurden die Gebote gleichsam novelliert (2 Mo 20-31; 3 Mo 17-26; 5 Mo 12-26),
während Jesus auf diese Frage den Kernsatz akzentuierend antwortete: In der
Liebe, nämlich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten (Mt 22,34-40), ist alles
zusammengefaßt, was zu dieser Frage über die Gebote der Bindung (also auch über
die Übertretung der Gebote, über die Sünde) zu sagen wäre. Sünde ist also ein
Mangel an Liebe (Lieblosigkeit), doch ist die Unterlassung mindestens so
Sündhaft wie die Mängel im aktiven Bereich. Alles Weitere ist nur mehr
unvermeidliche Konsequenz, nur soll der Mensch nicht (pharisäisch) die
(unvermeidliche) Konsequenz über die Primärursache stellen, und lieber den
ohnehin unvermeidlichen Komplex der negativen Konsequenz ausblenden, die ihn
überfordern würden, während die Liebe (Primärursache) niemanden wirklich überfordert.
Auch Mängel in der Wertung der Hierarchie der Bindungen, etwa wenn "pharisäisch" niedrigere (profane) Bindungsebenen der übergeordneten in der Orientierung vorgezogen werden, gehören hierher. An dieser Stelle wird aber unter dem Begriff Sünde nur die eigentliche Ursache der im Profanen so genannten Sünde angesprochen, die im Bibeltheologischen Sinne die eigentliche Sünde, die Wurzel alles Bösen ist. Denn gänzlich anders als das Profane wertet die Bibeltheologie die lieblose Gesinnung, den Vorsatz, als die Kausalursache für das eigentliche Böse oder Sünde, während eine wesentlich härter ausfallende aber nicht (durch einen Vorsatz) kontrollierte Handlung zwar auch Sünde ist, aber nicht so eigentlich Böse wie aus Vorsatz. Der Vorsatz, der sich naturgemäß in der Lüge manifestiert, ist eine eigene Kategorie der Sünde, um nicht zu sagen die eigentliche Kategorie des Bösen schlechthin.
Und weil es bisher alles noch fast harmlos, oder zumindest in den Folgen
unabsehbar aussehen mag, sei auf den christlichen Grundsatz hingewiesen, daß
für den wohlverstandenen Menschen die Bindung ebenso Existenzvoraussetzung ist,
wie für den biologischen Menschen das Atmen. Liebe ist Leben, und mindestens so
wichtig wie das Atmen, und es gibt kein wie immer geartetes menschliche Leben
(im eigentlichen Sinne) außerhalb der Liebe (nur die Wirkung der Lieblosigkeit
ist oft längerfristig registrierbar als etwa bei der Atemlosigkeit). Vielmehr
schädigt Lieblosigkeit immer und überall die Liebe, weil diese zwei konträren
Größen sich gegenseitig ausschließen, wie Leben und Tod.
So kann das christliche Personen-Verständnis auch das Böse schon allein
deswegen persönlich nehmen, weil der Gebundene den Ungebundenen nur als den
Scheinbar-Ungebundenen auffaßt, der von der Bindung gewissermaßen abfiel, und
so seine Personalität nicht, wohl aber die übrigen Konsequenzen der Bindung
verlor, bzw. beschädigt hat. Der Gebundene geht nämlich davon aus, daß von der
unabdingbaren Bindung nicht wirklich, auf keinen Fall vollständig und spurlos
abgefallen werden kann (vgl. Mt 19,3-9//Mk 10,2-9), und gewisse Merkmale der
gestörten Bindung dem sogenannten Ungebundenen immer anhaften. Deswegen kann
aus dem Gesichtspunkt des Gebundenen das personale Böse als die unzulässige
(irreale) Negierung der Bindung aufgrund deren Gestörtheit (kurz
"Abfall") definiert werden.
Um diese Zusammenhänge sinngemäß zu veranschaulichen hat auch Luther die
Bezeichnung des Evangeliums, das von den Katholiken damals als (Neuer) Bund
bezeichnet wurde, als Testament forciert, weil das Testament ein zunächst
einseitiger Bund (Bundesangebot) ist, der durch die Annahme durch den Zweiten
zum eigentlichen (zweiseitigen) Bund wird. In den meisten Fällen kann nämlich
der Abgefallene wieder zum Bund zurückkehren und gewissermaßen wieder aufatmen.
Es ist sogar ein Bund für Abgefallene, so daß der erneuerte Bund vorweg
konzeptuell über den Abfall ventiliert wird. Auch ungeachtet dieser
Zusammenhänge zeigt sich die Bindung im Evangelium als nur über die Verneinung
des Abfalls (Sünde) überhaupt möglich. Denn so wie die Theologie davon ausgeht,
daß die Bindung Existenzvoraussetzung ist, und in der Zivilisation
Bindungslosigkeit dingunmöglich ist, so geht sie auch davon aus, daß es
unmöglich ist die komplexen Bindungen nie zu verletzen. So ist die Erneuerung
der Bindung für den Theologen immer über die Verletzung der früheren Bindung
ventiliert, und ist anders gar nicht zugänglich. Ein Sowohl-Als-Auch (d. i. die
gültige Bindung in der Bejahung der Sünde) ist dingunmöglich, weil es sich
dabei um zwei sich gegenseitig ausschließende Größen handelt, und ist daher die
größte Sünde, denn ohne die Reflexion über die Verletzung(sursachen) der
früheren Bindung der Fehler nicht behoben werden kann, und es zur
zwangsläufigen Kettenreaktion, zu einer eigendynamischen Eskalation der
Verletzungen des Bindungsgeflechtes kommt. Ein von der Theologie beschriebener
Typus des Bösen negiert demgemäß die Unabdingbarkeit der vorherigen Behebung
von vormaligen Mängeln der Bindung, bevor die Bindung erneuert, oder (neu)
eingegangen werden kann, d. h. leugnet (in der Sprache der Theologen) die
Sündenvergebung als unabdingbare Voraussetzung(614).
2.3.6. Unheilszeit
Entsprechend predigt natürlich das absolut Böse das nämliche Sowohl-Als-Auch,
(Bindung in der Bejahung der Sünde) natürlich nicht ohne das Terrain des Guten
als Teil seines Reiches beansprucht zu haben(615),
so als könne er ohne Reflexion über die Verletzung der Bindung (Reue) sich neu
oder anders adäquat Binden, oder dies alles umgehen, oder gar negieren können.
Hieraus folgt eine annähernd verbindliche Definition des Kultes des Bösen als
die Kultivierung der Individualität, nämlich als ein Ausdruck der
Bindungslosigkeit, so als könne die Subjektivität(616)
sich über die Bindung erheben und letztlich ohne ihr auskommen.
Wo kein Bund, da kann auch keinen Bundesbruch (Sünde) geben, ist die
Ausgangsposition des Bösen. Ohne Bundesbruch ist der Sünden- und
Erlösungstheologie des Evangeliums der Boden entzogen. Die Legitimation des
christlichen Evangeliums im Profanen hängt also von der Faktizität der
bleibenden Schäden durch Bundesbruch, d. i. Lieblosigkeit, ab. Das Böse
opponiert daher durch die globale Negierung der Liebe überhaupt, und definiert
das Gute (d. i. die Liebe) - logisch unzulässig - in der Relation zum Bösen (d.
h. als Nebenprodukt, Derivat, wenn nicht gar als bloßes Phänomen des
Materiellen) um. Die gehobene Schule des Bösen täuscht dann in der sogenannten
Transzendenz die agnostische Präexistenz als Möglichkeit einer nicht greifbaren
Wirklichkeit(617) so vor, daß dann, durch die
Zerstörung dieser weltanschaulich fiktiven Nachahmung des religiösen
Weltbildes, der Untergang der Religion simuliert werden kann. Nur in der
Pseudoreligion können Gut und Böse harmonieren, nur die wirklichkeitsfremd
umdefinierten Gut und Böse lassen sich als verträglich aneinander Binden. Für
den Theologen ist aber die Einheit von Gutem und Bösem, nämlich die Ver-Bindung
von der Bindung und Nichtbindung (Pseudobindung), Leben und Tod, ein Nonsens,
so als sei das Nichtsein des Seins sogenannte Transzendenz, und mit ihm Eins.
Das wirklich Gute ist immer - und nur - an das wirklich Gute gebunden, und
niemals an das Böse. Ebenso kann das wirklich Böse nur an das wirklich Böse
"gebunden" sein, auch wenn die Bindung an das Böse selbst dem Bösen
nicht behagt, und daher überhaupt alle Bindungen befeindet, bzw. umgeht. An
dieser Ausgangsposition ändert nichts die christliche Lehre von der
Sündenvergebung, sondern ist vielmehr ihre Voraussetzung, indem sich das Gute
nur unter der Voraussetzung mit dem "Bösen", bzw. dem Bösen
Verhafteten, mit dem Sündigen verbinden kann, daß die Bindung an sich als die
dritte Größe die Macht hat, das bis dorthin (dem) Bösen (verbundenen)
augenblicklich und zur Gänze in das Gute (durch Sündenvergebung) hineinzunehmen
(d. h. zu binden). Und ebendiese dritte Komponente, die eigene Substanz der
Bindung, kann oder will das Böse nicht wahrhaben(618),
bzw. wahrnehmen, die den Gebundenen vollkommen bestimmt und letztlich auch zu
der eigentlichen (mentalen) Substanz des Gebundenen wird. Nicht der Gebundene
gibt der Bindung die Substanz, sondern die Bindung dem Gebundenen. Deswegen
predigt ein Antichrist wie Kant, daß der Gebundene unmündig(619)
sei, weil der Gebundene wirklich von der Bindung (Liebe) her bestimmt, wie Kant
sagt, Heteronom ist. Der Denkfehler des Teuflischen liegt in der Fehlannahme,
daß der gebrochene Bund noch die ungewandelt gleiche Substanz haben könne, und
interpretiert den intakten Bund, allerdings falsch, von seiner
("gestörten", getrübten, unreinen) Substanz her, weil er die Substanz
des intakten Bundes nicht, auf keinen Fall wirklich, wahrnehmen kann. Das
Evangelium ruft nun zum intakten Bund zurück, der von sich aus allein die Macht
hat den Bruch des Bundes zu heilen. So ist die Liebe eine wirkliche Substanz,
die wirklichste überhaupt, nach der alles ausgerichtet ist, weil alles wirklich
Gute darin begründet ist und daraus hervorging, und die gleichsam nur von sich
selbst (Mt 11,27), eigentlich nur durch sich selbst (Joh 14,21), bestimmt und
wahrgenommen werden kann (Mt 16,17; vgl. Mt 11,27; Joh 14,21). Und natürlich sofern
die Liebe durch einen souveränen Akt bisher außenstehende in die Wahrnehmung
ihres Selbst einbindet.
Dieser Wirklichkeitscharakter der Liebe, die räumliche und zeitliche
Dimension der Bindung, setzt gleichsam die Bindung der Liebe an Raum und Zeit
voraus. Und weil die Zeit ungleich subtiler und von alters her nur unter
besonderen Umständen zu handhaben ist, spezialisiert sich das Böse in der
kontroversiellen Auseinandersetzung mit dem Guten auf die Manipulation der
Zeit, um dem Wirklichkeitscharakter der Liebe scheinbar den Boden, bzw. den
Raum zu entziehen. Obgleich diese Beschreibung der Geißel der Menschheit
vielleicht noch immer harmlos anmuten mag, so als sei die Unterminierung der
Bindung nur zu Unzeit aber ansonsten "nicht ganz ohne", und die wahre
Liebe nur eine von vielen Möglichkeiten, so sei an den christlichen Grundsatz
erinnert, daß man den schlechten Baum zwar an den Früchten erkennt (Mt
7,16-18//Lk 6,43-44; vgl. Mt 3,8//Lk 3,8; Mt 12,33; Joh 15,1-17), jedoch an den
Wurzeln behandelt (Mt 3,10//Lk 3,9; vgl. Jud 12).
Solange das entwicklungsspezifische Zeitproblem als zentral in jedweder
Subkultur nicht erfaßt wird, kann man der Lieblosigkeit in dem Raum der
gesellschaftlichen Dimension schlecht beikommen. Die hier profanisierend
unternommene Beschreibung, bzw. eher Umschreibung der Zeitbedingtheit des
Bösen, soll eine wissenschaftliche Definition des Chiliasmus nicht ersetzen,
sondern auf das statistische Phänomen des auffälligen Gedränges rund um die
Zeitfragen hinter den Kulissen der Moderne aufmerksam machen.
2.3.7. Der Urtyp
Nach der bibeltheologischen Typologie des Bösen kann eine dreigliedrige
Hierarchie angenommen werden, wo zuoberst der vom Himmel auf die Erde gestürzte
Luzifer/Satan das "Christkind" samt Mutter
(Kirche) als Frucht des Neuen Bundes befeindet (Off 12,1 ff.), in der Mitte der
Hierarchie der aus den Gewässern emporgestiegene Antichrist,
der mit der usurpierten politischen Macht die Gesellschaft (Reich) entfremdet
(Off 12,18-13, und zu Unters an der Basis verführt der Falsche
Prophet die Menschen (Off 13,11-18) mit (falschen) Versprechungen.
Der gleiche aber hierarchisch gegliederte Böse bekriegt also als Luzifer/Satan
den Gott der Offenbarung und Religion (im verherrlichten Christus), als
Antichrist (falscher Messias) das messianische Reich (das ideell die konkrete
politische Ordnung mit einschließt) und verführt schließlich an der Basis den
Menschen durch Lüge (über die Zukunft). Eine analoge Dreiteilung, nämlich
Einzelner, Gesellschaft und Kosmos(620), ist
in der Eschatologie zu beobachten(621), was
verständlich erscheint, da die Begriffe Apokalyptik und Eschatologie(622) bisweilen synonym verwendet werden(623). Es kann also eine verblüffende
Struktur-Parallele zwischen Luziferismus und Eschatologismus konstatiert werden(624).
Die Sondermeinungen(625) bedürfen - wie schon
der Name besagt(626) - den besonderen Zugang,
weil sie sich ansonsten zumeist mit Erfolg der tieferen Einsicht entziehen. Im
Gegensatz zu der Typologie des Satanismus selbst (nach inhaltlichen Kriterien),
wo der von Frick vorgenommene Unterteilung nicht angewendet werden konnte, kann
diese Unterteilung (in "religiös" und "areligiös") bei der
Untersuchung der Methoden des Satanismus(627),
bzw. Luziferismus (nach den formalen Kriterien), angewendet werden. Der
kultische Satanismus mit der radikalen Ablehnung religiöser Inhalte, der aus
dem theoretischen Gesichtspunkt (trotz aufdringlicher kultischen Szenerie) als
antireligiös bis areligiös behandelt werden mußte, kann aus dem praktischen
(methodischen) Gesichtspunkt als pseudoreligiös, weil im religiösen Gewande,
behandelt werden.
Ähnlich diesem durch persiflierten Kult verbrämten Materialismus kann die philosophisch verbrämte Satans-Ideologie, oder kosmologisch verbrämter Luziferismus, nunmehr von den methodischen Praktiken her beurteilt werden, so daß "praktisch" von dem Okkultismus (Theosophie), Philosophie (Humanismus) und Psychosophie (Esoterik/Humanistische Psychologie) als von den drei Typen in der Methode des Luziferismus mit dem Vorbehalt gesprochen werden kann, daß - durch die gegenseitige Bedingtheit dieser drei Ebenen - keine exakte, wohl aber eine grob angenäherte Unterteilung aus dem phänomenologischen Gesichtspunkt vorgenommen werden kann. Diese nach den praktischen Kriterien angenäherte und auch bei Platon vorgegeben angenommene Dreiteilung(628) des Metaphysischen (Psyche, Polis und Kosmos), aber auch Mythologischen(629), kommt bei dem jüdischen Gnostiker Taubes(630) nach dem theoretischen Gesichtspunkt - und etwas "aufgeklärter", bzw. ausgereifter - zum Tragen(631). Taubes definiert zunächst die Ewigkeit als Element der (absoluten) Freiheit (1), und Freiheit als frei "für sich" sein, woraus alles Heteronome, alles Geschöpfliche (2), als von der Freiheit her, und alles was frei ist, in der Notwendigkeit (3) begründet erscheint. Die "freiheit" Taubes ist sonach "also endlich unlösbar begründend und begründet", und ergibt im Verhältnis von Freiheit im Element des Endlichen (Zeit) und (absolute) Freiheit im Element des Ewigen drei Variationen: theistisch-transzendentale Metaphysik(632) (d. i. Theosophie), pantheistisch-immanente Schau(633)(subjektiv-psychische Betrachtung), atheistisch-materialistische Ideologie(634)(Philosophie):
"Die theistisch-transzendente und atheistisch-materialistische
Philosophie sind apo-kalyptisch, denn sie stehen noch im Vollzug der
Enthüllung. Theistisch transzendent enthüllt sich das Eschaton, die Mitte von
Gott und Welt, von oben, atheistisch-materialistisch enthüllt sich die Mitte
von unten. Von beiden Orten muß der Sprung getan werden, von oben: ins Absurde
hinab, von unten: vom Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit hinauf.
So entsprechen sich die Situationen von Marx und Kirkegaard. Das Wissen um die
kausale Notwendigkeit und der Glaube an die Freiheit stehen sich unvereinbar
gegenüber und dennoch »müssen« sich in einem Augenblick, der aller Zeit
enthoben ist, Notwendigkeit und Freiheit vereinigen. Irgendwo muß die Freiheit
den geschlossenen Kreis der Welt sprengen. Allein in den beiden Modifikationen
erhält das Muß einen je verschiedenen Sinn. Marx will aus dem
kreatürlich-gebrechlichen Menschen selbst das Absolute schaffen, während
Kirkegaard sich auf einen Gott stützt, bei dem kein Ding unmöglich ist."(635)
Vor diesem Hintergrund der äußerlichen Unterteilungskriterien nach dem
eschatologischen Schema kann die gemeinsame neuheidnische, bzw. orphische
Beschaffenheit der jeweiligen Ebene angesprochen werden. Die nachstehende
Untersuchung soll vor Augen führen, daß der Begriff neuheidnisch so gut wie
synonym dem Begriff dionysisch, und in einem weiteren Sinne liberal, verwendet
werden kann(636). Die logische Ableitung, bzw.
Nachweis der Synonymität von neuheidnisch und dionysisch (orphisch) geht von
der Favorisierung alles Hellenistischen in allen alternativen Geistesströmungen
spätestens seit dem Renaissance-Humanismus (wiederbelebte Neuplatonismus) im
Abendland aus, und konstatiert die Überbetonung der Dominanz (Kulturmonopol)
des (politisch stets an zweiter Stelle hinter Sparta stehenden) Athenischen
Kulturkreises(637) (Attika) Hellas, wo, zwar
relativ spät, jedoch offiziell der Dionysos (mit Demeter und Persephone/Kore
als Göttertrias) als (oberster) Gott des Staatskultes (in Eleusis) etabliert
war, und ab dem Neuplatonismus orphisch (um)interpretiert wurde(638).
Durch die Gleichsetzung des Dionysos schon in der Antike mit allen anderen
dominierenden Fruchtbarkeitsgöttern, wie der ägyptische Osiris, der indische
Schiwa, der lateinische Liber, der semitische Baal, um nur die wichtigsten -
aus den umliegenden Hochkulturen - zu nennen, läßt das Hellenische auf alles
Heidnische verallgemeinern, zumal alles noch kultivierte Neuheidnische im
Dionysischen besonders ausgeprägten ekstatischen Zug, im Gegensatz zu der
christlichen Spiritualität (mit Hilfe der Kontemplation oder Konzentration),
mit dem Dionysischen gemein hat. Es gibt kaum je eine Sondermeinung ohne
zumindest einer theoretischen Affinität zur Ekstase. Dieses Außerhalb
(Avantgarde) ist etwa mit der biblischen Verzückung eines zur Ehren Gottes
hinter der Bundeslade tanzenden König David (2 Sam 6,5-21), oder mit der
christlichen Entrückung (2 Kor 12,2), nicht zu verwechseln. Der biblische
Sprachgebrauch weiß zwischen echte (spirituelle) Verzückung (4 Mose 11,25-27; 1
Sam 10,5.10-13; 19,20-24; Apg 10,10; 11,5; 22,17; Off 21,10) und (ekstatischen)
Raserei der Baalspriester (1 Kö 18,29) oder falscher Propheten (Weish 14,28)
sehr wohl zu unterscheiden, und charakterisiert die Ekstase als die falsche
Spiritualität schlechthin.
Schon die dionysische Klassik nahm drei Gestalten (und daher zwei
Auferstehungen, bzw. Verklärungen) des erdgeborenen Sohnes des obersten
Himmelsgottes Zeus(639) an, nämlich:
den noch allzu menschlichen und dann wahnsinnigen (rasend-ekstatischen)
Göttersohn Dionysos, der sich (heilsgeschichtlich) allmählich als der Herr der
Natur(640) enthüllt.
den gewandelten Herrn des ekstatischen Wahnsinns als triumphaler König bis
zum schicksalhaften Untergang
den verklärten Schrecken der Feinde seiner Nachfolger, bzw. Anhänger seines Kults, zumeist als Fallus oder Kind veranschaulicht (kultisch verehrt)
womit zumindest durch das dreigliedrige Schema eine Parallele zu der
pseudochristlichen (immanentistischen) Eschatologismus(641)
(in umgekehrter Reihenfolge) gegeben ist. Eine weitere auffällige Parallele
scheint zu sein, daß die Dreigliedrigkeit der klassisch dionysischen und
"christlichen" Eschatologie jeweils nur auf den irdischen Laufbahn
des Dionysos und Luzifer beschränkt ist, aber davor eine im mystisch-mythischen
Dunkel weilende Präexistenz angenommen wird, während die Orphik zwar ebenfalls
dreigliedrig, aber weit über den irdischen Laufbahn hinausgreift, daß der
irdische Aufenthalt (Inkarnation) als Bindeglied aufscheint(642).
In diesem kaum je einheitlichen Mythengeflecht des Orphischen zum Thema
Präexistenz scheint als "Bringer des Lichts" (auf Latein: Luzifer)
bei den Neuplatonikern(643), Phanes, als
(zweigeschlechtliches) Lichtwesen und Schöpfer(644)
hervor, als dessen irdische Manifestation der (auf Erden dreimal
"geborene") Dionysos sodann landläufig gilt(645).
Eine Reihe von mythischen Motiven lassen Varianten neuheidnischer
Synkretisierung der christlichen Apokalypse aufzeigen(646).
Die ursprünglicher anmutende Bezeichnung des Schöpfers Phanes durch
Aristophanes als Eros(647) bietet natürlich
eine Angriffsfläche gegen das Christentum(648),
das allzu Sinnliches niedrig bis widrig einstuft.
Eine große Rolle spielt beim Phanes in der orphischen Dichtung die Vierzahl:
die orphische Theologie nennt ihn "viergesichtig"(649)
und er bildet in der Schöpfung die vierte Stufe (nach Äther, Chaos und Licht)(650). Der Neuplatoniker Proklos bezeichnet dann
Dionysos als Vierheit(651) (V), was der
gnostisch-neuheidnischen Quaternität (d. i. die Dreifaltigkeit als
"drei" mit Luzifer als "vierten") C. G. Jungs(652) oder Goethes, aber auch Jakob Böhmes,
numerisch mehr als nahe kommt. Bedenkt man, daß unser Begriff
"Person" von der griechischen Gesichtsmaske im Theater herrührt, und
so etwa die Trinität (Dreipersonalität) Gottes wörtlich auch drei Gesichter
meinen könnte, so leuchtet die Vierheit des viergesichtigen Dionysos und die
gnostische Vorliebe führ ihn wohl ein.
Die Gleichsetzung des Phanes mit Pantheos(653)
und Osiris(654) zeigt seine Identität mit dem
von den griechischen Ptolemäern eingesetzten pantheistischen Allgott Serapis(655) (Osiris-Apis) in Ägypten, der seinerseits
mit Pluto-Hades (Dionysos Pater) gleichgesetzt wurde(656),
und erlaubt die heidnische Götterwelt in den Jahrhunderten des allgemeinen
Synkretismus rund um Christi Geburt insgesamt als dionysisch zu bezeichnen,
zumal Dionysos auch direkt mit Osiris(657) und
Phanes(658) gleichgesetzt wurde(659).
Zu den hier aufgezeigten Zusammenhängen bedarf es auf einige Grundsätze der
Orientierung hinzuweisen, und diese zu verdeutlichen, wie es nachstehen
unternommen werden soll.
3.1. Der Teufelskreis
Eine informative Arbeit über das personale "Böse", unter welchem
Titel auch immer, hat allem voran den Grundsatz dem Interessierten vor Augen
führen, daß zu unserem (dreifaltigen) monotheistischen Gott selbstredend auch
nur eine einzige Alternative gibt(660), welche
äußeren Erscheinungsformen und wie viele Gesichter diese Alternative sich immer
auch bedient, wie es bereits auch in der Broschüre "Esoterik und New
Age" anklingt(661). Es ist daher strukturell
und terminologisch zu verhindern, daß die Sondermeinungen das Forschungsfeld
auseinanderziehen und dadurch unübersichtlich machen, so wie etwa die
Aufklärung etwa im Rahmen der sog. Liberalen Theologie in jüngster Zeit so weit
verzweigt und sich die merkwürdigsten Namen zugelegt hat (hauptsächlich
Dialektische Theologie), daß ein Nachvollzug fast nur mehr hauptberuflich
möglich ist. Der heutige Stand der Forschung erlaubt die verschiedenen
Geistesströmungen als Typologie und historischen Entwicklungsstufen zu
betrachten(662), und schon vorweg von dieser
Einsicht aus deduktiv an die Einzelphänomene heranzugehen.
Es ist weiters zu klären, ob etwa der Begriff Moderne so weit alle
"modernisierenden" Tendenzen als Oberbegriff abdeckt, oder durch eine
Neudefinition des Begriffes erst abdecken kann. Vielfach wurde nämlich eine
Spezialbezeichnung verwendet und nur in Einzelfällen der Begriff
"modern" (Moderne) oder gar "Modernismus" allgemein
gebraucht. Der Begriff Säkularisierung ist inhaltlich zu sehr mit
Entspiritualisierung assoziiert, so daß die spirituelle (esoterische und
okkulte) und schwärmerische Seite der Moderne(663),
die nur in den Hintergrund gedrängt aber hinter den Kulissen (etwa in stets
elitären Geheimbünden und Konventikeln) nicht minder Dominierend bleibt,
unberücksichtigt bliebe.
Die Hauptschwierigkeit bei der synonymen Verwendung von "Moderne"
und "Luziferismus" oder "Neugnosis" ist die in der
katholischen Dogmatik abgegrenzte Unterbegriff "Modernismus" für eine
chiliastische Untergruppe, die nicht klar genug abgegrenzt werden konnte(664), und noch nicht einmal als chiliastisch
methodisch hinterfragt wurde. Vor allem hat die katholische Dogmatik den
Begriff Modernismus in dem bisherigen theologischen Sprachgebrauch zu eng
gefaßt, ohne sich dabei mit der unzureichenden terminologischen Greifbarkeit
des sog. Modernismus ganz zufrieden zu geben(665).
Die gebräuchlichste Selbstbezeichnung der beginnenden (in Pico de la
Mirandolas 930 Thesen aufdämmernde und in Jakob Böhmes "Morgenröte"
verklärt artikulierte) Moderne ist "Aufklärung"(666),
im Sinne von "Erleuchtung"(667), die
sich vom Renaissance-Humanismus(668)her
faktisch auf alle neueren Geistesströmungen (die sodann als Untergruppen, bzw.
Verzweigungen aufgefaßt werden) - bis auf die Moderne - anwenden läßt, und auch
angewendet wird(669). Doch landläufig meint
Aufklärung stets die Grundlage und Voraussetzung der Moderne(670),
während "modern"(671) eben
verwirklichte, bzw. in Verwirklichung begriffene "Aufklärung" meint(672). Deswegen kann der Begriff
"modern" ebensowenig von dem wesentlich enger gefaßten dogmatischen
Begriff des (katholischen) "Modernismus" vereinnahmt werden, wie etwa
der Begriff "Jesuiten" oder "Zionismus" und
"Sozialismus" jeweils alles um Jesus oder um die Zionstheologie, bzw.
etwa alles Soziale vereinnahmen kann.
Nachdem nun "Aufklärung" im eigentlichen Sinne den
"Vorgang" (des Aufklärens) meint(673),
wo es - mit den Worten Lessings - die Suche nach der Wahrheit wichtiger sei als
die Wahrheit selbst(674), meint nun die
Moderne den "Zustand" des sog. Aufgeklärtseins, nämlich als
permanente Aufklärung ohne real faßbare zeitliche Begrenzung(675),
wo der (permanente) "Vorgang" der Aufklärung als alleinseligmachend
apriorisiert wird: so etwa im (analogen) Sinne der permanenten Kulturrevolution
Maos in China(676), wo auch der (durch den
Fiasko erzwungen) prolongierte "Vorgang als Ziel" (seines Selbst),
zum "Zustand" erklärt wird(677). So
kann ein "Vorgang", gewissermaßen "wie Gott" (vgl. 1 Mose
3,5), ihre Ursache (scheinbar) in sich selbst haben(678),
bzw. wird - mit Lessing gesprochen - die Suche nach der Wahrheit sich selbst
genug(679).
Es geht der Aufklärung also letztlich nicht um die Suche nach der Wahrheit,
sondern gewissermaßen um die Suche nach der Wahrheitssuche, und so ist die
Wahrheit selbst entbehrlich. Hat sich also der Vorgang der Suche nach der
Wahrheit zum scheinbaren Zustand verfestigt(680),
um nicht zu sagen "verklärt"(681), kann
sogleich von der Moderne gesprochen werden, die ein Defizit an Wahrheit nicht
mehr zur Entelechie benötigt, weil sie auch die Wahrheit zur Verwirklichung
ihres Selbst nicht nötig hat. Der Mangel an Wahrheit ist durch die verklärte
Suche nach der Wahrheit ausgefüllt(682), bzw.
in der zum vollkommenen Kreis geschlossenen Suche nach der Wahrheit würde die
Wahrheit die vollendete Harmonie der Suche (zer)stören(683).
Zum Glück (für die aufklärerische Moderne) kann aber die Wahrheit nur außerhalb
der dergestalt vollkommenen Suche danach gedacht werden, bzw. sozusagen als
davon ebenso vollkommen unberührt wie eingekreist, im Mittelpunkt der darum
kreisenden Suche stehend(684), ohne davon
jemals erreicht (berührt) zu werden(685). Der
mangelnde Berührungspunkt zwischen Wahrheit und Suche (danach) zeitigt nun (im
Subjektiven) die Übermacht - bis zur Absolutheit - der Suche und die
Relativität der Wahrheit, die - angesichts der beglückenden (erleuchtenden)
"Erfahrung" der Suche - (etwa im Agnostizismus) zur Fiktion
schrumpft, bis schließlich die Wahrheit als die Existenzbedrohung für die
beseligende ("erleuchtete", d. i. aufgeklärte) Suche erkannt wird(686). In diesem Stadium der abklärten
Erleuchtung kann die Aufklärung gleichsam als Schöpfer neuer Wahrheiten von der
Moderne in die Hypermoderne so übergleiten, indem die Suche nicht einmal mehr
um die Wahrheit kreisen muß, sondern sobald das Umkreisen, bzw. die Suche mit
der Wahrheit assoziiert wird, gilt assoziativ alles Umkreiste oder Gesuchte als
Wahrheit. In dieser von Kant stark geprägten Logik der pervertierten
Anselmschen "Möglichkeit" gilt es, daß von der Suche auf Möglichkeit
und von der Möglichkeit auf die Wahrheit geschlossen wird.
"Modern" meint also die vollkommene Suche nach der Wahrheit, die
ihren Grund in sich selbst hat(687). Die Suche
nach der Wahrheit als Vorgang ist Aufklärung und die Entelechie der nämlichen
Suche ist die Moderne, der "vollkommene" Zustand, nämlich des
permanenten Vorganges. Der verewigte Vorgang, oder der Fortschritt als Zustand.
Der Teufelskreis(688). Die vollendete
Verpackung der Wahrheit in der Suche danach, eine kunstvoll gestaltete
Wegwirf-Verpackung, deren Inhalt weggeworfen wurde. Wenn es also etwas unmodern
ist, dann ist das die Wahrheit. Deswegen ist Gegenstand der neuen Religion der
Moderne nicht die Wahrheit, nicht Gott (vgl. Joh 1,17; 3,21; 3,33; 4,23-24;
5,33; 7,28; 8,26.32; 14,6; 14,17; 15,26; 16,13; 17,3.17.19.37; Röm 2,8; 3,4;
15,8; 1 Kor 13,6; 2 Kor 2,6; 13,8; Eph 1,13; 4,15; 4,21; 5,9; 6,14; 2,13; 2
Thess 2,10.12; 1 Tim 2,4; 4,3; 2 Tim 2,25; Hebr 10,26; Jak 1,18; 1 Petr 1,22; 2
Petr 1,12; 2,2; 1 Joh 1,6.8; 2,21; 3,19; 4,6; 5,6; 5,20; 2 Joh 1.4-6; 3 Joh 8;
Off 3,7; 19,11), sondern die Suche nach Gott, die Suche nach der Wahrheit, die
sogenannte Aufklärung. Daraus folgt wiederum zwingend, daß die bestehende, die
vorhandene, die bereits erkannte Wahrheit (Gott) der
selbstgenügsam-vollkommenen Suche im Wege steht, so daß zu der Vervollkommnung
der Suche die im Weg stehende Wahrheit entweder (etwa durch Leugnung)
umgegangen oder "verschoben" werden muß. Die Hauptaufgabe und Ziel
(Telos) der perfekten Suche nach der Wahrheit ist: der Wahrheit aus dem Weg zu
gehen.
Die einzig technisch reale Möglichkeit der "Gegenwärtigkeit" der
Wahrheit mit Hilfe der perfekten Suche (nach der Wahrheit) auf die Dauer
praktisch auszuweichen, der Weg um der Wahrheit aus dem Wege zu gehen, ist nun
die Wahrheit als zukünftige Größe in der Zeit so vorauszusetzen(689),
daß erst von hier aus, nämlich von der verabsolutisierten Zukunft her, die
Projektion einer prähistorischen Wahrheit ebenfalls möglich (Goldene Zeitalter)
ist(690), niemals aber die einer
real-historischen Wahrheit(691). Und weil die
vollkommene Suche scheinbar die Wahrheit im Mittelpunkt des Interesses hat und
also sozusagen um die Wahrheit kreist(692), so
steht die mit der Wahrheit assoziierte Zukunft scheinbar immer im Mittelpunkt
der Aufklärung, aber auch der Moderne(693).
Eine "Vergangenheit" zu haben ist (für die Moderne) immer schlecht,
aber eine Zukunft zu haben gut(694). Das
schließt auch ein, bzw. setzt zwingend voraus, daß die Wahrheit aus der realen
(historischen) Vergangenheit (z. B. die erfüllte biblische Offenbarung) logisch
unmöglich die (wirkliche/verwirklichte) Wahrheit in der sogenannten Zukunft
sein kann(695), denn das wäre im Sinne der
Aufklärung ein Nonsens(696): schlicht
unmodern. Jede, aber auch wirklich jede erfüllte Verheißung ist für die Moderne
eine Aporie(697). Jede an und für sich schon
bestehende Wahrheit würde unmittelbar die Existenz der Suche, und damit die
Existenzberechtigung der Moderne bedrohen(698).
Bildlich veranschaulicht gleicht die Moderne einem (vom Teufel gerittenen)
Zugtier, dem der Reiter auf einer langen Stange etwas Verheißungsvolles vor die
Nase hält, um für den permanenten Fortschritt in eine bessere Zukunft zu
sorgen. Und obwohl es zum Wesen des Chiliasmus (Moderne) gehört, die Zukunft
als befristet (und damit die Wahrheit - hinter der Wahrheit - als in der Zeit
erreichbar(699), nämlich in einer ebenso schillernden
wie ungewissen Zukunft) so hinzustellen(700),
als würde die Wahrheit nicht überhaupt, Soden nur in der Gegenwart fehlen, ist
jeder Aufklärer und Modernisierer (etwa mit Hegel) von dem Moment an
"überholt", bzw. unmodern, wo er zufällig die Wahrheit trifft, wo er
sozusagen der Wahrheit nicht mehr ausweichen kann, wo er wirklich und
eigentlich (im herkömmlich umgangssprachlichen Sinne) aufgeklärt hat. So etwa
ist der Entdecker der Modernität, Friedrich Nietzsche, demnach seit 1934 nicht
mehr eigentlich modern, weil er 1884 mit 50 Jahren befristet hat, bis "Einigen
[...] die Augen dafür aufgehen" werden, "was durch mich
getan ist"(701), und Hitler sich
sodann um die Zeit als der von Nietzsche angekündigte (dionysische) "Künstler
Politiker" erkennt(702). Typisch
auch die Reaktion der chinesischen Kommunisten in den 70ern und dann von
Kreisky, den Marxismus für "überholt" (unmodern, bzw. nicht mehr ganz
so zeitgemäß) zu erklären. Das Aufklären ist der Tod der Aufklärung. Es ist
auch auffällig, daß die Aufklärer von der Aushöhlung und Abschaffung der
Metaphysik(703), das sind für sie die
sogenannten "ersten Dinge"(704), so
ausgehen, daß die "letzten Dinge", nämlich (auf Griechisch) die
Eschatologie(705), so als die einzige
Alternative erscheinen, daß Eschatologie(706)
und Metaphysik ineins fallen.
Man kann bei der Terminologisierung der "Moderne" mit Löwith davon
ausgehen, daß die Kritik an der christlichen Religion erstens stets eine
philosophische war; zweitens ist sie als solche durchgehend von
protestantischen Gelehrten getragen worden und sie daher das Christentum in der
protestantischen Form voraussetzt(707);
drittens könne der Bogen zwischen Hegel und Nietzsche als Brückenköpfe gezogen
werden(708); viertens läßt sich das sich
postchristlich gebärdende Pseudochristliche ebenso kontinuierlich von Descartes
glaubenslosem Gottesbeweis über Kants vernünftigen Glauben, Fichtes Atheismus,
Hegels philosophischer Theologie bis Nietzsches antichristlichem Weltkonzept
nachweisen(709), wie auch bei jedem Einzelnen
das Hauptcharakteristikum der Anderen, wie insb. Atheismus, Naturalismus,
Antichristliches, Gnostisches, Luziferismus und nicht zuletzt Chiliasmus(710) (als die verschiedenen Perspektiven der
gleichen Sache, als Attribute des gleichen Subjekts). Wenn Löwith also
Nietzsche als den Entdecker der Modernität bezeichnet(711),
in dem auch die (philosophische) Religionskritik für ihn gipfelt(712), dann müßte zunächst von einem abweichenden
Sprachgebrauch rund um die "Moderne" zwischen katholischer und
protestantischer Theologie die Rede sein. Weil gerade die katholische Dogmatik
von sich aus um das Phänomen selbst und bei der Faßbarkeit des (dogmatisch)
sog. Modernismus von Unklarheiten spricht, sowie ihre Zuflucht selbst in
offiziellen Urkunden hierüber zu unvollständigen taxativen Aufzählungen nimmt,
sei nun - wegen der größeren Transparenz - der protestantische Wortsinn des
Modernismus auch auf gleichgelagerte Phänomene im Bereich der katholischen
Theologie angewandt.
Leider entgeht es Löwith, daß Nietzsche (außer der Prolongation der
Aufklärung zu Moderne als Zustand des Vorganges, nämlich durch die offene und
absolutäre Leugnung der Wahrheit an sich) nichts wirklich neues hervorbrachte
und selbst der von ihm zitierte neue "unbekannte Gott"(713) schon bei Hegel längst vorweggenommen wurde(714), so daß Nietzsche letztlich eine Karikatur
Hegels ist, eine moderne Version der Aufklärung Hegels. Doch diese Frage soll
weiter unten ausführlicher behandelt werden. An dieser Stelle kann man es dabei
bewenden lassen, daß in dem Sprachgebrauch, also in der Terminologisierung
durch Nietzsche, eine Radikalisierung (Emotionalisierung) der Sprache, und
damit im gewissen Sinne eine die Verdeutlichung fördernde rhetorische
Akzentuierung Hegelscher Inhalte (durch Nietzsche) zu beobachten ist. Die
Gegenüberstellung von Nietzsche und Hegel ist für die Einsicht förderlich, daß
eine antichristliche Größe nicht daran zu messen ist, daß er sich selbst als
Antichrist entdeckt, wie etwa Nietzsche. Gerade das Pseudochristliche, der
christliche Anspruch, das Schafspelz an Hegel macht ihn zum eigentlichen Antichristen(715) par excellence, der nämlich der
allerchristlichste sein Will (Mt 24,24; Mk 13,22; vgl. 2 Thess 2,3-4), oder wie
Schleiermacher sinngemäß meint, ein neuer Messias.
Der Begriff Modernismus kann also in unserem verallgemeinernden Sinne für
die Moderne überhaupt, sowohl für die säkularistische, wie auch für die
schwärmerischen (spirituelle) Richtungen(716),
angewandt werden(717), zumal beide übereinstimmend
irgendein aus der Kulturtradition abgezweigtes Kulturgut, nämlich mit Vorliebe
etwas in der Kulturtradition für unwandelbar Gehaltenes, (dessen Zeitlichkeit
damit vortäuschend) in die Zukunft projizieren, um unter dem Vorwand der
(futuristischen) Verwandlung des Unwandelbaren, die Leugnung der
Gegenwärtigkeit des nämlichen Unwandelbaren, (als vorgeblich künftige
Verbesserung) zu kaschieren (ein ebenso markantes wie allgemeinverständliches
Beispiel wäre die Propagierung der Euthanasie als Fortschritt, um das
unwandelbare Gebot in 2 Mose 20,13//5 Mose 5,17, "du sollst nicht
töten" zu unterlaufen). Es ist daher naheliegend, den Begriff
"Eschatologismus"(718) (Chiliasmus)
sogleich synonym für die "Moderne" zu verwenden(719),
und diesen Sprachgebrauch während oder am Schluß dieser Abhandlung weitergehend
zu begründen(720), sofern praktische
Unklarheiten in der Anwendung sich zeigten.
Dabei soll allerdings Bedacht darauf genommen werden, daß ein noch
unausgereifter Begriff "Eschatologismus" vielleicht Angriffsflächen
für die auf Zersplitterung der Forschung bedachte Moderne(721)
bieten könnte. Wenn z. B. eines der eschatologischen Gruppen diese Bezeichnung
für sich selbst in Anspruch nimmt, oder in der Forschung, ob manipuliert oder
gutgläubig, der Begriff Eschatologismus mit Hilfe von Attributen
charakterisiert wird, die Teile des Eschatologismus auszugrenzen erlaubt, oder
schwer als solche nachweisbar macht. So wie heute der Begriff Moderne in dem
Sinne eines Zeitalters der Moderne gebräuchlich ist, so daß faktisch alles
Zeitgenössische, daß irgendwie vom Früheren abhebt, als modern bezeichnet
werden kann, so kann Eschatologismus als die modernste Bezeichnung für den
Luziferismus verwendet werden. Umgekehrt kann die Moderne als die am besten
getarnte luziferische Selbstbezeichnung des Eschatologismus bezeichnet werden,
wie das die Wortetymologie des Begriffes "modern" (wörtlich
"neuartig" oder "neuzeitlich", also sinngemäß "New
Age") zeigt. In diesem Sinne kann also Eschatologismus als der adäquate
theologische Ausdruck für die Moderne terminologisiert werden. Dabei meint
Eschatologismus nicht simpel das ideologische Anhängen der Eschatologie,
sondern im Gegenteil, das Entfremden, die Pervertierung der Eschatologie, wie
es in der theologischen Terminologisierung durchaus nicht unüblich ist. So
bezeichnet der Terminus Gnosis, das wörtlich Erkenntnis bedeutet, in der
Theologie die Gruppe der vorgeblich Erkennenden, denen die Erkenntnis
abgesprochen wird. Auch hat der Begriff Chiliasmus (wörtlich etwa Tausendismus)
in der klassischen Theologie (im Gegensatz zur Moderne) immer und
ausschließlich diejenigen bezeichnet, die dem originalen Jahrtausend der Bibel
ein alterierendes Jahrtausend vorgezogen haben, während die Gnosis (theologisch
unzulässig) die biblischen tausend Jahre als chiliastisch bezeichnet. Der hier
definierte Terminus Eschatologismus meint also die moderne Sondermeinung, den sogenannten
Eschatologismus, die mit der biblischen Eschatologie unvereinbar ist(722) und ihr - nicht ohne Stolz der Eschatologen
- entgegengesetzt ist, wie das - vergleichsweise - auch beim Terminus Gnosis
(Erkenntnis) der Fall ist (1 Tim 6,20). Dieser Terminus gilt insb. auch dann,
wenn der Eschatologismus selbst leugnet, mit dem Christentum unvereinbar zu
sein, und sich christlich gibt. Somit ist Eschatologismus in dem hier
definierten Sinne ein Oberbegriff des Chiliasmus für den Fall, daß einzelne
klassischen Merkmale des Chiliasmus nicht oder nicht vollständig nachgewiesen
werden können. Die tatsächlichen Verhältnisse sprechen nämlich dafür, daß alles
Chiliastische dem Eschatologismus frönt und die angebliche Neuentdeckung oder
neuerliche Aufwertung der Eschatologie immer und ausschließlich chiliastisch
ist, nur ist in dieser perfektionierten Tarnung der Nachweis oft zu aufwendig.
Deswegen sollte zuerst der Terminus Modern mit dem Terminus Eschatologismus
gleichgesetzt oder zumindest als sinnverwandt hervorgehoben werden, und sodann
in Rahmen der folgenden Abhandlung zumindest der Vernunftsbeweis dargeboten
werden, daß auch die Termini Chiliasmus und (neuzeitlicher) Eschatologismus so
gut wie deckungsgleich, auf jeden Fall jedoch schwer gegeneinander abzugrenzen
sind. Die schon von den Kirchenvätern verurteilten Hauptcharakteristika des
Chiliasmus, Diesseitigkeit (Immanentismus) und die manipulierte Terminfrage der
Parusie, sind auch die markantesten Wesensmerkmale des Eschatologismus.
3.2. Die Gnosis
Der zweite Grundsatz um die Sondermeinungen anzunähern ist die
Vergegenwärtigung der "Historizität", bzw. Traditionscharakter der
selbigen, wonach keine Kultivierung des Bösen, sei es individuell oder in
Gruppen, sei es religiös oder areligiös, lebensfähig sein kann, es sei denn,
sie greift auf die (subkulturelle) Tradition zurück, bzw. geht davon aus. Es
gibt mehrere Merkmalkataloge von Sondermeinungen(723),
die mehr den Istzustand zu erfassen suchen. Es gibt aber auch einige, die
Eigenschaften und sonstige Voraussetzungen aufzählen, die (wahlweise) in jeder
Sondermeinung seit Menschengedenken unentbehrlich sind (Sollzustand).
Falls notwendig, ist der Beweis darüber zu führen, daß ohne die (offene oder
verdeckte) Abstützung einer Sondermeinung auf irgendein (alternatives)
Traditionsgut, die Sondermeinung unausweichlich dem Untergang geweiht ist, und
nicht einmal den Namen "kurzlebig" verdient. Man kann darauf
hinweisen, daß wegen der harten Konkurrenz auf dem heißumkämpften Markt der
wirtschaftlich meist autarken Sondermeinungen, jede
"traditionalistisch" unfundierte Sondermeinung vor allem von den
übrigen "traditionalistischen" Sondermeinungen im Handumdrehen
eliminiert wird. So stützt dieser Grundsatz die Annahme der eingangs
aufgezeigten Einheitlichkeit der Subkultur in der Vielfalt, bzw. leitet sich
von da ab.
An unentbehrlichem Traditionsgut können zunächst die Stimulanzien sexueller,
toxischer, psychischer, ritueller (zeremonieller), ästhetischer und nicht
zuletzt spiritueller Natur genannt werden, die sämtlich dazu neigen Selbstzweck
zu werden, so als sei "der Weg das Ziel" und die scheinbare
"Endlosigkeit", das "Uferlose" im Zirkelschluß die
Unendlichkeit (Ewigkeit) imitiert. Des weiteren kann auf die stets
"elitäre" Deutung der "Andersartigkeit" hingewiesen werden,
die - wie ein Schatten - einer jeden Sondermeinung untrennbar anhaftet und so
mit der Subkultur stets einhergeht. Es ist eine unabdingbare Tradition der
Sondermeinungen, etwas Besseres zu sein, alles besser zu wissen, und ähnliches(724). Charakteristisch ist aus ebendiesem Grunde
die pathetisch angemaßte Pose des Kritikers, wobei das Horizont der noch so
spitzfindig geübten Kritik kaum über die Schaffung des eignen Lebensraums und
gerade noch für die unentbehrlichen Rechtfertigungsgründe für die eigene
Unentbehrlichkeit ausreicht. Denn die in zumindest in der Anfangsphase und in
der längeren Inkubationszeit parasitär strukturierte Sondermeinung ist nicht sofort
an der Eliminierung der als Trägerorganismus fungierenden Hochkultur
interessiert, sondern schützt Toleranz, Meinungsfreiheit und eine gewünschte
Vielfalt vor, wo auch der Teufel eine Scheibe abschneiden dürfe, oder ähnlich.
3.3. Der Apriorismus
Der dritte Grundsatz hat die These zu sein, daß die Moderne (spätestens seit
dem Ausklingen der klassischen Zeit des Renaissance-Humanismus und ihr
Eintauchen in den Manierismus) die Forschung quantitativ zu überfordern sucht,
indem sie als Grundsatz der Auseinandersetzung das Eingehen auf die
Detailfragen postuliert, um widerlegt, um wirksam angefochten werden zu können.
Demgegenüber ist davon auszugehen, daß sowohl jede modernisierende wie auch
klassische Denkstruktur eine logisch geschlossene Einheit bildet, die immer auf
einige Grundgedanken und methodische Grundsätze (Grund- oder Ausgangsposition)
zurückgeführt werden, die nicht mehr ohne weiteres hinterfragt, sondern zumeist
nur nonverbal vorausgesetzt werden. Demnach würde jede Änderung der Denkvoraussetzungen
zwangsläufig die Änderung der gesamten Denkstruktur nach sich ziehen, und
ebenso zwangsläufig ergibt sich aus der Geschlossenheit der Denkstruktur, daß
mit den gleichen Denkvoraussetzungen jeder Denker zwangsläufig zu den gleichen
Schlußfolgerungen kommen muß, wenn er schlußfolgernd unterwegs keine
"Rechenfehler" macht.
Die allfällig feststellbaren Fehler bei der (schlußfolgernden) Entfaltung
von Gedanken, wie es die Subkultur heuchlerisch fordert, ist also zweitrangig,
die nämliche falsche Spur in der Auseinandersetzung, auf jene die Moderne
ablenken möchte(725). Ist hingegen jede
Denkstruktur auf ihre Denkvoraussetzungen (Apriori) zurückgeführt, kann sie
nicht nur kinderleicht gehandhabt, sondern auch - wie beispielsweise in der
Genforschung - die innere Struktur miteinander verglichen und im
Gesamtzusammenhang gegenübergestellt, d. h. kritisch überprüft werden.
Sektenforschung, wie überhaupt die Erforschung aller Sondermeinungen,
verlangt also nach einer eigenen Systematisierung ("Dogmatisierung"),
ohne die sie heute kaum mehr zugänglich zu sein scheint. Diese Systematisierung
kann von dem kirchlichen Standpunkt aus freilich nur nach der Gottesbeziehung
und oder ähnlich grundlegenden (unverzichtbaren) christlichen Orientierungsgrößen
beurteilt, "gemessen" werden. Und genau dies ist der wissenschaftlich
einzig zielführende Zugang zu den Sondermeinungen, denn letztlich fußt jede
(noch so politisch oder sonstwie profan agierende) Sondermeinung, wie z. B. der
kürzlich noch hochtrabend bis selbstherrliche und heutzutage zunehmend ins
Schleudern geratene Materialismus, auf einem, wohl alterierenden,
Gottesverständnis.
Einige dieser Denkvoraussetzungen sind da etwa die Lehre von der
Seelenwanderung und die Kosmologie(726), die -
wie gut versteckt auch immer - integrierender Bestandteil faktisch jeder
modernisierenden Richtung ist, insb. auch dann, wenn die Geistesströmung dies
und ähnliches nur nonverbal voraussetzt, oder auf Apriori zurückgeht, die
scheinbar das Leugnen der Relevanz jeglicher nicht materialistischen Kosmologie
und Spiritualität (Seelenwanderung) ermöglicht, aber in Wirklichkeit in dem
Apriori sich als Teilwahrheit (Häresie, d. h. Halbe Wahrheit) einer von einem
geschlossenen Apriori-Block abgeleiteten (Werte-) Systems erweist, der
natürlich nicht ohne dieses fundamentale subkulturelle Rüstzeug auskommt.
Die hier angesprochene These hat also etwa zu lauten, daß jede
modernisierende Tendenz immer und nur als (Werte-)System angenähert werden kann
und darf. Und sodann jedes System so auf die verbalen oder nonverbalen
Denkvoraussetzungen zurückgeführt werden kann (und muß), daß die Abweichung und
absolute Unvereinbarkeit mit den christlichen Denkvoraussetzungen jeweils nicht
nur nachweisbar, sondern selbstverständlich ist. Die These geht also davon aus,
daß es überhaupt keine modernisierende Tendenz, sei es philosophische
Vernünftelei, sei es hyperreligiöse Schwärmerei oder materialistische
Moralismus, oder was auch immer geben kann, die jemals mit den christlichen
Denkvoraussetzungen (Grundposition) zurechtkommen könnte. Anders gesagt: jede
denkorientierte (spirituell offene) oder voluntaristische(727)
(auf Sinnliches fixierte) Richtung geht auf Apriori zurück(728),
die in einem unvereinbaren Gegensatz zu den bibeltheologisch, also an der
Offenbarung orientierten Grundsätzen des Christentums stehen.
Der wichtigste Zusatz zu den hier Gesagten ist, daß auch wenn die Grundsätze
der christlichen und unchristlichen (respektive pseudochristlichen) Systeme
nicht wirklich absolut unvereinbar wären, gehen die Verfechter der
unchristlichen Systeme (auch innerkirchlich) immer davon aus, daß sie mit den
christlichen Grundsätzen (Grundposition) unvereinbar sind, insb. auch dann,
wenn sie sich dann als angeblich christlich vorgeben. Die kritische
Untersuchung eines alterierenden Systems kann und darf also niemals bei der
Gegenüberstellung der Resultate stehen bleiben, die wie bei vielen guten
Fälschungen oft schöner sind als das Original, sondern hat die Abweichung an
der Wurzel zu packen. Eine Auseinandersetzung etwa mit der Psychologie auf der
Ebene des alterierenden Umganges mit der Seele ist solange fruchtlos, bis das
Weltbild des Psychologen - mit den dieses tragenden Grundsätzen - dem Weltbild
des Christen gegenübergestellt wird. Was hat die Seele des Psychologen mit der
Seele eines Christen gemein? und was vor allem nicht!
3.4. Die Vernunft
Der vierte Grundsatz ist die angemessene Begegnung der obligatorischen
Verblendungstechniken von Sondermeinungen, die auf die Manipulation jenseits
der "Reizschwelle" spezialisiert sind, um Widersprüchliches möglichst
unbemerkt, sozusagen unterschwellig anzubringen. In der Medizin spricht man vom
Überreiz, von "jenseits der Reizschwelle", wo z. B. der von einer
Gewehrkugel Getroffene nur einen dumpfen Schlag und keinen Schmerz empfindet.
In der Elektromechanik kennt man Radarmeßgeräte, die im Bereich von
Geschwindigkeitsbegrenzungen unter hundert Stundenkilometer nur bis ca.
hundertvierzig Stundenkilometer die Übertretung registrieren, und darüber keine
Übertretung mehr anzeigen. Wenn z. B. so unverschämt gelogen wird, daß der
Hausverstand daran zweifelt, daß so unverschämt überhaupt gelogen werden kann,
dann werden die Lügen - in der ersten natürlichen seelischen Reaktion -
gewissermaßen unwillkürlich als (scheinbare) Wahrheit, nämlich als nicht
hinterfragbare aber ansprechend-naheliegende Möglichkeit(729),
akzeptiert, weil die kritische Instanz als "Immunsystem" überfordert
ist. Eine falsche Behauptung durch das unvorstellbar Verlogene erscheint, weil
unhinterfragbar, stets "zunächst" glaubwürdig, allen Anschein nach
unwiderlegbar, zumal sich der Verlogene selbst - als die Möglichkeit eines
solchen - konsequent leugnet. Die technische Unwiderlegbarkeit der
Überdimensionierten Lüge blockiert das Immunsystem ihres Gegenüber etwa
dergestalt, wie bei Überspannung im elektrischen Stromkreis die Sicherung
durchbrennt, und einen "Blackout" verursacht. Oder: weil das
Unhinterfragbare für die sich selbst überlassene Vernunft des Menschen
scheinbar auf sich beruhen müsse, bis - wie durch ein Wunder - das
Unhinterfragbare hinterfragt wird, liegt die Lösung und Widerlegung des
Schwindels jenseits des Horizonts der beschwindelten Vernunft, und kann so
nicht einmal den formalen - aber "transzendentalen" - Schwindel mit
der Umkehr der Beweislast hinterfragen, weil er durch den gleichen Schwindel
nur davon ausgehen kann, daß "für einen mündigen Bürger" einzig die
eigene Vernünftigkeit (a priori) die höchste Instanz der Hinterfragbarkeit sein
kann(730). Der natürlichen Vernunft, dem
Verstand, wohnt zwar sehr wohl der Hang zur Logik inne, doch ist selbst die
vollkommenste abstrakte (begriffliche) Logik des vernünftigen Denkens, sieht
man von der Voreingenommenheit als Informationsfilter ab, absolut
Informationsabhängig, gleichsam Informationsbedingt, also in der Effizienz
absolut von der adäquaten Erfassung der Wirklichkeit abhängig. Erfaßt die
Vernunft die Wirklichkeit nicht exakt, kann sie zwar intern vollkommen
vernünftig arbeiten und bestechend exakte Resultate (Schlußfolgerungen)
bringen, ist aber extern trotzdem widervernünftig, widersprüchlich, realitäts-,
bzw. wirklichkeitsfremd. So ist Kants berühmt berüchtigtes Schilderhebung der
menschlichen Vernunft zum Souverän mit seinem Mündigkeitspostulat und
Absolutsetzung des Sinnlichen (als Prüfstein des Wirklichen), so als würde
unsere Vernunft durch die Sinne die leblosen Dinge beseelen, die wohl
raffinierteste Leugnung der Wirklichkeit und die grundlegendeste Täuschung der
Vernunft. durch Fehlinformation.
3.4.1. Luzifer Superstar
Der wohl prominenteste Großmeister der Verlogenheit, der Virtuose der bis
zur unfaßbar Unnachvollziehbarkeit ("Agnostizismus")
überdimensionierten Lüge, und er sei als repräsentatives Beispiel angeführt,
ist also wohl Immanuel Kant, der es auf anspruchsvollstem Niveau geschafft hat,
alle eigenen Widersprüchlichkeiten als Apriori in der Transzendenz(731)genannten Fiktion der
"Unhinterfragbarkeit"(732)
(Agnostizismus(733)) verschwinden zu lassen(734):
"Wenn die Grenze der Transzendentalphilosophie überschritten wird,
so wird das angemaßte Prinzip transzendent; d. i. das Objekt wird ein Unding
und der Begriff von ihm widerspricht sich selbst: denn er überschreitet die
Grenzlinie alles Wissens: das ausgesprochene Wort ist ohne Sinn. Hier müssen
wir uns erinnern, daß wir den Endlichen, nicht den unendlichen Geist vor uns
haben. [...] Inwiefern in demselben Wesen zwei so entgegengesetzte Tendenzen
zusammen bestehen können, ist eine Aufgabe, die zwar den Metaphysiker, aber
nicht den Transzendentalen Philosophen in Verlegenheit setzen kann. - Dieser
gibt sich keineswegs dafür aus, die Möglichkeit der Dinge zu erklären, sondern
begnügt sich die Kenntnisse festzusetzen, aus welchen die Möglichkeit der
Möglichkeit der Erfahrung begriffen wird."
so Kant(735), der somit den
offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Bedingten und Unbedingten in der
Transzendenz vergeblich zu leugnen versucht, so als wollte er darauf aufmerksam
machen. Im Opus postumum expliziert Kant weiter(736):
"Transzendentalphilosophie ist das System des reinen Idealismus der
Selbstbestimmung des denkenden Subjekts durch synthetische Grundsätze apriori aus
Begriffen, vermittels deren dieses sich selbst zu einem Objekt constituiert,
und die Form macht hier den ganzen Gegenstand aus."
Nach einem mehrfach verschachtelten und sprachlich komplexen Gedankengang,
wonach die Objekte der Gedanken eines (denkenden) Subjekts, die in der
Transzendenz Ideen heißen, so meint Kant, in einem Umkehrprozeß würden nunmehr
nicht nur als apriorische Ideen die Objekte selbst bestimmen, sondern sogar das
denkende Subjekt, nämlich als Objekt (und dessen Urheber)(737).
Ohne die philosophischen Wortornamente meint Kant offensichtlich
"Selbsterkenntnis"(738), trifft
allerdings die Beschreibung - weil zu abstrakt bis wirklichkeitsfremd - nicht
exakt(739). Vereinfacht ist dieses "zu
denken", daß man sich selber (als das Gedachte) denkt, also ein sich
selbst denkender (virtuelle) Gedanke(740), für
Kant, wenngleich noch nicht so "offenbar" wie bei Hegel(741), Gott(742).
Natürlich muß sich einer so eine Idee einmal ausdenken, bevor er sich die
nämliche Idee dann als den Denkenden gedanklich erschaffend, d. h. Gedacht,
denkt. Doch das ist eben Transzendentalphilosophie, daß man hier keck behaupten
kann, daß die Perversion in der Transzendenz (ohne die als erkennbar
vorausgesetzte Wirklichkeit) unhinterfragbar ist: sozusagen a priori(743). Aus den eingangs Gesagten ergibt sich
auch, daß die Unhinterfragbarkeit eigentlich nur per definitionem existiert,
indem der Transzendentalphilosoph nicht "die Möglichkeit der
Dinge" erklärt, sondern die "Möglichkeit der Erfahrung"
(des Unerkennbaren) zu begreifen hilft. Nur durch die Leugnung jedweder erkennbaren
Wirklichkeit kann sich Kant auf die Absolutsetzung des Subjektivismus
zurückziehen, und in der so erschwindelten Isolation der (auf die Erfahrung)
beschränkten Erkennbarkeit (im Zirkelschluß) die Absolutheit dieser totalen
Beschränktheit (auf das Unwirkliche) postulieren. Das ist dann auch die
bestechend unwiderlegbare Begründung der Religion der Vernunft, wo dann alles
Vernünftige ausschließlich in der Unwirklichkeit gründet, und so trotz aller
innerer Perfektion äußerlich nur als Religion gelten kann.
Umgangssprachlich wäre Kants Einfall etwa: das zu sein (als Subjekt), was
man über sich so denkt, man müsse nur eine Idee haben, so als denke der
gedachte Gedanke sich als durch das Denken gewordene, und zwar so, wie er sich
am besten gefällt: z. B. Transzendentalphilosoph. Hat man sich einmal als
solchen gedacht, kann man sich nunmehr als immer schon als solche behaupten,
woraus im Zirkelschluß folgen soll, daß man sich nicht als
Transzendentalphilosoph gedacht hätte, wenn man nicht schon davor einer gewesen
wäre. Der Zirkelschluß zum Beweis der Quasi-Wirklichkeit wird spekulativ mit
dem Apriori legitimiert, daß alles was möglich erscheint, könne und müsse auch
"notwendig"(744) als real (so gut
wie wirklich) angenommen werden(745), so wie
es Kant bei Wolff und dessen Schüler das Steckenbleiben des Vernünftigen im
Möglichen(746) zur kritischen Ausgangsposition
genommen hat(747).
3.4.2. Der souveräne Teufel
Die Kantsche Transzendentalphilosophie läßt es nur scheinbar offen, ob die
Idee oder die Realität dem jeweils anderen vorausgeht, denn das ist das Wesen
des (Kantschen) Agnostizismus(748), daß die
menschliche Erkenntnisfähigkeit der Maß aller Dinge (das einzig Souveräne) zwar
(a priori) ist, aber sie kann unmöglich dem Erkennbaren vorauseilen(749). So ist eine diese souveräne(750) Erkenntnisfähigkeit des Menschen
vorwegnehmende Idee - im Kantschen Sinne (im Gegensatz zu Hegel(751))
- zwar ein Nonsens(752), doch kann ebendies
unter dem Schutz des Unhinterfragbarkeits-Doktrins (Agnostizismus) Kants(753) trotzdem - gewissermaßen hypothetisch (als
Kants von Anselm entfremdete zentrale Begriff der "Möglichkeit"(754)) - so behauptet werden, als würde man die Aporie
scheinbar auf sich beruhen lassen(755).
Die Idee, die eigene Erkenntnisfähigkeit (als absolut) zu erkennen wohnt
"natürlich" der nämlichen Erkenntnisfähigkeit inne(756),
ebenso wie die bestreitbare Möglichkeit der präexistenten Idee (der
Präexistenz) zu erkennen, zumindest nach Kant. So zeigt sich die Grundidee der
Transzendentalphilosophie als eine Art Transzendierung der bestimmenden
Reflexion über die Realität(757), so wie etwa
in der Evolution von der Ebene des muskulösen Körpers, etwa ab dem
evolutionären Niveau des Regenwurms, das gleichsam reflektierende Nervensystem
sich entwickelt hat, um auf späteren (höheren) Entwicklungsstufen der Evolution
die Muskulatur zu bestimmen (ohne es "erschaffen", hervorgebracht zu
haben, oder präexistent zu sein). So beherrschen die von den menschlichen
"Gehirnmuskeln" hervorgebrachten Ideen unser Denken(758),
auch wenn sie - notwendig später - aus diesem hervorgingen. Die Religion habe
so - nach Kant - diese Ideen dem von ihnen bestimmten menschlichen Denken zu
Recht vorgeschaltet, aber sie fälschlich absolut gesetzt, denn die nämliche
Transzendenz der Ideen sei auf natürlichem Wege aus der Natur hervorgegangen,
die der natürliche Vater aller Dinge sei. So ist für Kant die Natur(759) aus sich selbst vernünftig und denkt über
sich selbst sozusagen in der Form des Menschen nach(760),
bzw. erkennt sich die Natur im Menschen, nämlich als vernünftig, und natürlich
als ihres Selbst bewußt. Es gäbe sonach weder ein Vorherwissen der Natur (d. i.
für Kant Gott) über sich selbst vor dem Menschen (im Rückblick), noch ein
Unbekanntes als Unerkanntes(761) (im
Vorausschau), sondern definiert sich alles Unerkannte als in der Zeit
unvollendet. So wie - bildlich ausgedrückt - unser Nervensystem (oder
Blutkreislauf) der Form nach an den Umfang der Muskulatur (auch der Form nach)
gebunden ist und in der Selbstempfindung des Nervensystems die Muskulatur
gewissermaßen mit eingeschlossen ist, so umfasse für die Gnosis Kants die
Selbsterkenntnis des Menschen die Natur als Kosmos, besser gesagt als
Universum, weil der antike Begriff des Kosmos von dem Naturalismus überwunden
wurde(762). Indem jedoch das Unerkennbare als
wirklich existent negiert wird(763), wobei
schon die Grenzen des Erkennbaren von Kant nicht von der Wirklichkeit, sondern,
unzulässig, von der Erkenntnisfähigkeit des erkennenden Subjekts her(764) definiert werden (Subjektivismus)(765), beraubt sich Kant der Möglichkeit sein
Apriori zu hinterfragen(766), ob denn wirklich
die Natur im Menschen sich selbst erkennt (und vice versa). Und so kollidiert
er mit seinem anderen Apriori, wonach das nämliche Selbsterkennen in der Zeit
vollendet werde, und also vorerst ("noch") unvollkommen, und also
("noch") nicht absolut sei. Denn damit postuliert Kant eine werdende
Absolutheit, sozusagen die Präpotenz der Selbst-Erkenntnis (der Vernunft, die
der Natur), und leugnet "gleichzeitig" entschieden vorher überhaupt
etwas wissen zu können(767), etwa auch daß die
menschliche Vernunft künftig auch tatsächlich so (vollkommen) sein wird, wie
sie es jetzt schon im Machtanspruch Kants vorweg sich herausnimmt. Kant kann
also die Idee haben zumindest künftig vollkommen zu sein, und die Brücke zur
Realität mit der zweiten Idee schlagen, und durch die Ideen die Wirklichkeit
nunmehr - zumindest in der (künftigen) Zeit - "gestalten". Daher
hätte auch die Idee Kants, daß es keinen Gott im herkömmlichen Sinne geben muß,
im gewissen Sinne - als Möglichkeit - "Zukunft". Allerdings nicht
einmal dort Anspruch auf Wirklichkeit.
Um aber sicher zu gehen, daß man - mit Kant - in aller Ewigkeit als
Transzendentalphilosoph gelte, muß man die Unhinterfragbarkeit der nämlichen
Erkenntnisvorgänge (apriori) behaupten, so als würde das Gedachte ein
(virtuell) denkender Gedanke sein(768), der
sich den Denkenden ausgedacht (im Denken vorgebildet) hat und nicht umgekehrt.
Das ungefähr ist die hohe Schule der zynischen Verhöhnung Gottes durch seine
Karikatur. Zu denken, daß das Gedachte den Denkenden zuerst als "es"
denkend gedacht haben könnte. Man müsse nur immer (agnostisch) die
Hinterfragbarkeit Leugnen, d. h. "transzendieren", und sodann die (a
priori) möglich gemachte Möglichkeit apriorisch so abzustützen, daß ja die
Möglichkeit einen Grund voraussetze, der nachträglich aber rückwirkend als
vorhanden gedacht werden muß, wenn die Möglichkeit möglich bleiben soll(769).
Sehr wohl läßt sich die so postulierte Vernunftsreligion(770),
die Kant (eigentlich pantheistisch) mit Naturreligion gleichsetzt(771), ebenso als manichäisch(772)-gnostisch(773) (Nus(774)/»Nys+/Nous(775 ) = Vernunft(776))
nachweisen, wie seine sirius-zentrierte Kosmologie(777)(eigentlich
Universalismus), die (trotz Wohlüberlegtheit) alles andere als
"vernünftig" ist(778). Auch
neuheidnische Hintergedanken in Kants Vernünftelei sind - trotz der
agnostischen Fassade - nachvollziehbar, denn der (auch von der Romantik(779)besungene) Sirius(780)
wird der Isis(781), der altägyptischen Göttin
der Natur(782)zugeordnet(783),
der Demeter der Griechen(784), der Ceres der
Lateiner, die mit Liber(785) und Libera den
zentralen Göttertrias der Spätantike bildet, die im Zentralheiligtum Attikas,
in Eleusis(786), als Demeter(787),
Dionysos/Pluto(788) und Kore/Persephone
verehrt wurden: daher auch der Name Liber-al(789),
d. h. dionysisch, bzw. osirisch(790),
Mithras-3(791) oder S(c)hiva-Anhänger(792); und ebendiese Isis(793)
ist die synkretistische Hauptgottheit der Geheimbünde(794),
die sie außer der vielzitierten Pallas von Sais, die von Hegel mit der Kybele
gleichgesetzt wird(795), mit beliebigen vielen
heidnischen Gottheiten ohne Geschlechtsunterschied, vor allem mit der Venus(796) (als Planet mit dem Namen Luzifer) der
Neugnosis, aber auch mit dem Jesus der Christen, gleichsetzen, und ohne die
seit Menschengedenken kein Freimaurer ausgekommen ist(797).
Nach Kant wären die "Moral" einerseits und "Christus"
andererseits die zwei heterogenen Teile der von ihm als »bastardisches
Produkt« bezeichneten christlichen Religion, wobei für Kant die zweite
Komponente (Christus) gänzlich entbehrlich ist(798).
Die stets nebulose Gottesauffassung des Antichristen Kant mag zwar in seiner
vor- und nachkritischen Phase jeweils andere Ausformulierungen erfahren haben(799), es besteht jedoch diesbezüglich eine
durchgehende Kontinuität im gesamten Werk Kants(800).
Kant war zwar mehr als seine übrigen Zeitgenossen und Nachfolger zur
Verklausulierung seiner überbiblischen und überchristlichen (ausdrücklich
religiösen) Botschaft (im philosophischen Gewand) gezwungen, das uralte pantheistisch-gnostische
Konzept, den Kant dem Abendland neu präsentierte, hatte er aber nicht selbst
ersonnen, sondern hat er lediglich antike Vorbilder (ohne Quellenangabe)
rezipiert. Als ein Prototyp des Antichristen(801)
ist Kant natürlich auch "Atheist" (der landläufig angenommene
Agnostizismus(802) Kants ist nur ein Vorwand),
bzw. Gottlos im biblischen Sinne. Die chiliastisch (ganz und gar diesseitig und
zukünftig) konzipierte Erbauungsliteratur Kants über ein irdisches
Friedensreich mit Völkerbund und ähnliches, sowie das allpräsente
eschatologische Moment im Hinblick auf die heraufdämmernde Religion der
Vernunft(803)(Natürliche Religion), rundet das
Bild eines vollendeten Gnostikers (Luziferisten) ab.
3.5. Der Synkretismus
Der fünfte Grundsatz ist die Abgrenzung der Ökumene gegenüber
Sondermeinungen, vor allem gegenüber gnostischer "Religiosität" in
pseudochristlichem und anderskonfessionellem Gewand (womit nicht die anderen
Konfessionen selbst gemeint sind), gegenüber der angeblichen Vereinbarkeit der
christlichen Religion mit Philosophie (grundsätzlich immer von gnostischen
Apriori abgeleitet), und gegenüber dem Humanismus, die sich derzeit am liebsten
hinter der Psychologie versteckt, und daher wohl mit dem Terminus Psychosophie
wiedergegeben werden kann.
Besonders dem Seelenfang mit dem "Onkel-Doktor" Masche ist eine
Absage zu erteilen, zumal die Psychologie (vorwiegend die Psychoanalyse, und
neuerlich die Humanistische Psychologie) bei weitem noch nicht so ausgereift
ist(804), um dem erhobenen Anspruch auf die
Seele gerecht zu werden (von der mangelnden Kontrollierbarkeit einmal ganz zu
schweigen). Vor allem sind die unvermeidlichen Psychomanipulationen untrennbar
mit einer weltanschaulichen Neuorientierung des Patienten verbunden, ohne die
keine neue (psychische) Heilmethode zugänglich und also mit Erfolg anwendbar
wäre. Die Psychologie kann seit Generationen von und für unzulässige
Menschenexperimente leben, weil die Methoden sich im Unhinterfragbaren
verlieren, und sie sämtlich nur in der Apriori der Redlichkeit des Psychiaters,
in seiner (humanistischen) Autorität (als "Arzt" oder
"Heiler"), und nicht wirklich objektiven wissenschaftlichen
Erkenntnissen, begründet sind.
Treffend stellt daher der eingangs theoretisch scharf kritisierte Introvigne
für die Moderne praktisch fest: "Der Luziferianismus im eigentlichen
Sinn schließt sich z. T. an unterschiedliche Vorläufer an, die ursprünglichen
Verbindungen mit der Psychoanalyse entstammen"(805).
Der meist medizinisch verbrämte Anspruch der Psychologie auf die Religion(806), über dem Umweg der angeblichen
Erklärbarkeit religiöser "Phänomene", nämlich durch die Psychologie(807), sind als pseudowissenschaftliche
Subjektivismus(808) entschieden
zurückzuweisen.
In medizinischen Fachkreisen wird auch vertuscht, daß die Freudsche
Psychoanalyse auf eine alte katharische(809)
Psychotechnik zurückgeht(810), bzw. diese
(abgewandelt) hat. Auffallend ist der Hang des feministischen Flügels der
Freudschen Psychoanalyse zu der primitiven Urform des Dionysischen(811), wo die rasenden Frauen(812)
(Mänaden) alles Fleisch unterwegs zerreißen und roh verschlingen(813), und sodann neulich das Ideal des
Feminismus wurden. Gut dokumentiert ist auch die Kritik an der sektiererisch
pseudoreligiösen, bzw. weltanschaulichen Dimension des Freudianismus(814).
Es sei daher insgesamt an die alte Faustregel erinnert, wonach der
Unterschied zwischen dem Humanisten und dem Christen (vor allem in den
Ursprüngen um Pico de la Mirandola) sich vor allem darin definieren läßt, daß
beim Christen Gott den Menschen (zum Menschen) macht und beim Humanisten der
Mensch seinen Gott (in dieser Ausgeprägten Form u. a. bei Feuerbach(815)). Auch der Christ bekennt im Sinne des
ersten Johannes-Briefes, daß es keinen richtigen Gott ohne Nächstenliebe geben
kann. Allerdings kann es für Christen auch keine Nächstenliebe ohne Gott geben,
so daß wer auch immer den Mund voller Gott aber leeren Herzens redet, dem
Philanthropen gleicht, der alle Reichtümer dieser Welt (Produktionsmittel)
mitsamt dem Blau von Himmel zu geben verheißt, wenn man nur auf Gott verzichte.
3.6. Die Sünde
Sechster und wohl wichtigster praxisorientierter Grundsatz der hier
einzunehmenden Position ist, daß der Kardinalpunkt faktisch aller
Sondermeinungen, insbesondere derer mit Formen der Kultivierung des Bösen, die
Uminterpretation, die (legitimierende) Umdeutung des schlechthin
"Bösen" ist(816). Obgleich das
Evangelium grundsätzlich die Vergebung aller Sünden, als die unabdingbare
Voraussetzung des ewigen Heils(817), verkündet
(Mt 12,31//Mk 3,28.29//Lk 12,10), so geschah dies einerseits nicht ohne
Bedingung, nämlich erstens die Vergebung an sich und zweitens die
"Reue"/Umkehr (vgl. 1 Joh 1,8-10), und andererseits nicht ohne
Ausnahme, nämlich ohne die (ewigen) Unverzeihlichkeit der "Lästerung(818) des Heiligen Geistes" (Mt 12,31//Mk
3,28-30//Lk 12,10; vgl. 1 Joh 5,16-17; Hebr 10,26-31). Demgemäß definiert sich
das Böse im Lichte des Evangeliums als das "Ungehorsam", nämlich das
(allen) im neuen und ewigen Bund geschenkte Heil (im Einzelfall) annehmen zu
können und zu wollen, bzw. als die Leugnung der Unabdingbarkeit der direkten
und persönlichen "Annahme" des - gnadenweise und bedingt
("testamentarisch") zugestandenen - Heils(819).
Aus der Leugnung der von Gott zum Heile gesetzten Bedingung resultiert
konsequent die Leugnung des Urhebers des (dergestalt bedingten) Heils, nämlich
des Heiligen Geistes. Folgerichtig leugnet also das hier beschriebene Böse zu
allererst die Existenz von unverzeihlichen Sünden, sei es auch unmittelbar(820) (etwa indem es alle Sünden überhaupt und an
und für sich, und damit die unverzeihlichen Sünden implizit leugnet), oder -
mittelbar - über die Leugnung der ewigen Verdammnis.
In der Praxis manifestierte sich das Böse ehedem nur selten im offenen
Leugnen alles Heiligen(821), sondern vielmehr
in der Verfälschung der christlichen Lehre(822),
in der Lüge (Joh 8,44), so wie es von der Bibel seit Jahrtausenden vorhergewußt
ist. Ab dem Mittelalter machte sich das Böse die traditionelle Verteufelung
alles Heidnischen(823) zunutze, um über die
angebliche Veranschaulichung des Bösen der christlichen Lehre mit Hilfe der aus
dem Heidnischen entlehnten Ausgestaltung des Dämonisch-Ungehorsamen, die
gesamte heidnische Götterwelt mit dem christlichen Weltbild schleichend zu
parallelisieren(824). Natürlich rangierte der
Hellenismus bei dieser mehr oder minder verdeckten Synkretismus an erster
Stelle.
Es sind insb. zwei Gestalten, die als heidnische Urtypen des Bösen herhalten
mußten, so daß sie ab dem Mittelalter durchgehend synonym für das Böse
gebräuchlich wurden. Prometheus(825), der den
Göttern das Feuer stehlen will(826), um es den
Menschen zu bringen (Anspielung an den "Lichtbringer"=Luzifer bei der
Themenwahl durch die Gnosis, aber auch an Phanes, als den präexistenten
Dionysos), und Pluto(827) (griechisch Hades),
der zugleich der Gott der Unterwelt und des (irdischen) Reichtums war. Die
traditionelle Gleichsetzung von Pluto/Hades mit Dionysos - oder mit dem Vater
des Dionysos (im Lateinischen ist wohl deswegen der Name Liber Pater üblich) -
erklärt, warum die Romantik mit Hölderlin diese Gestalt (Dionysos) zu der
Zentralfigur einer neuen "überchristlichen" Religion(828),
und damit zum Mittelpunkt des gesamten abendländischen Kulturgeschehens bis in
die jüngste Zeit erhoben hat(829). Und analog
der Gleichsetzung von Dionysos mit Pluto wird Prometheus mit dem musizierenden
Dichter-Prophet Orpheus gleichgesetzt, weil so wie Dionysos und Pluto die Rolle
als Unterweltgott teilen, so teilen Prometheus und Orpheus, letztere durch
seine Fahrt in die Unterwelt (des Dionysos), die Rolle des Gefallenen und nach
langem Leiden Erhöhten, also luziferischen Typus.
Welche Gestalt auch immer und in welcher Ausgestaltung, alle diese
Veranschaulichungen des Bösen mit heidnischen Bilder und Götter haben
gemeinsam, daß das Böse zwar zu Fall kommt, aber am Ende der Zeiten
(eschatologisch) rehabilitiert wird(830), und sogar
letztlich zur Herrschaft gelangt(831). Immer
und ausschließlich hat die "elegante" Umgehung des Evangeliums mit
der ewigen Verdammung des Bösen - mit Hilfe heidnischer Figurationen(832) - das Ziel, den Endsieg und Herrschaft des
vormals zum Fall gekommenen Bösen zu Künden. Alles Schrifttum über Prometheus,
das Orphisch-Dionysische und ähnliches, sind lediglich Variationen zu diesem
einen einzigen Thema.
3.7. Die Neugnosis
Ein - in der Auseinandersetzung mit dem Bösen - unentbehrlicher Grundsatz
ist die Notwendigkeit der Enttarnung, oder die Einbeziehung des nicht offen
bekennenden Teufelswerks in die Betrachtung. Ohne an dieser Stelle eine
erschöpfende Systematisierung vornehmen zu wollen, kann auf die
spiritualistische und materialistische Tarnung des Bösen als
Hauptrepräsentanten(833) hingewiesen werden.
In dem vorhergehenden Punkt ist z. B. die heidnische (synkretistische)
Tarnung erwähnt worden, die am liebsten als hellenistisch (z. B. bei den
Romantikern(834)), aber auch als ägyptisch (z.
B. bei den Freimaurern und den Anhängern des gnostischen Corpus Hermeticum(835)), als persisch (z. B. bei Nietzsche und
dann bei den Anthroposophen), als indisch (Schopenhauer, Lessing, Hegel mit dem
weniger platonischen als indisch-tantrischen Begrifflichkeit der
"Negation" und dann Theosophen und Nationalsozialisten), als
chinesisch (z. B. Lessing, Wolff und Leibniz(836),
aber auch der junge Goethe), als jüdisch (z. B. bei den Pietisten und
Kabbalisten), als babylonisch (z. B. bei den Mystikern und Astrologen), oder
als germanisch und oder keltisch (z. B. bei Wagner, Hitler und bei dem gesamten
Neuheidentum und Neugnosis), um hier nur einige von den Bekanntesten zu nennen,
auftritt. Als siebenter Grundsatz hat die Sektenforschung also darauf
hinzuweisen, daß die Gnosis traditionell nicht minder pseudohellenistisch,
pseudoindisch, pseudoägyptisch, pseudopersisch, pseudobuddhistisch,
pseudomoslem usw. ist als pseudochristlich. Und obwohl die pseudoheidnische
Tarnung des Bösen vergleichsweise auffälliger ist, fällt es der christlichen
Sektenforschung ungleich schwerer zwischen nichtchristlichen Konfessionen und
Pseudoheidnischem zu unterscheiden. Dem gleichen Fehler erliegt z. B. die
Forschung der politisch Linken, die von der Unterschiedslosigkeit zwischen
Christentums und Luziferismus, bzw. konkret zwischen Religion und
Pseudoreligion ausgeht, um das vernichtende Urteil über die Pseudoreligion an
der Religion zu exekutieren(837).
Umgekehrt zeigt die christliche Sektenforschung gewisse Schwierigkeiten,
wenn die ohnehin bunte Vielfalt von Hinduistischem etwa gegen die
pseudohinduistische Gnosis eines Gandhi abgegrenzt werden soll. Tatsächlich
aber steckt hinter dem Neo-Christentum und etwa Neo-Hinduismus die gleiche
Neo-Gnosis(838). Ist etwa bei Dionysos(839) (Osiris), Isis und S(c)hiva verhältnismäßig
leicht den direkten Zusammenhang mit dem Luziferismus zu enttarnen und etwa
Dionysos (Pluto/Liber) als (synkretistisches) Synonym des Luzifer nachzuweisen,
könnte es - ohne vorangestellte Grundsätze - im Einzelfall schwerfallen, die
üppige synkretistische Vegetation durchzudringen (siehe weiter ober die über
quantitative Überforderung der Forschung Gesagten).
Es soll an dieser Stelle nicht entschieden sein, ob nun die pseudoheidnische
oder pseudochristliche Tarnung der Gnosis (Luziferismus) letztlich die
gefährlichere ist, jedoch mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß
die pseudochristliche Tarnung, zumal mehrheitlich innerhalb den etablierten
Kirchen; die zeitgenössische Sektenforschung gänzlich überfordert und ihre
größten Triumphe seit Menschengedenken feiert. Es nimmt sich grotesk aus, daß
die innerkirchliche Kritik an der Häresie, selbst wenn jene offen luziferisch
auftritt - wie etwa im Rahmen des Feminismus - in jeder sogenannten
christlichen Kirche des Etablissements faktisch abgeschafft und durch
Alibihandlungen im moralischen (ethischen), bevorzugt im
populistisch-erotischen (also sinnlich-physischen) Bereich(840),
ersetzt wurde, die aber auch zunehmend zu einer lahmen Alibi-Diskussion
verflachen.
Es würde ein Nachweis im Detail an dieser Stelle darüber zu weit führen, daß
Chiliasmus (im verallgemeinernden Sinne) und Gnosis synonym sind. Es darf daher
als in der Sektenforschung als bekannt vorausgesetzt werden, daß für die Gnosis
innerhalb der pseudochristlichen Tarnung das "tausendjährige Reich"
faktisch die gleiche Rolle spielt, wie das "Goldene Zeitalter"
innerhalb der heidnischen, bzw. pseudoheidnischen Tarnung(841).
Ein mehr oder minder gekünstelter Eschatologismus ist wesentlicher
Bestandteil der aufklärerischen Moderne, bzw. Neugnosis (Luziferismus)
insgesamt, wie es auch bei den bekennenden Luziferisten leicht nachweisbar ist.
Es mag eine offene Frage sein, wie groß der wissenschaftliche Aufwand zu sein
hat, um den Umkehrschluß, wonach alles (Pseudo-)Eschatologische direkt als
luziferisch identifiziert werden kann, nachzuweisen. Es kann jedoch darauf
hingewiesen werden, daß die eben genannte Undurchdringlichkeit der pseudochristlichen
Tarnung unmittelbar mit derer chiliastischen Wesenheit zusammenhängt. Sofern
diese Zusammenhänge auf eine Kurzformel gebracht werden können, so lautet das
Erfolgsrezept der pseudochristlichen (chiliastischen) Tarnung der
aufklärerischen Moderne und neuheidnischen Neugnosis (Luziferismus) dergestalt,
daß die bereits erfüllten und spätestens von Augustinus und den Kirchenvätern
(Konzil von Ephesos 431) in der Vergangenheit gedeuteten eschatologischen
Motive des Evangeliums futuristisch so umgedeutet werden(842),
als wäre künftig geglaubt, was als gegenwärtig (und in der Vergangenheit)
geleugnet wird. Es kann dabei eine seit Jahrhunderten andauernde Vorarbeit der
Vertuschung der authentischen Lehre der Kirche beobachtet, bzw. nachgewiesen
werden.
3.7.1. Der Chiliasmus
Die hier hilfsweise als "Eschatologismus"(843)
bezeichneten pseudoeschatologischen Umtriebe(844)
hatten von alters her zwei Hauptstoßrichtungen, je nachdem, ob die
eschatologischen Umdeutungen auf den Anfang (Off 19,11-20,2) oder auf das Ende(845), bzw. "danach"(846)
(Off 20,7-15), des vielzitierten tausendjährigen Reiches angesetzt wurden, wo
jeweils ein Erscheinen des Messias in der christlichen Offenbarung angezeigt
ist (Off 19,11 ff.; 20,4 ff. und Off 20,11 ff.). In der Bibeltheologie ist für
den Anfang (des tausendjährigen Reiches) der Terminus "Parusie"(847) und für das Ende des tausendjährigen
Reiches der abgeleitete Terminus "Weltgericht",
"Endgericht", bzw. "Jüngster Tag"(848)
gebräuchlich, während der vulgäre Terminus "Wiederkunft"(849) (vgl. Apg 1,10-11), oder in der Kurzform
"Kommen"(850) (vgl. Phil 4,5; Off
22,7.12.20)(851), von der Moderne oft für
beide Zeitpunkte(852), ja sogar für den
dritten Zeitpunkt der Geburt Jesu als das erste "Kommen" - nicht ganz
ohne Absicht(853) - mißverständlich verwendet
wird(854). Das Zweite Vatikanum hat dann die
neuen Termini "Ende der Zeit(en)"(855)
und Ende der "Weltzeit"(856)
eingeführt, womit zwar der gleiche Sachverhalt - vor ("Zeit") und
nach ("Weltzeit") dem tausendjährigen Reich - gemeint sein will,
allerdings werden die beiden genannten Zeitpunkte nicht (mehr) näher definiert,
sondern etwas schwammig umschreibend an anderen zeitlichen Orten (als bisher)
gewissermaßen stillschweigend Vorausgesetzt, als die zuvor knapp zweitausend
Jahre gebräuchlichen Termini "Parusie" und "Jüngster Tag",
so als hätten, wenn, dann die Kirchenväter etwas Terminologisches verschwitzt.
Der neue, bzw. durch das Zweite Vatikanum neu interpretierte Terminus
"Ende der Welt" meint mehr oder minder eindeutig die Geburt Jesu als
sein "Kommen", was soweit mit der bisherigen Lehre der Kirche keine
unvermeidliche terminologische Kollision bedeuten muß, während das "Ende
der Weltzeit" nur in dem Punkt hinreichende Klarheit bietet, daß es zuvor
- in dieser Form - in der offiziellen Lehre der Kirche nicht zu finden war, und
zeitlich mit der sog. Wiederentdeckung der Eschatologie in der neueren (d. i.
modernen) Theologie zusammenfällt. Natürlich ist die Intention der neuen
(modernen) Terminologisierung so weit richtig, daß es sowohl vor den tausend Jahren
(Off 20,4 f.) wie auch danach (Off 20,11 f.) von der Offenbarung des Johannes
ein Gericht angezeigt wird, und das erste Gericht offenbar über Israel
angezeigt ist (vgl. Off 19,13) aber das Gericht nach den tausend Jahren
universalistischen Charakter zeigt (vgl. Off 20,13). Nur scheut die jeweilige
Formulierung des Zweiten Vatikanums das erste Gericht mit den Kirchenväter
konkret in der Vergangenheit über den Herodianischen Tempel auszusprechen und
deutet irritierend auf die Geburt Jesu als das einzig konkretisierbare
"Kommen" Jesu.
Über Eschatologisches nach dem Ablauf der tausend Jahre enthält die Bibel
nur so wenig (Off 20,7-22,15) und solches, das nur im bibeltheologischen
Gesamtzusammenhang zugänglich ist, aber isoliert zur falschen Interpretation
geradezu einladet(857), so daß der hier
ansetzende Eschatologismus (Chiliasmus) bibeltheologisch leicht als
außerbiblisch (überbiblisch) und daher pseudochristlich, aber - mit einigem
Aufwand - auch als in sich widersprüchlich, nachgewiesen werden kann. Die
wirkliche Herausforderung für die innerkirchliche (pseudochristliche) Gnosis
(Eschatologismus) war aber die mittlerweile beinahe vollständig abgeschlossene
Umdeutung der christlichen Parusie, so als stünde das tausendjährige Reich
(samt Parusie) noch bevor(858). Methodisch
verdanken die Luziferisten (Eschatologen) ihren Erfolg der gekonnten
"Verwechslung" der sogenannten Eschatologie vor und nach den tausend
biblischen Jahren, so wie es heute, ginge es nach der Theologie(859)
statt nach der Bibel, kaum mehr zu entwirren ist(860).
Soweit die bisherigen Recherchen ein Urteil schon erlauben, ist eine wirkliche
Entwurzelung des Christentums in der eigenen Lehre nur durch die Verschiebung
des Termins der Parusie in die (möglichst ungewisse) Zukunft möglich(861), zumindest gingen die Gnostiker
(Luziferisten) davon aus, und tarnen sich mit Vorliebe durch die Bekämpfung
extremer Auswüchse, die schon einen einigermaßen fixen Zeitpunkt für die
Parusieverschiebung angeben. Die zentrale Bedeutung dieser Frage blieb selbst
vor (christlich gebliebenen) versierten Theologen verborgen, oder man spricht
nicht mehr darüber, doch gerade die scheinbare Harmlosigkeit macht die
Gefährlichkeit des Problems aus. Ähnlich einem noch lebenden Körper mit
durchgeschnittenen Sehnen, wollte man das bildlich ausdrücken, ist die Kirche -
als Leib Christi (1 Kor 6,15.19; 12,12-31) - mit einem verschobenen
Parusietermin den gnostischen Umtrieben hilflos ausgeliefert(862).
Denn die gesunde Lehre der christlichen Tradition(863),
man müßte wohl von einem Corpus der Lehre (von Jesus Christus) sprechen, so die
Väter, verbindet uns gewissermaßen mit dem Leib (Corpus) Christi, das ist die
wohlverstandene Kirche, dessen wichtigste Sehne, dessen Rückgrat, dessen
Existenznerv, der Parusietermin ist. Wir sind als Kirche - bildlich gesprochen
- durch den Parusietermin in Christus verankert (vgl. Hebr 6,19), man könnte
auch sagen, wie ein Elektrogerät mit der Steckdose "verbunden", wie
eine Rohrleitung mit der Quelle, bzw. Weinschlauch mit dem Faß (Mk 2,22//Mt
9,17; Lk 5,37-38), oder die Weinreben mit dem Weinstock (Joh 15,1-8).
Es mag zunächst überraschend klingen, daß allein schon durch die
Verschiebung des Parusie-Termins Christi das Evangelium von Jesus Christus ad
absurdum geführt wird, doch selbst wenn es nicht so wäre, glaubt der Luziferist
fest daran und er scheut keine Mühe, den Termin der Parusie von dem Platz zu
verrücken, der ihr von dem Evangelium bestimmt ist(864).
Der tiefere Sinn, bzw. Unsinn des verfälschten Parusie-Termins ist wohl am
einfachsten am Lebenswerk Albert Schweitzers zu veranschaulichen(865), zumal Kardinal Ratzingers "Kleine
katholische Dogmatik" expressis verbis nach A. Schweitzer(866)
die biblische Parusie Christi modernisierend umdeutet(867)
und damit Luzifer in die unmittelbare Nähe des Lehramtes der katholischen
Kirche hievt.
Im Rahmen des in der Moderne Usus gewordenen Wett-Heuchelns schoß A.
Schweitzer den Vogel ab, indem er in seinen Jugendwerken Jesu Messianität
ausdrücklich und ausschließlich von seiner (noch) bevorstehenden Parusie
abhängig gemacht hat, so als könne und wolle der Jesus des Evangeliums vor der
Parusie unmöglich der Messias sein(868), um dann
sein ganzes Lebenswerk der zeugnishaften Botschaft zu widmen, daß ebendiese
Parusie nicht erfolgt sei(869). A. Schweitzer
ließ es sich nicht nehmen, zeitlebens im Schafpelz aufzutreten, zumal außer
seinem vorgelebten Zeugnis, ohne einen wirklichen Messias christlicher zu sein
als der von ihm für einen falschen Messias gehaltenen Jesus von Nazareth, außer
den vorgeschützten pseudokritischen Textmanipulationen(870)
keine Beweise dieser Ungeheuerlichkeit vorgelegt, geschweige denn verteidigt
hat. Theologisch beschränkte sich A. Schweitzer fortan auf die stur apriorische
Behauptung, daß alle von ihm vorgeschobenen mißverständlichen (weil aus dem
Zusammenhang genommenen) Textstellen absolut echt und unbedingt historisch
korrekt seien(871), während alle für ihn
gegenteilig lautenden Textstellen schlicht als Textfehler, Fälschung, späterer
(unhistorischer) Einschub kurzerhand vom Tisch gefegt wurden(872).
Eine vielleicht in der Theologie noch schillerndere, zumindest Quantitativ
beim Schriftausstoß leistungsstärkere Figur der Moderne ist Rudolf Bultmann,
dessen Erfolgsgeheimnis, die quantitativ umfangreichste Literaturproduktion im
theologischen Gewande bewirkt zu haben, anerkanntermaßen die Leugnung der
biblischen Parusie ist. Einig ist die Forschung(873)
darin, daß alles was Bultmann in der Theologie bewirkt hat, respektive
Entmythologisierungsprogramm, Dialektische Theologie im Scheingefecht mit Karl
Barth u. a. und Theologische Schule von Göttingen, auf den, in dem Werk
Bultmanns allem zugrundegelegten aprioristischen Satz aufbaut, daß die vom
Evangelium verheißene Parusie sehr wohl hätte (laut Evangelium) schon längst in
Erfüllung gehen sollen, aber das Bibelwort - in ebendiesem kritischen Punkt -
nicht in Erfüllung gegangen sei(874). Das ist
aber die von A. Schweitzer getätigte nämliche Aussage in anderer Form(875).
Auf anspruchsvollere Erörterungen und auf eine eingehendere Beweisführung
verzichtend kann der Schluß vorweggenommen werden, wonach die Galionsfiguren
der Moderne wie A. Schweitzer (Urheber der "Konsequenten
Eschatologie" als modernisierende theologische Richtung) und Bultmann
(Vater des sog. "Entmythologisierungsprogramms" und Repräsentant der
sog. "Dialektischen Theologie" neben Barth) ganz bewußt
paradigmatisch die sog. "Parusieverzögerung" als Code-Bezeichnung für
die Leugnung der Messianität Jesu verwendet haben(876).
Abgesehen von den Kapriolen und Gedankenakrobatik als Ablenkungsmanöver, die
selbst von modernen Experten teilweise als "nicht nachvollziehbar"
eingestuft werden, vollzieht sich mit der paradigmatischen Leugnung der
biblischen Parusie in der Theologie zeitgleich eine Ideologisierung und Abkehr
von der wissenschaftlichen Methode und Hinwendung zur Weltanschaulichkeit,
zumal die Leugnung der (erfüllten) Parusie wissenschaftlich - milde ausgedrückt
- unhaltbar ist. Die Moderne geht nach liberal-geheimbündlerischem(877) Schema von a priori Behauptungen aus, die
an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten exakt aufeinander, nicht
aber auf die Wahrheit abgestimmt sind. Das verblüffendste an diesem
pseudowissenschaftlichen Phänomen ist, daß die so gebildeten Meinungsblöcke
nicht nur stets stur den gleichen Unfug a priori als selbstredend und
unumstößlich behaupten(878), sondern sogar
über große räumliche und zeitliche Distanzen hinweg peinlich genau darauf
achten, daß keiner von ihnen die gewagten Apriori zu beweisen sucht, ja sogar
jeden Versuch einer Beweisführung, sowohl in dem eigenen, wie auch im
feindlichen Lager, taktisch zu vereiteln sucht (vordergründig aber stets - mit
der geforderten Umkehr der Beweislast bluffend - die Diskussion reklamiert).
Wenn es trotzdem vereinzeltes Eingehen auf ursächliche Beweisfragen vorkommt,
so bloß durch verfälschte Zitate aus den Klassikern, um die Spuren (von
Beweisen) zu verwischen(879). Diese heimliche
Kriegserklärung der Moderne an die Sachlichkeit, Objektivität, wie überhaupt an
alles Wissenschaftliche in den Grundfragen, ist die Frage die uns beschäftigt.
Die Spur der modernisierenden Umdeutung der Parusie führt zu Johannes Weiß(880). Nicht als ob Weiß ein Meilenstein der
wohlverstandenen Theologie wäre(881), sondern
weil sowohl Bultmann wie auch A. Schweitzer sich auf Weiß(882)
(als den theologischen Leitstern) berufen und diesen Vorschieben(883). Weiß hat aber noch nicht unbedingt mit der
wissenschaftlichen Methode gebrochen, wie dann seine Anhänger (Bultmann und A.
Schweitzer), sondern nur mit der Messianität Jesu. Weiß exerziert noch durch,
daß die Parusie noch zu Lebzeiten einzelner Jünger Jesu (im Kausalzusammenhang
mit der Zerstörung des herodianischen Tempels) hätte sein sollen, und die
Annahme eines späteren Zeitpunktes ist nach dem Zeugnis des Evangeliums
ausgeschlossen, um sodann expressis verbis von dem "Irrtum Jesu" zu
sprechen(884). In dieser Grundposition
verharrend verhöhnt Weiß - die menschliche Überzeugungskraft Jesu
"lobend" - Jesu Messianität, daß jener wohl selbst auch sosehr der
erwartete Messias zu sein glaubte, und er tatsächlich einem echten Messias so
verblüffend ähnlich sieht(885), daß man ihm
das alles am liebsten glauben würde, und wie schade es doch sei, daß Jesus
(wegen der Parusieverschiebung) doch nicht der nämliche Messias sein könne.
Mit dem mehr als eindeutigen (verbalen) Bekenntnis von A. Schweitzer und
Bultmann namentlich zu der Theologie von J. Weiß ist erwiesen, daß auch wenn
die zwei modernisierenden Star-Theologen (Bultmann und Schweitzer) kaum jemals
hinter der pseudowissenschaftlichen Tarnung hervorkamen und sich offen als
Verfechter der "Irrtum-Jesu-Theologie" bekannten, sie nicht nur durch
die Entschlüsselung ihres Sprach-Codes bei der Terminologisierung
("Parusieverzögerung" als paradigmatisch-codierter Terminus des
"Antichristen") überführt sind(886),
sondern insgesamt im vollem Bewußtsein der Konsequenzen, von Jesus (als) Christus
(des Evangeliums) sich losgesagt haben. Sie unterscheiden sich von Weiß darin,
daß jener offen und ehrlich seine "Irrtum-Jesu-Theologie" der von ihm
einigermaßen verläßlich erschlossenen biblischen Theologie über Jesus (als den)
Christus gegenüber stellt(887), während
Bultmann und A. Schweitzer verharmlosend von Text-Irrtümer,
Überlieferungsfehler (der Apostel) und ähnliches sprechen, wenn sie die
"Irrtum-Jesu-Theologie" (d. i. der Irrtum Jesu, der verheißene
Messias zu sein) meinen(888), und auch - im
Gegensatz zu dem bekannten Leugnen der biblischen Textaussagen von Weiß - die
Bibelexegese manipulieren, um ihr Leugnen des Christus zu vertuschen. Auch die
von Semler(889) vorexerzierte
historisch-kritische Methode wird neuerdings überspannt, indem Schweitzer und
Bultmann (subjektivistisch) immer öffentlich (heuchlerisch) dafür eintreten,
was sie selbst zuvor (objektivistisch) ad absurdum geführt haben.
Die Dogmatik kannte das heute mit der Tarnbezeichnung
"Parusieverzögerung" etikettiertes Phänomen bis vor kurzem, bevor die
Theologie vom Luziferismus erobert wurde, noch unter dem Namen
"Chiliasmus"(890), der als
Fachterminus vom Augustinus geprägt wurde(891),
aber schon vor ihm (besonders bei Euseb von Caesarea) in Gebrauch war. Sonach
war die biblische Verkündigung des tausendjährigen Reiches nicht mit dem
Begriff Chiliasmus erfaßt, sondern nur die Abweichungen (ähnlich wie die
Erkenntnis Gottes, also die richtige Erkenntnis, zu Griechisch Gnosis, nicht
unter den vom Terminus Gnosis erfaßten Phänomenen ist). Die Terminfrage der
Parusie ist dogmatisch 431 in Ephesos(892)
entschieden worden(893). Der
Konzilsentscheidung liegt die Arbeit des Augustinus zugrunde(894),
dessen Stellvertreter in Ephesos zugegen war. Die Entscheidung hebt insb. zwei
verwerfliche Eigenschaften des somit verurteilten Chiliasmus hervor, nämlich
die Diesseitigkeit(895)
und die Terminfrage(896) (der Parusie). Die in
den Bannkreis der Moderne geratenen Teile der katholischen Theologie versuchen
nun im wesentlichen mit drei Methoden diese Entscheidungen des kirchlichen
Lehramtes auszuhöhlen:
Sie lassen systematisch alle diesbezüglichen Konzilstexte von 431
verschwinden oder machen diese sonstwie ("technisch") unzugänglich(897). Es werden statt dessen möglichst
unvollständige Auszüge ediert, die aber mit Sicherheit die Verurteilung des
Chiliasmus nicht enthalten.
Es werden auch unvollständige Zitate über die Verurteilung des Chiliasmus
publiziert, die den falschen Eindruck erwecken sollen, daß es bei der
Verurteilung des Chiliasmus nicht um die Terminfrage der Parusie, sondern
lediglich um die Verurteilung der Diesseitigkeit ginge(898).
Es werden als flankierende Maßnahme allerorts falsche Definitionen (mit Hilfe
falscher oder entstellter Zitate) des Begriffs Chiliasmus - oder andere
Verfälschungen der Lehre der Kirche - in Umlauf gesetzt(899).
Auch die schärfste Waffe der Aufklärung gegen den Gott der Offenbarung in
evangelischen Gefilden, der Katechismus(900),
kam neuerdings in der katholischen Kirche, durch den nämlichen Kardinal
Ratzinger, der zuerst theologisch den Gott der Offenbarung mit der Verfälschung
der Parusie Christi ad absurdum geführt hat, (mit massiv chiliastischem Inhalt)
zum Einsatz.
Es wird historisch immer auf die formalistisch angeblich unvollständige
Besetzung des Konzils, auf wechselnde und angeblich undurchsichtige Eingriffe
des Kaisers in das Konzilsgeschehen, sowie auf eine Nachsitzung und nicht
zuletzt auf die formalistisch "vielleicht" nicht einwandfreie
Genehmigung der Konzilsbeschlüsse durch den Papst verwiesen.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle dieses vordergründige Fachsimpeln
als getarntes Ablenkungsmanöver in der modernisierenden Forschung (im
katholischen Gewande) detailliert zu überführen(901).
Soweit nachvollziehbar, sind die den Chiliasmus verurteilnden Sätze am Konzil
von Ephesos selbstverständlich authentisch und ehedem streng gehüteter Schatz
der Kirche(902). Durch die Unterdrückung der
historischen Urkunden in der Moderne, und hierauf aufbauenden falschen Zitate,
kann die Moderne immer durch Hinweise auf das wechselvolle Leben des
Augustinus, der als Anhänger des Chiliasmus getauft wurde und dann einige Jahre
(etwa acht) bei den Manichäern zubrachte, Verwirrung stiften. Relativ spät hat
Augustinus seine Ansicht geändert, doch trat er dann um so entschiedener gegen
diesen Irrtum (Chiliasmus) auf(903). In der
inhaltlichen Aussage konnte Augustinus bereits auf die "orthodoxe"
Tradition zurückgreifen(904), die nicht seine
Umwege zur Wahrheitsfindung brauchte.
Merkwürdig war dann der scheinbare Schulterschluß von Lutheraner,
Zwinglianer und Katholiken in der Reformationszeit, um den Chiliasmus unter dem
Namen "Wiedertäufer" zu bekämpfen(905).
Mit der Abschaffung jeglichen staatlichen Zwangs in der Neuzeit hat nun der
propagandistisch überlegene Chiliasmus unter allen erdenklichen Namen, die
verallgemeinernd Eschatologismus bezeichnen werden kann, sämtliche etablierten
Kirchen im wahrsten Sinne des Wortes (auch von innen) überrannt und eine bisher
in der Kirchengeschichte unerreichte Blüte erreicht. Man kann kein
theologisches Nachschlagewerk aufschlagen, in dem nicht das modernisierte
Parusieverständnis dem Leser entgegengebracht wird(906),
so als hätte die Kirche - außer Luziferisches in dieser Frage sonst nichts mehr
anzubieten, weil der Standpunkt des Evangeliums schon erschöpfend widerlegt
worden sei.
Besondere Aufmerksamkeit hat daher der inneren Struktur und Logik der
"Parusieverzögerung" zu gelten, um die gewissermaßen infektiöse
Wirkung des Pseudochristlichen begreiflich zu machen. Es sind hierzu einige
logische Schritte notwendig:
Früher als die reale Gegenwärtigkeit Christi Glaubenden haben die Chiliasten
erkannt, daß analog der theologischen Differenzierung in dem einen ungeteilten
Gott (vgl. Joh 10,30.38) zwischen Vater, Sohn und Geist (vgl. Mt 28,19), kann
in dem einen ungeteilten Evangelium eine (interne) Differenzierung nach dem
Adressaten, nämlich die natürliche Person des Einzelnen (direkt und
unmittelbar) einerseits, und die Allgemeinheit in der - und/oder als - Kirche
andererseits, vorgenommen werden (wenn der kosmologische Aspekt außer Acht
gelassen wird). Wenn man die Hilfstermini "persönliches Evangelium"
(Evangelium an die natürliche Person des Einzelnen) und
"Gemeinde-Evangelium" (Evangelium an die Kirche als die
Allgemeinheit), also Evangelium an den Einzelnen und an das Allgemeine,
einführt, dann impliziert das "Persönliche Evangelium" (an den Einzelnen)
das "Gemeinde-Evangelium" (an das Allgemeine) dergestalt, daß der
Aufruf zur Gemeinschaft (Gemeinde-Evangelium) integrierender Bestandteil des
"Persönlichen-Evangeliums", dessen eigentlicher Inhalt ist: Gott
beruft jeden Einzelnen persönlich zur Gemeinschaft, zum Allgemeinen (Kirche),
das der Inhalt der persönlichen Berufung des Einzelnen ist: nämlich Kirche
(Liebe, d. i. Gemeinschaft). Demgegenüber impliziert das
"Gemeinde-Evangelium" das "Persönliche-Evangelium", also
das Evangelium an das Allgemeine das Evangelium an den Einzelnen in umgekehrter
Richtung, jedoch nicht umkehrbar: als Voraussetzung(907).
Deswegen heißt es analog, daß "niemand zum Vater komme, außer durch den
Sohn" (Joh 14,6), und nicht etwa durch den Vater zum Sohn.
Bezieht man die Gleichsetzung der Kirche im biblischen Sprachgebrauch mit
dem Leib Christi (1 Kor 6,15.19; 12,12-31) in die Betrachtung ein, so stellt
sich die oben von einer anderen Seite her beleuchtete Differenzierung in der
ungeteilten Einheit, als die natürliche Person Jesu einerseits, und die
("juristische") Person der Kirche andererseits, dar. Also, der
physische Leib und Geistleib Jesu, die zwar verschieden angesprochen werden
können, ohne daß dabei ihre "Identität" (ungeteilte Einheit) in Frage
gestellt werden müßte, oder könnte.
Der nächste logische Schritt ist die Identifizierung des theologischen
Begriffes der "Auferstehung" (vgl. 1 Kor 15,14; Röm 10,9; 1 Thess
4,14) als Schlüsselbegriff, als die unabdingbare Grundwahrheit des
"persönlichen Evangeliums" schlechthin, etwa in dem Sinne, daß die
Auferstehung zu glauben heißt (für den Einzelnen) alles (andere) zu glauben,
während die Auferstehung zu leugnen bedeutet, alles (andere), d., h. faktisch
das ganze Evangelium zu leugnen(908). Analog
läßt sich die "Parusie" als der kerygmatische Schlüsselbegriff, als
die Voraussetzung schlechthin, die unabdingbare Grundwahrheit des
"Gemeinde-Evangeliums" identifizieren, gerade weil die moderne
Theologie das verharmlosen und vertuschen will, weil die Zusagen (Evangelium)
über das Reich Gottes an die Allgemeinheit punktuell von da an (für die Kirche)
voll wirksam werden, so daß von da an das bisherige Wirken Jesu rückwirkend
legitimiert wird.
So schlüssig die bisherigen logischen Schritte sind, so folgt hieraus, daß
Gott in seiner Gesamtheit nicht nur mit der Leugnung der Auferstehung (Christi)
geleugnet werden kann, sondern auch (analog) durch die Leugnung der Parusie
(Christi). Die Leugnung der Parusie bezieht sich aber vor allem auf die
Terminfrage, und weniger auf das diesseitige Beiwerk, so daß mit einem falschen
Parusietermin faktisch der biblische Gott "ganzheitlich" geleugnet
wird. Denn jedweder abweichende Parusietermin würde einen anderen Gott
voraussetzen, von denen wir nur Einen Kennen, nämlich den, der mit einem
abweichenden Parusietermin geleugnet wird.
Der Streit um die exegetische Ermittlung des Termins der Parusie
charakterisiert in der katholischen Theologie am eindrucksvollsten Ratzinger(909) wenn er sagt, daß ohne den modernisierenden
exegetischen Eingriff, den biblischen Termin der Parusie umzudeuten, vom Text
des Evangeliums her doch der Eindruck entsteht, daß die Parusie terminmäßig an
den traditionell angenommenen Ort gebunden ist: zum Glück ist aber der
modernisierende Exeget, Ratzinger, zur Stelle, um den Text so umzudeuten, wie
der Text das von sich aus nicht (sinnvoll) könnte. Oder den Sinn dem Text zu
unterstellen, den er eben (ohne Hilfe des modernisierenden Exegeten, Ratzinger,
im ausdrücklich deklarierten geistigen Nachfolge von A. Schweitzer und J. Weiß)
nicht hat. Ein wahrer Triumph der überbiblischen Exegese über die Heilige
Schrift (und deren wahrhaftigen Gott), soweit man Ratzinger genau folgt.
So könnte den Ratzinger's unmittelbar das römische Lehramt entgegengehalten
werden, daß sich mit dem Modernismus schon eingehender beschäftigt hatte. Der
modernistische Lehrsatz über die Parusieverzögerung: "Evidens est
cuique, qui praeconceptis non ducitur opinionibus, Iesum aut errorem de proximo
messianico adventu fuisse professum, aut maiorem partem ipsius doctrinae in
Evangeliis synopticis contentae authenticitate carere." wurde vom
Papst Pius X. (Lamentabili, 3. Iul. 1907) verurteilt(910).
Diese Überhebung des modernistischen Exegeten als höchste Wahrheits-Instanz ist
fast einfacher mit den eigenen Waffen begegnen, denn die von den Modernisten
erhöhte Exegese sucht nicht Gottes Ehre, sondern die eigene. Exegese würde dem
Wortsinn nach etwa "Ausdeuten", "Erklären" bedeuten, der
Modernist will aber nicht erklären und deuten, auf gar keinen Fall die Heilige
Schrift, sondern urteilen(911). Der Modernist
ist es, der von und für Vorurteile lebt, und richtet, um die eigene vorgefaßte
Meinung zu rechtfertigen, und die eigene Unzulänglichkeit der Kirche (jene
richtend) zu unterstellen.
Im Gegensatz zu der modernistischen Theorie der notwendig gewordenen
Umdeutung der Parusie-Stellen in der Schrift, durch den Exegeten als die höhere
Instanz(912), wonach diese angeblich unklar
bis widersprüchlich und überhaupt der Umdeutung (notfalls gegen den Wortsinn)
bedürftig seien, läßt sich der Wortsinn als klar, eindeutig und
widerspruchsfrei nachweisen. So wie Kardinal Ratzinger (als katholischer Albert
Schweitzer) versucht im Text Hintertüren offen zu lassen(913),
wo es diese gar nicht gibt, so sollten alle diese Schleichwege der Bibelexegese
ausgeforscht und exegetisch verbaut werden. Hier können nur einige
repräsentative Beispiele aufgezeigt werden, die auch in die Gesamtproblematik
Einblick gewähren.
Die von Ratzinger zitierten Stellen Mt 24,15-22//Mk 13,14-20//Lk 21,20-23
wären sonach widersprüchlich, so als möchten die angeblich holprigen
Textstellen den Exegeten zum Urteil über den richtigen Weg in der Deutung
geradezu einladen(914). Tatsächlich
widersprechen aber diese Textstellen einander nicht, wohl aber Ratzinger. Da
aber Ratzinger versucht mit seinem "In illo tempore" ("In
jener Zeit") im Markusevangelium sich dem Wortsinn davonzustehlen, so
kann hier gezeigt werden, wie ihm der Text den Weg abschneidet. Es werden dazu
aber einige einfache logische Schritte notwendig sein:
Es gilt zunächst Mk 13,1-37(//Mt 24,1-25,46//Lk 21,5-36) als eine
abgeschlossene Sinneinheit, als eine einzige zusammenhängende Rede
festzustellen, damit der Textabschnitt - als Sinneinheit - im Kontext klar
abgegrenzt werde.
Es gilt sodann festzustellen, daß in der zitierten Sinneinheit eine einzige
zusammenhängende Rede Jesu (Mk 13,5-37//Mt 24,4-25,46//Lk 21,8-36) auf der
einen Seite, einer einzigen Frage der Jünger in Mk 13,3-4(//Mt 24,3//Lk 21,7)
auf der anderen Seite so gegenübersteht, daß die ganze Rede Jesu nur als eine einzige
zusammenhängende Antwort auf die eine einzige Frage der Jünger aufgefaßt werden
kann. Diese Feststellung könnte noch dahingehend ergänzt werden, daß es
sinnwidrig wäre (hypothetisch) anzunehmen, daß auf eine einzige Frage der
Jünger mehrere unzusammenhängende Antworten Jesu folgen würden, doch diese
triviale Ergänzung dürfte beim genaueren hinsehen überflüssig sein.
Sodann erscheint es vor dem Hintergrund der bisher festgestellten
Voraussetzungen geboten, auf inhaltliche Fragen in dem oben erfaßten Schema
"Frage und Antwort" einzugehen, das sich somit als die
"Terminfrage der Parusie" exakt bestimmt. Es gilt hier verbindlich
auszusagen, daß auf die eine bestimmte Frage der Jünger (Mk 13,3-4//Mt 24,3//Lk
21,7) eine (und nur eine einzige, weil einheitliche) Antwort Jesu über den
Termin der Parusie folgt (Mk 13,5-37//Mt 24,4-25,46//Lk 21,8-36). Die Aussage
kann und muß weiter eingeengt werden, indem die theoretische Möglichkeit, daß
Jesus auf Fragen antworten würde, die nicht gestellt wurden, ausgeschlossen
wird: außer man will den Evangelisten und Redakteur disqualifizieren.
Die Lösung der Terminfrage der Parusie ergibt sich nun aus dem Vorspann Mk
13,1-2//Mt 24,1-2//Lk 21,5-6 zu der Frage der Jünger an Jesu (Mk 13,3-4//Mt
24,3//Lk 21,7), aus dem sich die Gleichsetzung des Parusietermins mit dem
Zeitpunkt der Zerstörung des herodianischen Tempels durch Jesus ergibt. Die
exakte Lösung des Frage-Antwort Schemas lautet: Auf die Frage der Jünger nach
dem Zeitpunkt der Zerstörung des herodianischen Tempels (Mk 13,1-4//Mt
24,1-3//Lk 21,5-7) antwortet Jesu mit dem Termin der Parusie (Mk 13,5-37//Mt
24,4-25,46//Lk 21,8-36). Parusie-Termin und Zerstörung des herodianischen
Tempels sind (für den Jesus der Bibel) demnach unmißverständlich (unzweideutig)
eins. Ohne eine Veränderung des Wortlautes des Evangeliums ist ein variabler
Parusietermin ausgeschlossen. Der derzeit vorliegende Text des Evangeliums ist
in der Terminfrage der Parusie eineindeutig.
Weil die modernen Exegeten vornehmlich die Zerstörung Jerusalems in Lk 21,24
als angeblich dissonant im Parusie-Kontext befeinden, kann noch Off 11,8
hervorgehoben werden, zumal die dort "Große Stadt" genannte
Kreuzigungsstätte des "Herrn" der beiden ebendort getöteten
"Zeugen" in der Forschung unbestritten als das (irdische)
Jerusalem identifiziert wird(915).
Die Textstelle "... er ist den Heiden überlassen. Sie werden die
Heilige Stadt zertreten, zweiundvierzig Monate lang" in Off 11,2
korrespondiert nicht nur mit "Jerusalem wird von den Heiden zertreten,
bis die Zeiten der Heiden sich erfüllen" in Lk 21,24, sondern ist so
gut wie eine synoptische Parallele.
In dieser "großen" (Off 11,8) und "heiligen"
(Off 11,2) Stadt steht noch ein Tempel (Off 11,1), der,
nämlich der noch nicht zerstörte herodianische Tempel, somit im Hinblick auf
den Termin der Parusie als chronologische Größe, als Orientierungspunkt in der
historischen Zeit, genommen werden kann und muß. Auf den Punkt gebracht: zu
einem neuen Parusietermin würden die Modernisten einen neuen Tempel in
Jerusalem benötigen. Daß aber hierzu ein neuer Gott erforderlich wäre, ist
bereits weiter oben gesagt.
Der Kardinalpunkt der Terminfrage ist die Deutung des Namens "Babylon"
in Off 17,5 als Attribut des irdischen Jerusalem. Die Rückkehr zu dieser
altehrwürdigen Deutung(916) gegen die
herrschende (moderne) Lehrmeinung ist neben der Aufwertung der Wortsinnexegese
von dem logistischen Konzept getragen, daß die nur auf Jerusalem und dann auf
Babylon angewandte Bezeichnung "Große Stadt", nur die
gleiche Stadt meinen kann. Sowohl nach der heutigen, wie auch nach der antiken
Sprachlogik bezeichnet der attributäre Zusatz "der Große"
immer ein wohlunterschiedenes Subjekt. Dieses Attribut wird nach wie vor
konsequent nur einmal innerhalb einer Gruppe von Subjekten, wie z. B. Karl der
Große, Alexander der Große etc. vergeben. Im Gegensatz zu unseren
Übersetzungstraditionen "Große Stadt" schreibt der griechische
Text stets º p`liV º megVlh, was wörtlich mit "die Stadt die
Große" zu übersetzen ist. Die attributive Bezeichnung wird in Off
11,8 (t-V p`lewV t-V megVlhV) auf das irdische Jerusalem angewandt, während in
Off 16,19; 17,18; 18,10.19 (º p`liV º megVlh) und 18,18 (t± p`lei t± megVl®)
auf Babylon, so daß dem Wortsinn nach eine andere Deutung als die Identität der
beiden näher bezeichneten Subjekte, nämlich Babylon und (irdisches) Jerusalem,
von der sprachlichen Seite (Wortsinn) her definitiv ausgeschlossen werden kann.
Mit der Wiederentdeckung des Wortsinns, wobei "Babylon"
(Off 17,5) eine analog attributäre Bezeichnung des gleichen Jerusalems ist wie "Ägypten"
(Off 11,8) ist, ist auch die theoretische Möglichkeit für die Aufrechterhaltung
der modernen Apriori, wonach die biblische Parusie nicht, oder nicht so richtig
in Erfüllung gegangen sei, als habe sich Jesus, oder die Apostel und das
Evangelium insgesamt, in der Ankündigung der Parusie geirrt(917),
im Ansatz abgeschnitten.
Die Moderne hat nämlich an ebendiesem Punkt jahrzehntelange theologische
Vorarbeit geleistet, so als sei Rom(918) die
nächstliegende Deutung(919) für "Babylon"
(Off 17,5), und nicht Jerusalem, um dann den Frontalangriff just mit dem
Argument gegen die Parusie zu starten(920),
daß Rom keine richtige Lösung sei (und daher keine Lösung der erfüllten Parusie
geben könne). Deswegen kann an diesem strategischen Punkt die moderne Theologie
exegetisch - sozusagen - "erwartet" und gebührend begegnet werden,
weil der interkonfessionelle Modernismus dieses Feld der Auseinandersetzung
selbst gewählt hat. Um aber mit interessanten Detailfragen die Sicht auf die
bisher doch hoffentlich klare Linien nicht zu verdecken, seien nur die
wichtigsten Orientierungspunkte um die Terminfrage der Parusie genannt:
Der herodianische Tempel (und dessen Zerstörung) als chronologischer Ort
der Parusie Christi und
die Identität des apokalyptischen Babylon mit (dem irdischen) Jerusalem als
der Beweis der Erfüllung der Parusieverheißung, also der herodianische Tempel
in Jerusalem (eigentlich Zion) als geographischer Ort der Parusie
Christi.
Man kann die markanten Punkte etwas verdeutlichen, sie im Kontext
unterstreichen, und im erweiterten Horizont die Überschaubarkeit der gleichen
Linie vergrößern, ohne dabei zu sehr in die Breite zu gehen.
Wenig Beachtung fand bisher in der Forschung, daß in 2 Thess 2,4 die Parusie
chronologisch dergestalt in einen direkten Zusammenhang mit dem
(herodianischen) Tempel gebracht wird, daß das Erscheinen des Antichristen
(Widersachers) in dem Tempel (wo er sich als Gott ausgibt), als das einzig
sichere Vorzeichen der (unmittelbar darauf folgenden) Parusie genannt wird.
Damit unterstreicht der Text einmal mehr die chronologische Gebundenheit der
Parusie an den (noch intakten) herodianischen Tempel, bzw. schließt einen
Parusiebeginn nach der Tempelzerstörung definitiv aus.
Diese Perikope (2 Thess 2,4) korrespondiert mit der zuletzt besprochenen
Stelle in Off 11,1-8, zumal das in Off 11,7 genannte "Tier" in Jerusalem
(Off 11,8), der sich laut Off 13,1-18 als Gott verehren läßt, nach der Meinung
aller Forscher als der nämliche "Antichrist" identifiziert ist. Daß
der Antichrist dem Text zufolge nicht etwa in Rom als Gott auftrat, ist auch
daran ersichtlich, daß auf die Beschreibung des Antichristen in Off 13,1-18
unmittelbar die Parusie Christi in Zion (Off 14,1) folgt, wodurch auch
das in 2 Thess 2,4 vorgezeichnete Schema (auf das Auftreten des Antichristen -
im Tempel - folgt unmittelbar die Parusie) bestätigt wird (ansonsten müßte etwa
Christus von Zion nach Rom hinüberwechseln, um den Antichristen zu vernichten,
was auch von den technischen Schwierigkeiten Abgesehen wenig Sinn ergäbe).
In 1 Petr 4,17 meint der Apostel zunächst: "Denn jetzt ist die
Zeit, in der das Gericht beim Haus Gottes anfängt; wenn aber bei uns
anfängt, ...", um dann sich am Schluß des Briefes (1 Petr 5,13) mit den
Worten zu verabschieden: "Es grüßen Euch die Mitauserwählten in
Babylon und mein Sohn Markus." Die drei räumlichen
Ortsbestimmungen in dem gleichen Brief:
"beim Haus Gottes"
"bei uns" und
"in Babylon"
ergeben im Kontext: das Haus Gottes, von dem die Jüdische Tradition nur ein
einziges in Jerusalem kennt, nunmehr in Babylon, d. h. die Identität von
Babylon und Jerusalem (im biblischen Sprachgebrauch). Im übrigen gilt in der
Bibeltheologie Petrus immer und ausschließlich als der Vorsteher der judenchristlichen
Gemeinde in Jerusalem (vgl. Gal 2,7 f.). Von einem Petrus in Rom weiß die Bibel
nichts.
Aus der zitierten Stelle (1 Petr 4,17) ergibt sich einmal mehr, daß "das
Gericht beim Haus Gottes" (Tempel) mit der Parusie zusammenhängt (1
Petr 4,7; 5,4), inmitten des Parusie-Ablaufs stattfindet, der Antichrist ("Widersacher",
wie in 2 Thess 2,4) bereits "wie ein brüllender Löwe" (1
Petr 5,8) auftrat (vgl. Off 13,2 "sein Maul wie das Maul eines
Löwen"), und diejenigen, die "der Gott aller Gnade
[...] zu einer ewigen Herrlichkeit berufen hat", nur "kurze
Zeit leiden" müssen, bevor er sie "wiederaufrichten"
und "auf festen Grund stellen"wird (wie ein neues Haus im
Sinne von 1 Petr 2,5; 2 Kor 5,1; Eph 2,21).
Vor dem aufgezeigten Hintergrund kann der Aufruf in Off 18,4, die vom
Gericht Gottes ereilte Stadt (Babylon) zu verlassen, als parallel zu dem Aufruf
an die "Hebräer" in Heb 13,13-14 erkannt werden(921): "Laßt uns also zu ihm vor das
Lager hinausziehen und seine Schmach auf uns nehmen. Denn wir haben hier keine
Stadt, die bestehenbleibt, sondern wir suchen die künftige." Diesem
Aufruf ist in Heb 13,12 der Satz vorangestellt, daß Jesus als "Sühnopfer"
auch "außerhalb des Tores" (der Stadt) gelitten hat, so daß
die (jerusalemer) Gemeinde, als der "Leib Christi" (Röm
12,4-5; 1 Kor 6,15; 10,17; 12,12-31; Eph 1,23; 4,12.16; 5,23.30; Kol 1,18.24;
3,15) und zugleich der "neue Tempel" (Joh 2,21; 1 Kor 3,16;
2 Kor 6,16; Heb 3,6) mit dem neuen Altar (Heb 13,10), diesem Beispiel
(Vorbild) folge (nachfolge), und den irdischen Leib (Tempel) als sterblich
zurücklasse, um als himmlischer Leib (Tempel, d. h. Kirche) verherrlicht zu
werden.
Der verschachtelte logische Aufbau der christenfeindlichen
(antichristlichen) Exegese und Theologie der Moderne ist in der Hauptströmung
innerhalb den etablierten Kirchen dergestalt, daß von dem falschen Apriori der
(terminmäßig) nicht erfüllten Parusie ausgehend, die pseudoexegetische
Umdeutung der biblischen Stellen über die Parusie als die Rettung des Christentums
vor der größten und blamabelsten Enttäuschung, als die Rettung des Christentums
vor dem größten Betrug an Christen durch die Bibel, dargestellt wird. Und weil
die sog. moderne Theologie wissenschaftlich ihren antichristlichen Standpunkt
nicht halten zu können, aber taktisch die Forschung ausbluffen zu können meint,
verlangt sie heuchlerisch die Umkehr der Beweislast.
3.7.2. Das "Heil Hitler"
Die hier verfolgte Argumentation begreift also den sog.
"Antichristen" (1 Joh 2,18.22; 4,3; 2 Joh 7), der durch die Leugnung
von Jesus als Christus, nämlich durch die Leugnung der (erfüllten Termins der)
Parusie identifiziert wird, auch als in den Oberbegriff des Luziferismus mit
einbezogen. Damit soll zugleich ein Beispiel für den getarnten Luziferismus gegeben
werden, der weder mit dem Namen Luzifer, noch mit einem Synonym wie Dionysos
prangt, sondern zeichnet sich dadurch aus - wie das die Schrift so treffend
ausdrückt - daß: "... sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt,
sosehr erhebt, daß er sich sogar in den Tempel Gottes setzt ..." (2
Thess 2,4). Wie exakt auch der Begriff Antichrist mit dem Begriff Pseudochrist
wiedergegeben werden kann, grundsätzlich muß in allem Pseudochristlichen ein
antichristliches Moment angenommen werden.
Ist einmal der "Antichrist" als luziferisch erkannt und
nachgewiesen, so läßt sich das Luziferische von allen Antichristen aussagen. Um
die Methode an einem repräsentativen Beispiel zu demonstrieren, sei zunächst
der Antichrist in Hitlers "Mein Kampf" aufgezeigt, wo es heißt:
"Auch das Christentum konnte sich nicht damit begnügen, seinen
eigenen Altar aufzubauen, sondern mußte zwangsläufig durch Zerstörung der
heidnischen Altäre schreiten. Nur aus dieser fanatischen Unduldsamkeit heraus
konnte sich der apodiktische Glaube bilden, diese Unduldsamkeit ist sogar die
unbedingte Voraussetzung für ihn. Man kann sehr wohl den Einwand bringen, daß
es sich bei derartigen Erscheinungen der Weltgeschichte meist um solche
spezifisch jüdischer Denkart handelt; ja daß diese Art von Unduldsamkeit und
Fanatismus geradezu jüdische Wesensart verkörpere. Dies mag tausendmal richtig
sein, und man kann diese Tatsache wohl tief bedauern und mit nur allzu
berechtigten Unbehagen ihr erscheinen in der Geschichte der Menschheit als
etwas feststellen, was dieser bisher fremd gewesen war - doch ändert dies
nichts daran, daß dieser Zustand eben heute da ist. Die Männer, die unser
deutsches Volk aus seinem jetzigen Zustand erlösen wollen, haben sich nicht
darüber den Kopf zu zerbrechen, wie schön es wäre, wenn dieses und jenes nicht
wäre, sondern müssen versuchen, festzustellen, wie man das Gegebene beseitigt.
Eine von infernalischer Unduldsamkeit erfüllte Weltanschauung wird aber nur
zerbrochen werden durch eine vom gleichen Geist vorwärts getriebene, vom
gleichen stärksten Willen verfochtene, dabei aber in sich reine und durchaus
wahrhaftige neue Idee. Der Einzelne mag heute schmerzlich feststellen, daß in
die viel freiere antike Welt mit dem Erscheinen des Christentums der erste
geistige Terror gekommen ist, er wird die Tatsache aber nicht bestreiten
können, daß die Welt seitdem von diesem Zwang bedrängt und beherrscht wird, und
daß man Zwang nur wieder durch Zwang bricht und Terror nur durch Terror. Erst
dann kann aufbauend ein neuer Zustand geschaffen werden."(922)
Damit stellt Hitler klar, daß das von ihm radikal befeindete
"Böse" (d. i. "geistiger Terror") für ihn nicht vor dem
Christentum in die Welt kam(923), also
keineswegs mit dem Judentum etwa, sondern mit dem Christentum, präzise
ausgedrückt: mit dem Geist des Christentums (d. i. offensichtlich der Hl. Geist
der Bibel). Vielmehr postuliert Hitler "Gesinnungs-Judentum", das den
Erlöser aus dem jetzigen (christlichen) Zustand auszuzeichnen hat, und dessen
Bestimmung deklariert antichristlich ist(924).
Die Juden stören die vollendete Polarität Juden-Christen aus Hitlers Sicht
"nur" insofern, als Hitler als Antichrist auch Konkurrenzlos sein wollte.
Vor dem angeblichen geistigen Terror des Christentums kennt Hitler nur eine
heile Welt, womit primär der Hellenismus, bzw. Heidentum (respektive
Germanentum) gemeint sein mag, aber diese Sicht der Dinge schließt zumindest
stillschweigend das vorchristliche Judentum mit ein. Das "Unheil"
begann für Hitler ausdrücklich mit dem Christentum, genauer gesagt: mit dem
Geist(925) des Christentums, der nun als der
mit unversöhnlichem Gegenterror zu bekämpfende Feind des deutschen
Nationalsozialisten definiert wird.
Natürlich war das (Gesinnungs-)Judentum Hitlers mindestens so geheuchelt wie
dann sein zeitweiliges Gesinnungs-Christentum(926),
hier kann jedoch auf die Spruchweisheit aufmerksam gemacht werden: wonach
Wahnsinn nicht zwangsläufig immer ohne Methode ist. Gewiß hat Hitler vor dem
Krieg zunächst scheinbar von der brutaleren Form der Christenverfolgung Abstand
genommen(927), doch tat er das nachweislich
nur wegen dem bevorstehenden Krieg, wo er die Christen als Kanonenfutter
brauchte(928). Die enthaltenen Fragmente über
Hitlers Programm zur "Endlösung der Christenfrage" reichen zur
Rekonstruierung seines Verständnisses des vorgeblichen Christentums Hitlers aus(929). Nach dem soeben gezeigten theoretischen
Bruch mit dem Christentum(930) schon im
"Mein Kampf" wird der praktisch (vollzogener) Bruch am 30. 10. 1937
in der Forschung tradiert(931). Indem Hitler
seinen neugewonnenen (neu bewußt gemachten) antichristlichen Glauben mit einem
Füllen vergleicht, knüpft er an die gnostische Tradition an(932),
wo der Esel das Symboltier des Seth und Dionysos ist(933),
eben wie Hitler (Mein Kampf, S. 506 f.) selbst sagt, der "heilen"
Welt des Heidentums(934). Gemeinsam mit der
Aufklärung, Romantik, Idealismus und Neugnosis bekannte sich Hitler offen zur
Religion der Vernunft(935), und war - wie jene
- auch er ein Ästhet.
Der scheinbare Widerspruch in Hitlers religiösem Verhalten entstand dadurch, um nicht zu sagen erhob sich Hitler dadurch über sein Umfeld, indem er zunächst all jene verachtete, die schon in den 30ern eine neue Religion schaffen wollten, wie Rosenberg(936). Hitler wollte die religiöse Flagge des Faschismus erst nach der Aushöhlung und Vernichtung der Kirchen zeigen, deswegen stand er hinter Göbbels(937), der meinte: "Am besten erledigt man die Kirchen, wenn man sich selbst als positive Christen ausgibt", und dann im "kalten" Kirchenkampf um 1936: "Kerrl will die Kirche konsolidieren, wir wollen sie vernichten."(938)In den Jahren 1936-1937 vollzog sich bereits intern die dramatische Wende in dem Glaubensverständnis Hitlers und des Nationalsozialismus(939). Hitler stellte fest: Die Kirchen hätten "nichts gelernt und werden nichts lernen". Er plante den "großen Feldzug" und wollte "keine Gnade mehr". Göbbels setzte Hitlers Worte propagandistisch zunächst mit der rhetorischen Frage "totschweigen oder totschlagen?" um, und gab dann die Parolen "Totschlagen" und "Vernichtung der Pfaffen" aus. Der Weg sollte über die Kündigung des Reichskonkordats führen und danach über die Auflösung der Orden, Erschwerung des Theologiestudiums, Beseitigung des Zölibats, Aufhebung jeglichen Erziehungseinflusses sowie Einzug des Kirchenvermögens. Eine wüste Propagandaflut, in der die Sittlichkeitsprozesse gegen Geistliche und Ordensangehörige gegen die Kirche und ihre Führung ausgeschlachtet wurden, sollte alle Hindernisse im Kirchenvolk hinwegspülen(940). Weniger der wachsende kirchliche Widerstand, als der bevorstehende Krieg veranlaßte Hitler wieder die Zügel (bis zum Krieg) schleifen zu lassen, um das erforderliche Militärpotential durch christliche Soldaten nicht zu gefährden. Nach Beginn des Krieges begegnete Hitler die neuerlich aktuell gewordene Frage(941) mit der programmatischen "Endlösung" (Vernichtung) der Christen-Frage, wo es ohne Beeinträchtigung der Kriegsführung möglich erschien, und Vorbereitung auf die "Endlösung" für die Zeit nach dem Sieg, wo kriegsbedingte Rücksichten gegenüber der Bevölkerung erforderlich waren. Einen Burgfrieden mit den Kirchen hat es propagandistisch bis zum Frankreich-Feldzug im sog. "Altreich" gegeben. Das Kriegsgeschrei übertönte sodann die anrollende Vernichtung der Kirchen. Für die "Endlösung" der Kirchenfrage wurde ein Musterprojekt im besetzten Polen (Reichsgau Wartheland) geschaffen, wo nach Trennung von Staat und Kirche als Ausgangsposition, die Kirchen zu bloßen Vereinen, mit jederzeitigem Widerruf aller streng kontrollierten "Begünstigungen", degradiert wurden.
Im Monolog im Führerhauptquartier vom 13. Dezember 1941 führte Hitler aus(942): "Der Krieg wird sein Ende nehmen,
und ich werde meine letzte Lebensaufgabe darin sehen, das Kirchenproblem noch
zu klären (...). Es muß abfaulen wie ein brandiges Glied. So weit müßte man es
bringen, daß auf der Kanzel nur lauter Deppen stehen und vor ihnen nur alte
Weiblein sitzen (...). Das Christentum ist das Tollste, was je ein Menschenhirn
in seinem Wahn hervorgebracht hat, eine Verhöhnung von allem Göttlichen."
Aus den Ausführungen Hitlers geht hervor, daß er mit Kirche stets ein
überkonfessionelles Christentum meint, also noch immer einer ideellen, einer
geistigen Größe den Krieg erklärt. Es ist auch kein Zufall, daß keiner der im
sog. Nürnberger Prozeß zum Tode verurteilten Kriegsverbrecher sich zu Christus bekannte,
sehr wohl aber zu einer nebulosen "höheren Gewalt".
Aus den antichristlichen "Bekenntnissen" Hitlers läßt sich also
allein der indirekte Beweis seiner luziferischen Gesinnung führen, gleichsam
"aus den Werken" (vgl. Mt 7,16.20; Lk 6,44; 1 Kor 3,13).
Glücklicherweise läßt sich bei Hitler auch der direkte Beweis über seine
"Spiritualität" führen, wie es weiter unten noch zum Thema
Blawatsky-Theosophie abgehandelt wird. Dieses Beispiel soll aber schon in
diesem Zusammenhang demonstrieren, daß der Nachweis des Antichristen
allein als Nachweis des Luziferischen grundsätzlich ausreicht. Da bei
Hitler zusätzlich noch das tausendjährige Reich als neugnostisches
(luziferisches) Motiv vorkommt, soll hier auch auf die zulässige
Verallgemeinerung des Chiliasmus als (Erscheinungsform des) Luziferismus
hingewiesen werden.
3.8. Der Atheismus
Der achte Grundsatz ist die Aufdeckung des sogenannten Atheismus als eine
Spielart, als Begleiterscheinung und Attribut des Luziferismus. Der Atheist kaschiert
nämlich nur die Usurpation der höchsten Instanz durch den
("vernünftigen") Menschen(943)
dadurch, daß er das Eliminierte, nämlich Gott als die Wirklichkeit der höchsten
Instanz, als überhaupt jemals existent leugnet(944).
Doch die Psychologie des Satanismus zeigt, daß allein schon der imaginäre Haß
auf etwas angeblich Nicht-Existierendes, und die gleichgelagerte panische Angst(945) vor dem "Nichts", das von Jakob
Böhme mit Gott gleichgesetzt wird, nicht nur einen logischen Widerspruch in
sich birgt, sondern auch tatsächlich den Satanisten innerlich zersetzt. Denn
dieses sich als höchste Instanz Setzen(946)
aus eigener Gnaden (aus eigener Wahrnehmung(947),
durch die Absolutsetzung der eigenen - subjektiven - Wahrnehmungsfähigkeit) ist
nichts anderes als die bibeltheologische Erklärung der sog. Erbsünde: nämlich "wie
Gott" (1 Mose 3,5) sein zu wollen.
3.8.1. Die Alternative
Religionsgeschichtlich ist auch nachweisbar, daß Atheismus immer wieder
schon vom Konzept her als Vorfeld einer religiösen Alternative oder
alternativen Religion auftritt(948), denn
alleine - an und für sich - wäre der Atheismus niemals lebensfähig (weil er
beim näheren Hinsehen ein Nonsens ist). Der Atheismus kann immer und
ausschließlich vorübergehend den Menschen aufgetischt werden(949),
um die jeweils etablierte Religion auszumanövrieren, d. h. mit dem vorgeblichen
Atheismus, der aber nicht ohne dem antichristlichen Motiv auskommt, abzulenken.
Es läßt sich nachweisen, daß die religiöse Alternative oder alternative
Religion schon immer lange vor dem Auftreten des Atheismus vom Konzept her
fertig ist und dann dicht auf den Fersen des Atheismus folgt(950)
(um aus der - durch den vorgeblichen Atheismus - selbst erzeugten Sinnkrise
herauszuführen)(951), in einem gewissen Sinne
den Atheismus als Ablenkung vorschiebt. Der Atheismus kann also als das Vorfeld
der nachfolgenden religiösen oder pseudoreligiösen Alternative definiert
werden, als Vorbote und Wegbereiter des davon untrennbaren Luziferismus. So
erweist sich der Atheismus letztlich als eine vorübergehende Spielart, aber
doch ein (ephemerer) Typus des Luziferismus.
3.8.2. Der Agnostizismus
Am ehesten verrät sich der Atheismus als schelmische Tarnung durch den
Agnostizismus(952). Denn der Atheismus ist ein
(utopisches) Denkkonzept, das (naturalistisch(953))
nicht über die eigenen Grenzen hinaus zu denken (zu können und zu wollen)
vorgibt(954), die sich in der sinnlichen
Wahrnehmung definierten. Das dergestalt auf die Anima reduzierte Denken
befindet sich nicht nur ab ovo im Widerspruch zu Gott, sondern im Widerspruch
mit sich selbst(955), denn es kann sich sehr
wohl auch als Mensch denken und sich weiter fassen als das eigene Physis und
Bewußtsein(956), ohne damit in das selbst
geschneiderte enge Denk-Korsett zu passen(957).
Der einzige Ausweg scheint nur die Feststellung, daß alles über das Wahrnehmbare
hinaus Gedachte keine materielle Existenz habe, sondern Imagination, bzw.
Transzendenz sei(958). Nach den Gesetzen der
strengen Logik ist der Adept somit mit dem Unhinterfragbaren in der Form der
eigenen Gedanken konfrontiert(959), woraus
unausweichlich folgt, daß die denkbar höchste Instanz nur mehr der Denkende
(Kant(960)) oder das Gedachte (Hegel(961)) sein könne, was inhaltlich das gleiche
ist, wenn der Denkende sich selbst denkt.
Diese als der Triumph der menschlichen Vernunft(962)
über die Kulturtradition gefeierte Entfremdung ist in Wirklichkeit alles andere
als vernünftig(963), sondern ist vielmehr ein
Zirkelschluß, ein Nonsens. Die von Kant postulierte "Mündigkeit"(964), ist die angemaßte "Freiheit",
sich von der Wirklichkeit zu Entfremden(965).
Von dem so eroberten Unwirklichen her auf alles nicht (sinnlich) Wahrnehmbare
als unwirklich zu schließen ist eine geistige Amputation des Menschen(966).
3.8.3. Der Antichrist
Einen tiefen Einblick in das Wesen des Atheismus gewährt der bekannteste
Dionysianer(967)(Zarathustra ist Dionysos(968)) des Abendlandes, Friedrich Nietzsche, der
meinte: daß "der christliche Gott 'todt ist" sei dadurch
bedingt, "dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit göttlich
ist"(969). Es gilt sodann für
Nietzsche "(...) alles Christliche durch ein Überchristliches (zu)
überwinden"(970), was ergäbe, "daß
jeder Glaube, jedes Fürwahr-halten nothwendig falsch ist: weil es eine wahre
Welt gar nicht gibt", vielmehr bestimme "das Maaß der Kraft,
... wie sehr wir uns die Scheinbarkeit, die Nothwendigkeit der Lüge eingestehen
können, ohne zu Grunde zu gehen"(971).
Diese Art elitäres Selbsterkenntnis(972) statt
der für veraltet, unmodern gehaltenen christlichen Gotteserkenntnis, ist nicht
nur bei Nietzsche ausgereift, sondern ist symptomatisch für die gesamte
Denkrichtung(973).
Nur schleppend nachvollzieht die Forschung die Identifizierung des
eigentlichen Vorbildes Nietzsches in Hegel(974),
der die bei ihm wesentlich höhere Präsenz des Dionysischen (Luziferischen) in
der Überfülle von Schrifttum - und der terminologischen Kniffe(975)
- die Zensur lange Zeit hinhalten konnte(976).
Es sind aber bei Hegel - mehr oder minder offen - alle von Nietzsche dann
pointiert artikulierten Grundgedanken vorhanden(977).
In seiner Antrittsvorlesung in Berlin hat Hegel - nicht ohne dramatisierende
Rhetorik - faktisch den gleichen "Tod Gottes" von der Kanzel
verkündigt(978), den man landläufig Nietzsche
zuschreibt(979). Der Unterschied besteht nur
in dem offen bekennend antichristlichen Atheismus Nietzsches in Richtung
nihilistische Eschatologie (in den nach ihm folgenden zwei Jahrhunderten(980)), im Gegensatz zu der zynisch
pseudochristlichen Auferstehungstheologie Hegels. Für Hegel ist nämlich
zunächst mit dem Tod Christi dieser Tod selbst gestorben. Das soll heißen, daß
mit dem Tod Christi alles Böse gestorben sei, so daß es nichts Böses mehr gäbe,
während bei Nietzsche Gott tot bleibt. In dem pseudochristlichen Weltbild
Hegels werden Philosophie und Religion gleichgesetzt, und Gott schließt die
Natur(981) in sich so als sein Anderes ein, wie
das Gute das Böse(982). Von dieser zutiefst
gnostischen Grundposition aus offenbart Hegel den vom Tode auferstandenen Gott
des Glaubens, der aber somit überwunden (tot) bleibt(983),
als den höchsten (eigentlich "größten") menschlichen Gedanken(984). Sogar Feuerbachs spätere Qualifizierung
des Christentums (des Glaubens) als Geisteskrankheit ist bei Hegel
vorweggenommen(985), ebenso wie die
(polytheistische) Idee der nationalen Götter(986).
Hegel beklagt die Verschleuderung der "Genien" (auf Griechisch:
"Dämonen"), die im Menschen seien, an den Himmel(987).
Gegenüber der "gottergebenen Schlafsucht" der Eschatologie hält Hegel
das Vergeltungsbedürfnis des politischen Messianismus (Diesseitigkeit) fast
noch für ein Zeichen größerer Gesundheit. Den Trost durch Glauben beschreibt
Hegel mit dem gleichen Ressentiment wie später Nietzsche, und die Wahrheit des
Glaubens an den himmlischen Herrgott qualifiziert er als "etwas für
Knechte"(988)(Hegel war ein
Verfechten des aus Gal 4,1-9.21-31 entfremdeten Freiheitsideals, und Knechte
sind unfrei). Hegel schneidet - wie Nietzsche - das ganze Syndrom eines
strafenden und Glaubensgehorsam verlangenden Richtergottes vom Evangelium der
Liebe ab, und Hegels (Jakob Böhme nachempfundene) Jesus kennt keinen eigentlich
persönlichen Gott, weder als Vater, noch als Sohn(989).
"Der Glaube an das Göttliche stammt also aus der Göttlichkeit der
eigenen Natur"(990).
Hegels Sünden-Verständnis deutet das Biblische in Verletzung des
Zusammenlebens um, so daß alles - ohne den von ihm ausgemusterten strafenden
Gott - durch Versöhnung geheilt werden könne. Und die "abgeschmackte
Vorstellung" fällt so - für Hegel - weg, Jesus "habe in der
That selbst die Strafe der ganzen Welt in seinen Leiden ausgestanden"(991).
Somit wäre gezeigt, daß gewöhnlich der Antichrist (Hegel) schwer gegen den
Atheismus (Nietzsche) abzugrenzen wäre, sondern beide lediglich unterschiedlich
getarnte Variationen des nämlichen einen Themas "Luziferismus" sind.
Der pseudochristlich agierende Hegel zeigt ebenso das Vollbild des Antichristen(992), wie der offen antichristlich auftretende
Atheist Nietzsche. Wie schwierig die Abgrenzung des Atheismus gegenüber dem
Satanismus ist, kann am Beispiel von Jean Paul Sartre gezeigt werden, der
landläufig als ein Parade-Atheist der Moderne gehandelt wird, aber sein
Nihilismus von Eingeweihten als Sonderform des Satanischen qualifiziert wird(993). Sartre bevorzugte es nämlich, seinen
"satanischen Nihilismus" unter dem Begriff der "absoluten
existentiellen Freiheit" zu verbergen(994).
Die nämliche "Philosophie der Freiheit" ist für Sartre "die
Wahl seiner selbst", die der Satanist Baudelaire traf, dessem "unverdienten
Mißgeschick" ein (freiwilliges) "Bündnis" mit "seinem
Unglück"zugrundelag(995). Sartres
Grundposition, wonach "der Mensch ist im Grunde genommen Begierde,
Gott zu sein"(996), ist in der Forschung
gut bekannt, weil dies das klassische Modell des Abfalls von Gott ist(997) und Sartre zu den bekennenden
Gottesleugnern gehört. Interessant ist auch der von Hegel und Sartre
gleichermaßen als Zentralbegriff verwendete "Freiheit", der auf
Latein mit dem Wortstamm "Liber", also dem lateinischen Namen des
Dionysos sinngehaltsmäßig zusammenhängt, doch dieser Zusammenhang soll noch
weiter unten gesondert beleuchtet werden.
3.8.4. Die Natur
Das inhaltliche Charakteristikum des Atheismus schlechthin scheint die
(monistische) Gleichsetzung der Natur(998) mit
Gott zu sein(999). So auf jeden Fall trat er
von Anfang an auf, als Begleiterscheinung der Renaissance, Aufklärung, des
Materialismus, Monismus(1000) und Pantheismus(1001), die ebendies etwa mit dem Deismus(1002), Kant, Spinoza(1003)
und Leibniz(1004), um nur einige zu nennen,
gemein haben(1005). Das äußere
Charakteristikum des Atheismus, wie schon gesagt, daß er von Anfang an als
Begleiterscheinung, als Randgebiet oder Attribut und nicht als selbständige
Größe auftrat. Wenn also wirklich etwas bar jeder "materiellen"
(substantiellen) Existenz gibt, dann ist das nicht Gott, sondern der Atheismus,
der immer und ausschließlich als solcher, nämlich Atheist (Negation des
Theisten), als Phänomen, als Reflexion erscheint, bzw. erscheinen möchte. Gäbe
es wirklich keinen Gott, oder könnte der Atheist die Möglichkeit Gottes
wirklich ausschließen, dann gäbe es den Atheisten nicht einmal als Phänomen,
denn nur das Sein verleiht dem Leugnen des Seins, dem Negieren (Soll) einen
relativen Sinn. Am Zenit seiner Machtentfaltung versuchte der marxistische
Atheismus diese Zusammenhänge naturgemäß vor der anderen Seite her zu erklären,
so als würde sich mit dem Sieg des Atheismus sowohl die Frage nach Gott, wie auch
der Atheismus "aufheben", weil sie beide nur in dem nämlichen polaren
Gegensatz ihren Sinn hätten(1006). Der
Trugschluß ist daran ersichtlich, daß Gott und Religion kaum jemals den
Atheismus zur Existenzvoraussetzung hatten, wohl aber umgekehrt.
Der Widerspruch in der "eschatologischen" Spannung zwischen der
(vom Atheismus) verheißenen Gottlosigkeit und (gegenwärtigem) Atheismus,
sozusagen zwischen Soll(1007) und Haben, ist
zunächst an der Ventilierung der endzeitlichen Gottlosigkeit über den Atheismus
ersichtlich. Der Atheismus ist nämlich aus jedem erdenklichen Blickwinkel die
schlechthinnige Voraussetzung, um nicht zu sagen der Born, der Vater aller
ersehnten Gottlosigkeit, wie sie sich der Atheist die Gottlosigkeit vorstellt
(und nur vorstellen kann). Die Sinnlosigkeit (eschatologischer Aufhebung) des
Atheismus kann aber logistisch unmöglich aus einem Produkt der nämlichen
Sinnlosigkeit heraus "erklärt", bzw. überwunden werden, vielmehr ist
die Gottlosigkeit als Produkt des Atheismus ein Unsinn (Nonsens). Nur wenn die
Gottlosigkeit aus sich selbst heraus bestand (Sinn) hätte(1008),
könnte sie vor der kritischen Betrachtung bestehen. So aber kann, trotz der
mitunter schon als gegenwärtig beschworenen Parusie der Gottlosigkeit(1009), (um es in dem philosophischen
Sprachgebrauch des Atheismus auszudrücken) nur von einer stagnierenden
eschatologischen Spannung zwischen der Sinnlosigkeit und dem Unsinn gesprochen
werden, wenn von der sehnlichen Überführung des Atheismus in die Glorie der
Gottlosigkeit(1010) die Rede ist.
Die besondere Bewandtnis an der Gott-Natur Gleichung ist, die manichäisch gnostische
Tradition der Gleichsetzung der Materialisation (Schöpfung) mit dem Fall
Luzifers(1011). Deswegen besteht z. B. Böhme
auf einen Luzifer, der ein Teil Gottes ist, denn für jeden Gnostiker kann Gott
ausschließlich in der Natur als "gegenwärtig" gedacht werden, nur in
der Natur ist "Gott" für den Gnostiker faßbar. Entscheidend in der
subkulturellen Logik ist, daß Gott demnach von dem Menschen nur in der Gestalt
Luzifers begegnet werden kann, denn, so u. a. Böhme, alles Geschöpfliche
(Natur) die materielle Seite Luzifers ist. Nach dem Gnostiker könne der Mensch
also gar nicht Gott anders denken (fassen), als die Kehrseite der materiellen
Welt (Natur), nämlich als Transzendenz. Das gesamte gnostische Verständnis
hängt also an dem Satz, daß alles von der Natur her transzendierbare, alles was
als transzendent behauptet werden kann, ist zunächst Luzifer, wobei das
menschliche Bewußtsein unmöglich hinter Luzifer (weiter) transzendieren kann
(sondern - ist alles agnostisch - dreifaltig - Göttliche nur a priori denkbar).
Aus diesem Gesichtspunkt erscheint es sodann von Zeit zu Zeit billig, auf einen
Gott hinter Luzifer überhaupt zu verzichten (Atheismus), da man als Gnostiker
ohnehin bestenfalls mit der Transzendenz der Natur (d. i. Luzifer,) auszukommen
hat. Dem rhetorischen Argument, daß man doch nie wissen könne (Agnostizismus(1012)), kann der Atheist entgegenhalten, daß
man doch wissen könne, daß man doch nicht wissen könne(1013),
womit das Unwissen als Wissen (über das Unwissen) definiert werden kann. Das
Doktrin des gewußten Unwissens bestimmt nun den Unwillen gegenüber dem Wissen,
weil sich hier die Leugnung des Wissens selbst als Wissen definiert hat(1014), noch dazu in einem elitären
(sokratischem) Sinne.
Wichtig also bei der Erforschung des Atheismus ist die Voraussetzung, daß
der Atheismus nicht allein auftritt und an und für sich keinen Bestand hat,
sondern nur als Begleiterscheinung und Vorbote diverser gnostischen Systeme,
womit die vordergründige Absolutsetzung der Natur als nicht minder luziferisch
erwiesen ist, als die Absolutsetzung der Transzendenz der Natur.
Zusammenfassend gilt es daher festzuhalten, daß das Paradigma "Natur"
- respektive das "rein naturwissenschaftliches Weltbild"(1015) und/oder der Materialismus - ebenso eine
Tarnbezeichnung (Code) für Luzifer ist, wie etwa Dionysos (Liber) oder
Antichrist. Aus der Gleichsetzung von Natur und Vernunft (u. a. bei Kant)
folgt, daß auch die sog. Vernunft zu den üblichen Tarnbezeichnungen des
Luziferismus gehört und die Vernünfteleien Teufelswerk sind. Nach der
gnostischen (luziferischen) Kosmologie ist nämlich Natur und Gott eins, weil
Luzifer immer zumindest ein Teil Gottes und die Natur die Manifestation des
(gefallenen) Luzifer ist, so daß Luzifer und Natur einerseits, und Natur und
Vernunft (als die transzendente Natur) andererseits, für den Gnostiker ebenso
"eins" sind, wie Gott und Natur, oder Luzifer und Vernunft, bzw. Gott
und Luzifer. Ohne die marcionitisch-manichäisch-katharische (ketzerische)
Kosmologie (Luziferismus) ist das naturwissenschaftliche Getue der Moderne für
die kritische Auseinandersetzung mit den eigentlichen Inhalten unzugänglich.
Aber schon in den elementarsten Dingen zeigt sich die Manipulation, etwa wenn
die angebliche Unvereinbarkeit vom christlichen und naturwissenschaftlichen
Weltbild (zumeist über einen falsch zitierten Galilei(1016))
vorgetäuscht wird.
3.8.5. Soll und Haben
Zum weiteren Charakteristikum des Atheismus gehört, wie es sich einigermaßen
schon aus den bisher Gesagten ergibt, das Umgehen des Istzustandes zugunsten
eines Sollzustandes, dessen Mängel nicht an dem Istzustand, sondern an einem
alternativen Sollzustand gemessen werden(1017).
Es ergibt sich auch aus den bisher Gesagten, das beide Versionen des
Sollzustandes an der "materiellen" Wirklichkeit (Istzustand)
vorbeigehen. Auffällig ist die Soll-Fixiertheit aller Geistesströmungen, als
deren Begleiterscheinung des Atheismus auftritt. Ob nun der Atheismus
tatsächlich eine psychische Aberration sei, wie es vor allem bekennende
Satanisten behaupten(1018), weil sie ihren
vorgeblichen Atheismus direkt vom geleugneten Gott ableiten, ist nicht leicht
objektiv zu beantworten, denn die Theologie kann - in diesem Zusammenhang - so
einen seelischen Defekt nur als Sekundäreffekt hinter der geistigen Aberration
qualifizieren, während die Subkultur sich bei dieser Differenzierung (zwischen
Seele und Geist) schwer tut.
Auffällig ist, daß all die - bei allen übrigen modernen Geistesströmungen -
stets zitierten (luziferischen) Größen unter dem Kapitel Atheismus, bei einer
noch so liberalen Handhabung, sämtlich einfach nicht übergangen werden können(1019). Der Atheismus kann also - zumindest
statistisch gesehen - gleichsam als der Schatten, als die Begleiterscheinung
jeglicher denkorientierten modernistischen Strömung definiert werden. Im
übrigen kann die Gottlosigkeit (als die fiktive Zukunftsperspektive des
Atheismus) verallgemeinernd als Utopie abgetan werden, denn der Atheismus kommt
in keiner Version an der realen Leugnung Gottes - oder des Göttlichen - vorbei.
Die utopische Sehnsucht nach der "Gott ist nicht" Haltung
scheitert an der Soll-Fixierung(1020),
nämlich an der (naturgegebenen) Haltung der "Gott soll nicht sein",
die, zumindest auf ebendieser Route, logisch folgerichtig unerreichbar bleibt(1021). Der Kristallisationspunkt ist die
"aus sich selbst sollende Ethik"(1022),
die - in sich geschlossen - nicht aus sich selbst heraus (zum Ist,
bzw. Sein) kann, ob nun das Selbst des Sollensanthropologisch
interpretiert wird oder nicht.
3.9. Die Liberale
Neunter Grundsatz, gewissermaßen aus den bisherigen Grundsätzen
Resultierend, ist die Enttarnung des, bzw. alles Liberalen als Fahnenträger des
Modernismus, beinahe so, als könnten die Begriffe Moderne und Liberal synonym
verwendet werden: denn sie werden landläufig jetzt schon - mehr oder minder
bewußt - als Synonyme gehandhabt. Es soll allerdings darauf hingewiesen werden,
daß die nämliche Synonymität nur für den westlichen Kulturkreis einigermaßen
selbstredend ist, sofern sie eine bürgerliche Gesellschaftsordnung hat. Es ist
schon weiter oben auf Arbeiterbewegungen kommunistischer und
nationalsozialistischer, bzw. faschistischer Prägung hingewiesen worden, die
sämtlich - in einem weiteren Sinne - als Kristallisationspunkte der Moderne
angesehen werden können (und müssen).
In einer vorsichtigen Formulierung kann also von der Liberale und
Arbeiterbewegung (die übrigens in der Geschichte der liberalen Bewegung gleichsam
als Nachfolger und Konkurrenz der selbigen angesehen wird) als von den zwei
großen - auch und vor allem - politischen Manifestationen der Moderne
gesprochen werden. Damit sollen aber nicht die sog. christliche Parteien und
Bewegungen als unbedingt weniger von modernistischem Gedankengut durchgesetzt
hingestellt, sondern z. B. auf die innerkirchliche Liberale aufmerksam gemacht
werden, die stets verbissen um die Macht innerhalb der Kirche kämpft, um unter
dem üblichen reformistischen Vorwand das "überkommene Christentum"
abzuschaffen. Mit aller Deutlichkeit soll also auf den destruktiven
(luziferischen) Charakter der innerkirchlichen Liberale als klassische
Heuchelei mit neuem Aufputz hingewiesen werden, die stets mit unchristlichen
Methoden unchristliche (pseudochristliche) Ziele zu erreichen trachtet. Die
Gefährlichkeit der Liberalen ist durch ihre überlegene Handhabung zutiefst
christlicher Anliegen noch unterstrichen, indem sie das eigentlich Christliche
innerkirchlich zunächst unter dem Vorwand aus der Hand der Christen nehmen, daß
sie mit dem Christlichen unter den modernen Bedingungen der Moderne besser
umgehen, und diese besser zur Geltung bringen könnten, aber von Anfang an mit
Hilfe christlicher Dekoration etwas dem Christlichen zuwiderlaufendes zur
Geltung bringen möchten. Und diesen christlichen Federschmuck der Liberalen
gilt es hier zu rupfen.
3.9.1. Die Ganzheitlichkeit
Es kann verallgemeinernd ausgesagt werden, daß weder Luziferismus, noch das Böse überhaupt, sich irgendwie auf einige politische oder kulturelle Bewegungen, aber auch nicht auf die Profane, einschränken, also örtlich lokalisieren lassen. Denn sowohl marxistischer Atheismus (heute am auffälligsten unter den Befreiungstheologen) wie auch Faschismus (am auffälligsten, bzw. offen bei den Deutschen Christen in der Evangelischen Kirche der Hitler-Zeit) haben jeweils eine Scheibe von der Kirche Christi abgeschnitten und trüben nach wie vor das Wasser mit ihrer innerkirchlichen Heuchelei.
In diesem Abschnitt ist also die Frage zu klären, ob es unter den Liberalen
überhaupt ohne Heucheln etwas geben kann, oder auch die heuchlerisch
eingesetzte Redlichkeit(1023) nach außen
ausschließlich unredlichen Zielen dient. Die bisherigen Recherchen haben nämlich
zweifelsfrei ergeben, daß Redlichkeit (Christentum) und Liberal sich unmöglich
vereinbaren lassen, sondern sie sich gegenseitig ausschließen(1024).
Man kann nicht zwei Herren dienen (Mt 6,24; Lk 16,13). Man hat sich dessen bewußt
zu sein, mit welchem Feind man es zu tun habe, und wie gekonnt die Liberale ihr
wahres Wesen zu verschleiern versteht. Doch gerade deswegen sollte einer der
Moderne angepaßten Sektenforschung vor allem daran gelegen sein, daß etwa der
Liberalkonservative, wie überhaupt jede hohe Schule des Heuchelns (wie z. B.
Moralismus), nicht länger mit dem gelebten christlichen Evangelium verwechselt
wird.
Mit Hinweis auf die bisher bereits weiter oben Gesagten, etwa auf das
abschreckende Beispiel Albert Schweitzers, ist hier an die Unvereinbarkeit vom
humanistischen Ideal der Mitmenschlichkeit und der christlichen Nächstenliebe
zu erinnern, nämlich sowohl auf theologischer wie auch auf spiritueller Ebene.
Die humanistische Entfremdung (Imitation) der christlichen Nächstenliebe hat
immer und ausschließlich die Aushöhlung des Christentums zum Ziele und dient
nicht dem Nächsten, nicht dem als Mittel zum Zweck benutzten Menschen,
geschweige denn Christus, sondern der populistischen Rechtfertigung der eigenen
antichristlichen (pseudochristlichen) Ideologie des Humanismus, der durch
betrügerischen Imitierung der christlichen Nächstenliebe mit der Fälschung den
Anspruch auf den Urheber derselben erheben, und den Status (wie) Gott für den
Humanisten (nicht aber für den Human selbst) reklamieren. Die Humanisten
(Liberale) suchen mit ihrer vordergründigen Mitmenschlichkeit nicht Gottes
Ehre, sondern ("pharisäisch") ihre eigene Ehre. Nicht Gott soll als
gut hervortreten, nicht das Gute an sich soll zu Ehre kommen, sondern der das
(scheinbar) Gute tut, der Heuchler als "guter Seelsorger", als
"guter Mensch", nämlich als "human", d. h.
"liberal". Gewiß kommt der untreue Verwalter bei Jesus sehr gut weg
(Lk 16,1-8), und viele Mitläufer der Liberalen ähneln dem Verschwender (Lk 15,11-32),
doch ventiliert Christus das Heil (kontroversiell) durch das Unrecht gerade
deswegen, weil das Unrecht eben Unrecht ist.
Wenn eine Einschränkung bei dieser Feststellung notwendig ist, dann in die
Richtung, daß die überwiegende Mehrheit der Liberalen sich beim näheren
Hinsehen als Möchtegern-Liberalen entpuppen. Fehlgeleitete (Irrende), die nicht
wissen was sie tun (vgl. Lk 23,34), und in ihrem selbsttäuschenden
Gutgläubigkeit nicht wahrhaben wollen, daß sie stets als Vorfeld des
pseudochristlichen Aushöhlungswerks mißbraucht werden, daß sie nur zu diesem
Zweck überhaupt manipuliert werden, um mit ihrer "relativen"
Gutgläubigkeit pseudochristlichen Vorstößen Raum zu bieten.
3.9.2. Die Freiheit
Aus dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt ist zunächst der Nachweis der
direkten Linie von Renaissance-Humanismus (über die Aufklärung) bis zur
Liberale(1025) ohne größere Mühe möglich(1026), und ist schon wiederholt erfolgreich vorgenommen
worden. Unter Hinweis auf die diesbezüglich zufriedenstellenden
Forschungsergebnisse werden hier nur die weniger bekannten Zusammenhänge
aufgezeigt. So gilt es darauf hinzuweisen, daß innerkirchlich, anders als in
der Politik, der Begriff "liberal" leichter auf alle modernisierende
Tendenzen zu verallgemeinern ist. Denn so wie sich Faschisten oft und gerne
hinter der Meinungs- und Religionsfreiheit, die als ein liberaler Programmpunkt
galt (die für den Faschisten fremd, um nicht zu sagen ein Greuel sind),
verbergen, so mißbrauchen die meisten innerkirchlichen Sondermeinungen die
vorgeschobene Liberalität der Kirche.
Eine terminologische Systematisierung kann und soll in dem wissenschaftlichen
Vorgehen dahin unternommen werden, daß die nicht unmittelbar als Liberale
einzustufenden Sondermeinungen als Splittergruppen und allenfalls als
innergnostische Häresien (Abweichungen, oder innerliberale interne Kontroversen
der Moderne) begriffen werden, so daß der landläufig vorausgesetzten
Synonymität der Begriffe "liberal" und "modern" Rechnung
getragen wird. Ähnlich wie der Begriff "sozial" gegen den Begriff
"sozialistisch" abgegrenzt und verallgemeinernd verwendet werden
kann, so kann "liberal" gegenüber dem Sekundärsinn
"liberal(istisch)" abgegrenzt und verallgemeinernd verwendet werden.
Und eben dieser Wortsinn von wegen "großzügig" (großherzig),
"freisinnig", soll auf den landläufigen Sinn einerseits, und
andererseits auf den ideologischen Sinn, nämlich im Hinblick auf den
dionysischen Hintergrund, untersucht werden.
3.9.3. Der Tod Gottes
Das Ausweichen der sog. Moderne in der Theologie auf harmloser klingende
Bezeichnungen als "Liberale" hängt mit der unrühmlichen Rolle eines maßgeblichen
Teiles der liberalen Theologie als Steigbügelhalter des deutschen
Nationalsozialismus in evangelischen Gefilden zusammen. Doch der
repräsentativste Teil der liberalen Theologie, die sich mit Bultmann und Karl
Barth in Dialektische Theologie umgetauft hat, setzt eindeutig die liberale
Tradition, d. h. die Tradition der liberalen Theologie (auf der Ebene der
politischen Linke) fort(1027). So überrascht
es kaum, daß etwa Pannenberg, der zwar selber mehr Universalist als Christ ist(1028), die "Tod-Gottes-Theologie" als
das von den Dialektischen Theologen Bultmann und Karl Barth tradierte Erbe
nachweist(1029). Hier sollte die Kirche den
Zeigefinger erheben, und vor politischen Etikettierungen warnen, denn in der
Dialektischen Theologie, bzw. bei der theologischen Linke, ist der Luziferismus
alles andere als erschöpft. Vielmehr soll auf die Gemeinsamkeit zwischen
Liberale (bürgerlich im plebejischen Sinne) und sog. Arbeiterbewegung
hingewiesen werden, ob nun "links" oder "rechts". Vor allem
der plebejische Charakter der Rechten soll hervorgehoben werden, gerade wenn
sie - im Gegensatz zu den Linken - den Pakt mit dem (erzliberalen) Großbürgertum
weniger scheuen.
3.9.4. Der Populismus
Der plebejische Charakter der Arbeiterbewegungen (im ideologischen Sinne,
nämlich als die moderne Armutsbewegung der Katharer) soll schon auch wegen dem
stets unversöhnlichen Konkurrenzverhältnis zu der christlichen Nächstenliebe
(Caritas und Diakonie) hervorgehoben werden, die nicht anders kann, als bei den
Armen und Schwachen anzusetzen (vgl. Mt 18,15-20; 22,40; Mk 12,33; Lk 10,29
ff.; Eph 4,25-5,2; Jak 2,15; 1 Joh 2,9; 3,10.16-7). In seiner Weihnachts-, bzw.
Neujahrsrede 1994 (1995) meinte der damalige Caritas-Direktor und nunmehriger
Generalvikar Schüller im Fernsehen treffend, daß man sich nicht über die
Grundvoraussetzung in der Einstellung zur Welt täuschen soll, denn Gott (und
nur Gott im eigentlichen Sinne) steht auf der Seite Armen und Schwachen, und
keine Macht der Welt kann ihn von dort fortbewegen. Ohne Generalvikar Schüller
überinterpretieren zu wollen, impliziert eine solch ungeschminkte
Interpretation des Evangeliums, daß jeder menschliche Versuch sich an Gott
vorbei auf die Seite der Armen und Schwachen zu stellen, die bewußte
Konkurrierung Gottes ist, bzw. dies voraussetzt. Das und nicht anderes ist das
Wesen des (sich "humanitär" interpretierenden) Humanismus, nämlich
Gott von seiner Stelle zu verrücken, und "wie Gott" sein (1 Mose 3,5)
zu wollen, so als stünde das Humane und nicht Gott auf der Seite der Armen und
Schwachen. So als würde nicht Gott die Welt und den Menschen darin geliebt und
seinen Sohn dafür (hin)gegeben haben, sondern könnte sich der Mensch nur sich selbst
gern haben.
Dem ist hinzuzufügen, daß die theologische (theoretische) Absage an die
Sünde (nicht an den Sünder) die praktische Nächstenliebe gegenüber den Feinden
Christi nicht nur nicht erschwert, sondern überhaupt erst möglich macht.
Innerchristliche Kritik dient trotz aller Offenheit nicht der Herabsetzung,
sondern der Auferbauung. Die - notfalls schroffe - Ermahnung ist ebenso
integrierender wie unentbehrlicher Bestandteil des Miteinanders. Gott hat sich
von einem Saulus, der die Christen blutig verfolgte, nicht abgewendet, sondern
ihm vielmehr die Meinung gesagt. Und genauso - gegebenenfalls schroff ermahnend
- ging dann der zum Paulus gewandelte Saulus auf die Juden und Heiden zu. Um
bei dem angesprochenen Beispiel zu bleiben, ist Generalvikar Schüller, obgleich
er theologisch als konservativ eingestuft wird, nach allen Seiten offen. Für
Selbstaufgabe ist der Ökumene nicht der richtige Ort, denn die Akzentuierung
der Unterschiede macht die Gemeinsamkeit eigentlich aus. Erst die offene
Hervorhebung der Gegensätze und die Wahrung sowohl der eigenen wie auch der
anderen, der fremden Identität, macht das unbeschwerte Zugehen aufeinander
möglich. Andersherum wäre nämlich das aufeinander Zugehen, ohne vorher die
Differenzen offenzulegen, zwangsläufig der Untergang bieder Seiten, oder doch
zumindest ein tüchtiger Streit.
3.9.5. Der Regenbogen
Die einschlägigen theologischen Nachschlagewerke schreiben nur Unbedeutendes
über dem Regenbogen und nivellieren das Nichtssagende, so als könne der Bogen
alles mögliche Bedeuten(1030), und würden sie
nicht den traditionell fest geprägten ikonographischen Stellenwert des
Regenbogens als (immer konsequent) Gerichtssymbol(1031),
also das christliche Zeichen der Zeitenwende in der Ikonographie schlechthin,
verwässern. Denn der Regenbogen kommt nicht nur in dem AT (Zeichen des Bundes
mit Noah, bzw. der Zeitenwende nach der Flut, die von Petrus - in einigen
Übersetzungen - als Neue Schöpfung verstanden wird) vor (Gen 9,1-17; vgl. Jes
54,9; Ez 1,28), sondern vor allem in der Apokalypse als Zeichen der Endzeit,
bzw. Zeitenwende (Off 4,3; 10,1), und zwar ganz in dem Sinne der
Gerichtsankündigung Jesu (Mt 24,37-38//Lk 17,26-27; vgl. Hebr 11,7; 1 Petr
3,20; 2 Petr 2,5), wonach die Zeitenwende (Mk 1,15; Lk 21,8; Röm 8,18; 11,5;
13,11; 1 Kor 4,5; Gal 4,4; Eph 1,10; 2,7; 2 Thess 2,1-12; 1 Tim 6,15; 2 Tim
3,1-9; Tit 1,2; Hebr 1,2; 9,9.26; 1 Petr 1,20) wird sein wie
in den Tagen des Noah (Mt 24,37).
Diesem in der Bibel verbalikonographisch festgeschriebenen Symbolwert des
Regenbogens, als Zeichen des von Jesus auch für seine (neutestamentliche)
Zeitenwende zitierten Noahbundes, der ebenfalls in diesem Sinne als Zeitenwende
mit der Flut interpretiert wird (wobei die Flut in der Bildersprache der Bibel
fest mit der "Überflutung" des Landes mit feindlichen Heeren
verbunden ist und immer nur diese eine Bedeutung hat), stehen die
außerbiblischen - zumeist mythologischen - Traditionen in der
alttestamentlichen Umwelt so gegenüber, daß der Regenbogen und seine
Personifikationen weniger den Bund (in Sinne des Noahbundes, für die Beendigung
des Gerichts über das Vorsintflutliche) zwischen Himmel und Erde, sondern die
Verbindung (Weg oder Brücke) zwischen Himmel und Erde(1032),
zwischen Diesseits und Jenseits, (mehr assoziativ) repräsentieren, bzw.
symbolisieren, und in der Sekundärbedeutung als Kriegsbogen, manchmal Schwert,
öfter als Halstuch, Halsbinde, Halskette, oder Hüftgurt und ähnliches (verbalikonographisch
oder bildlich) dargestellt wird. So ist auch der altchinesische Symbolwert des
Regenbogens(1033) als Verbindung zwischen Yin
und Yang zu verstehen, die symbolisch für Himmel und Erde stehen(1034), und auch das Motiv des Regenbogens als
Schleier (oder Gurt, bzw. Schal oder Halstuch) der hellenischen Iris(1035) und der mit der ägyptischen Isis
gleichgesetzten indischen Maya(1036) (Große
Göttin), oder der babylonischen Isthar (Astarte/Esther), wo gelegentlich von
ihrem Halsband die Rede ist(1037), meint
entweder (personifiziert) die Botin zwischen Himmel und Erde oder den
Regenbogen als Weg oder Brücke zwischen Himmel und Erde (womit Diesseits und
Jenseits gemeint sind). Weil in der Bibel der Baalskult der Kontrahent des
Jahwekultes schlechthin ist (vgl. Dtn 13,2; Ri 3,7; 10,6-10; 2 Kön 5,17; vgl. 1
Kön 11,5.33; 18,18; 2 Kön 17,16; 23,23; 1 Sam 12,10; 31,10; Jer 11,13; 23,27;
Hos 2,10-19; 4,7; 9,10 usw.), und die phönizische Astarte (Aschera) das
weibliche Pendant des Baal (Ri 2,11-13; 3,7; 10,6-10; 1 Sam 7,3-4; 12,10; 2 Kön
21,3-7; 23,4-13), die mit der Babylonischen Ischtar/Isthar gleichgesetzt wird (vgl.
Astarte/Aschera in Ri 2,13; 3,7; 10,6; 2 Kön 23,4), kommt der babylonischen
Interpretation des Regenbogens als Weg oder Brücke ins Jenseits(1038) (über den Halsband oder Schleier, ev.
Schal oder Halstuch, der Ischtarte)(1039),
und dem vom griechischen Himmelsgott Zeus als Kriegsfahne, bzw. Siegesfahne,
aus dem Gürtel der Göttin Iris aufgespannte Regenbogen(1040),
sowie dem säulenartigen und mit Bändern am Himmelsgewölbe befestigten
Regenbogen Platos(1041)(während der tausend
Jahre dauernden Jenseitsreise der Seele vor der Wiedergeburt), im Neuheidentum
größere Bedeutung zu, weil die Götter und Attribute schon in der Antike und
Hellenismus in Beziehdung gesetzt oder synkretistisch gleichgesetzt (allenfalls
parallelisiert, oder synkretistisch mit Attributen eines ähnlichen Gottes einer
anderen Kultur bedacht wurden), und etwa die Iris auch zu der im
neutestamentlicher Zeit vorherrschenden Dionysoskult (vgl. 2 Makk 6,7; 14,33),
d. i. die griechische Version des Fruchtbarkeitsgottes Baal, in einer - Hermes
analogen - festen Beziehung steht(1042).
Einfacher ausgedrückt ergibt die Assoziation des Regenbogens mit dem weiblichen
Pendant des Baals (Astarte) einerseits, und der synkretistische Gleichsetzung
des Baalkultes, bzw. aller Fruchtbarkeitskulte mit dem Dionysoskult
andererseits, eine Verbindung von Regenbogen und Dionysoskult im Neuheidentum.
Von da aus kann nämlich zu dem Grundlagenwerk von New Age von H. P.
Blavatskaja/Blawatsky der "Bogen" gespannt werden(1043),
dessen Titel, die "Entschleierte Isis"(1044),
demnach den nämlichen heidnischen Alternativregenbogen(1045)
("alternativ" zum biblischen Regenbogen des Noah und des
Weltenrichters der apokalyptischen Wendezeit) mit dem üblichen neuheidnisch
synkretistischen Beiwerk meint(1046), der als
die nämliche Schleier der Isis auch dann als die Fahne oder Abzeichen von New
Age, oder zumindest von der Theosophie Blawatskys, identifiziert werden kann,
wenn die Spuren noch so gut verwischt werden.
Auf den Regenbogen als das zentralste Symbol für New Age macht eigentlich
Ruppert in der Broschüre "Neugnosis" aufmerksam(1047),
wo in dem nämlichen Zusammenhang das synkretistische Herzstück der Theosophie
Blawatskys systematisch (als die Vermengung von indischem, bzw. indo-arischem
Tantrismus und jüdischer Kabbalistik) aufgezeigt wird(1048).
Gilt der Zusammenhang zwischen New Age(1049)
und Romantik(1050) etwa über die weiter oben
vielzitierte Isis der Blawatsky(1051) als
gegeben(1052), dann kommt auch dem Gebrauch
des Regenbogens in Dichtung (Goethe) und Malerei der Romantik(1053)
(als Zeichen des Friedens) größere Bedeutung zu. Auf den Spuren von Jakob Böhme
und Paracelsus wandelnd(1054) haben sich
insb. Goethe und Schiller mit dem Regenbogensymbolik auseinandergesetzt(1055), wobei hier weniger die übliche Halbkreis
aus der Natur, sondern das "Rad" Böhmes(1056),
nämlich der Tierkreis aus der Astrologie(1057),
als Vorlage diente. In der zuerst in England und dann in München umstrittenen
Kunstaustellung über Romantik und Nationalsozialismus(1058)
ist übrigens auch ein Bild mit einem Sämann vor dem Regenbogen zu sehen, wobei
kaum jemand an dem Zusammenhang zwischen Romantik und Nationalsozialismus
zweifelt, sondern lediglich die Authentizität der nationalsozialistischen
Interpretation der Romantik fragmentiert oder bestritten wird.
Die Renaissance des Regenbogens ist allerdings keineswegs so schwammig, wie
es die Autoren der eingangs zitierten modernen theologischen Nachschlagewerke
hinstellen, sondern geht, wie überhaupt alles Neugnostische, auf Jakob Böhme
zurück(1059). Das Kreuz ist für Böhme die
Grundsignatur aller Dinge, bestehend aus den beiden Achsen des (zunächst durch
die Jahreszeiten viergeteilten) Räderwerks (d. i. der astrologischer
Tierkreis), das durch den drei Welten geht. Die Glyphe dieses Zeichens
bezeichnet nach Böhme das Herz Gottes, das sich »gleich dem runden r, gleich
dem ganzen Regenbogen, welcher doch zerteilt erscheint, denn das Kreuz ist
seine Teilung.« Um seine vier Eckpunkte der Kreuzsignatur zu enthalten,
mußte Böhme die grundlegende paracelsische(1060)
Dreiheit in eine Vierheit verwandeln, indem er den anfänglichen Sulphur durch
den salnitrischen "Schrack", der von ihm ausgeht, in zwei Aspekte
schneiden läßt: 1. Sul: Seele, Licht und 2. Phur: scharfes Feuer. Hinzu kommen
3. Mercurius: Begierde und Beweglichkeit und 4. Sal: Ängstlichkeit. Diesen vier
Grundqualitäten werden auf dem Titelkupfer von Gichtel die vier Tierwesen oder
Evangelisten auf dem äußeren Tierkreisring zugeordnet: Stier _ (Lukas), Löwe b
(Markus), Adler: Skorpion e (Johannes), Mensch: Wassermann h (Matthäus). Im inneren
Ring des großen Rades sind die sechs Planeten eingetragen. Allein Mercurius
fehlt, denn er verkörpert in seiner Beweglichkeit das Rad an sich. Dieses Rad
ist »die Ursach des Lebens und Regens, auch die Ursach der Sinne (...) und
wie das Planetische Rad sein Intstehen hat, also auch die Geburt eines Dinges«(1061).
Grundlage der alchemistischen Farbkonzepte, auf denen Kircher(1062), Goethe und Steiner aufbauen, ist die seitdem
kaum veränderte gnostische Vorstellung von der Entstehung von der »bunten
Gewebe der Welt« aus der Brechung des göttlichen Lichts in der Finsternis
der unteren Gewässer(1063). Nach Basilides(1064), einem alexandrinischen Gnostiker des 2.
Jhs., begehrte einst die Finsternis sich mit dem Licht zu vermischen, doch das
Licht beschränkte sich auf das reine Schauen, »wie durch einen Spiegel.
Eine Spiegelung also, das heißt ein Hauch (color!) des Lichtes nur, ist zu der
Finsternis gelangt«(1065). Den Samen der
Welt vergleicht Basilides mit einem Pfauenei, das sich in der untermondischen
Sphäre in die Siebenheit der Farben ausgebiert. In der Neugnosis erscheint das
gleiche Motiv: "Die sieben Farben staden für die sieben Himmelssphären
und regenbogenfarbigen Schleier der tantrische Göttin Maya, der Großen Göttin,
die hinter dieser Schleier wirkte, um die materielle Welt in ihrer komplexen
Buntheit entstehen zu lassen. Ihre Priesterinnen trugen die Farben ihre
Schleier, die in der ägyptischen Mythologie als die sieben Schleier der Isis
und in der Bibel als die sieben Schleier Salomes auftauchen."(1066)
Dieses gnostische Fundament des Regenbogens soll also von der neologisch
dominierten Moderne in der Theologie verschleiert werden. Die Bezeichnung
Gottes als das Nichts geht ebenfalls auf den Gnostiker Basilides zurück(1067), sodaß auch hier zu Böhme eine Verbindung
besteht(1068). Ähnlich wie Nietzsche seine
Briefe gelegentlich abwechselnd mit Dionysos und Christus unterschrieb,
identifizierte sich der Neugnostiker des Wassermann-Zeitalters, der
Psychoanalytiker C. G. Jung,(1069) mit dem
Gnostiker Basilides, in dem er etwa seine Visionen in einer internen
Publikation für Eingeweihte "Sieben Reden an die Toten" mit
dem Untertitel "Geschrieben von Basilides in Alexandrien, die Stadt,
wo der Osten den Westen berührt"versah(1070).
Und auch wenn sich Blawatsky ausdrücklich nur zu Marcion bekennt und Basilides
nur zitiert, kann aufgrund der feststellbaren Einheitlichkeit in der Hochgnosis
auch die Verbindung zu den Ophiten(1071)
(Schlangenverehrer) hergestellt werden, und auf die Symbolisierung des
Regenbogens in einigen heidnischen Kulturen quer über den Globus als Schlange
(Unterweltsschlange in Westafrika(1072),
Asien(1073), China und Java(1074),
oder Regenbogenschlange in Australien und Umgebung(1075))
mit erotischem Bezug hingewiesen werden, da ein anderes Bundeszeichen (außer
dem Regenbogen in 1 Mose 9,12-13 und der Beschneidung in 1 Mose 17,1-27, sowie
natürlich dem Sabbat in 2 Mose 31,13) in der Bibel gibt, der Stab des Mose(1076) (2 Mose 4,17; 4 Mose 17,25), ebenfalls in
eine Schlange verwandelt wurde (2 Mose 4,3; 7,9-15), ohne daß sich daraus
synkretistische Möglichkeiten, bzw. Gleichsetzungen ergeben könnten(1077).
Wegen der Fokussierung der Gnosis in Jakob Böhme kann aus systematischen
Gründen die historische Betrachtungsweise angewendet werden, wonach die Gnosis
im Neuplatonismus aufging und der Neuplatonismus fortan als das philosophische
Gewand der Gnosis anzusehen ist, sodaß dem gnostisch synkretisiertem Regenbogen
nach Platon formal eine fundamentale Bedeutung zukommt. Eine tausendjährige
Seelenreise nach dem Tod und vor der Wiedergeburt ist bei Platon so mit dem
(jenseitigen) Himmelsgewölbe tragenden und mit Band daran befestigten
Regenbogen verknüpft, daß das Licht des Regenbogens nur die zur Wiedergeburt
(Reinkarnation) freigegebenen sehen(1078).
Der krönende Abschluß von Platons "Staat" ist eine Beschreibung des
Jenseits von einem Verstorbenen, der nach etwa zwölf Tagen wiederbelebt wurde
und im Auftrag des Jenseits der Nachwelt über die Seelenreise und über das
Jenseits selbst berichtete(1079). Es ist
offenbar ein Jenseits für die Seelenwanderung, wo es zwar auch die ewige
Verdammnis gibt(1080), aber grundsätzlich sowohl
die Guten wie die (geläuterten) Bösen nach einer tausendjährigen Seelenreise(1081) wiedergeboren werden(1082).
Platons Beschreibung selbst nennt den Bericht selbst Mythos, und enthält von der
Griechischen Tradition abweichende Elemente, wie die Wiedergeburt der Seele des
Orpheus als Schwan, weil der von seiner Liebe, bzw. wegen seines erfolglosen
Befreiungsversuches aus der dionysischen Unterwelt, enttäuschte Orpheus nicht
von einer Frau wieder geboren werden wollte(1083).
Nach Ablauf der tausend Jahre wählt jede Seele selbst aus, wie, bzw als was,
bzw. wer, sie wiedergeboren werden möchte(1084)
(zB Tier, Tyrann oder Bauer). Es wird ein Gott vorausgesetzt, der aber weder
durch Wort noch durch Tat persönlich in Erscheinung tritt, sondern ein
Götterherold beruft sich auf ihn(1085),
ansonsten schalten und walten die drei Schicksalsgöttinnen (Moiren), die das
Räderwerk des Spindels des Schicksals bedienen(1086).
Außer der numerischen Analogie der tausend Jahre zeigt - auch das Motiv des
Gerichtes mit den "Guten nach Rechts" (in den Himmel) und die
"Bösen links" (unter die Erde)0(1087)
- eine gewissen Ähnlichkeit mit dem Biblischen Endgericht (Mt 25,33), und auch
die Erklärung, daß jede Sünde mit je hundert Jahren bestraft wird(1088), läßt rechnerisch auf zehn Gebote, bzw. zehn
Arten der Übertretung schließen (beachte die Redensart, daß eine Kette so stark
ist wie das schwächste Glied, wie auch Jakobus 2,10 sagt: "Wer das
ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen
alle verfehlt") wie im atl Dekalog (2 Mose 20,1-21; 5 Mose 5,1-22).
Bei Platon allerdings kommen nach tausend Jahren die Guten (aus dem Himmel) und
Bösen (aus der Unterwelt) zusammen zur Wiedergeburt, sodaß sowohl links wie
auch rechts je eine Ausfahrt und Einfahrt (also insgesamt vier Schlünde) gibt(1089). Etwas merkwürdig mutet an, daß jedem
(jeder Seele) ein Dämon des Wesens seiner Wahl so zugeteilt wird, wie er
wiedergeboren werden möchte(1090). Platons
Regenbogen ist zunächst wie eine gerade Säule, die mit Bändern an dem Himmel
befestigt ist und trägt so das ganze Himmelsgewölbe(1091).
Und die nämlichen Bänder, die das Himmelsgewölbe auch zusammenhalten, sind an
diesen Enden an dem Spindel der Notwendigkeit befestigt(1092).
Es folgt daraufhin eine Beschreibung des Spindels(1093),
das eigentlich ein ineinander verschlossenes Räderwerk von acht Rädern mit
einer Achse ist(1094), wie es dann
verblüffend ähnlich bei Jakob Böhme mit sieben Rädern auftaucht(1095). Nachdem aber bei Platon und Böhme der
Regenbogen und ein Räderwerk jeweils eine zentrale Rolle in der himmlischen Hierarchie
an oberster Stelle spielen, und im Hintergrund von Böhmes graphischer
Räderwerkdarstellung sowohl das strahlende Licht wie die Konturen des
Tierkreises bildlich dargestellt sind(1096),
kann der in den Tierkreis hineingewobene Regenbogen(1097),
wo die Farben den Planeten so zugeordnet sind, daß die zwölf Sternbilder einen
äußeren und die sieben Planeten (das sind die sieben Farben) einen inneren
Kreis bilden(1098), doch auch numerisch mit
dem platonischen Räderwerk(1099)
parallelisiert werden, weil die sieben Planeten Böhmes im Achteck (mit einer
Leerstelle) angeordnet sind. Dieser auffälligen Motivparallele zwischen Platon und
Böhme in der Eschatologie (Böhme ist auch ein Chiliast(1100))
kommt bei der Gewichtung des Neuplatonismus als zentrale Linie, sozusagen
Hauptstraße der Gnosis, bzw. Neugnosis, bei der Beurteilung große Bedeutung zu,
weil ein protochiliastischer Zug schon bei Platon (mit der tausendjährigen
Jenseitsreise der Seele) feststellbar ist.
Mit Hilfe der noch in den Ansätzen steckenden Wissenschaft des Regenbogens(1101), so Alice Bailey, weiß sich New Age fest
im Jenseits verankert und mit allen Religionen dieser Welt simultan, vorerst
mehr aus dem Untergrund, aufnehmen - und künftig gewiß das Monopol(1102)der weltbeherrschenden Religion(1103) erringen - zu können (die Betonung liegt
auf "weltbeherrschend" und "Monopol", obgleich der
religiöse Anspruch von New Age im Mittelpunkt steht). Außer dem Regenbogen hat
aber Bailey noch den Chiliasmus mit dem Neuplatonismus und Böhme gemein(1104), und sowohl die hundertjährige, wie die
tausendjährige Periode Platons kommt bei Bailey als Motivparallele vor(1105). Die auffälligste geistige Verwandtschaft
der Neugnosis zeigt sich aber in unserem Zusammenhang, in der Abhandlung über
die sog. Räder in Blawatskys Buch Dzyan(1106),
das nach einem dogmatischen Kosmologie von Bailey(1107)
abschnittsweise zitiert und kommentiert, d. h. "exegetisiert" wird.
Diese gleich nach der eigenen Kosmo-Dogmatik von A. Bailey zitierten Räder der
Blawatsky sind an der Zahl ebenfalls im Anfange acht, indem sich das große Rad
drehte, und schon eilten sich sieben weitere Räder ihr Dasein durch Drehen zu
bekunden(1108), wie bei Böhme und Platons
Spindel des Schicksals. Für New Age unterstreicht A. Bailey die Analogie zu den
Rädern Blawatskys mit analogen Einteilung der kabbalistischen 10 Sephirot so in
7 + 3, daß die 3 als "Dreifaltigkeit" - als Kreislauf - eine Einheit
bilden, die sich in 7 Zentren auswirken(1109).
Auch die "Sieben" sind mit dem Gesetzt der Periodizität miteinander
verbunden(1110), sodaß die sieben Perioden
drei große Zyklen (im Rad(1111)) durchmachen
(jeweils in die Periode der Manifestation und Verdunkelung unterteilt), und die
Kenntnis der Zyklen die Kenntnis von Zahl, Klang und Farbe umfaßt(1112), die allerdings - bei Bailey - nur dem
vollendeten Adepten vorbehalten ist. Wenn aber die sieben Zyklen oder Perioden(1113) der Neugnosis den Planeten und den sieben
Farben(1114) des Regenbogens entsprechen(1115), dann entsprächen die "Drei" in
der sog. dreifaltigen Einheit(1116) den drei
Grundfarben der Physik(1117)(Blau, Rot,
Gelb), wie es auch viele Gnostiker und Aristoteles folgend(1118)
einige Kirchenväter und Theologen des Mittelalters, statt den sieben Farben für
die Trinität(1119), und die sieben Farben des
Regenbogens wiederum symbolisch für die sieben Sakramente(1120),
bzw. sieben Geistesgaben, oder als Symbol Mariens(1121),
verwendeten. Die Neugnosis meint allerdings die drei Grundfarben so unter den
Sieben orten zu können, daß die Sieben nochmals in Drei und Vier unterteilt
werden(1122), und die Drei (Farben) von den
(den unteren sieben Sephirot zugeordneten) Sieben mit der Dreifaltigkeit
repräsentierenden ersten drei Sephirot der Kabbala korrespondieren(1123). Nach diesem von Blawatsky entwickelten
und von dem Privatsekretär von Anni Besant, ihrer Nachfolgerin an der Spitze
der Theosophischen Gesellschaft, Ernest E. Wood systematisch entfalteten Lehre
von den sieben Strahlen(1124), jedem Strahl
ein Meister vorsteht, bzw. sind die oberen drei Sephirot, bzw. Strahlen, der
göttlichen Trinität von Vater, Sohn und Geist zugeordnet, und die unteren
sieben je einem Meister(1125). Die
Korrespondenz der oberen Trinität und der unteren "Trinität" unter
den Sieben, die in Vier und Drei unterteilt sind, ist u. a. daran ersichtlich,
daß ein Meister Jesus nicht in der oberen, sondern in der unteren Drei (unter
den Sieben) zu finden ist(1126). Dies scheint
die Unterscheidung von "wahre Farbe" und "irdische Farbe",
oder "Deckfarbe", von Bailey zu erklären(1127):
"Viele warten in interplanetarischen Räumen auf weitere Entwicklung
und für sie geeignete Zeiten, und einige müssen sogar warten, bis eine neues
Mahamanvantara(1128) anbricht. Okkulte
Schüler müssen in diesem Zusammenhang der Worte H. P. B.'s(1129)
eingedenk sein, die uns in der Geheimlehre sagt, daß die Strophen und deren
Kommentar sich hauptsächlich auf unseren eigenen planetarischen Logos bezieht.
Das vergißt man häufig. Es dürfte für den Leser von Interesse sein, daß es
gewisse Farben gibt, welche diese Gruppen von nicht inkarnierten Monaden
verschleiern, von denen die Menschheit derzeit gar nichts weiß. Diese Gruppen
werden dem Menschen erst im nächsten Sonnensystem oder aber erst nach
Erreichung der sechsten Einweihung bewußt werden. Alle irdischen Farben sind
lediglich Abspiegelungen der wahren Farben und außerdem nur ein Abbild des
niedrigsten Aspekten. Jede Farbe im Kosmos hat drei Ausdrucksformen:
1. die wahre Farbe,
2. die illusorische Erscheinung dieser Farbe,
3. ihr Spiegelbild.
Das Spiegelbild ist das, womit wir vertraut sind; die Erscheinung oder
das, was die Wirklichkeit verhüllt, lernen wir erst dann kennen, wenn wir mit
dem Auge der Seele, dem Shiva-Auge, sehen können, wenn wir durch das fünfte
Naturreich hindurchgegangen sind und wenn Gruppenbewußtsein im Bewußtsein des
Göttlichen aufgeht. Daraus geht also hervor, daß sich das monadisch-kosmische
Rad im Sinne von »wahrer Farbe« betrachten läßt; der erleuchtete Seher erschaut
es als die Verschmelzung der Primärfarben der drei Sonnensysteme. Das
monadisch-systemische Rad, welches nur das jetzige System betrifft, zeichnet
sich dadurch aus, daß es die Gesamtheit der sieben Farben der sieben
Himmlischen Menschen darstellt; und dem Blicke des Adepten der fünften
Einweihung erscheint es als die Summe der Primärfarben der egoischen Gruppen
der einzelnen planetarischen Grundpläne."(1130)
Wenn nämlich die sieben sichtbaren Farben für die Blawatsky-Jüngerin A.
Bailey nicht die wahre Farben sind, sondern als Deckfarben(1131),
die nur für die spirituelle Schau zugängliche wahre Farben verschleiern, dann
können die drei Farben außer den sieben des Regenbogens, die in der Neugnosis
der Dreifaltigkeit zugeordnet werden, nicht die drei physikalischen
Grundfarben, Blau, Gelb und Rot, sein, wie bei einiger christlichen Theologen
der Antike und Mittelalter(1132), sondern
(rechnerisch) nur Blau, Grün, und Rot. Von der seit Newton auch von der
Neugnosis vielzitierten Prisma her(1133),
sind die sieben Farben als aus dem "weißen" Licht
"hervorgehend" aufzufassen. Und so wie die Summe der drei
Grundfarben, Gelb, Blau, Rot, zusammen Schwarz ergibt, aber die drei Komplementärfarben
Blau-Rot, Blau-Gelb, Rot-Gelb, zusammen Schwarz (eigentlich Indigo), so meint
die Neugnosis die sieben Farben aus Schwarz, bzw. Indigo (das ist die Farbe des
mondlosen Nachthimmels) und nicht Weiß hervorgehen, wie bei der Brechung des Lichtes
durch ein Prisma die sieben Farben des Regenbogens aus dem sogenannten weißen
Licht hervorgehen. Hinkt diese Auffassung der Zusammenhänge schon hier aus dem
naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt, so muß es gänzlich mystisch vor den
"irdischen" Augen verschleiert werden, daß bei Blawatsky auf jeden
Fall das Licht aus der Finsternis hervorging:
"Selbst in der geistverwirrenden und wissenschaftermüdenden Genesis
wird Licht aus der Dunkelheit geschaffen - 'und Finsternis war über dem
Angesicht der Tiefe' - und nicht umgekehrt. 'In ihr (in der Dunkelheit) war
Leben; und das Leben war das Licht der Menschen.' Ein Tag mag kommen, an dem
die Augen der Menschen geöffnet werden; und dann mögen sie besser als jetzt den
Vers im Evangelium Johannis verstehen, der sagt: 'und das Licht scheint in der
Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht'. Sie werden sehen, daß das
Wort 'Finsternis' sich nicht auf das Sehen des Menschen bezieht, sondern
tatsächlich auf Finsternis, auf das Absolute, das das vergängliche Licht nicht
begreift (nicht erkennen kann), wie transzendent es auch für menschliche Augen
sein mag. Demon ist Deus inversus. Der Teufel wird jetzt von der Kirche
'Finsternis' genannt, während er in der Bibel, in Buche Job, der 'Sohn Gottes',
der helle Stern des frühen Morgens, Lucifer heißt. Es liegt eine ganze
Philosophie dogmatischer Geschicklichkeit in der Begründung, warum der erste
Erzengel, der aus den Tiefen des Chaos entsprang, Lux (Lucifer), der leuchtende
'Sohn des Morgens' oder der manvantarischen Dämmerung genannt wurde. Er wurde
von der Kirche in Lucifer oder Satan umgewandelt, weil er höher und älter als
Jehova ist, und dem neuen Dogma geopfert werden mußte."(1134)
Mit anderen Worten geht das Licht, das landläufig Weiß genannt wird, in der
Neugnosis aus der Finsternis (so wie die sieben Farben aus dem weißen Licht)
hervor, die gewöhnlich Schwarz genannt wird. Deswegen stehen offenbar die Drei
sowohl außerhalb wie oberhalb der Sieben, weil die sieben Farben aus den Drei
emaniert sein sollen(1135). Aufschlußreich
ist also der permanente Dualismus von Schwarz und Weiß, wobei Bailey im
Gegensatz zu Blawatsky eindeutig Weiß favorisiert und sogar Schwarz mit dem
Bösen verbindet. Bailey redet das Wort einer spirituellen Hierarchie, die sie
die Weiße Loge nennt, deren Gegenpart die Schwarze Loge (des Bösen) ist.
Schon H. P. Blawatsky (H. P. B.), in deren Abzeichen der Theosophischen
Gesellschaft zu Oberst vom Hakenkreuz dominiert war(1136),
soll unter der Anleitung von A. Bailey gelegentlich auf die Antahkarana
hingewiesen haben, so Bailey, und damit den Keim für die spätere Entwicklung
zurückgelassen haben(1137). Ihrerseits ließ
A. A. B. durch Saatgruppen(1138)den
Regenbogen als Brücke, Faden, Pfad, und schließlich die Verbindung von alles in
allem und als Alles in Allem aufkeimen(1139),
um schließlich den als Sinnbild des Kundalini-Yoga mit den sieben Chakras(1140) entschleierten Regenbogen (Antahkarana)
deklaratorisch als den eigentlichen Sinn und Zweck von New Age (im Neuen
Zeitalter) zu offenbaren(1141). Für Bailey
soll die schon seit 150 Jahren laufende farbenfrohe
"Überbrückungsarbeit" in die drei neuen Wissenschaften, die - soweit
nach Bailey geht - wichtigsten Fächer des (künftigen) Erziehungswesens im Neuen
Zeitalter, der Antahkarana, Meditation und des Dienens, einmünden, wobei
Meditation bloß die Methode (Vorbereitung im Sinne von Vorbedingung) und das
Dienen die praktische Verwirklichung und Umsetzung der Regenbogenbrücke, der
Wissenschaft der Antahkarana, seien(1142),
und die vier Erkenntnisse des Standes, der Verantwortlichkeit, des Vergebens
und der Gruppenbeziehungen, wiederum (nur) die Grundlage der im Regenbogen
zusammengefaßten drei Wissenschaften bilden(1143).
Die Wissenschaft des Regenbogens läßt sich nach Bailey in acht Verbindungen
subsumieren(1144), wobei die Quintessenz die
von der Seele schöpferisch zur Überbrückung des Empfindungsbewußtseins der
Seele - mit dem Regenbogen zur Meditation und zum Dienst(1145)-
gebrauchten Wissenschaft des Regenbogens ist. Der im menschlichen Körper wie
eine Saite (des Kriegsbogens), bzw. drei(fachen) Saiten, ausgespannten Kanäle
bis zum Schädeldach fungieren einerseits also als Verbindung von oben nach
unten, oder umgekehrt (mit sieben Abschnitten), aber zugleich als eine Art von
Antenne für den Kosmos, die von der Seele gleichsam ausgefahren werden müsse,
was wiederum gelernt sein wolle(1146).
Um auch in diesem Zusammenhang ein aktuelles Beispiel zu geben, möge die
merkwürdige Rolle des jetzigen (noch) Vorsitzenden der Bischofskonferenz,
Bischof Weber, der landläufig als der liberale Bischof schlechthin gehandelt
und dementsprechend von den liberal dominierten Medien auffallend bevorzugt, um
nicht zu sagen nach vorn geschoben wird, unter die Lupe genommen werden. Es ist
eine Sache für sich, daß sich die liberal eingestimmten Medien (seit dem
zweiten Weltkrieg) beispielloser Weise in kirchliche Reformangelegenheiten
einmischen, und dazu eigens ein Skandal als Vorwand (künstlich) züchten. Auch
ein wellenreitender liberaler Bischof, der aus der Not eines theologischen
Rivalen Kapital schlägt und lieber für die eigene kircheninterne Fraktion ein
Schäfchen ins Trockene bringt, als die Gesamtkirche vor der Blamage zu retten,
gehört auf ein anderes Blatt. Aber - ohne hier auch die wohlgemeinten
ökumenischen Verdienste des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz in Graz zu
schmälern - die Ostermesse (1995) im Fernsehen, unmittelbar nach seiner Wahl,
an einem mit einem überdimensionalen New Age Symbol(1147)
(stilisierte Regenbogen) dekorierten Altar, gleichsam als Eröffnung, zu
zelebrieren, das schlägt dem Faß den Boden aus. Es ist kaum zu glauben, daß
Bischof Weber wußte, daß die farbenfrohe Dekoration seines öffentlichen
Antritts ein neugnostisches Symbol, besser gesagt, "das"
neugnostische Symbol schlechthin ist(1148).
Ob er nun wußte oder nicht, der Gesamteindruck, abgesehen von der ästhetischen
Wonne ob dem Kunterbunt, war nicht überwältigend. Es hat insgesamt nicht gut
ausgesehen.
Ich zitiere aus meinem Protestbrief an den ORF vom 29. Jänner 1995:
»Die heutige "Orientierung" hat zwar löblicherweise der
Vollmitgliedschaft der katholischen Kirche in dem Ökumenischen Rat der Kirchen
(seit vergangenem Jahr) gedacht, stellte aber filmisch einen ursächlichen
Zusammenhang zu einer als "Basel I." bezeichneten Massenveranstaltung
(um 1989) her, um dann "Basel II." als den logischen Nachfolger
einzuläuten. Da ich begründete Bedenken habe, daß insb. die katholische Kirche
ihre Mitgliedschaft in dem Ökumenischen Rat der Kirchen in einem direkten
Kausalzusammenhang mit Basel I. sieht, bitte ich Sie der Angelegenheit
nachzugehen und gegebenenfalls der manipulierten Berichterstattung einen Riegel
vorzuschieben.
Die Basel I. genannte Massenveranstaltung fiel schon damals mit einem überdimensionalen
textillenen Regenbogen in den Medien auf, der schon lange als das
gebräuchlichste Symbol der New Age Bewegung in der Sektenforschung gilt. Als
archaisches Symbol fungierte der Regenbogen als Brücke ins Jenseits, so auch in
Indien (Antahkarana), bei Platon(1149) und
bei den Germanen, bis er von der New Age Bewegung in ein "Internationales
Zeichen des Friedens" umfunktioniert wurde, indem die Errichtung der
Regenbogenbrücke zwischen der Persönlichkeit (Selbst) und der Überseele
("Großer Universalgeist") behauptet wird(1150).
Das archaische Symbol Regenbogen wird assoziativ mit der von Blawatsky
entwickelten(1151) (von A. Besants
Privatsekretär, dem "Ghostwriter" Ernest E. Wood, systematisiert)
neugnostischen Lehre von den sieben Strahlen vermengt(1152).
Die Lehre von den sieben Strahlen entstand durch die Abtrennung der drei oberen
Sephirot als "Trinität" von den zehn Sephirot der jüdischen Kabbala,
wobei auch den sieben übrigen Sephirot (Strahlen) je ein Meister vorsteht(1153). Die sieben Strahlen werden weiter in
drei und vier unterteilt: die ersten drei korrespondieren mit der zuvor abgetrennten
Trinität und unter den restlichen vier Strahlen findet sich dann ein Meister
namens Jesus. Vor diesem spirituellen Hintergrund bezeichneten sich die Größen
der New Age ungeniert als Christen(1154), und
gaben vor - reformistisch legitimiert - lediglich die etablierten Kirchen
Christi eliminieren zu wollen (nicht das Christentum). Der Schlachtplan von New
Age ist ökumenisch getarnt(1155), ist aber
synkretistisch(1156). Als ein Anhänger der
Ökumene bitte ich Sie den pseudoökumenischen Umtrieben in der Sendung
"Orientierung" ein Ende zu setzen.
Nachdem nun der Regenbogen anderen New Age Symbolen(1157)
wie weißer Lotus, Dreieck, die Zahl 666 (vgl. Off 13,18), Kreis mit oder ohne
Mittelpunkt, Halb- und Viertelkreis, Hakenkreuz u.a., den Rang abgelaufen hat(1158), kann es kaum Zweifel darüber geben, was
der überdimensional fernsehgerechte Regenbogen aus Textil in Basel I. zu
bedeuten hatte (ich glaube mich auch an eine Kontroverse um den unangekündigten
Auftritt des als New Age Theoretiker bekannten Weizsäcker(1159)
in "Basel I." erinnern zu können). Doch selbst wenn der nämliche Regenbogen
damals in Basel nicht in den Mittelpunkt der Fernsehberichterstattung gerückt
worden wäre, wußte nun die Sendung Orientierung heute die Berichterstattung
über Basel I. so zurechtzuschneiden, daß der nämliche Regenbogen zum
Hauptinhalt der Sendung wurde. Um Mißverständnisse auszuräumen, wurden die
Bilddokumente kommentiert. Diese Erläuterungen nun widmeten so große
Aufmerksamkeit dem Regenbogen, daß der Eindruck entstand, als sei nicht der
Regenbogen für Basel I. gemacht, sondern Basel I. für den Regenbogen. Es bleibt
zu hoffen, daß die vom Wolfgang Lorenz gegenüber dem Profil(1160)
offenbarte Kultur-Utopie nicht so zu verstehen ist, daß die etablierten Kirchen
fortan bis in alle Ewigkeit den Auspuff der ORF Kulturabteilung vor Augen
haben.«
Am 20. April 1997, also kurz vor dem Anfang Sommer 1997 stattfindenden
(zweiten) ökumenischen Treffen in Graz (im Anschluß an Basel), hat der ORF in
der Sendung "Orientierung" erneut eine Regenbogenwelle gestartet.
Eine vor einer regenbogenfarbenen Schleier posierende Befreiungstheologin gab
sich kirchlich katholisch und propagierte eloquent den Synkretismus mit der
heidnischen Tradition der Indios, zeigte Bilder mit polytheistischen Götter in
Schlangengestalt - im Himmel und auf Erden - und das Schlangenpantheon
überdachenden Regenbogen. Und wie etwa mit dem heidnischen Ritual des
symbolischen Zunähen des Mundes des Täuflings, um die Lüge zu unterbinden,
synkretistisch mit der katholischen Taufe vermengt wird. Wie zufällig posierte
die neue Farauenministerin davor ebendort in der Sendung
"Pressestunde" zu Fragen über das Frauenvolksbegehren mit einem
regenbogenfarbenen Halstuch (in der gleichen dezenten Farbtönen wie die
Befreiungstheologin danach) und im Anschluß an die Sendung Orientierung mit der
isisverschleierten Befreiungstheologin (nach der isisverschleierten
Frauenministerin) empfahl der Transzendentale Meditation des indischen Gurus
der Beatles als alternative Heilmethode empfehlende Sprecher von der Sendung
"Heimat fremde Heimat" eine weißgebundene Broschüre für bikulturelle
Ehen - mit einem Regenbogen als einzige Dekoration des Deckblatts - von der
Frauenbewegung.
Um meine Befürchtung an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen, zitiere aus
meinem Brief vom 2. März 1995 an den ORF:
»Aktueller Anlaß für meine Kritik ist das von Dr. Pawlowsky in der
Sendung "Orientierung" vor zwei-drei Wochen groß herausgebrachte
Schuldbekenntnis der deutschen Bischofskonferenz (Kathpress Info-Dienst Nr. 24,
vom 29. 01. 1995, S. 07-08) anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des
Vernichtungslagers Auschwitz.
Zu der selektiven Themenauswahl durch die Religionsabteilung des ORF ist
zunächst festzuhalten, daß, von außen aufgezwungenen Ausnahmen abgesehen, in
letzter Zeit praktisch nur die Kirche schädigende, oder zumindest "in
Frage stellende" Themen im ORF präsentiert werden. Die diesbezüglichen
statistischen Vergleiche lassen sich ORF-hausintern gewiß problemlos anstellen,
wobei dem objektiven Beobachter auffallen wird, daß andere Religionen und
Sekten wenn nicht angepriesen, so doch annähernd nicht so "kritisch"
behandelt werden wie die etablierten christlichen Kirchen. Ob nun die
Umbenennung der zweckentfremdeten Religionsabteilung des ORF in eine
"Abteilung Religionskritik" oder "Abteilung Kirchenkritik"
angebracht ist, oder eine Unterteilung, bzw. Neuschaffung einer titelkonformen
Religionsabteilung neben der noch unter "Religion" firmierenden
kirchenkritischen Abteilung, möchte ich Ihnen überlassen. Ich bestehe jedoch darauf,
daß die bestehende Form der obligatorisch-gnostische Etikettenschwindel ist.
Offensichtlicher Sinn und Zweck der einseitigen Kirchenkritik durch den
ORF ist die mehr oder minder schleichende Propaganda für den
"basistheologischen" Fundamentalismus. Nach dem Postulat von Dr.
Pawlowsky(1161) würde "die Spaltung
zwischen der europäisch denkenden Kirche der Oberschicht und der auf
Inkulturation bedachten Kirche der Armen an der Basis" die Allmacht, bzw.
Allgegenwart des Klassenkampfes dokumentieren. "DAS Christentum hat es
wohl nie gegeben", so Pawlowsky, sondern von Anfang an nur Zersplitterung
und Verästelung bis zu dem heutigen Kirchen-Dschungel(1162).
In dem verbal von ihm so erschaffenen Tohuwabohu in der Religionslandschaft
versucht nun Pawlowskys sog. Religionsabteilung den Fundamentalismus dergestalt
umzudefinieren, als sei lediglich der Weltuntergangs-Biblizismus(1163), und nicht vor allem das mit einer
Zeitwende (New-Age) an der "Basis" ventilierte Goldene Zeitalter, der
Fundamentalismus par excellence. In den letzten Monaten wurde die Basis-Idee so
unverhohlen propagiert und (manchmal unter dem Namen Befreiungstheologie) in
den Mittelpunkt der "religiösen" Berichterstattung gerückt, daß das
Korrektiv des ORF die Basis-Lastigkeit der Berichterstattung, so zuletzt auch
über die Salzburger Kirchenzeitung (Orientierung) vor zwei Wochen, leicht
nachprüfen kann. Auf die offen bekannte katharische Wurzel der Basis-Ideologie,
die von Pawlowsky nunmehr als angeblich "waldensisch" verbrämt werden
soll(1164), habe ich bereits in meinen
Schreiben vom 18. und 25. Juli 1994 (vgl. Brief vom 25. Juni 1994, S. 4-6) an
Ihren Vorgänger hingewiesen. Auf weitere Widersprüche in Pawlowskys Linie komme
ich weiter unten zurück.
Auffallend in der Diskussionsrunde über das Schuldbekenntnis der
deutschen Bischöfe war, daß kein katholischer Theologe die eigentlich
Betroffenen repräsentierte, während Juden und Evangelische durch Theologen
vertreten waren. Auch im Filmbeitrag kam nur ein Sekretär, und nicht eines der
"Schuldigen" vor. Zur Person des (vom ORF zum Gespräch) geladenen
Prof. Lüthi ist anzumerken, daß er der umstrittenste Theologe an der
Evangelisch Theologischen Fakultät in Wien war, weil er Auschwitz zum Vorwand
nahm, um eine gnostische (dualistische) Zwei-Wege-Heilslehre (seit Auschwitz)
zu proklamieren. Die aufgebrachten Studenten forcierten eine Podiumsdiskussion,
in dem Lüthi von einem ebenfalls linksliberalen Professor-Kollegen
zurechtgewiesen wurde, zumal Lüthi zu freihändig mit biblischen Argumenten
umging. Lüthi war weder der Erste, noch der Letzte, der Auschwitz zu der
"Revolutionierung" des Christentums entfremden wollte, und reiht sich
auch mit seiner mangelnden, oder allenfalls sehr oberflächlichen Orientierung
an den Juden, in die Linie der Gleichgesinnten ein. Der ORF könnte aber
nachträglich die Juden fragen, wie glücklich sie sich dank der religiösen
"Aufwertung" durch Lüthi schätzen.
In der Wiener Kirchenzeitung vom 5. Februar 1995 wird auf Seite 3 die
Rede von Papst Johannes Paul II. und das nämliche Schuldbekenntnis der
deutschen Bischofskonferenz anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des
Konzentrationslagers Auschwitz inhaltlich wiedergegeben, und auf Seite 10 und
15 begann die Kirchenzeitung mit einer ermahnenden Serie mit dem Titel:
"Kirche im Nationalsozialismus: die große Schar der Zeugen". In der
Einleitung heißt es: "Die Kirche zu vernichten, war erklärtes Ziel der Nationalsozialisten.
In einer neuen Serie dokumentiert die 'Kirchenzeitung' den 'alltäglichen'
Widerstand gegen das Unrechtregime." Und weiter: "Einige Wochen nach
dem Ende des Zweiten Weltkrieges hielt Papst Pius XII. am 2. Juni 1945 eine
damals sehr beachtete Ansprache an das Kardinalskollegium, die heute weithin
vergessen ist, da gewisse Kreise dem Oberhaupt der katholischen Kirche und
durch ihn der Gesamtkirche eine nazifreundliche Gesinnung, ja sogar eine
gewisse Mittäterschaft an den von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen
unterschieben wollten. Bis heute wird von Zeit zur Zeit der Ruf laut, die
Kirche solle sich für die Verbrechen des Nationalsozialismus entschuldigen.
Demgegenüber sei mit aller Deutlichkeit festgehalten, daß weder Hitler noch
Bormann Würdenträger der Kirche, und weder die Gestapo, noch die SS
Organisationen der katholischen Kirche waren, sondern die Kirche erbittert
verfolgten." Weiter unten wird dann der Papsterklärung folgender
Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe vom 21. September 1945 zitiert:
"Nicht die Kirche kann für diesen Vernichtungskrieg verantwortlich gemacht
werden; vielmehr suchte diese das drohende Unheil abzuwenden, Versprechungen
glaubend, die ihr gemacht wurden. Aber diese Versprechungen und Zusagen sind
nicht nur nicht eingelöst worden, sondern die Kirche wurde systematisch ihrer
von Gott selbst verliehenen Rechte beraubt und in ihrer Sendung behindert. Nach
dem Schriftwort (Zach 13,7; Matthäus 26,31): 'Schlage den Hirten, dann werden
sich die Schafe zerstreuen', hat sich der Haß vor allem gegen die Priester und
Ordensleute gerichtet. Bände müßte man füllen, um zu beschreiben, was in den
letzten Jahren Priestern und Ordensleuten unter den verschiedensten Vorwänden
angetan wurde ... Wenn wir heute die Erinnerung an diese schmerzliche
Ereignisse wachrufen, so tun wir es in Ehrfurcht vor all den armen Opfern des
Hasses und im Dank für die unbeirrbare Treue Tausender. Viele sind heldenhaft
wie Märtyrer gestorben; viele verdienen den Ehrentitel 'Bekenner', den die alte
Kirche allen jenen verlieh, die um des Glaubens willen leiden mußten."
Was die Wiener Kirchenzeitung verschämt verschweigt, ist, daß der
damalige Papst von den Attentatsplänen gegen Hitler und den gesamten
organisierten Widerstand wußte, wenn nicht sogar die Fäden zog. Das
Ungeheuerliche daran ist nicht so sehr die auch nach dem Krieg fortgesetzte
Diskretion des Vatikans, sich nicht mit dem weltlichen Ruhm des
antifaschistischen Widerstands zu schmücken und hierin dem vollmundigen
Marxismus Konkurrenz zu machen, sondern das Wissen der Kritiker der Kirche um
die Verschwiegenheit der Kirche um den Antifaschismus, und die gezielt auf die
Verschwiegenheit der Kirche gestützte Unterstellung: die Kirche sei nicht
antifaschistisch genug, also schuld an den faschistischen Verbrechen gewesen.
Viele der damaligen Geistlichen aller christlichen Konfessionen, die vor allem
die Taufregister "am Fließband" gefälscht und Verfolgte scharenweise
"mit dem Schlauch" (damaliges Pfarr-Jargon) getauft und "weitervermittelt"
hatten, schweigen noch heute eisern, einerseits um die Kirche nicht als der
größte Fälschungsbetrieb der Nazizeit zu enttarnen und andererseits um die
damaligen Opfer nicht in eine peinliche Verlegenheit zu bringen. So publiziert
die Kirchenzeitung relativ harmlose Fälle, die Spitze eines Eisbergs. Es gehört
schon die bei Sondermeinungen obligate Niedertracht dazu, die Verschwiegenheit
der Kirche in das Eingeständnis der Schuld umzudeuten.
Als ein Kenner der Logik der Sondermeinungen würde ich es begrüßen, wenn
von kompetenter Seite bei den Juden vorsichtig angefragt werden könnte, ob
nicht die Gefahr bestehe, daß ein noch so ausgewogenes Schuldgeständnis auf
konfessioneller Ebene zwangsläufig auf politischer Ebene als eine rückwirkende
Solidaritätserklärung der Kirche mit dem Nationalsozialismus
"mißverstanden" werden könnte, so daß damit letztlich aufgrund der
Befangenheit der Christen gegenüber der Kirche auch der Nationalsozialismus mit
entschuldigt werden könnte. Was auch immer die Kirche vielleicht wirklich falsch
gemacht haben mag, kann und darf nicht einmal in die Nähe der
nationalsozialistischen Verbrechen gerückt werden. Der oberflächliche Zeitgeist
könnte überfordert sein, zwischen Schuld und Schuld zu differenzieren. Ich wäre
nicht überrascht zu erfahren, daß die Juden nur aus Höflichkeit gute Miene zum
bösen Spiel mit dem vorgeblichen Sonntagsfaschismus machen, denn, so könnten
sie es meinen: die Christen werden es sowieso nie begreifen. Nichts für ungut.
Der historische Hintergrund für die bekenntnistechnische Spitzenleistung
neugermanischer Bischöfe, die terminmäßig wohldosiert nun das 50er-Jubiläum
schmückt und dem einen Hauch vom Glanz der Ewigkeit verleihen soll, ist die
sog. Stuttgarter Schulderklärung(1165)der
Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) vom 19. Oktober 1945, und insb. das
sog. "Darmstädter Wort" vom 8. August 1947, das unter dem Vorwand der
Konkretisierung der Stuttgarter Schulderklärung die Kirche und Christentum ad
absurdum geführt hat. War noch in der Stuttgarter Schulderklärung von
"einer Solidarität der Schuld" und "Durch uns" die Rede, so
ging die EKD mit dem Darmstädter Wort(1166)
vor dem Stalinismus mit dem Bekenntnis in die Knie: "Wir sind in die Irre gegangen,
als wir übersahen, daß der ökonomische Materialismus der marxistischen Lehre
die Kirchen an den Auftrag und die Verheißung der Gemeinde für das Leben und
Zusammenleben der Menschen im Diesseits hätte gemahnen müssen. Wir haben es
unterlassen, die Sache der Armen und Entrechteten gemäß dem Evangelium von
Gottes kommendem Reich(1167) zur Sache der
Christenheit zu machen." Die Wogen der hierdurch entfesselten Kontroverse
gingen hoch und begruben allfällig noch christliche Überreste der EKD unter
sich. Nach dem Zweiten Vatikanum erlag die katholische Theologie zunehmend den
Verlockungen der fälschlich sogenannten "Vernunft", die schon zuvor
die Evangelischen ausgelaugt hat, sie kam aber Gott sei dank über einen
Möchtegern-Liberalismus nicht hinaus. Die Liberalität dieses Teiles der
katholischen Theologie erschöpft sich zumeist in dem Kopieren all dessen was
evangelisch oder "vernünftig" aussieht, ohne die - zumal entlehnte -
Entfremdung auf evangelisches Niveau bringen zu können.
Nachdem der evangelische Nietzsche die Welt mit einem "Gott"
beschenkt hat, der nichteinmal mehr an sich selbst glauben konnte, stand dem
Siegeszug einer neuen Spiritualität nichts mehr im Wege. Anfänglich wurde der
bisherige Gott offen und ehrlich geleugnet und der Alternativglaube (d. i. zu
glauben, daß man imstande sei entweder "alles andere" oder
"nichts und wieder nichts" zu glauben) wanderte insb. in die
Philosophie und Kunst ab. Später jedoch wollte die Alternative wieder das
altmodische Schafpelz warmhalten. Nun blühte die liberale Theologie in der aus
ihr hervorgehenden "Dialektischen Theologie" Bultmanns und in der
"konsequenten Eschatologie" Albert Schweitzers auf. Der theologische
Atheismus, bzw. die antichristliche Theologie (der Moderne) war geboren.
[...] Typisch für die von Pawlowsky repräsentierte Denkschule ist z. B.
die zynische Heroisierung des rechtsextremen Flügels der protofaschistoiden
Zeloten in Massada(1168) um 70-73 n. Chr.,
als wären gerade jene die wahren Juden, die letzten Juden gewesen, obwohl diese
Terroristen gegen den Willen der Mehrheit die Macht gewaltsam ergriffen, den
Untergang (durch Terror) heraufbeschworen und besiegelt hatten, und von der
authentisch jüdischen Tradition als Scharlatane (Volksfeinde) verurteilt worden
sind.«
Es wäre - wie gesagt - schwer anzunehmen, daß Bischof Weber weiß was er tut,
aber nach der ohnehin nicht leichten Vorarbeit unter der Ägide seines
Vorgängers, um die Verleumdung der Kirche entgegenzuwirken, einfach alles über
Bord zu werfen, und sich für Nationalsozialismus im Namen einer doch letztlich
unschuldigen Kirche zu entschuldigen, macht einen zynischen Eindruck, auch wenn
die Redaktion der Wiener Kirchenzeitung von dem neuen Vorsitzenden aus Graz nicht
justament in der Stephanskirche der Lächerlichkeit preisgegeben worden wäre.
Die Optik einer Entschuldigung für Nationalsozialismus durch einen Unschuldigen
(Opfer) für die eigentlich ihm (auch) angetanen Verbrechen(1169),
entsühnt nur die wahren Verbrecher ("stellvertretend"), nicht die
Kirche. Wie man das auch immer dreht und wendet, das ist eine üble - wenn nicht
die übelste - Verleumdung der Kirche, durch den neuen Vorsitzenden der
Bischofskonferenz. Darüber hinaus ist das eine Diskreditierung der Wiener
Kirchenzeitung, wenn mitten in einer laufenden Zeitungskampagne der Grazer
Bischof in dem Stephansdom von der Kanzel die Redaktion der Wiener
Kirchenzeitung Lügen straft. Noch dazu ohne den eklatanten Widerspruch zu kommentieren.
Vor diesem Hintergrund, so würde die traditionelle Sprache der Theologie
ausdrücken, schreit es gegen den Himmel, wenn der Gleiche Grazer Bischof die
sprunghaft angestiegenen Kirchenaustritte, die durch sein - milde ausgedrückt -
widersprüchliches Verhalten verursacht wurden, seinem öffentlich verleumdeten
Vorgänger in die Schuhe schiebt.
3.9.6. Der Liber
Mit einer Etymologie des Wortes "liberal" kann einiges
verdeutlicht werden. Der Wortstamm "Liber" hat an die vier
verschiedene Grundbedeutungen(1170), von
denen die Gruppe "Laub", "Bast" und die Ableitungen
"Blatt", "Papier(us)" (auch im Sinne von
"Schreiben", "Erlaß", "Brief",
"Verzeichnis"), "Buch", kann in unserem Zusammenhang
zunächst außer Acht gelassen werden. Die zweite Grundbedeutung für
"Liber" ist in etwa "Freier", nämlich als Bürger, der
Rechte hat, und vor allem zum Volk gehört. Der Attributivsinn "frei"
mit einigen Nuancierungen kann zum Teil vor und zum Teil nach der Substantivierung
entstanden sein. Eine wichtige Ableitung ist die Bezeichnung "Liber"
für Kinder, wobei manchmal diese Ableitung als dritte Grundbedeutung aufgefaßt
wird. Die vierte Grundbedeutung ist der Name des Gottes Dionysos, wobei diese
Gleichsetzung zwar später erfolgte und ein Gott ähnlichen Charakters zuvor
anzunehmen sein wird, über den aber der Wissensstand in der Forschung nicht zu
weiterreichenden Schlüssen ausreicht(1171).
Nachdem das Heiligtum des Gottes Liber als die Verwaltungszentrale (Jurisdiktion,
Kassa und später sogar eine Schattenregierung) des Bürgertums (Plebejer)
anzusehen ist(1172), wo auch alle
"Befreiungen" (Liberationen) stattzufinden hatten, kann, ja muß wohl
eine auf der Hand liegende Verwandtschaft in den letzten drei Grundbedeutungen
von "Liber" angenommen werden. Denkt man an den stets mit Efeu-Laub
gekrönten Dionysos (Liber) und an sein ständiges Symbol, den Thyrsos-Stab, der
ebenfalls Laubgeschmückt war(1173), könnte
sogar der Begriff der Freiheit von einem "Laub" ("Blatt")
genannten Gott abgeleitet werden, sei es, weil der "Freiheitsbrief"
ebenfalls "Blatt"/"Papier" (Liber) hieß(1174),
oder weil die Stätte der Abwicklung - nach dem Gott - so genannt wurde.
Der heute für landläufig gehaltene Sinn des Wortes "freisinnig"
oder "spendabel" (großherzig) haftet in der Primärbedeutung bereits
dem Liber als Schöpfer und Fruchtbarkeitsgott an, der auch von allen
materiellen Sorgen, besonders in der Landwirtschaft, (durch den gespendeten
Segen für die Fruchtbarkeit der Natur) befreit. Die heute eher gebräuchliche
Sekundärbedeutung (spendabel) kam im späteren Verlauf der Kaiserzeit dazu, wo
die von einem Kaiser so genannte Spendenaktion von seinen Nachfolgern unter dem
Namen "Liberalitas" institutionalisiert wurde(1175).
Es gäbe zwar eine zweite Primärbedeutung, in dem außer der gewöhnlich mit Liber
zusammen auftretende Libera(1176) noch eine
Freiheitsgöttin Libertas mit einem eigenen Tempel im alten Rom gab, und die
dann in der Französischen Revolution als atheistischer Gottersatz herhalten
mußte(1177). Doch ist einerseits ihr
Nahverhältnis zu (Iuppiter) Liber durchgehend dokumentiert und andererseits
auch die Gleichsetzung Iuppiter Liber=Iuppiter Libertas(1178),
so daß die Annahme einer zweiten Primärbedeutung nicht gestattet scheint.
Das Attribut der "Freiheit" im Sinne von Befreier und Erlöser
haftet auch dem griechischen Dionysos unter dem Namen Lysios an(1179), und wird sogar mancherorts (insb. in
Theben) als eigene Gestalt neben der Bacchus-Gestalt des Dionysos im gleichen
Tempel angenommen.
Der moderne Sprachgebrauch des Wortes "liberal" in dem Sinne, wie
auch für die substantivische Form (für die weltanschauliche Geisteshaltung) in
Anspruch genommen wird, ist, trotz gelegentlichem Gebrauch schon vorher (mehr
im Sinne von "freigiebig"), aus dem Französischen (libéral) zur Zeit
der Französischen Revolution, oder unmittelbar daran anschließend (im Sinne von
"sich die Freiheit nehmen"), übernommen worden(1180).
Die auch in allen (weiteren) Wörterbüchern bezeugte Übernahme aus dem
Französischen, obgleich der Wortgebrauch an sich im Deutschen bereits in dem
Sinne von freisinnig zuvor vorkam, bezeugt einerseits den zeitgleich
gewandelten Sinngehalt, und andererseits den Bezug zu der Französischen
Revolution, deren Ideale mit dem Begriff "liberal" bezeichnet wurden.
Daß das revolutionäre Freiheitsideal der Franzosen in der Aufstellung der
Freiheits-Göttin (und Einrichtung des Kultes der Vernunft) in der Pariser
Notre-Dame, nach der offiziellen Abschaffung Gottes, ihren Ausdruck fand, legt
ein beredtes Zeugnis von der (neuen) Sinngebung des Wortes, nämlich
freiheitlich (liberal) im Sinne der Freiheitsgöttin Libertas=Libera, was
weniger als "freigiebig", sondern mehr als "Befreier" zu
verstehen ist(1181).
3.9.7. Die Venus
Das der Dionysos (Liber) - samt Anhang - als das Luzifer-Symbol schlechthin
(schon lange vorher) galt, kann von einer anderen Seite, bzw. von mehreren
Seiten her, nachgewiesen werden(1182). Das besondere
Moment, den die Moderne in der Gestalt des Dionysos/Liber hervorhob, war die
(gelegentliche) Gleichsetzung der Kore/Libera mit Venus(1183)
(Aphrodite). Die gleiche Venus trägt nämlich von Anfang an den Beinamen Luzifer
(Phosphoros), bzw. wird der Planet Venus in seiner Phase als Morgenstern immer
als Lucifer bezeichnet(1184), und so
zunehmend auch die Göttin. Gewiß genoß die Venus bei den Mystikern immer schon
große Aufmerksamkeit, doch wegen der androgynen Gestalt(1185),
die sowohl von Venus(1186), wie auch von
Dionysos/Liber überliefert ist, wurde die Venus von den Satanisten des vorigen
Jahrhunderts als weibliches Pendant zu Luzifer-Satan erkoren (wohl weil beide
gleichermaßen durch die grüne Farbe symbolisiert werden(1187))
und als solches kultiviert(1188), wobei
Luzifer stets dionysische (liberale) Attribute zeigt.
Um auch nur die Vermutung eines Zufalls auszuschließen, kann noch auf den
Feminismus verwiesen werden, der sowohl bekennend Luziferisch ist(1189), wie auch das Symbol der Venus(1190) (ein Kreis über ein Kreuz: &) im
"Wappen", bzw. als "Wappenzeichen" (Logo) trägt, und
konsequent "in diesem Zeichen" öffentlich auftritt. Unlängst ist z.
B. die internationale Welt-Frauentagung in Peking(1191)
im Zeichen des - im Fernsehen bei uns auch immer kaum übersehbaren (grünen(1192)) - überdimensionalen Venus-Symbols
(&) über die Bühne gegangen(1193). Ebenso
z. B. die Tagung der Sozialistischen Frauen, allerdings war da das gleiche
Symbol der Venus rot, und nun soll eine erste (internationale) feministische
Synode in Österreich geben(1194). Es entsteht
zwar der konkrete Eindruck, daß ohne das Luzifer-Symbol heute keine sogenannte
Frauenbewegung mehr zu denken ist. Allerdings sind weder der Feminismus, noch
Luzifer eine Erfindung von Frauen, und auf die feministische Idee kann ohnehin
kaum eine Frau, sondern nur ein Mann kommen (z. B. Agrippa von Nettesheim(1195) oder Cagliostro(1196)),
weil der Feminismus dem Weiblichen an sich naturgemäß fremd ist und von außen
hineingetragen werden muß.
Es wird über die teils zum Christentum zwangsbekehrten Indios in
Lateinamerika erzählt, daß sie die Heiligenstatuen innen aushöhlten und ihre
Götzen darin versteckt haben: Die Missionare staunten lang, wie die Indios so
fleißig in die Kirche gingen. Ähnlich kann ein verbalikonographisch begabter
Gnostiker stets "Freiheit" (Liberalia) sagen und "Luzifer"
meinen. Daß im katholischen Lager die sogenannten Liberalen überwiegend nur
Möchtegern-Liberale sind, die nicht wissen was sie tun, ist bereits weiter oben
bemerkt worden. Diese luziferischen Halbstarken zählen nicht unbedingt direkt
zu den Liberalen, obwohl sie als Vorfeld und Aufmarschgebiet (Einfallstor) des
Luziferismus oft ungeheuere Schäden anrichten.
3.10. Die Basis
Der zehnte Grundsatz ist die Decodierung der Paradigmen
"Befreiungstheologie" und "Basisgemeinden", Kurzform
"Basis", als neo-katharisch(1197),
und damit luziferisch(1198). Ähnlich wie
übereifrige evangelische Theologen heute noch Strukturhäresie der katholischen
Kirche vorwerfen, weil diese für sie unbiblische Verwaltungsschemata gebraucht,
so - und noch mehr - kann die deklariert katharische (neo-katharische)
Organisationsform der sog. Basis-Gemeinden der Befreiungstheologie, diese
(zumindest in diesem Punkt) als luziferisch (ausgerichtet) überführt werden.
Schon etwa das Paktieren der Befreiungstheologie mit dem atheistischen
Marxismus (beachte das Streben des Marxismus nach einem atheistischen
System/Struktur, bzw. das Konzept der Verwirklichung des Atheismus durch das -
und in dem - System) ist erstens unchristlich (ein Christ paktiert nicht mit
dem Bösen) und zweitens strukturhäretisch (aus dem nämlichen Grunde). Wenn
jedoch die Anlehnung an den systemorientiert atheistischen Marxismus mit der
eigenen Orientierung an dem katharisch luziferischen System gepaart ist, kann
von einer eindeutig strukturhäretischen Linienführung gesprochen werden.
Die bewußte Annahme der als luziferisch bekannten Strukturen ergänzen die
Befreiungs- und Basistheologen mit pseudowissenschaftlicher Forschung, deren
Resultat das Katharertum als angeblich christlich vortäuschen soll(1199). Dabei heben die Neo-Katharer die von der
traditionellen Theologie für luziferisch, bzw. pseudochristlich gehaltenen
Eigenheiten ihrer Lehre(1200) hervor. Außer
dem Luziferismus leugnen die Katharer insb. die wahre Menschheit Christi(1201) und verfechten die unchristliche
(gnostische) Lehre von der Seelenwanderung(1202).
Würden auch die in neo-katharischen Basisgemeinden organisierten
Befreiungstheologen nicht auf das Goldene Zeitalter (Chiliasmus) der
paradiesischen Zustände auf Erden hinarbeiten, könnten sie schon etymologisch
aufgrund der Eigenbezeichnung "Befreiungstheologie" (sprachlich eine
deutsche Version des Begriffs "Liberale Theologie") als luziferisch
überführt werden.
Es ist zwar nur ein Nebenaspekt, aber - wegen der hohen Aktualität - kann hier
darauf verwiesen werden, daß außer dem Katharertum nicht einmal die übrigen
Pseudochristen das Priesteramt der Frauen kannten. Schon bei den Paulikianer,
auf die die Katharer zurückgehen, wurde die Frau stark "aufgewertet",
ohne jedoch die gleichberechtigte priesterliche Funktion zu haben, wie es bei
den Katharern - dem Vernehmen nach - tatsächlich eingeführt war. Wegen dieser
Einzigkeit (Ausschließlichkeit) der Frauenpriester bei den Katharern kann die
Institution der Frauenpriester und Frauenordination als luziferisch (weil
ausschließlich bei den Luziferisten vorzufinden) identifiziert werden, zumal
die Verfechter der geistlichen Ämter für Frauen zugleich für katharische
Strukturen (Strukturhäresien) eintreten. Typisch gnostisch war z. B. die Rede der
Vorsteherin der katholischen Ordensfrauen unlängst (glaublich in Italien), die
höflich aber bestimmt eine "Neuorientierung" hinsichtlich der Frauen
verlangte. Sie schwang Reden vor den versammelten Oberinnen (Äbtissinnen), als
wäre für sie der biblische Gott, zumal als Mann, auch nicht mehr gut genug. Ich
zitiere aus meinem Schreiben an den ORF vom 25. Juni 1994:
»[...] Aus meiner vielleicht etwas emotionellen Wortmeldung werden Sie
wohl entnommen haben, daß mir die bisher formell abgehandelte Frage der Frauenordination,
bzw. Priesterweihe für Frauen, auch inhaltlich nahe geht. Um eventuellen
weiteren Mißverständnissen vorzubeugen, fühle ich mich schuldig zu bekennen,
daß ich ein entschiedener Gegner von Frauen in geistlichen Berufen bin. Ich
erhebe aber den Anspruch objektiv behaupten zu können, daß meine Haltung
"emanzipationsfreundlicher" und frauenfreundlicher ist, als die
undifferenzierte Gleichsetzung von Frauen und Männer im Beruf.
Ich gehe davon aus, daß eine undifferenzierte Gleichsetzung, um nicht zu
sagen "Gleichschaltung" der Frau mit dem Mann im Beruf, wie es
heutzutage heuchlerisch forciert wird, die nämliche Frau unzumutbar
übervorteilt. Die arbeitende Frau braucht keine Männerrechte, sondern
Frauenrechte. Praktisch ist jede lautstark verkündete Zuerkennung von
Männerrechten an Frauen ein Betrug an der Frau, weil sie ihre nunmehrigen
Männerrechte nur unter Verzicht auf ihre Frauenrechte in Anspruch nehmen kann.
Kein Mensch kann auf die Dauer gleichzeitig Mann und Frau sein, so wie es von der
sog. modernen Frau verlangt wird. Die Täuschung der Frau über ihre Rechte,
nämlich als Frau, ist anscheinend schon deswegen gleichsam erforderlich, weil
sie vor Gott und dem Gesetz (im Sinne des übergeordneten Natürlichen Rechts)
das unveräußerliche Recht hat, Frau zu sein. Um aber der Frau die an sich
unveräußerlichen Frauenrechte doch zu nehmen, bzw. sie zu einem scheinbar
freiwilligen Verzicht zu bewegen, hat die sog. Moderne das Frausein
disqualifiziert, bzw., diskriminiert, um die Männerrechte um so attraktiver für
Frauen erscheinen zu lassen. Kaum eine Männergesellschaft hat die Frau je so
weitgehend diskriminiert wie die sog. moderne Frauenbewegung, die faktisch die
Identität der Frau, ihre Existenzberechtigung in Frage stellt, um sie zur
angeblich freiwilligen Aufgabe ihrer Position zu bewegen, d. h. ihre Identität
zu verleugnen. So könne in diesem Zusammenhang höchstens darüber diskutiert
werden, ob und inwieweit die sog. Moderne wußte und wissen mußte, daß die
falschen Versprechungen an die mit Männerrechten geköderten Frauen von
vornherein unerfüllbar waren. Ob es den Predigern der sog. Frauenideologie, als
der "letzte Schrei" in Sachen Religion, offensichtlich voll bewußt
gewesen sein muß, daß die dergestalt verkündete Überfrau selbstredend von den
gleichen Eltern ist, wie Nietzsches, bzw. Hitlers Übermensch(1203)
[...].
Der eklatante Widerspruch in der Ideologie und Praxis der Frauenarbeit
kann in dem bildhaften Vergleich mit der Rolle der Frau auf der Olympiade, als
ein Inbegriff von Leistungsvergleich, eines der neueren Errungenschaften
europäischer Kultur, objektiv veranschaulicht werden. Denn sobald die Frauen
zur Olympiade gleichberechtigt zugelassen wurden, sorgte man sich umgehend um
die saubere Trennung zwischen Männer und Frauen. Es gibt keine einzige
olympische Disziplin, wo sich eine Frau mit einem Mann messen müßte oder
dürfte. Es leuchtet auch ohne größeren theoretischen Aufwand ein, daß praktisch
in allen Disziplinen ohne eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der
Teilnehmer zu einer Übervorteilung, d. h. Diskriminierung der Frauen käme.
Grundsätzlich ist also nicht die Geschlechtertrennung, sondern die
Gleichschaltung der Frau im mit dem Mann im Beruf, die sie unzumutbar
übervorteilt. Die Gleichschaltung der Frau mit dem Mann im Beruf ist also der
Betrug um die Gleichberechtigung der Frau.
Allein schon aufgrund der physiologisch bedingten sozialen Rolle der
Frau als Mutter ist sie zumindest um einige Berufsjahre gekürzt. Für ihre
Karrierechancen hat das ungefähr die Wirkung, als müßte sie auf der Olympiade
dem ohnehin besser konditionierten Mann noch zusätzlich einen erheblichen
Vorsprung geben und so gegen ihn im direkten Wettbewerb antreten. Die Überfrau
trägt im Beruf des Kaisers neue Kleider: sie hat sozusagen des Kaisers neue
Hosen an. Ich wünschte mir schon lange eine öffentliche Diskussion darüber, ob
und inwieweit die hohen Absätze der Frauen, ähnlich wie die Schulterpolster in
jüngster Zeit, Männlichkeitsprotesen im Dienste der Frauenemanzipation sind.
Der ORF könnte mich überglücklich machen, wenn im Dienste der
Meinungsvielfalt eine statistische Studie über die Wechselwirkung zwischen
männliche (burschikose) Frisur und Politkarriere bei Frauen in Österreich
erstellt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte.
Lobend müßte erwähnt werden, daß beim ORF auch Langhaarige eine Karrierechance
haben (ausgenommen sind hier die vom ORF als Gäste geladenen, meist
kurzgeschorenen, Frauenrechtlerinnen), so daß unbefangen hinterfragt werden
kann, wer und warum Langhaarige in der Politik diskriminiert, bzw. warum
Kurzhaarige bevorzugt werden. Ist die Vermännlichung der Schlüssel zur
Politkarriere der Frau? Weiters könnte von Interesse sein, ob die Kurzhaarigen
überhaupt die Frau an sich repräsentieren, oder sind sie analog der Politpraxis
im ehemaligen Ostblock lediglich selbstgerechte Scheinvertreter? Ist die
Überfrau eine Karikatur des Mannes, wie der Übermensch eine Karikatur des
Christen war, oder ist sie etwas noch nie Dagewesenes, der Quantensprung der
Evolution?
Nirgends aber hat die falschverstandene, weil in Gleichschaltung
umgedeutete, Gleichberechtigung der Frau im Beruf so groteske Formen
angenommen, wie bei der Öffnung des Richteramtes für Frauen. Ähnlich wie
nunmehr bei dem Priesteramt, ging es keineswegs um ein sachlich fundiertes
Vorgehen, sondern nur um Prestige, Ansehen der Person, Politpropaganda,
Ideologie und ähnliches, also um Dinge, die dem Richteramt wesensfremd, mit ihm
unvereinbar sind. Die meisten Juristen sind fassungslos zu hören, daß in
Österreich, zumindest in Wien, weit über die Hälfte der Richterinnen, man
munkelt sogar von 90 Prozent in früheren Jahren, mit einem Richter oder
zumindest mit einem Justizangehörigen verheiratet oder nahe verwandt sind. Wäre
diese Information offiziell den Medien und den Kontrollinstanzen der Demokratie
zugänglich, würde das Parlament wie ein Mann, bzw. wie eine Frau, aufstehen und
eine Gedenkminute zu Ehren der (somit offiziell verabschiedeten)
Rechtsstaatlichkeit abhalten. Denn Demokratie ist synonym für
Rechtsstaatlichkeit, während Rechtsstaatlichkeit in der Institution des
unabhängigen Richters begründet ist. Wird es einmal ruchbar, daß die
Justizverwaltung nichteinmal für die objektive Auswahl der Amtsanwärter in der
Lage war, kann im Sinne der für die Justiz verbindlichen strengen Logik von
einer ordentlichen Rechtspflege nicht mehr die Rede sein. Auch wenn es bei den
männlichen Richtern schwerer wäre die manipulierte Personalpolitik der Justiz
nachzuweisen, die statistische Auswertung der Verwandtschaftsverhältnisse der
Frauen überführt die Personalpolitik der Justiz insgesamt als
protektionistisch. Wenn also die Eignung der Frau zum Richterberuf nur nach
dynastischen Gesichtspunkten, und nicht aufgrund der Befähigung beurteilt wird,
dann ist das auch dann eine Pervertierung der Gleichberechtigung der Frau im
Beruf, wenn die Verwandten der Frau nicht Männer sein müßten. Diese Praktiken
sind die wahre Diskriminierung, die Verhöhnung des Gleichheitsgrundsatzes der
Frau im Beruf, eine Verhöhnung der Frau im Namen der Gleichberechtigung.
Ich bin zwar ein entschiedener Gegner von Frauen in geistlichen Berufen,
bin aber ansonsten von den üblichen Vorurteilen gegenüber der berufstätigen
Frau frei. Ich möchte fast sagen, daß ich gegenüber der berufstätigen Frau
positiv voreingenommen bin. Ich hielt z. B. meiner Ärztin über zwanzig Jahre
die Treue und wechselte vor kurzem zu ihrer Tochter. Insgesamt möchte ich den
Umgang mit berufstätigen Frauen nicht missen, sondern verträglicher machen. Ich
bin überzeugt, daß die Gleichberechtigung der Frau im Beruf nur durch mehr
Rechte für die Frau als sie Männer haben verwirklicht werden kann, denn die
derzeit propagierte Gleichheit an Rechten die Frau benachteiligt. Meine Mutter
war eine eingefleischte Feministin, die heute (ohne meinen Einfluß) nichts von
weiblichen Pfarrern in der evangelischen Kirche wissen will, so daß ich die
Problematik aus nächster Nähe kenne.
Meine eigentlichen Beweggründe, und vor allem meine Entschiedenheit in
Sachen weiblicher Geistlichkeit, sind theologischer Natur. Es hat sich aber
eine sachliche Diskussion über derartige theologische Fragen immer wieder als
eitle Hoffnung erwiesen, da die Befürworter besser als die Gegner der
weiblichen Geistlichkeit wissen, daß sie ihren Standpunkt weder sachlich noch
theologisch begründen können oder wollen. Insb. gehen eher die Befürworter als
die Gegner der weiblichen Geistlichkeit davon aus, daß ihr Anliegen mit der
herkömmlichen Theologie absolut unvereinbar ist, so daß mit der Durchsetzung
ihrer Forderung die Identität des herkömmlichen Kirchentums und Christentums
insgesamt in Frage gestellt wäre. Im herkömmlichen Kirchenverständnis ist die
"Infragestellung" aber nicht bloß der Anfang vom Ende, sondern ein
äußeres Zeichen des innerlich bereits vollzogenen, bzw. besiegelten Untergangs.
In der fortgesetzten Auseinandersetzung mit pseudoreligiösen, bzw.
pseudotheologischen Argumenten in diversen gleichgelagerten theologischen
Fragen habe ich mich autodidakt zu einem kleinen Experten von religiösen
Sondergruppen und Sondermeinungen innerhalb und außerhalb den etablierten
Kirchen entwickelt. Die Befürworter von weiblicher Geistlichkeit nehmen zwar in
ihrer Argumentation oft und gerne theologisch-religiös gefärbte Anleihen, aber
ihre Beweggründe und Zielsetzungen sind dem Profanen verhaftet. Im
theologischen Sprachgebrauch heißt es in solchen Fällen, daß die Befürworter
der weiblichen Geistlichkeit nicht Gottes Ehre suchen, sondern nur ihre eigene
Ehre. Den Befürwortern der weiblichen Geistlichkeit geht es nicht um das eigene
Seelenheil, oder gar um das Seelenheil der Mitchristen, sondern um mehr Geld
(in diesem Fall für die Frauenarbeit), allenfalls mittelbar über den dann
materiell verwertbaren Ruhm und Ehre in den geistlichen Berufen. Der Feminismus
ist nicht nur im ideologischen Bereich schelmisch (luziferisch), sondern sie
zeigt sich auch in der Gesprächskultur unsportlich. Im Sinne ihrer
subkulturellen Logik führt sie oft eine taktische Pattsituation herbei (Aussage
gegen Aussage), auch wenn sie dabei das Blaue vom Himmel dem Publikum
präsentieren muß.
Eigentlich sollte der ORF, bevor er sich auf profaner Ebene in die von
ihm forcierte Diskussion um die Priesterweihe der Frauen einmengt, der
wissenschaftlichen, d. h. theologischen Seite der Fragestellung nachgehen, und
erst dann allenfalls populistische Diskussionen zulassen, bzw. fordern. Es ist
mehr als zweifelhaft, ob nach einer seriösen Information auf wissenschaftlichen
Ebene die Befürworter von weiblicher Geistlichkeit überhaupt noch eine
populistische Diskussion reklamieren würden. Es läßt sich auch im profanen
Bereich die Widersprüchlichkeit der feministischen Haltung zeigen.
a.) Immer wieder klingt in der feministischen Kritik an der
Männergesellschaft die Verheißung einer matriarchalen Herrlichkeit durch. Die
hierbei eingenommene evolutionistische Position des Feminismus zeigt sich aber
schon allein deswegen als widersprüchlich, weil im historischen Vergleich stets
die matriarchalen Strukturen als Vorläufer von patriarchalen Strukturen, also
als die primitivere Vorform der Hochkulturen und der heutigen Zivilisation
erkennbar sind. Man könnte vielleicht in diesem Zusammenhang darüber
diskutieren, ob die seit einigen Jahren verbreitete Freizeitmode für Damen
"oben ohne", als Solidarisierung mit den matriarchalen Strukturen der
Buschkultur auch in den Gottesdiensten zum Tragen kommen soll, oder ist es ein
Ausdruck der Gleichberechtigung der Frau, die nunmehr auch im Bad und in der
Freizeit "oben ohne" gehen kann: ganz wie die Männer. Es wird kaum an
seriösen soziologischen Arbeiten fehlen, die die Unmöglichkeit der Rückkehr zu
den matriarchalen Strukturen in jeder Hochkultur feststellen.
b.) Das evolutionistische Argument spricht also eindeutig für die
Männergesellschaft. Obwohl auch die Bibel eine Vertreibung aus dem Paradies
kennt und das Heil an diesem Urbild orientiert ist, widerspricht das Evangelium
jedweder diesseitigen Erfüllungserwartung. Gnostische und pseudochristliche
Sekten tradieren hingegen seit Urzeiten den Mythos vom sog. goldenen Zeitalter,
wo dereinst Güter- und Sexualgemeinschaft herrschten, das nach einigen
Jahrtausenden auf die Erde wiederkehren wird. Trotz aller Variationen
durchzieht diese Idee wie ein roter Faden alle pseudoreligiöse Subkulturen in
mehr oder minder ausgeprägter Form. Diese bekennend staats- und
kirchenfeindliche (parasitäre) Geisteshaltung, die nach eigenen Angaben nur
durch die Zerstörung der bestehenden Ordnung verwirklicht werden kann, hat
schon u. a. den Zarathustrismus im 5. Jh., den Islam im 9. Jh. und das
abendländische Christentum ab dem 11. Jh. als Katharer (daher das Wort
"Ketzer") und ab dem 13 Jh. als "Brüder des freien Geistes"
und Begharden (weiblich: Beginen) jeweils in die größte Identitätskrise, bzw.
an den Rand einer Existenzkrise gebracht. Die Gnosis zeigt sich anfänglich zum
Schein diskussionsbereit und imponiert mit einem Überhang an Moralität
(gelegentlich auch mit der Übermoral, etwa im Sinne von sexueller Freiheit) bis
zur Aushöhlung (oft durch Unterwanderung) der jeweiligen staatstragenden
Religionsgemeinschaft und Machtergreifung. Es folgt auf die
"Diskussion" zumeist eine exzessiv blutrünstige (radikale) Phase
(Revolte) und nach dem meist unvermeidlichen Sturz in kürzester Zeit die
Metamorphose in Richtung (militante) Pazifismus (z. B. Wiedertäufer) oder
Geheimbünde im Dienste der abstrahierten, bzw. "transzendierten" aber
gleichbleibenden (fanatischen) Ideale.
Von vereinzelten Spuren abgesehen ist die weibliche Geistlichkeit im
christlichen Abendland durch die von Kleinasien (Paulikianer) auf den Balkan
(Bogumilen) übersiedelten, und von dort über Sizilien (als Söldner) nach
Südfrankreich eingewanderten Katharer (Albigenser) bekannt und verbreitet
worden. Die weiblichen Geistlichen traten in der Regel paarweise als
Wanderprediger auf und schienen ihnen männlichen Kollegen gegenüber
gleichberechtigt gewesen zu sein. Die markantesten theologischen Abweichungen
von der Etablierten Lehre bei den Katharern war einerseits die Annahme von
Luzifer als Schöpfergott statt Jahwe(1204),
und andererseits die Leugnung der Menschheit Christi. Zu dem kam noch ein
protokommunistisch« (protostalinistisch) bis anarchistische Züge tragendes
Armutsideal und Verteufelung der Reichen (ein Grundmotiv der schwarzen Magie
und schwarzen Messe ist die Ermordung von Reichen nach der Kulthandlung: im
Dienste eines pseudochristlichen Ideals). Den expandierenden Katharern stand
die fast zerschlagene Kirche hilflos gegenüber, bis die von Franz von Assisi
und Dominikus gegründeten sog. Bettelorden (Franziskaner und Dominikaner) das
christliche Armutsideal aufgerichtet und der Armutsbewegung der Katharer den
Wind aus den Segeln genommen haben. Nach dem Kreuzzug gegen die Albigenser
gingen die Katharer in den Untergrund, doch ihre Substrukturen und Ideale
lassen sich praktisch in allen kirchen- und gesellschaftsfeindlichen Bewegungen
rekonstruieren. Detaillierte Angaben über die Sexualpraktiken und über durch
Eigentumslosigkeit legitimierten kriminellen Besitzerwerb, sowie absonderliche
pseudomessianische Kuriositäten unter den Brüdern des freien Geistes und
Begharden, würden zu weit führen. Sie sind aber mitsamt Agrippa von Nettesheim,
Jakob Böhme und den Pietisten u. a. Tradenten der gnostischen (luziferisch
pseudochristlich und frauenemanzipatorisch bis frauenveherrlichenden) Linie der
abendländischen Kulturgeschichte bis auf Goethe.
Weniger theologisch als kulturhistorisch gilt Goethe und sein
"Faust" als Meilenstein (der abendländischen Kultur- und
Geistesgeschichte). Man kann ihn als repräsentativ anführen, zumal nicht wenige
bis zur Jahrhundertwende und sogar bis zum Ersten Weltkrieg von dem
Goethezeit(alter) Sprechen(1205). Goethe ist
eines der wichtigsten Orientierungspunkte, um nicht zu sagen das Ventil der
Moderne schlechthin, respektive pseudoreligiöser Geistesströmungen.
Am Schluß seines Hauptwerkes, des Faust II., läßt nun der nämliche
Goethe den Helden Faust durch das "Ewig Weibliche" aus dem
Teufelspakt erlösen. Bezeichnend für dieses (laut Jungianer, unter Anleitung
des Gnostikers C. G. Jung persönlich, als der gnostischen "Pistis
Sophia" nachempfundenen) Himmelsszenerie, daß die Frauenheldin eine Stufe
höher in die unmittelbare Nähe der weiblichen Erlösergestalt in der offensichtlich
hierarchisch eingeteilten "Himmel" gelangt, während der allzu
männliche Faust mit den unteren Rängen vorlieb nehmen muß, um der weiblichen
Erlösergestalt aus der richtigen Perspektive Verehrung erweisen zu können. Die
meisten Kommentatoren des Faust übergehen geflissentlich, daß mitten im
Erlösungsgeschehen des Faust II., der von den Engeln der weiblichen
Erlösergestalt zum Teufel gejagten Mephistopheles enthüllt, daß die nämlichen
Engel "auch" Luzifers Kinder sind (wie er). Damit identifiziert
Goethes Mephisto den Gott, in dem vom Schiller brieflich angeregten - und dann
damit sehr zufriedenen - Prolog(1206) zum
Faust I., ein Abklatsch der Einleitung zum Buch Hiob im Alten Testament(1207) mit Luzifer. Und ebendiese Gleichsetzung
des alttestamentlichen Gottes mit Luzifer läßt sich bis zu den Katharern (und
davor bis zu den Manichäern und Marcion) zurückverfolgen. [...]
Nachdem vor etwa zwanzig Jahren das Ende der sog. Industriegesellschaft
und der Beginn der sog. Dienstleistungsgesellschaft erklärt wurde, könnte die
von der Industriegesellschaft geprägte Theorie der Frauenarbeit neu überdacht
werden, zumal ein Ende der steigenden Arbeitslosigkeit nicht abzusehen ist. Zu
der Erstellung und Erprobung neuer Konzepte müßte man vergegenwärtigen, ob und
inwieweit die von der Industriegesellschaft verheißene Frauenherrlichkeit
(Befreiung) durch Frauenarbeit in der ursprünglichen Form aufrechterhalten
werden kann. Kritische Untersuchungen müßten den Zusammenhang zwischen
Überproduktion und Frauenarbeit erhellen, um Rückschlüsse auf die durch
Überproduktion bedingten Welt-Kriege, aber auch auf die heute zunehmend
kritisch betrachteten Auswüchse der Konsumgesellschaft ziehen zu können.
Unabhängige Forschergruppen müßten voneinander unabhängig aber zeitlich
parallel Fragen eingehend untersuchen, inwiefern durch die in der
Industriegesellschaft forcierte Frauenarbeit die Löhne der Männer so weit
hinuntergedrückt wurden (Arbeitskräfteüberschuß durch Einführung der
Frauenarbeit), daß die Männer deswegen nicht länger allein für den Unterhalt
ihrer Familien sorgen konnten, und ihre Frauen arbeiten schicken mußten. Es
sollte sodann möglichst zu einer verbindlichen Aussage über das Paradoxon
kommen, ob und inwieweit durch die systematische Ungleichbehandlung
(Diskriminierung) der Frau am Arbeitsplatz nunmehr die Männer gegen die Frauen
(durch Niedriglohn für Frauen) so ausgespielt wurden, wie die Frauen gegen die
Männer als Arbeitsmarktüberschuß. Denn etwas ähnliches zeichnet sich mit den
Gastarbeitern heute ab. Schon vor dem sich abzeichnenden Ende der
Industriegesellschaft gab es Beobachtungen, wonach die Gastarbeiter praktisch
nur für den Teil der Überproduktion ins Land geholt werden, der durch geschickt
kalkulierten schadhaften Ersatzteilen ein scheinbares Wachstum simuliert.
Es könnte die Diskussion leicht emotionalisieren, wenn man da und dort
zu sehr ins Detail geht, aber theoretisch läßt sich leicht der Widerspruch
zeigen, aus einer Frau eine arbeitende Frau dergestalt machen zu wollen, als
könnte die Frau erst durch Arbeit zur Frau werden (Karenz, d. h. Kinder erst
nach der Arbeit von mindestens ein Jahr). Nicht nur die Arbeiterpartei
nationalsozialistischer Prägung warb mit Slogans wie "Die Arbeit macht
frei" über dem Eingang zu den Konzentrationslagern, sondern z. B auch die
vulgärmarxistisch fehlgeleitete Linke hielt die durch Arbeit bedingte Karenz
für die Frau für gut genug. In Wirklichkeit hat aber die durch höhere Gewalt,
wie die Industriegesellschaft, seines sorgepflichtigen, bzw. sorgefähigen
Mannes beraubte Frau Ersatzanspruch von der Industriegesellschaft, und darf
sich mit der angeblichen Gleichberechtigung nicht abspeisen lassen. Die großen
Worte der Gleichberechtigung haben praktisch bewirkt, daß die arbeitende Frau
sich die Mutterschaft (Karenz) erst nach der Arbeit und nicht davor leisten
kann, so daß - zugespitzt formuliert - sie faktisch durch die Arbeit erst zur
Mutterschaft, zum Frausein befähigt wird. Dieser Widerspruch in der Arbeitsideologie
verdeutlicht die unzulässige Abhängigkeit der Identität der Frau von der Arbeit(1208). Es gilt daher an die Adresse der
Arbeiterbewegungen den Diskussionsvorschlag zu richten, ob und inwiefern die
sog. Arbeiterideologie durch das Menschenrechtsideal überholt worden sei, da z.
B. Kreisky den Marxismus als veraltet verwarf. Demnach möge die
Arbeiterideologie als Überbrückung bis zu einem ausgereifteren Stadium der
Menschenrechte gelten.
Vor allem gilt es die Grundrechte der Frauen auszubauen, nicht zuletzt
um die Frauen und Männer vor den Übergriffen wildgewordenen Feministen zu
schützen. Auch wenn die Frau als "arbeitende Frau" nicht um das
unveräußerliche Recht als Frau (auch ohne Arbeit) betrogen wäre, ist die vorgebliche
Gleichberechtigung (mit den Männern konkurrieren zu dürfen und zu müssen) immer
noch allein schon ein Betrug an der Frau, weil das ein Unding ist, eine von den
Ideologen der Moderne gegebene wissentlich falsche, weil unerfüllbare
(unrealistische) Verheißung an die Frau. Es bliebe höchstens das
Rechtfertigungsargument, wonach die Frauen um ihre Rechte betrogen werden
müßten, weil ansonsten die Gefahr der Überbevölkerung bestünde. Aber dann fragt
man sich, warum die Frauen allein die Kosten der Kontrolle des
Bevölkerungswachstums tragen müssen. Es ist eine plumpe Strategie der Moderne,
die Frauen in die Arbeit zu schicken, damit sie keine Zeit und Gelegenheit
haben an die Mutterfreuden zu denken. Sie soll die Kosten der Kindererziehung
lieber in ein Auto investieren, um schneller in die Arbeit fahren zu können:
Konsumparadies statt Mutterfreuden. Dies wäre auch dann höchst bedenklich, wenn
diese einseitige Lastenverteilung bei den Kosten der Kontrolle des
Bevölkerungswachstums zu Lasten der Frau nicht durch Betrug an der Frau
erschlichen worden wäre.
Es wäre weiters geboten, an dieser Stelle auf das unveräußerliche recht
der Frau hinzuweisen, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und geistig
anders zu sein als der Mann. So sind z. B. in der Forschung, eine dem Sport
ähnlich extrem leistungsabhängige Disziplin, Frauen stark unterrepräsentiert.
Die Anstrengungen der Medien (insb. ORF) die äußerst seltenen Forscherinnen
propagandistisch aufzuwerten (z. B. Film über Nobelpreisträgerinnen und eine zu
diesem Zweck unverheiratet gebliebene Italienerin) sind rührend, sie können
aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die weniger als wenige Frauen in der
Forschung die Ausnahme sind, die die Regel bestätigen, und auch meistens nur
die Masseverwalter des geistigen Kapitals ihrer Männer sind. Warum gehen die
Feministen auf die Priesterweihe los und verlangen nicht statt dessen die
paritätische Besetzung aller Forscherposten mindestens zur Hälfte durch Frauen
(oder Gleichschaltung beim Sport). Fürchten sie etwa den Leistungsvergleich?
Der Forscher ist der schlechthinnige Prestigeberuf unserer Tage und darüber
hinaus ist die Forschung der Existenznerv der vom Fortschrittsglauben beseelten
Moderne. Nirgends könnten die Feministen mehr Macht ausüben als in der Hexenküche
des Fortschrittkultes. Man könnte natürlich behaupten, daß es bloß eine Frage
der Zeit sei, bis die Frauen auch in der Forschung ihre Chance wahrnehmen
werden, zumal durch künstliche Hormone oder genetische Manipulation die Frau
zum gleichwertigen Forscher gezüchtet werden könne, und das nichts mit Doping,
sondern nur mit sportlichem Wettbewerb zu tun hätte. Bis dorthin zumindest
sollte aber die Frau generell gegen Wettbewerbsverzerrungen durch
Geschlechtertrennung im Beruf (ähnlich dem Sport, wo die Medaillen der Frauen
nicht wesentlich kleiner sein dürften) geschützt werden. Im übrigen gilt das
für die Forschung und für alle Leistungsberufe, daß auch wenn die Frau die
genetische Voraussetzungen sogar in höherem Maße als der Mann hätte, aber wegen
dem Leistungsdruck ihr Privatleben beeinträchtigt werden könnte (im Extremfall
vor die Wahl gestellt: Kinder oder Beruf), dann sie als im Beruf zu Unrecht von
dem sog. Gleichberechtigungsgrundsatz benachteiligt gilt.
Ohne mich festlegen zu wollen, hielte ich es für möglich bis
naheliegend, daß in der Politik - etwas abgeschwächt - ähnliches gelten könnte
wie in der Forschung. Nur die Feststellung des unveräußerlichen Rechts, nicht
nur körperlich, sondern auch psychisch und geistig Frau zu sein, also die Geschlechtertrennung
schützt die Frau vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. Von dieser Warte aus wäre
auf die gleiche Dotierung der Frauenberufe wie Männerberufe zu achten. Es gilt
den Grundsatz auf die Menschenrechtsebene zu erheben, daß die Frau auch bei geringerer
Arbeitsleistung zumindest den gleichen (unverzichtbaren) Anspruch hat wie ein
Mann. Deswegen auch wäre zweckdienlich, typische Frauenberufe gegenüber
Männerberufe (schützend) abzugrenzen. [...]
Außer der Berichterstattung beobachtete ich die Wortmeldungen vom Herrn
Pawlowsky, die scheinbar harmlos nur allgemein eine Diskussion fordern, und die
Sendungen Club 2 mit Frau M. Czöppan und Orientierung, als wäre die Diskussion
eine Frage der freien Meinungsbildung. Tatsächlich stellt aber die fragliche Erklärung
des Papstes darauf ab, daß in dieser Frage (der Frauen-Priester) nicht ihm die
Entscheidung obliegt, und selbst wenn er wollte, nicht anders entscheiden
könnte. Aus meiner Sicht kommt es den Fernsehkommentatoren nicht zu, aus dieser
Entscheidung des Papstes, eben sich nicht entscheiden zu können, weil eine
"Entscheidung" der höheren Instanz vorlag, eine Privatmeinung des
Papstes zu machen. Sollte es dem ORF an objektiver Information und wirklich
freien Meinungsbildung gelegen sein, dann müßte die Frage forciert werden: ob
die Anhänger der Frauenpriester ihre Haltung revidieren würden, wenn sie
glauben könnten, bzw. wenn es wissenschaftlich einwandfrei feststünde, daß der
biblische Gott der Christen ausdrücklich für alle Zeiten gegen Frauenpriester war.
Ich würde sogar den ORF bitten, überzeugten Anhängern von Frauenpriestern die
sich als Christen geben, und sich in der Materie auch auskennen, die ich nicht
kenne, bzw. die mich nicht kennen, die Frage zu stellen, ob sie ihre religiöse
Position revidieren würden, wenn sie mit unumstößlichen Beweisen konfrontiert
wären, daß der biblische Gott gegenteiliger Ansicht ist. Wenn meine
Forschungsergebnisse richtig sind, dann werden die Anhänger der Frauenpriester
zugeben, daß ihnen die Frauenpriester ungleich wichtiger sind als der biblische
Gott und sein Wille. Und das ist auch meine Interpretation des nämlichen
Beschlusses des Papstes, wonach - vornehm ausgedrückt - die Kirche keinen
Auftrag hat (von Gott) Frauen zum Priester zu weihen.
Sollte der breiten Öffentlichkeit die Information zugänglich sein, daß
eine dem Willen des biblischen Gottes entgegengesetzte theologische, bzw.
religiöse Position, nur von einem Alternativgott herrühren kann, wobei
alterierende Götter anerkanntermaßen sich gegenseitig ausschließen, dann wären
erst einmal die Grundvoraussetzungen zu einer sachlichen Diskussion über
Frauenpriester geschaffen. [...]
Die modernen Dionysianer (Liberale) nun haben sich lange bei diesen
Ähnlichkeiten der Gestalt des biblischen Jesus und des antiken Dionysos
aufgehalten, und spalteten sich bei der Interpretation des Phänomens in zwei
große Gruppen. Beide meinten allerdings ungeteilt, daß es an der Zeit sei eine
neue Religion des Dionysos zu gründen, so wie das alte Griechenland erst im
Laufe ihrer Geschichte den Dionysoskult relativ spät einführte (und mit ihm
unterging). Die einen meinten nun (synkretistisch), daß die Ähnlichkeit (des
Dionysos) zu Jesus zeigt, daß der neue Dionysos (der Moderne) im Schafpelz
aufzutreten, und von innen her die noch brauchbaren Strukturen und Organisation
des Christentums zu übernehmen hat, so als wäre Jesus die Erfüllung, die
Vervollkommnung (Vollendung) des lange vor ihm dagewesenen Dionysischen. Die
anderen meinten nun, daß das christliche Gewand zu eng für den Überchristus
Dionysos sei, und qualifizierten Jesus Christus aufgrund der nämlichen
Ähnlichkeiten als einen mehr oder minder mißglückten Abklatsch (Fälschung) des
Originals, nämlich des schon früher dagewesenen Dionysos. Es gibt also bis
heute diese zwei Hauptgruppen der Dionysianer (Liberalen): pseudochristlich und
überchristlich. Sie könnten noch jeweils in religiös und antireligiös (zumeist
philosophisch) unterteilt werden, es genügt aber hier darauf hinzuweisen, daß
religiös nicht unbedingt "christlich" (pseudochristlich) bedeutet.
Die gefährlichere Gruppe der Dionysianer für die Kirche sind die
pseudochristlichen, für den Staat die überchristlichen. In der Frage der
Frauenpriester sind die Pseudochristen innerhalb der Kirche die Maulwürfe, die
theologische Munition entfremden, während sie - trotz den sonstigen
Streitigkeiten - in dieser Frage von dem überlegenen Propagandaapparat der
Überchristen flankiert werden (die kircheninterne Frage wird als Politikum
aufgeschaukelt, so als obliege eine angeblich ausstehende Entscheidung nicht
immer Gott, sondern dem mehr oder minder gläubigen Volk). Die Kampagne steht
unter dem Motto: Gott müsse demokratischer werden. Man darf sich natürlich
nicht Illusionen hingeben, daß die Dionysianer gegenüber dem biblischen Gott
ein sportlicheres Verhalten an den Tag legen als gegenüber den Frauen. So wie
sie die Aufmerksamkeit unter oder über der Reizschwelle umgehen, und die von
der Arbeitsleistung her bedingte Beurteilung der Wertigkeit der Frau, und was
schlimmer ist, auch das dergestalt manipulierte Selbstwertgefühl der Frau
propagieren, und damit wohlwissend eine tückische Form der Diskriminierung der
Frau fördern, so setzen sie sich mehr oder minder öffentlich zum Gericht über
Gott: warum Gott die Frauen bisher diskriminierte, bzw. die Diskriminierung der
Frauen zuließ. Sie heucheln fortwährend wenn sie - über Vorhalt - vorgeben, daß
ihre Kritik eigentlich nicht dem biblischen Gott, sondern lediglich der
Mangelhaftigkeit der biblischen Überlieferung oder der Tradition gelte. Doch
wenn sie mit der weiter oben angegebenen Routinefrage konfrontiert werden, ob
sie ihren Standpunkt ändern würden, wenn unumstößliche Beweise über den
gegenteilig lautenden authentischen Willen Gottes zu ihrer Kenntnis gelangten,
dann leugnen sie zwar beharrlich auch nur die theoretische Möglichkeit solcher
Beweise, aber mit einem Gedankenexperiment in die Enge getrieben (hypothetisch)
geben sie zu, daß weder der authentische Wille des biblischen Gottes, noch
irgendein Beweis hierüber, sie von ihrer Haltung und Forderungen nach
Frauenpriester und ähnliches abbringen könnten (wenn soetwas an Beweisen
theoretisch gäbe).
Die Dionysianer, auch die sich gerne als Christen gebenden, wissen lange
vor ihren Diskussionspartnern, daß ihre theologischen Positionen mit der
traditionellen Bibeltheologie unvereinbar sind. Diese Überzeugung der
Dionysianer geht so weit, daß sie auch dann als von der Unvereinbarkeit ihrer
Positionen überzeugt anzusehen sind, wenn aus dem bibeltheologischen
Gesichtspunkt sehr wohl Raum für Diskussion wäre. Dabei wissen die Gegner die
Bibeltheologie besser als die Anhänger, daß das Christentum nach dem eigenen
Selbstverständnis mit der Bibeltheologie steht und fällt. Es geht also immer,
unter welchem Vorwand auch immer, um die Bibeltheologie und um den davon
untrennbaren Gott der Christen.
Die fraglichen Beweise über den Willen Gottes gibt es natürlich in der
Bibel. Um genau zu sein; es gibt nur solche, mehr als genug, und es gibt nicht
einmal Anhaltspunkte für mögliche Schlupflöcher für Feministen:
Die von den Befürwortern der Frauenpriester stets strapazierte Stelle im
Galaterbrief (Gal 3,28) besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß vor Gott,
bzw. "in Gott" alle, also auch Männer und Frauen, gleich sind, etwa
im Sinne des landläufigen Grundsatzes, daß vor dem Gesetz alle gleich sind.
Hieraus - zweitausend Jahre rückwirkend - auf die diesseitige Aufhebung der
Wesensunterschiede zwischen Mann und Frau, oder auf die Annullierung der
andernorts (vgl. 1 Kor 14,33-35; Eph 5,21-33; 1 Tim 2,8-15; 1 Petr 3,1-7)
wiederholt verordneten Unterordnung der Frau dem Manne (in der Ehe) schließen
zu wollen ist sinnwidrig.
Nach der Heiligen Schrift werden eheliche Bindungen erst im Himmelreich
aufgehoben (Mt 22,30//Mk 12,25//Lk 20,34-36), weil die Menschen den Engeln
gleich sein werden, nicht aber davor (vgl. Joh 18,36; 1 Kor 15,50). Ein
Vorgriff auf den himmlischen Zustand des Nichtgebundensein der Frau
(Unterordnung) scheint ausgeschlossen, wenn der Wille des biblischen Gottes
gefragt ist. Vielmehr sagt die Schrift, daß z. B. die Sklaven als die Ärmsten
im Diesseits, auch wenn sie freigelassen werden, lieber weiter freiwillig
Sklaven bleiben sollen, damit sie vor den Versuchungen der Welt sicherer seien
und ihr himmlisches Erbe nicht verlieren, bzw. leichter halten können. Nicht
sich selbst verwirklichen, sondern sich unterordnen können ist das höchste
Geschenk, die höchste Gabe. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die
Unterordnung ohne Glauben etwas Wert sei.
Besser als die Gläubige kennen die Dionysianer die Schriftaussagen,
wonach der Mann das Haupt der Frau ist, so wie Christus das Haupt des Mannes
und Gott das Haupt Christi ist (1 Kor 11,3; vgl. Eph 5,23). Sie wissen auch
besser als die Christen, daß zwar die Schrift mitunter menschliche und
Zeitliche Anordnungen enthält, aber keine einzige nur zeitbedingt gültige
Aussagen über Gott. Wenn also in die zitierte Stelle über Gott, in seinem
Verhältnis zum Menschen, das Verhältnis von Mann und Frau hineingenommen ist,
dann kann das bibeltheologisch nur als eine Aussage über die überzeitliche
Ordnung (zwischen Mann und Frau im Diesseits) verstanden werden: Der Mensch,
nämlich als Mann und Frau, als Ebenbild Gottes(1209),
nämlich des Vaters und des Sohnes, jeweils im Geiste vereint. Wer also
wissentlich die Unterordnung der Frau kritisiert, und etwa vordergründig meint,
daß die Unterordnung der Frau in Liebe doch die Ausbeutung der Frau durch den
Mann sei, der kann nur hintergründig gemeint haben, daß der Vater den Sohn am
Kreuze nicht hätte ausbeuten dürfen(1210). So
wie dereinst Adam verführt wurde, vom verbotenen zu Kosten (Gen 3,1-24), um zu werden
wie Gott (Gen 3,5), so heißt heute die Verlockung an die Frau, sie könne werden
wie ihr Mann.
Unter diesen Voraussetzungen könnte also allenfalls über die
Stichhaltigkeit der These diskutiert werden, daß es unmöglich ist gleichzeitig
dem biblischen Gott dienen und Frauenpriester durchdrücken zu wollen. Oder wie
die Schrift sagt: "Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den
einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den
andern verachten." (Mt 6,25//Lk 16,13). Der Papst hat sich nur sehr
zurückhaltend ausgedrückt, weil der nächste Erzbischof in England vielleicht
wieder ein Christ sein könnte, und kein Dionysianer (Liberaler) wie der
jetzige.
Auffällig ist, daß die Befürworter der Frauenpriester immer und ausschließlich
die Bibelstelle (Gal 3,28) zitieren, weil dies die einzige Stelle ist, die aus
dem Zusammenhang gerissen sich zu einem plumpen Bluff eignet (in populistischen
Diskussionen). Voraus exakt berechenbar verläuft dann die programmatisch
seichte Diskussion, über eine ähnlich plumpe Anfechtung der Zuverlässigkeit der
Texttradition, bis zu der unvermeidlichen Pointe, daß auch wenn
bibeltheologische Sachargumente fehlten, es sei (a priori)
"unvernünftig" etwas Unvernünftiges für wahr zu halten: womit der
(christliche) Glaube (als Inbegriff der Unvernunft), respektive Bibeltheologie,
gemeint ist (siehe weiter oben über den Vernunftglauben/Ontotheologie, bzw. die
Etymologie: Dio-nys-os = Gott-Vernunft«). [...]
Ich für meinen Teil würde die Frauenfrage theoretisch von der Warte aus
angehen, daß die Idee des Masseneinsatzes von Frauenarbeit eigentlich noch
welthistorisch gesehen im Embrionalstadium ist, so daß das Geschlecht in diesem
Frühstadium nicht klar zu erkennen ist. Man müßte aber Vorkehrungen für die
bevorstehende Geschlechtsreife der Frauenarbeit treffen. Eines dieser
vorbeugenden Maßnahmen könnte die Sicherung der Meinungsvielfalt in dem Sinne
sein, daß nicht der Eindruck entsteht, nur der Feminismus habe etwas zu sagen.
Der ORF könnte dem Propagandafeldzug des Feminismus entgegenwirken, in dem die
Ausschlachtung von populistischen Themen wie die Hexenverfolgung als angeblich
frauenfeindlich durch sachliche Information eindämmt(1211).
Ursprünglich ist nämlich die Inquisition gegen die nämlichen Katharer und
tatsächliche schwarze Magie ins Leben gerufen worden und es gab damals
tatsächlich kultische Morde und ähnliches. Diese altehrwürdige Institution der
Inquisition ist in ihrer Glanzzeit in Spanien von der jüdischen Orthodoxie
gegen die sich auch im Judentum ausgebreiteten gnostischen Sektierer zur Hilfe
gerufen worden. Es ist leider noch zu wenig bekannt, daß zu dem Zeitpunkt der
sog. Judenvertreibungen bereits die zuvor von der jüdischen Orthodoxie mit
Hilfe der christlichen Inquisition bekämpften jüdischen Sekten das Judentum
unterwandert und die Herrschaft an sich gerissen, bzw. das Judentum dominiert
haben. Es sind kaum orthodoxe Juden übriggeblieben, die für diese Zusammenhänge
sich öffentlich stark machen würden. Mit der Erstarrung der Bettelorden
(Franziskaner und Dominikaner), die dann die Inquisition verwalteten, kam es
zur Vernichtung der Katharer und in der Folge zu der völligen Auflösung und
Liquidierung der somit überflüssig gewordenen klassischen Inquisition im 14.
Jh. Erst nach dem der französische König ein Jahrhundert später seine Hand nach
dem Vermögen der Templer ausgestreckt hat, wurde die bereits vollends
liquidierte Inquisition unter höchst merkwürdigen Umständen wiederbelebt. Die
Anrüchigkeit dieser inquisitorischen Renaissance blieb bis zuletzt. Sie ist
aber nicht von kirchlicher Seite wieder ins Leben gerufen worden, sondern unter
dem massiven Druck des Königs. Bis zuletzt konnte die Kirche praktisch nicht
wirklich die Kontrolle über diese für allzu weltliche Zwecke von der weltlichen
Obrigkeit geschaffene und der Kirche unterschobenen Neoinquisition erlangen.
Auf jeden Fall hat diese zeitlich uns näherliegende Neoinquisition wenig mit
der Inquisition gegen die Katharer zu tun. Die neokatharischen Feministen
vertauschen also bewußt die zwei unterschiedlichen Formen und Phasen der
Inquisition, meinen aber die seriöse katharerfeindliche Inquisition, die ihre
"Theologie" und Organisation dereinst vernichtet hat, mit ihrer
Kritik an der Neoinquisition zu treffen. [...]«
Der vielleicht in einigen Punkten unorthodox anmutenden Kritik der
Priesterweihe für Frauen kann ein ernüchternder Bericht aus der aktuellen
Forschung zur Frauenordination in der Evangelischen Kirche hinzugefügt werden(1212), wonach (auch wenn die Bereitschaft zum
Eingeständnis fehlt, und Durchhalteparolen hochgehalten werden) die Erwartungen
und die Realität faktisch so weit auseinanderklaffen, wie es kaum hätte
kalkuliert werden können. Die Frau ist auf dem Posten einem unzumutbaren Druck
ausgesetzt, den nur diejenigen von ihnen aushalten, die ansonsten für den Beruf
nicht unbedingt geeignet sind, sondern ihre Stärken, weil innerlich zu
abgehärtet, eben woanders haben.
Zu beachten wird für die Forschung noch der ständige Versuch des Feminismus
und verwandter (luziferischen) theologischen Richtungen sein, die Waldenser,
die im Gegensatz zu den Katharern eine bei den Evangelischen anerkannte Sekte(1213) sind (deren Überreste großteils zwischen
dem 16. und 19. Jh. in der reformierten Kirche aufgegangen ist(1214)),
und als Teil der Armutsbewegung mit den Katharern, die sie anfänglich
bekämpften aber dann von ihnen unterwandert wurden, zusammen verurteilt wurden,
vorzuschieben. Tatsächlich hatten die "nur" (radikal) chiliastischen(1215) Waldenser in der Anfangsphase weibliche
Verkündiger des Wortes (weibliche Katecheten), die aber mit einem Prediger im
heutigen Sinne nicht zu verwechseln sind. Die modernisierende Forschung
versucht nun zu vertuschen, daß die Waldenser - gleichzeitig mit ihrer
zunehmenden sakramentaler Verselbständigung - die weiblichen Ämter sogleich
abgeschafft haben(1216). Die Waldenser hatten
sich anfänglich besonders sakramental entschieden an die Kirche angelehnt, weil
sie sich (im Gegensatz zu den Katharern) als innerkirchliche (eschatologische)
Armutsbewegung verstanden, und erlaubten weibliche Katecheten mit gewissen
Wortverkündigungsfunktionen nur exakt so lange, bis sie sich gezwungen sahen
die Sakramente in die eigene Hand zu nehmen. Sofort wurden, mit ebendieser
Begründung, die weiblichen Ämter generell abgeschafft, nachdem sie ihre eigenen
Sakramente einführten. Keine andere christliche oder pseudochristliche Bewegung
im Abendland - außer den luziferischen Katharern - hatte Frauen in geistlichen
Berufen (um die Sakramente) akzeptiert. Daraus folgt, daß die Frauenpriester
und weibliche Pfarrer, respektive ihre Anhänger und Theoretiker, aus dem
historischen Gesichtspunkt auch heute - zumindest strukturell - als luziferisch
definiert werden müssen, zumal ihre historische Rechtfertigung sich entweder
offen auf das als angeblich christlich "rehabilitierten" Katharer,
oder auf die als (angeblich) waldensisch verbrämten Armutsbewegung, die aber
alsbald von den Katharern dominiert wurde, abgestützt ist. Dazu kommt, daß der
waldensische Vorwand für Frauenpriester nur durch Geschichtsfälschung möglich
ist, also außer dem Luziferismus der Katharer kein historisches Argument für
die weibliche Geistlichkeit spricht. In der Summe ergibt das, daß weder ein
traditionalistisches, noch ein historisches, geschweige denn ein theologisches
Argument stichhaltig für die plötzliche Einführung von weiblicher Geistlichkeit
ins Treffen geführt werden kann, so daß man derlei Ansinnen ausschließlich auf
eine noch ausstehende neuen Offenbarung, oder, wie es sich zeigt, auf
widersprüchliche Spekulationen stützen kann, auf keinen Fall jedoch auf den
Gott der Offenbarung in dem bislang bekannten Sinne. Vielmehr steht die
weibliche Geistlichkeit in einem unvereinbaren Widerspruch zum Gott der
Offenbarung, so wie ihn die etablierten Kirchen mit ihren Lippen nach wie vor
bekennen.
3.11. Die Dialektik
Sofern der vorhergehende Punkt als Kritik der statischen Strukturen der
Subkultur aufgefaßt wird, kann der elfte Grundsatz als die Kritik der
dynamischen Strukturen der Selbigen verstanden werden. Typisch für subkult
urelle Organisationsformen ist die permanente Änderung der Erscheinungsform,
wobei - ähnlich der Häutung der Schlange(1217)
- nichts Substantielles, sondern nur bereits abgestorbene Schalung preisgegeben
wird. Mit Vorliebe läßt die Subkultur überholte Formen, die sie bereits hinter
sich gelassen hat, der Sektenforschung zum Abschuß freigeben. Immer wenn die
etablierte Forschung mit frischen Ergebnissen herauskommt, kann mit Sicherheit
angenommen werden, daß die Subkultur schon längst woanders ist, bzw. den
Schwerpunkt verlagert hat. Nicht selten kommt es vor, daß die Sektenforschung
nicht einmal mit der Ausarbeitung der bereits abgestoßenen (überholten) Formen
Schritt halten kann, so daß die Entsorgung überholter Formen gnosisintern
besorgt wird. Diese Eigengesetzlichkeit (Eigendynamik) der Subkultur wird
traditionell als eine Art Recycling praktiziert, die nach außen
propagandistisch als Befreiung von der Subkultur verwertet wird.
3.11.1. Der Widerspruch
Nach dem selben Prinzip, jedoch nicht ein-, sondern zweigleisig, arbeitet
die effektivste Methode der Subkultur. Bildlich dargestellt ähnelt die
Vorgangsweise zweier Begleitschiffe in einem kanonenbestückten Flottenverband,
die das Flaggschiff einholend dieses in die Mitte nehmen (schließlich will jede
die Führung übernehmen) und dann einen Zweikampf der zwei extremen Flügel so
simulieren, daß immer das Flaggschiff in der Mitte getroffen wird, auch wenn
die zwei genannten Begleitschiffe (die "Extremisten") nicht für
einander außer Schußweite liegen würden. Schon lange vor den sog. Dialektischen
Theologen(1218) (wie Karl Barth und Bultmann)
haben Semler und Reimarus die hohe Schule der sogenannten Dialektik
vorexerziert. Reimarus griff heftig alles offen antichristlich an und leugnete
Gott und die Welt (vor allem aber die Messianität Jesu: mit Hilfe der
Irrtum-Jesu-Theologie), worauf Semler für die bedrängte Theologie so scheinbar
in die Bresche sprang(1219), daß er den
eigenen - traditionell stichhaltigen - biblischen Argumenten durch eine
geschickt eingemengte Kanonkritik(1220)gänzlich
den Boden entzog(1221), während er sie nach
außen scheinbar mit Elan verfocht(1222).
Semler wird nun (für seine beispielgebende vorgeblich subjektive
"Überzeugung" von etwas objektiv von ihm als unhaltbar
"Hingestelltem")(1223) allerorts in
der Forschung als der Vater der historisch-kritischen Methode positioniert(1224), während Reimarus als der Mann
nachgewiesen wurde, der Albert Schweitzer die Ideen gab(1225).
Es hat sich praktisch seit dem nichts geändert, nur einige Häutungen(1226) hat die sogenannte Dialektik hinter sich
gebracht (auch Karl Barth(1227) und Bultmann(1228) trugen eine vielbeachtete Kontroverse aus(1229), wurden aber gemeinsam von Pannenberg als
die Väter der ultramodernen Tod-Gottes-Theologie(1230)
entlarvt(1231), die sie selbst unter dem
Namen "Dialektische Theologie" getarnt(1232)
wissen wollten).
In der Dialektik stehen also die etablierten Kirchen scheinbar vor der Wahl,
gleich tot gesagt oder langsam zu Tode gelobt zu werden. In Wirklichkeit aber
kommt Beides gleichzeitig über sie(1233), nur
ist das Phänomen des Untergangs der Kirchen durch den Streit der beiden
kontroversiellen Gegner übertönt. Das Verhängnis der Theologie war die durch
die Einführung der Spekulation abgeschaffte Vormachtstellung der strengen
Logik, als die ausschließliche Methode der Theologie(1234).
Die vordergründige Hilfsbereitschaft von Semler, die Theologie von den
unqualifizierten Angriffen von Reimarus in Schutz zu nehmen, wurde durch die
spekulative Methode umgesetzt, so daß Semler nicht der Theologie, sondern der
spekulativen Methode in der Theologie geholfen hat. Bis heute hat die
historisch-kritische Methode Semlers seine Anhänger, die dem Kritiker alle
Trümpfe gegen die strenge Logik in die Hand gibt, weil sie nicht einmal durch
sich selbst, besser gesagt: am wenigsten durch sich selbst kontrolliert werden
kann. In dem Moment, wo Semler das Unhinterfragbare (Offenbarung) zum
Hinterfragbaren erklärt hat, könnte seine Methode scheinbar nur mehr von sich
selbst hinterfragt werden, nur ist sie nicht so konzipiert, daß sie sich selbst
auch tatsächlich hinterfragen könnte. Der Sinn der historisch-kritischen
Methode ist nämlich durch Hinterfragen zu hintertreiben, bzw. zu eliminieren,
so daß die historisch-kritische Methode historisch-kritisch zu behandeln das
Ende der Selbigen bedeuten würde, soweit die Methode korrekt angewandt werde.
3.11.2. Der Spekulant
Die im Namen der Dialektik zur Pseudowissenschaft entfremdete moderne
Theologie fußt auf der von Hegel vollzogenen Vereinnahmung der Theologie durch
die Philosophie(1235), so als seien
Philosophie und Theologie vereinbar, und die dadurch bedingte Legitimierung der
Spekulation in der Theologie (als angeblich noch wissenschaftlich). In der
modernen Theologie wurde die pseudowissenschaftliche - weil spekulative -
Methode verfeinert(1236), indem ein doktrinär
vorgegebenes, aber sachlich ungerechtfertigtes Vorurteil zwischen zwei
willkürlich gewählten kontroversiellen Hypothesen als die nächstliegende Lösung
in der Synthese erscheint, d. h. simuliert wird. In der - von der Scholastik
forcierten - klassischen Dialektik galt die aus Thesis und Antithesis gewonnene
Synthesis als die wissenschaftliche Methode des Spekulativen schlechthin(1237). Die sog. Dialektische Theologie der
Moderne parodiert, bzw. pervertiert die klassische Dialektik(1238),
indem von einer vorgegebener "Wahrheit" ("in der Mitte")
ausgehend(1239), die als Ergebnis der
Synthesis vorgetäuscht werden soll, zwei willkürlich als repräsentativ
hingestellten kontroversiellen Hypothesen - links und rechts von der Vorgabe -
ausgewählt und so abgehandelt werden, als sei die Vorgegebene
"Wahrheit" als Synthesis aus dem die Thesis und Antithesis
simulierenden Hypothesen (links und rechts) gewonnen worden(1240).
Es ist ein Skandal, daß die öffentliche Einrichtungen diese
pseudowissenschaftlichen(1241)Umtriebe
dulden, ja ihre Existenz vertuschen. So konnte es dazu kommen, daß heute -
besonders in der zur spekulativen Disziplin entfremdeten Theologie - nicht nur
jeder haarsträubende Unsinn als wissenschaftlich erwiesen gelten kann, ohne daß
die ohnmächtig zusehende Wissenschaft etwas dagegen unternehmen könnte, sondern
mit der gleichen Methode auch das scheinbare Gegenteil vom nämlichen Unsinn,
der sogar ein noch größerer Unsinn sein kann, ebenfalls bewiesen werden kann.
Wenn z. B. bestritten werden soll, daß der Himmel blau ist, dann zitiert man
eine Hypothese, wonach der Himmel eigentlich grün sei, dem die Hypothese
gegenüber gestellt wird, wonach der Himmel gelb kariert wäre, woraus dann - je
nach Fertigkeit - scheinbar zwingend folge, daß der Himmel bestenfalls rosa
getupft, auf keinen Fall jedoch blau sein könne. Ähnlich pervertiert ist die
Verhöhnung der Wahrheit, wenn das Blaue am Himmel als aus rosa karierten und
grün getupften Hypothesen folgen soll, so daß durch die scheinbare Bejahung
aber offensichtlich falschen Beweis an dem Blau am Himmel gezweifelt wird. Mit
entsprechend skrupellosen Hypothesenlieferanten im Schlepptau gibt es mit
dieser Methode so gut wie gar nichts, was nicht so als wissenschaftlich
bewiesen hingestellt werden könnte. Und das gilt auf eine beliebige
kontroversielle Ansicht, so daß endlose wissenschaftliche Streitigkeiten so
simuliert werden können, daß jede der Standpunkte und Argumente völlig an der
Sache vorbeigeht.
Die hier deponierte These geht also davon aus, daß die öffentlichen
Einrichtungen für Wissenschaft und Forschung nicht nur der grob fahrlässigen
Unterlassung als Kontrollinstanz schuldig geworden sind, über die
Wissenschaftlichkeit der sogenannten Wissenschaften zu wachen, sondern diese
Entwicklung zumindest vorsätzlich begünstigt haben. Ist einmal die
Kontrollinstanz der Wissenschaften selber unkontrollierbar geworden, erübrigt
sich der Beweis darüber, daß sie sich selber unkontrollierbar gemacht hat, denn
den einzigen Sinn der Unkontrollierbarkeit einer Kontrollinstanz trägt diese
Kontrollinstanz in sich selbst. Heute kann jeder beliebige Widerspruch einfach
als persönlicher Standpunkt "wissenschaftlich" legitimiert werden,
und der noch so offensichtliche Mißbrauch der positiven Rolle der
Meinungsvielfalt - mit an sich (wissenschaftlich) unvertretbaren Ansichten -
kann nicht Einhalt geboten werden. Wenn der Freiheit der Wissenschaften und der
Meinungsvielfalt keine Grenzen gesetzt werden, wenn positive Größen gegen
Mißbrauch nicht abgegrenzt werden können, dann sind sie nicht das, was sie zu
sein vorgeben.
Eine für die Ewigkeit bestimmte Kirche hat sonach die Spiegelfechterei
scheinbar kontroversieller Sondermeinungen künftig inhaltlich zurückhaltender
und äußerlich offensiver zu begegnen. Als allererstes Kriterium der Annäherung
hat die Postulierung der Rückkehr zu der strengen Logik, und das Abschwören der
spekulativen Methode innerhalb der Theologie (ausgenommen abschnittsweise als
Hilfsmittel bei Arbeitshypothesen, und theoretischen Erwägungen), zu gelten. An
dieser Stelle gilt es nochmals auf die Überproduktion in der pseudochristlichen
Theologie hinzuweisen, wo Qualität durch Quantität verhindert werden soll
(sowohl Bultmann wie auch Barth(1242) können
nebenbei als die Protagonisten der theologischen Inflation gefeiert werden),
zumal die strenge Logik mit einem Bruchteil an Quantität auskommt als die
Spekulation. Die scheinbare Notwendigkeit der Spekulation ist ohnehin nur durch
die Leugnung der Legitimität der auf sich selbst beruhenden Wahrheit (Faktum)
simuliert worden.
3.11.3. Der Champion
Als der angeblich bedeutendste Theologe des 20. Jahrhunderts(1243), oder gar der bedeutendste Theologe seit
Schleiermacher(1244), verdient der
pseudochristliche Luziferismus Karl Barths einige Aufmerksamkeit. Als
Studienfall glänzt Barths Genie darüber hinaus, im Gegensatz zu seinen
Zeitgenossen A. Schweitzer und R. Bultmann, durch eine einzigartige Synthese
von spiritueller Schwärmerei, spekulativer Vernünftelei und rationalem
Naturalismus, durch die Vereinigung der polaren Gegensätze(1245)
der Moderne: Aufklärung und Pietismus.
Ins Auge springt der Gegensatz zwischen der Beschwörung des Wortes Gottes(1246) (respektive Offenbarung) als Um-Und-Auf
der Theologie einerseits und der ganz und gar manichäisch-luziferisch
unbiblische präexistente Fall der ganzen Schöpfung(1247)
(vor Adam) andererseits, die obendrein monistisch(1248)
(luziferisch) die (präexistente) Identität von Schöpfung und Schöpfer
postuliert(1249). Auch die Verwerfung der
angeblich unhaltbaren Vorstellung einer "Verbalinspiriertheit" der
Schrift, die durch eine Inspirierte Auslegung der gleichen Schrift abgelöst
werden soll(1250), d. i. die Ersetzung der
Selbstoffenbarung Gottes in Wort und Schrift im Schriftwort durch die
Offenbarung der Wortverkündigung des Exegeten als höchste (spirituell
offenbarende) Instanz(1251), also die
Entlarvung der Heiligen Schrift als Menschenwerk und Postulierung (quasi
"Offenbarung") der Exegese als die Vergöttlichung der biblischen
Worte, demonstriert die konsequent heuchlerische Methode der Aushöhlung alles
Heiligen, durch zynische (Feuerbachsche(1252))
scheinbare Bejahung von alles hintenherum verneinten Heiligen, in Barths
Theologie(1253).
Das gleiche luziferische Schema spiegelt sich in Barths Erklärung der
Erwählung (Gnadenwahl), wonach das abstrakte Prinzip durch die konkrete Person
Jesu Christi ersetzt werde, indem Gott dem Menschen die Seligkeit, sich selbst
aber die Verdammnis zudenkt(1254).
In Barths Umdeutung die im gesamten Protestantismus hochgeschätzten
Prädestinationslehren in seine Erwählungslehre(1255)
kommt konsequent die chiliastische Strukturhäresie durch die (pervertierte)
Vorordnung der Erwählung der Gemeinde (Allgemeine) vor dem Einzelnen(1256)zum Ausdruck.
Aufschlußreich ist Barths Auffassung der neuzeitlichen Theologiegeschichte
als Verfallsgeschichte, welche er vom bekanntesten Erzatheisten (Feuerbach)
namentlich so übernahm, daß er die als die Hauptthese von Feuerbach gehandelte
Austauschbarkeit (Umkehrbarkeit) von Gott und Mensch(1257)
Luther unterstellt(1258), also Feuerbachs
radikal antichristlichen Atheismus mit einem (pervertiert) uminterpretierten
Luther zu einem Zeitpunkt legitimiert, wo allgemeinbekannt ist, daß der
atheistische Ideologe Marx Feuerbach weiterentwickelt haben will(1259), so daß der Weltkommunismus/Stalinismus
und Weltatheismus als ein von Marx revidierter (radikalisierter), nach Marx=
eigenen Angaben "weiterentwickelten" (Marx kritisiert Feuerbach als
zu theoretisch und postuliert statt dessen den angewandten Atheismus, nämlich
den angewandten Feuerbach), Feuerbachianismus gilt.
Geradezu mustergültig ist Barths chiliastisches Profil, in dem - in seltener
Eintracht - alle wesentlichen Charakteristika (radikale Diesseitigkeit(1260) und Eschatologismus) repräsentiert sind.
Besonders in den jungen Jahren fordert der "bekennende Sozialist"
Barth "das Zeugnis des politischen Gottesdienstes"(1261), identifiziert den von ihm stark
forcierten Gedanken des (kommenden!) "Reich Gottes"(1262)
mit der sozialen Bewegung, und rekapituliert noch kurz vor seinem Tod als
Gegenstand seiner Theologie: "... der Himmel für die Erde"(1263). Doch das "Reich Gottes"
wird streng als die Lebendigkeit der Herrschaft Gottes interpretiert, die mit
Religion nicht identifiziert werden dürfe, weil der weltverändernden Praxis
(der Herrschaft Gottes) am strengsten die im Sozialismus postulierte
entspräche.
Die radikale Eschatologie(1264)
(Chiliasmus) blieb - trotz der Verhaltenheit der Verkündigung nach außen in
seinen späteren Jahren(1265) - der Angelpunkt
Barthscher Theologie(1266). Im Rahmen seiner
pietistischen Erweckung durch die Blumhardts erkennt er den Gegensatz von
Religion und Reich Gottes: statt Religion Hoffnung "für die leibliche
Seite des Lebens"(1267), wird seine
Devise. Die unübliche Verquickung von pietistischem und
aufklärerisch-romantischem(1268) Chiliasmus(1269) verschuf Barth den theologischen, bzw.
eher literarisch publizistischen(1270)
Durchbruch (im theologischen Gewand). Barth schrieb ein Kommentar "unter
starkem Einfluß bengel(1271)-ötinger(1272)-beck'scher(1273)
und (auf dem Umweg über Kutter(1274)und
schellingscher(1275)) Gedanken"(1276). Das auffällig chiliastisch-pietistische
Motiv der Ablehnung der Kindertaufe(1277) hat
Barth viel Sympathien bei den Liberalen gekostet(1278).
Der größte Triumph Barths dürfte aber die - unter dem Vorwand der Rettung der
Kirche von dem Faschismus (Nationalsozialismus) erschlichene - chiliastische
Umfunktionierung(1279) des traditionell
antichiliastischen Glaubensbekenntnisses der Evangelischen Kirche in der sog.
Barmer Erklärung(1280) (Theologische
Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche) sein(1281), die allgemein als das Werk von Barth
gewürdigt wird(1282). Im historischen Rückblick
erweist sich Barths Glaubenseifer als die unverschämte Ausnützung der Notlage
der Kirche, um der am Boden liegenden Kirche den Gnadentod zu geben. Denn im
Zentrum der Verkündigungstheologie Barths steht die Botschaft, daß das Reich
Gottes nicht die Kirche sein kann(1283). Wenn
also Barth nun im Namen der Kirche in Barmen heuchlerisch das Künftige Reich
Gottes verkündet, läßt er damit die Kirche das Zeitliche segnen, so als hätte
die Kirche selbst an sich Hand angelegt, bzw. sich freiwillig für die künftige
diesseitig chiliastische Verkündigungstheologie Barths geopfert, wobei der
Henker nicht die damit beschuldigten Nationalsozialisten waren, sondern der
Heuchler Barth (der als vorgebliche Heiler der Kirche gegen Nationalsozialismus
diese zu Tode brachte). Paradoxerweise besteht die Barmer Erklärung selbst
darauf, daß jede Kirche, die den Rahmen des von der biblischen Offenbarung
abgegrenzten Evangeliums überschreitet, nicht im Namen der wohlverstandenen
Kirche handelt(1284). Somit ist nicht nur die
damit vorgeblich gemeinte Nationalsozialismus außerhalb, sondern auch Barths
chiliastische Interpolation innerhalb der Kirche wohl erfaßt.
Barths "unbestreitbares Genie"(1285)
ließ es nicht an makabren Aussprüchen und umstürzlerischen Denkansätzen fehlen,
die den mehr publizistisch als theologisch fundierten Ruhm des "geistigen
Revolutionärs"(1286) begründet haben.
Tatsächlich brilliert Barths Genie nicht nur durch die Dualistische(1287) Explikation seines Monismus(1288), also durch die Synthese zweier konträren
Weltanschauungen, die beide in der Gnosis beheimatet sind, sondern durch die
Vernichtung des christlichen Gottes und Offenbarung durch deren radikale
Bejahung(1289), indem Barth seinen von ihm
angehimmelten unbiblischen Gott(1290) als den
(angeblich unhinterfragbaren) biblischen Gott ausgibt(1291).
Methodisch bedient sich Barth beim Schwindeln, d. h. bei der Verarbeitung
innerer Widersprüche, des Zirkelschlusses(1292)
nach Kantschem Vorbild(1293), indem er
einerseits Gott und Offenbarung (tautologisch) a priori als auf sich beruhende
Wahrheiten postuliert(1294), aber deren -
somit unabdingbare - Faktizität mit genialer Findigkeit stets umgeht(1295), und sie in die (Kantsche(1296)-Anselmsche(1297))
"Möglichkeit"(1298) (Idee)
umdeutet, die - um möglich zu sein - einen Grund "notwendig"
voraussetzen würde, die als "vernünftig" vorausgesetzt
rationell die "Vernünftigkeit" der nämlichen "Möglichkeit"
in sich birgt. Barth nimmt für sich in Anspruch, in bewußter Antithese zur
neuzeitlichen philosophischen und theologischen Subjekt- und Bewußtseins-Orientierung,
das "Notwendige Dasein" vor dem "Notwendigen Erkennen"
behauptet(1299) und somit die Wahrheit in
Gott "festgemacht"(1300) zu haben(1301), womit er allerdings faktisch alles
(vernünftig) Erkannte (kantianisch) zur auf sich beruhenden Wahrheit
pervertiert, weil (streng logisch) die Negation des Subjektivismus keineswegs
"notwendig" Gott ist (wie Hegels Negation der Negation). Im übrigen
wird man nicht weniger Subjektiv, wenn man die eigene Subjektivität (auch vor
sich selbst) leugnet. Allein die Behauptung, daß das Erkannte vor dem Erkennen
sein müsse, bedingt keineswegs, daß das Erkannte auch tatsächlich (real) ist,
noch dazu vorher. Der Widerspruch im Zirkelschluß zeigt auf, daß Barths
"Sein" (des Erkannten) vor dem "Erkennen" nicht in der
Realität, nicht im "Da-Sein", sondern in der (menschlich subjektiv
gedachten) Ideenwelt nur Gültigkeit (Dasein) haben kann(1302).
Die vielzitierte Barthsche Revolution(1303)
ist demnach die Gleichsetzung der Kantschen Idee mit dem Sein (die Idee
"ist", nämlich als Idee), die logisch unzulässig von der Realität der
Idee als Daseinsform auf das Sein insgesamt, zumindest jedoch auf das Sein
Gottes, verallgemeinert wurde. Demnach ist die Idee der Barthschen Idee, daß
die Idee selbst vor dem Erkennen der nämlichen Idee "ist" (weil
selbst vom Nichts, vom Unerkenntlichen, von der Nichtidee, müsse vorher die Idee
da sein, bevor man es als Nichtidee, als Unerkennbares erkennt),
"ist" eine reale Idee, Gott (als Gott) außer als Idee nicht
"sein" zu lassen. Dadurch allerdings, daß die Idee schlechthin in der
menschlichen Vernunft, und jene im Menschen ist, ist Gott (als
subjektivistische Idee) gewissermaßen (absolut real) in der Welt (nämlich nur
als Idee), zumindest kann man das behaupten, weil der Mensch real in der Welt
ist, und die Idee (Gedanke) in ihm und durch ihn (real) "ist".
Zu Recht ortet also Pannenberg hinter dem
pietistisch-schwärmerisch-eschatologischen Materialismus Barths und dem
asketischen Materialismus Bultmanns die durch Dialektik verschleierte
Tod-Gottes Theologie(1304), die faktisch
Schleiermacherismus mit anderen Mitteln ist.
Formal administrierte Barth die nämlichen Denkinhalte in der von ihm angestrebten Überwindung Schleiermachers(1305), der (in einschlägigen Kreisen) vor ihm als der größte Theologe galt(1306). Und weil Schleiermacher die Religion ohne Gott postuliert(1307), also Gott verneint und die Religion bejaht, bejaht also Barths Genie Gott und verneint die Religion(1308), um etwas Neues vorzutäuschen, aber (damit) die Schleiermacherschen Inhalte(1309) - es lebe die halbe Wahrheit - zur Vollendung zu bringen(1310). Es ist Barths Genie, das Nietzsches großes Jasagen(1311) zum Widerspruch in sich, Feuerbachs Gleichsetzung des Gottes der Religion mit dem Menschen(1312), den »Gott der Philosophen« (nach Pascal), nämlich den Menschen als seinen eigenen Gott(1313), in theologischem Glanz erstrahlen läßt. So wie in Schleiermachers Lebenswerk im letzten Lebensabschnitt die theologische Einkleidung des offenen Widerspruchs zu Gott zu beobachten ist(1314), so ist auch bei Barth die theologische Einkleidung des (im Bejahen des falschen Gottes) verdeckten Widerspruchs zu Gott in seinem letzten Lebensabschnitt(1315)feststellbar.
Es bleibt abzuwarten, ob es überhaupt noch eine Steigerung des Antichristen
möglich ist, aber bis dorthin kann Barths theologischer Beitrag als die
absolute Spitze an theologischer Leistung eines vollendeten Antichristen
betrachtet werden, zumindest solange er als der größte Theologe gilt. Auf die
theologische Titanenleistung Barths kann die These abgestützt werden, daß der
Antichrist von Rechts (z. B. Hitler) ohne den Antichrist von Links (z. B.,
Marx, Lenin, Stalin, Richard Wagner, E. Bloch, A. Schweitzer, Bultmann, Tillich
oder Barth) kaum lebensfähig wäre, sondern das - durch den inneren Widerspruch
stets gespaltene - in der polaren Gegensätzlichkeit auftretende Böse nur in der
Polarität, nur in dem scheinbaren Widerstreit, existenzfähig ist. Nur in dem von
der linken Zerstörungswut geschaffenen Vakuum (Nihil) kann die rechte
Zerstörungswut aufkeimen, um sich greifen und ausufern. Profan ausgedrückt:
Ohne einen Stalin, ohne einen Barth, der scheinbar den absoluten Gegenteil
sagt, wäre ein Hitler nicht möglich, denn besonders die Rechtsextreme kann sich
immer und ausschließlich an dem Widerspruch von Links hochziehen, und hat ohne
Feindbild überhaupt keinen Halt. Ohne Linksextreme ist die Rechtsextreme
absolut lebensunfähig, die Rechtsextreme wurzelt gleichsam in der Linksextremen
und trägt deren Früchte. Jede zum Selbstzweck entfremdete Mitmenschlichkeit,
Friedenskampf, oder etwa "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit",
ist die Saat des Bösen. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß immer rechts
geerntet wird, was links ausgesät ward(1316).
Damit soll nicht behauptet werden, daß die Linksextreme ein schlimmerer Teufel
ist, sondern soll die Linksextreme als unabdingbare Existenzvoraussetzung der
Rechtsextreme aufgezeigt werden, die nicht wissen was sie tun (Lk 23,34), die
Gott "töten", um sich über die Folgen zu wundern. Theoretisch kann
all das auf die (hier vorausgesetzte) Grundaussage abgestützt werden, wonach
das Böse aus sich selbst keinen Sinn haben kann, sondern erst durch den
Widerspruch zum Guten, weil das Böse den Widerspruch zum Guten als Widerspruch
zu sich selbst fehlinterpretiert. Weil der Widerspruch des Bösen zum Guten eben
in der Leugnung des Guten besteht, kann das Böse sich selbst nur im Widerspruch
zu sich selbst begreifen, obgleich das Böse von und für den Widerspruch zum
Guten existiert, das er aber leugnet. So kann das Böse in letzter Konsequenz
gar nicht anders, als sich selbst mit dem geleugneten Guten, also mit Gott
gleichzusetzen, und so die eigene Existenz, die eigene Legitimität, nämlich als
Widerspruch (Widersacher), als "Negation" zu begreifen. Das Böse
vermeint zwar, daß ein Widerspruch ohne dem Widersprochenen (Gott) kein (in
sich) Widerspruch sein kann, doch hat er damit schon dem nächsten Widerspruch
(zu sich selbst) zur Manifestation Anlaß gegeben, den er auch leugnend den
Widerspruch zu Dreigliedrigkeit, sozusagen zur "Dreifaltigkeit"
vervollkommnet. Somit ist also ersichtlich, daß der modernen Philosophie nie
der Stoff ausgehen kann, weil der innere Widerspruch in der modernen
Philosophie philosophisch nicht lösbar, eine "ewige" Aporie ist. So
viel zum (transzendierten) absolut Unhinterfragbaren.
Philosophisch könnte die Fragestellung beliebig gewälzt und breitgetreten
werden, ob ein Widerspruch zu etwas (als existent) Geleugneten, als Widerspruch
in sich selbst, oder zu sich selbst, aufzufassen ist, die Gesetze der strengen
Logik kommen aber mit der Feststellung aus, daß sofern das Böse der Widerspruch
zum (somit) geleugneten Guten ist, dann bedingt aus dem Standpunkt des so
definierten Bösen der nämliche Widerspruch, also die eigene Existenz und
Legitimierung (des Bösen), einen weiteren, wenngleich nur resultierenden
Widerspruch, wonach der eigene Ursprung, der Grund der eigenen Existenz, die eigene
Identität, der Urgrund des Widerspruchs nicht (als real) erkennbar (agnostisch)
ist(1317). Der Teufelskreis der sodann
unabdingbaren Suche nach der eigenen agnostischen(1318)
("letzten") Identität definiert sich als die sogenannte Aufklärung,
die von der aufklärerischen Grundposition aus unmöglich aufgeklärt werden kann,
und geht daher meistens vorweg von dem unaufhebbaren Widerspruch als die
Grundposition (Agnostizismus) aus. Selbstredend kann das Böse den dergestalt
unaufhebbaren - weil unreflektierbaren - Widerspruch als die letzte Ursache
seines Daseins (a priori) ansehen und ist genötigt diese Einsicht so zu
verallgemeinern, als sei die Ganze Schöpfung aus einem Widerspruch entstanden,
bzw. sei der Widerspruch der Vater aller Dinge. Ein Widerspruch allerdings, der
nicht erkennbar (agnostisch) ist, und daher nur a priori, als
"offenbar" vorausgesetzt werden kann. In diesem Fall spaltet sich der
Widerspruch in die eingangs genannten polaren Gegensätze, um sich so wenigstens
selbst (erkennbar) widersprechen zu können, als würde er sich nicht selbst
widersprechen, sondern befände sich der Widerspruch außerhalb (von dem sich
Widersprechenden), also wäre der Widerspruch gewissermaßen transzendent, weil
scheinbar jenseits der eigenen Position, jenseits der eigenen
Erkenntnisfähigkeit, und wäre das angeblich nicht Erkennbare nicht das Leugnen
(des angeblich nicht Erkennbaren). Nur wenige Auserwählte, wie Barth, merken,
daß der Widerspruch wirklich (in sich) widersprüchlich ist, und beginnen den
Widerspruch zu leugnen: sie beginnen also dem Widerspruch so zu widersprechen
(Negation der Negation bei Hegel), als sei damit der Widerspruch aufgehoben,
sozusagen durch Steigerung im Antiwiderspruch, nunmehr widerspruchsfrei.
Deswegen sagt das Gute (seit Jahrtausenden) über das Böse, daß das Böse nur von
dem Bösen geleugnet werden kann, und zwar immer erst nach der Leugnung des
Guten, bzw. hat die Leugnung des Bösen unabdingbar die Leugnung des Guten zur
Voraussetzung. Die Leugnung des Bösen setzt also zwingend die Leugnung des
Guten voraus, bzw. schließt das mit ein. Leugnet aber das Böse das Böse, dann
nimmt es (damit) für sich das Gute (implizit) in Anspruch, und wenn sich das
Böse als Gute gibt, spricht das Gute vom Antichristen, der nichts und niemanden
zu widersprechen vorgibt (der große Jasager), aber sogar sich selbst (darin)
widerspricht, geschweige denn dem Guten.
Im Sinne der hier gegenständlichen Untersuchung erklomm Barth den Gipfel des Widerspruchs zum Objekt und Subjekt seines Jasagens in seiner dogmatischen Parusieinterpretation. Die hohe Kunst der Leugnung des Guten im Jasagen liegt in der Täuschung, in der Lüge, die in Barths scheinbar "theologischer" Spitzenleistung den bisher unüberbietbaren Glanz erscheint und alles sonst noch theologisch Moderne in den Schatten stellt. Nur der halbstarke Böse sagt direkt nein, während ein Theologe des Unguten in einem angehimmelten Zerrbild Gottes diesen zu Tode loben kann. Dieses bereits zitierte Schema der Pseudodialektik, die in der neueren Theologie eindrucksvoll von Semler gegen Reimarus exemplarisch vorexerziert wurde, befolgte Barth in der Frage der Auferstehung Jesu gegen Bultmann(1319), und in der von ihm als zentralste aller Fragen zugespitzten Parusie gegen Albert Schweitzer, bzw. gegen dessen konsequenten Eschatologie. Während Albert Schweitzer Jesu Messianität so unauflöslich an die damals (zu Lebzeiten Jesu) unmittelbar bevorstehend dargestellte Parusie band, daß das von ihm dann apodiktisch behauptete Ausbleiben der Parusie den Irrtum Jesu über seine eigenen Messianität zeigte, widersprach nun Barth der von ihm vordergründig als häretisch bekämpften Position A. Schweitzers so, daß er die Lüge A. Schweitzers gesteigert und verfeinert hat. Die (von Johannes Weiß entlehnte) luziferische (antichristliche) Grundidee Schweitzers, die Messianität Jesu so an die dann geleugnete Parusie zu binden, als könnte alles durch Jesus Gesagte und Getane ausschließlich durch die (von Jesus als bevorstehend angekündigten) Parusie, d. h. in der Parusie durch Gott, nachträglich und rückwirkend legitimiert werden, übernahm Barth unverändert, bzw. hat er die nämliche (luziferische) "eschatologische Spannung" mit einigen Kniffen sogar verschärft. Barths Vervollkommnung der teuflischen Idee Schweitzers, durch die angebliche Parusieabhängigkeit der Legitimation Jesu als (wirklichen) Christus (Messias) zu leugnen, bestand in der plastischen Veranschaulichung des "Verheißung - Erfüllung" Schemas um die Parusie als "Urteil - Vollstreckung" Schema durch den eschatologischen Richter Jesus. Der erste Kunstgriff Barths ist nun die endgültige und absolute (aber unbiblische) Befestigung der Parusie an der Auferstehung (und Himmelfahrt) Jesu zu Ostern, bzw. mit der Ausgießung des Geistes zu Pfingsten, um dann mit dem zweiten Kunstgriff eine ebenfalls unbiblische permanente Parusie im Geiste des Glaubens an die künftige (historisch-diesseitige) Erfüllung mit der Pointe zu postulieren, daß die bisherigen zwei Phasen der Parusie - respektive Auferstehung Jesu - ausschließlich durch die dritte abschließende Phase der Parusie, die noch unbedingt historisch (wirklich) ausstehende zukünftige (diesseitig) sichtbare (chiliastische) reale Wiederkunft (Parusie) Jesu(1320), (nachträglich) rückwirkend legitimiert werden kann (aber derzeit noch nicht legitimiert sein kann). Die wahrhaft satanische Gesinnung Barths kommt in seinen durch Weitschweifigkeit eingenebelten Erörterungen über die Naherwartung der biblischen Parusie zum Ausdruck, die er somit kannte und kennen mußte, bevor er sie durch spirituelle Spekulation in die ungreifbare und "ungewisse" Zukunft (des sich selbst genügenden Glaubens) "entrückt" hat. Soweit es feststeht, daß Barth den ihm wohlbekannten biblischen Termin der Parusie gleich mindestens um Jahrtausende (ins zukünftig Ungewisse) verschiebt, sei es auch unter dem Vorwand der angeblichen Dehnung, oder auch wenn nur feststeht, daß die von Barth heuchlerisch hochgelobte biblische Offenbarung einen mit Barths spiritueller Fiktion absolut unvereinbaren Termin der Parusie voraussetzt, dann kann die von Barth erdichtete (unbiblische) unabdingbare Bindung der Legitimation alles Christlichen an eine angeblich noch ausstehende Parusie, das bis zu der Legitimation durch die künftige Parusie bloß "geglaubte" Christentum ohne (legitimen) Anspruch auf die Realität bleiben muß, logisch unmöglich als bloße (gutgläubige) Irrtum abgetan werden. Soweit also Karl Barth einschlägig als der größte Theologe gilt, und soweit die Lüge ein verläßlich offenbartes Zeichen des Widersachers ist (Joh 8,44), kann Barth hier als der größte Luziferist (Antichrist, weil Pseudochrist) in der zeitgenössischen Theologie identifiziert werden. Barth macht nämlich den Wirklichkeitsgehalt uns Realitätsanspruch seines vorheuchelten "Glaubens", so von einem (unbiblischen) angeblich zukünftigen Ereignis abhängig, daß er vorher das nämliche Ereignis (biblisch) in der Vergangenheit ortet. Also täuscht Barth einerseits (im Sinne A. Schweitzers und Reimarus den Irrtum Jesu) vor, als hinge die Bewahrheitung des "Glaubens" (über Jesus Christus) von einem Ereignis (Parusie), das nach dem Tod Jesu aber für uns in der Vergangenheit hätte unbedingt stattfinden sollen, aber angeblich nicht stattfand, abhängen, und täuscht der gleiche Barth andererseits vor, daß das in der Vergangenheit geleugnete Ereignis (Parusie) künftig noch so stattfinden könnte, daß es keine unvereinbarer Widerspruch zum (biblisch offenbarten) christlichen Glauben wäre, sondern der einzige Ausweg des "Glaubens" aus der (angeblichen) biblischen Lüge (die eine Parusie nur in der Vergangenheit authentisch annehmen läßt).
In der perfektionierten Leugnung alles Guten durch die vordergründig
übersteigerte Bejahung des Guten gibt sich Barth in seinem Spätwerk (Dogmatik)
wenig Blöße und fällt selten aus der Rolle. Routinemäßig verwendet Barth den
Zirkelschluß und verbindet den im Kreis geführten Gedankengang zynisch mit dem
so deplazierten Glauben, immer wenn er die von ihm stets stark forcierte
Wahrheit aus sich selbst (Gott und Offenbarung) karikiert. Wie aber die
Eigengesetzlichkeit der Lüge das so in sich hat, treibt es Barth auch hier
gelegentlich auf die Spitze und macht sogar ab und zu einen Ausfall.
So arbeitet er an einer Stelle mit großer Sorgfalt einen (angeblichen)
Widerspruch im Evangelium aus(1321), d. h. er
Unterstellt dem Evangelium in der Grundaussage einen - auf der Vernunftsebene -
angeblich unaufhebbaren(1322) Widerspruch(1323), läßt es ausdrücklich als unaufhebbarer
Widerspruch(1324) auf sich beruhen(1325), wobei er diesem Abschnitt zynisch
vorangestellt hat, daß mit diesem unaufhebbaren Widerspruch ausschließlich der
Glaube(1326), nämlich der Christus des
Glaubens fertig werden kann(1327), und so
glaube er angeblich ganz fest, und alle Christen sollten, ja müßten auch ganz
fest glauben, daß dieser Widerspruch von dem kommenden Christus des Glaubens
bei seiner noch ausstehenden Parusie wunderbar aufgelöst werde(1328),
weil ohne ein - noch ausstehendes - Wunder (wider die Vernunft) bei der Parusie
ist der Widerspruch in der zentralen Grundaussage des Evangeliums unmöglich
auflösbar(1329), und muß bis zur künftigen
Parusie ungelöst bleiben(1330).
Eines der wenigen offen luziferischen Ausfälle im parusiezentrischen
Spätwerk Barths, der gewöhnlich durch Bejahen ad absurdum führt, handelt von
der Leugnung durch die Wertung Gottes, also von der Lästerung des Gottes der
authentischen biblischen Parusie, von der Verurteilung des von Barth als
eschatologischen Richter hochstilisierten Gottes der Bibel, nämlich in der
Wertung seiner Richterfunktion(1331) im
Christus (im Gegenüber zu Gott der künftigen Parusie Barths). In dem apologetisch
angelegten Schema stellt Barth die gekonnt schlendrian formulierte rhetorische
Frage nach der hypothetischen Richtigkeit und Haltbarkeit der Position des
Gottes, der den Parusietermin wortgetreu der biblischen Vorgabe entsprechend
termingerecht verwirklicht hätte(1332), und
spannt dann den Bogen des kunstvoll geschwungenen Zirkelschlusses über das
Apriori, daß die Nichterfüllung der biblischen Vorgabe der schlagende Beweis
der Unhaltbarkeit der biblischen Position hinsichtlich des Parusietermins sei(1333). Von der so erarbeiteten Voraussetzung
ausgehend ist nur ein kleines Stück des Weges um den Kreis zu schließen und
über den Gott der biblischen Parusie herzuziehen. Den ersten Halbkreis im wiederum
typischen Zirkelschluß spannt Barth mit dem folgenden Satz(1334)
auf "So hat Gott in Jesus Christus gerade nicht handeln wollen und
tatsächlich nicht gehandelt", und schließt mit dem zweiten Halbkreis
rund(1335) "So sieht das, was er in
ihm zu seiner Ehre und zu unserem Besten, so sieht der Gnadenakt, in welchem er
sich als des Menschen Schöpfer und als der Herr des Bundes, zu dem er ihn
erwählt hat, bestätigte - so sieht seine Auseinandersetzung mit des Menschen
Hochmut und Fall und des Menschen Umkehrung zu ihm hin - indem sie in der Tat
sein Höchstes und Letztes ist - nicht aus." Im hierauf folgenden Satz
hebt Barth (von der vom ihm andernorts radikal bejahten biblischen Offenbarung)
nun völlig ab(1336): "Und nun
bemerke man: das wäre gar nicht Er, nicht der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,
nicht der Vater Jesu Christi, nicht der Gott aller Barmherzigkeit und alles
Trostes, der es so gehalten, der so gehandelt hätte. Das wäre, auch wenn die
Ehre, die er sich selbst damit zulegt, und wenn die Wohltat für die Welt, die
das bedeutet hätte, noch so groß vorgestellt würde, der Akt einer abstrakten,
einer gottlosen Gnade gewesen, nicht die seinige, nicht die dem Menschen in
Jesus Christus zugewendete Gottesgnade, eine Treue voll Untreue: eben weil es
eine einseitige, eine den Menschen überrennende, ausschaltende, ignorierende
Entscheidung gewesen wäre." Diesem totalen Widerspruch zu dem von
Barth befeindeten Gott der biblischen Parusie, den Barth expressis verbis als
gottlos bezeichnet, ist nämlich in den vorigen Sätzen Barths die Positionierung
der künftigen überbiblischen Parusie Barths (wiederum) mittels Zirkelschluß
unmittelbar vorangegangen, wonach der Alternativgott Barths die Erfüllung der
ausstehenden Alternativparusie deswegen in die Länge zog, damit die Menschheit "Zeit"
habe(1337), nämlich Zeit darüber
nachzudenken, warum Gott die Parusie in die Länge zog. Barth geht also von der
Faktizität des Ausbleibens der zeitlich nahen Parusie in biblischer Zeit aus(1338), leugnet aber heuchlerisch den von ihm
geschürten Problemcharakter des Ausbleibens der biblischen Parusie, indem er
den Grund des Ausbleibens und (biblisch unmöglichen) Verschiebung der Parusie
direkt (seinem überbiblischen) Gott (gegen die Bibel(1339))
unterstellt(1340), und in dem von ihm so
geschaffenen offenbarungsfreien Raum bisher Unoffenbares über eine von ihm
(inspirativ) erdichteten (unbiblischen) Zwischenzeit (Zwischensabbat, bzw.
Vorsabbat) vor dem Sabbat (d. i. die Parusie des Reiches Gottes) als
Zirkelschluß verkündet(1341), weil Gott "selbst
sein letztes Wort wohl gesprochen, aber noch nicht zu Ende gesprochen hat
(nachdem die letzte Stunde schon geschlagen hat, deren Schlag aber
gewissermaßen noch nicht verklungen ist)". Mit dem zitierten
Widerspruch zu der Kreuzestheologie der Bibel und mit dem Bekenntnis zu dem
überbiblischen Alternativgott, der das Heil der Menschen im
eigenverantwortlichen Eigenregie, nämlich über das Selbst des Menschen(1342)abwickelt, ist Barth mit dem von ihm
gelästerten Gott der biblischen Parusie noch nicht fertig, und setzt so nach,
daß der obligate Zirkelschluß, gewissermaßen der Zirkelschluß der
Zirkelschlüsse, diesmal den Schluß (des globalen Zirkels) bildet(1343), um nicht zu sagen abrundet: "Keine
ewige Herrlichkeit der vollendeten Welt in seinem Lichte hätte das gut machen
können, daß das ein menschenunfreundliches, ein zutiefst ungnädiges Tun gewesen
wäre! Und keine Souveränität, die man in der Übung solcher Gnade rühmen möchte,
könnte etwas daran ändern: das wäre eben brutale Gnade gewesen - Gnade, wie sie
sich der brutale Mensch wohl vorstellen mag, wie sie aber die Gnade des
wirklichen, des lebendigen Gottes, der der Vater, Sohn und der Heilige Geist
ist, nun gerade nicht ist. Daß es zwischen dem schon eingetretenen ersten und
dem noch künftigen letzten Ende unserer Zeit, die Endzeit gibt, das beweist
fürs erste, daß wir uns den Gedanken an einen solchen Gott und an eine solche
Gnade aus dem Kopf zu schlagen haben." So viel zu der von Karl Barth
- im Rahmen seines globalen theologischen Bejahungsprogramms - stets
leidenschaftlich geforderten "Wahrheit aus sich selbst", nämlich
Gottes und der Offenbarung, die er mit seinen konsequenten Zirkelschlüssen (die
eine Ersatzwahrheit aus sich selbst simulieren) verhöhnt. Mit den zuletzt
zitierten Sätzen leugnet nämlich Karl Barth genau den Gott der biblischen
Offenbarung, den er (in seiner "inspirierten Exegese" völlig
umgedichtet) scheinbar die ganze Zeit radikal bejaht. Bedenkt man, daß Barth
immanentistisch das Gute und das Böse direkt mit Sein und Nichtsein gleichsetzt(1344), so offenbart die inspirierte Exegese
Barths den biblischen Gott via Parusieverzögerung als Nichtsein (Nichtseiende,
Nichtige, Nichtgegebene(1345)) und den
überbiblischen Gott des inspirierten Exegeten Barth als das Sein(1346).
Barth ist eine Ausnahmeerscheinung insofern, als er schon als Zeitgenosse
Albert Schweitzers dessen "konsequente Eschatologie" kritisiert und
ablehnt(1347), und damit als so gut wie der
einzige Modernist sich äußerlich von der Moderne(1348)
verbal distanziert, der trotz seiner fundamentalistischen Grundposition
aufgeklärte bis moderne Religionsphilosophie betrieb. Barths Kritik an der
religionsgeschichtlichen Schule der Liberalen und an den Kulturprotestantismus
ist trotz der scheinbar scharfen Ablehnung eine höchst oberflächliche und rein
formale, um die gleichen verlogenen Inhalte statt philosophisch und
historisch(-kritisch), oder religionsgeschichtlich, nunmehr bibeltheologisch,
bzw. dogmatisch zu artikulieren(1349). Die
gleiche Pseudokritik imitiert dann Pannenberg(1350),
indem Pannenberg seinerseits Barth (wohl zu Recht) der Tod-Gottes-Theologie
bezichtigt(1351), den er bei Hegel schon
nachweist(1352), um den gleichen
Parusieschwindel, als eine Rezension der Barthscher Eschatologie, um noch eine
Stufe perfekter zu tarnen(1353). Barth selbst
beleuchtet seinen theologischen Werdegang als scharfe Apposition zu seiner
früheren Identifikation mit dem "Ausbleibens dieses Finale"
(Parusie) des Kulturprotestantismus - das "nie eingetreten ist"und
"nie eintreten wird" - in der Theologie der Krisis(1354), zu seiner "eschatologischen
Wendung". Die Besonderheit seiner eigenen Position sieht Barth in der
grundsätzlichen verbalen Bejahung der Parusie, so als wäre die Bejahung unter
einer absolut unerfüllbaren Bedingung nicht noch schlimmer als eine direkte und
offene Verneinung. In diesem Sinne schulmeistert Barth die Moderne mit dem
bestechenden Argument, daß so wie er eingesehen habe, daß reine
Überzeitlichkeit (der Parusie) falsch gewesen sei, so müsse die Moderne
einsehen, daß auf die Enttäuschung über die reine Gegenwartsbezogenheit des
Traditionalismus die reine Zukunftsorientierung nicht die einzige, und nicht
einmal die beste Antwort sei(1355), sondern
die Zukunftsorientierung der Ultramoderne müsse die Legitimierung der
Gegenwartsorientierung verheißen. Obgleich die Gegenwart Gottes vermeintlich erkennen
zu können von den Traditionalisten ebenso falsch gewesen sei, wie die Gegenwart
Gottes nur in der Zukunft durch die Moderne, so Barth, können beide irrige
Auffassungen durch Barths (inspirierten) Verkündigungstheologie zugleich in
einer neuen Ordnung verbal (im sog. Glauben) bejaht werden, denn der
überzeitliche Gott, so weiß Barth seine - nunmehr abgeschworenen -
theologischen Jugendsünden zu korrigieren, kann nur gleichzeitig in allen drei
Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) als gegenwärtig, wenngleich nur im
Glauben (und nicht real), angenommen werden. Die Modernen bekommen insofern von
Barth recht, als eine reale Gegenwart, falls überhaupt (notwendig), nur in der
Zukunft sein könne, aber wenn er in der Zukunft wirklich real sein sollte, dann
gelte (künftig) seine Anwesenheit (rückwirkend) auch in Vergangenheit und
Gegenwart als gegenwärtig (gewesen). Man könne also nie wissen, so Barths
Agnostizismus: nur glauben. Es ist offensichtlich, daß mit der polemischen
Kritik an der offenen Leugnung der Parusie in der Moderne und hieraus
resultierende Eschatologisierung von Barth nur ein Ablenkungsmanöver sind. In
Wirklichkeit warnt Barth die Moderne vor der damaligen Euphorie, daß durch die
Verschiebung der Parusie die Theologie und Religion im gleichen Augenblick wie
ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen werde, und bereitet sich auf einen
Stellungskrieg gegen den biblischen Gott mit seiner biblischen Parusie vor,
indem er sich gewissermaßen theologisch eingräbt und (heuchlerisch) zu tarnen
beginnt(1356). Bei seiner kritischen
Ermahnung der allzu Leichtsinnigen rutschen Barth verschleierungstechnische
Formulierungen aus, die ihn verraten, daß er keineswegs um das Evangelium
besorgt ist, sondern um die vorzeitige Entdeckung des Schwindels, den er mit
den von ihm Kritisierten gemeinsam dem Evangelium unterschiebt(1357):
"Es war gewiß höchste Zeit, daß auch die historische Erforschung
des Neuen Testaments sich zu der Erkenntnis durchgerungen hat, wie sehr dessen
Botschaft und dessen Glaube von der Erwartung der Wiederkunft Christi und des
Endes aller Dinge bestimmt und durchdrungen war. Und diese Erwartung ist in der
Tat nicht genau verstanden, wenn nicht gesehen wird, daß sie nicht mit langen Zeiträumen
gerechnet hat, sondern daß sie Naherwartung gewesen ist. Das Auslegungsproblem,
das damit gestellt ist, liegt auf der Hand. Aber wenn die Lösung dieses
Problems durch die massive Feststellung, daß diese Naherwartung als solche
«nicht in Erfüllung gegangen sei», nun doch allzu sehr auf der Hand liegen
dürfte, um zwingend zu sein, so war und ist es auf alle Fälle auch auf dem Feld
der neutestamentlichen Exegese nicht weise, diese Erkenntnis, dieses Problem
und diese Lösung des Problems als eine Art Aladinisches Zauberwort zu
behandeln, dem sich nun gleich alle Türen zu allen Geheimnissen öffnen sollen
und also durch alle Jahrzehnte hindurch nur noch dieses Eine wissen und in
pathetischer Monotonie sagen zu wollen: daß das Urchristentum in der Naherwartung
der Wiederkunft gelebt habe, daß diese nicht eingetroffen sei, daß damit alle
seine übrigen Aussagen gänzlich alteriert worden seien und daß uns als ihr
bleibender Gehalt die Mystik der «Ehrfurcht vor dem Leben» und sonst nichts
übrig bleibe. So darf man, wenn man sich selbst nicht mit Sterilität strafen
will, auch wenn man seiner Sache noch so sicher zu sein meint, in einer
einzelnen Einsicht auf keinen Fall stecken bleiben. Mußte die eschatologische
Deutung des Neuen Testamentes und des Christentums überhaupt nach
jahrhundertelanger Vernachlässigung dieser Seite der Wahrheit der Ewigkeit
Gottes notwendig ihren Raum bekommen, so durfte doch das Unglück nicht
geschehen, so darf es jedenfalls bei dem Unglück nicht bleiben [...] Kam man -
wie es offensichtlich sowohl in der von den beiden Blumhardt ausgehenden
Bewegung als auch auf dem Feld der rein historischen Exegese des Neuen
Testamentes nun doch wieder in ganz uneschatologisch liberale (z. T. geradezu
trivial liberale) Gedankengänge zu geraten, dann mußte diese Gefahr ein
Warnungssignal sein: die Aufforderung zur Einsicht, daß nun doch auch die
Nachzeitlichkeit Gottes (neutestamentlich: die Wiederkunfts- und Enderwartung)
in einer Klammer, in einem größeren Zusammenhang steht, vielmehr: daß sie wohl die
ganze Wahrheit Gottes ist, aber eben als solche gänzlich ungeeignet dazu, von
uns wie ein Instrument oder wie eine Waffe ergriffen und gehandhabt zu werden,
weil sie vielmehr uns ergreifen und handhaben will, sich dann aber in ihrer
Eigenart als mächtiger erweist, als daß wir sie auf diese Eigenart
gewissermaßen festlegen, als daß wir die innere Bewegung ihrer Eigenart
verkennen könnten, als daß wir dieser Bewegung nicht mehr folgen müßten."
Ob aus diesen Sätzen der Teufel (durch seinen antibiblisch inspirierten
Wortverkündiger Barth) höchstpersönlich zu uns spricht oder nicht, das mögen
die Moraltheologen und Dogmatiker definitiv entscheiden, aber aus dem
bibeltheologischen Gesichtspunkt lügt Barth so unverfroren, daß er dem als
Lügner charakterisierten biblischen Ideal des Bösen (Joh 8,44) allzu nahe
kommt. Die sozusagen übermächtige Wahrheit des angeblich biblischen Gottes in
Barths Verkündigung, wonach sie zur Gänze aus Unwahrheit bestünde, nur daß man
das nicht gleich allen sagen, sondern durch die vorgelogene Eschatologie
(Parusie) in der Zukunft diskret verschleiern soll, ist die bisher wohl größte
Lüge auf dem heimatlichen Boden der Theologie, auch wenn Barth nicht als der
größte Theologe etikettiert wäre. Und nun die Lösung Barths(1358):
"Man überwindet die Irrtümer dieser Jahrhunderte nicht, indem man
das auch ihnen zugrundeliegende Wahrheitsmoment unterdrückt, sondern indem man
es in seinem Zusammenhang, aus dem es nicht gelöst werden darf, sieht und zur
Geltung bringt."
Eine größere Frechheit in der Theologie, zumal es sich bei Barth um den
angeblich größten Theologen handelt, steht noch aus. Barth meint nämlich
zynisch, daß Irrtum und Wahrheit so im "Zusammenhang" gebracht werden
müssen, besser gesagt stünden sie schon so in (unauflöslichem) Zusammenhang,
und dieser Zusammenhang ist wahrzuhaben, daß der Irrtum die Wahrheit, will man
den Irrtum verwerfen, mit verwirft, gleichsam mitreißt. Oder: Die Barthsche
Wahrheit kann man nur zusammen, nämlich mit der - mit ihr im Zusammenhang
stehenden - Unwahrheit "zusammen", bestehen lassen. Wahrheit und
Unwahrheit können und sollen nicht voneinander getrennt werden, so als wären
sie aneinander "gebunden". Auch wenn Barths Wahrheit nicht Lüge, und
Barths Irrtum nicht die Wahrheit wäre, wäre diese Junktimierung in der
Bibeltheologie methodisch ein Unding. Aus der Wahrheit kommt keine Unwahrheit
(2 Kor 13,8; 1 Joh 2,21) und die Wahrheit kann sich mit der Unwahrheit nicht
verbinden (Joh 14,17; 15,26; 16,13), wie es von allen Theologen Barth am besten
wußte und wissen mußte. Unter den aufgezeigten Voraussetzungen erscheint also
als erwiesen, daß Barth sehr wohl um die Unvertretbarkeit der ausgebliebenen
Parusie wußte und es sogar in früheren Jahren nachdrücklich guthieß, ja sich
damit identifizierte, aber in seinem Spätwerk die damit verknüpfte Leugnung der
Messianität Jesu(1359) keineswegs inhaltlich
korrigiert hat, sondern in einem ausgeklügelten System, das auf die
Apokatastasis(1360), auf die Wiederbringung
Aller hinausläuft(1361), bloß zu verschleiern
gesucht hat.
Zusammenfassend kann der eigentlich luziferische Verdienst Barths in dem
methodischen Durchbruch, die Spekulation - als Bejahung der Grundwerte der
Theologie getarnt - in die Dogmatik eingeschleust zu haben, konstatiert werden.
Barths heuchlerische Abwendung von der von ihm zum Glanz gebrachten
Dialektischen Theologie und Hinwendung zur königlichen Disziplin der Theologie,
zu der Dogmatik, ist deswegen der Gipfel der Moderne in der Theologie, weil die
mit Semler eingeschlichene Spekulation in der Theologie sich auf den
Richterstuhl (vgl. Mt 23,2) der Theologie vorgearbeitet hat. Bisher begnügte
sich die seit Semler in der Theologie vor allem als die historisch kritische
Methode (über die Hilfsdisziplinen der Theologie) eingeschleppte Spekulation
mit der Kritik an der Dogmatik von außen, ebenso wie der theologische
Fundamentalismus. Indem aber Barth die Pseudodogmatik als vorgebliche Dogmatik,
sowohl bei Fundamentalisten, wie auch bei Spekulativen, salonfähig gemacht hat,
schaffte er den methodischen Durchbruch und damit die Entfremdung der an sich
streng logischen Methode der Theologie in der Wahrheitsfindung, sowohl
zugunsten der Spekulation wie auch der Apriorismus(1362).
Barth blieb trotz seiner heuchlerischen Wende von der Dialektischen Theologie
zur methodischen Strenge ein Pseudotheologe, und kann somit als der perfekteste
aller Fälscher, der vollkommenste aller Luziferisten in der Theologie, als
Vater der Lüge in unseren Tagen, bezeichnet werden, sofern und solange er noch
als der größte Theologe gilt.
3.12. Die Theodizee
Zwölfter Grundsatz ist die Erhellung der luziferischen Logik, wonach die
strafende Gerechtigkeit des biblischen Gottes, die als Problemstellung im
Evangelium durch die Sündenvergebung durch Gott (in Christus) gelöst ist, so
umgangen werden soll(1363), daß die nämliche
strafende Gerechtigkeit samt Sündenvergebung ad absurdum geführt wird(1364). Es wird von der Subkultur ein
menschengerechteres Gottesbild - als das biblische - entworfen, das natürlich
vom Original in den Punkten abweicht, die das unabdingabre Wesen des
Christentums ausmachen. Die Entchristianisierung mit Hilfe dieser
pseudowissenschaftlichen Denklogik wird zunächst mit der bewußten
Überdimensionierung des Heilswillens Gottes eingeleitet, um dann das
überkommene Gottesbild der biblischen Offenbarung als unausgereift und ähnlich
abzuqualifizieren.
3.12.1. Der ungeteilte Teufel
Der "kritisch" mehr oder minder offen umgestaltete (zumeist schon
umgestaltet vorausgesetzte) Gott schließt nicht nur alle Menschen, sondern die
gesamte Schöpfung als "gerettet" ein (Apokatastasis), so als könnte
und wollte der "Höchste", im Gegensatz zu dem minderwertigeren, weil
nur partiell heilswilligen biblischen Gott, nichts und niemanden aus dem
ganzheitlichen Heil ausschließen. Ob nun die Vorzüge des neuen - aufs Ganze gehenden
- Gottes gesondert expliziert, oder stillschweigend (a priori) vorausgesetzt
werden, wird dieser Übergott dem biblischen Gott so (offen oder verdeckt)
gegenübergestellt, als sei der sich in dem christlichen Evangelium offenbarende
Gott nicht christlich genug, alle ohne Ausnahme in das Heil einzuschließen,
sondern - über die vorgeschaltete persönliche Sündenvergebung - (unzulässige,
bzw. unchristliche) Ausnahmen macht. Die Interpretation des vom Neuen
distanzierten (alten) biblischen Gottes bewegt sich zwischen der Wertung als
überholt (ausgemustert) bis hin zum protochristlichen Übergangslösung, nämlich
bis zur eschatologischer Verwirklichdung der Apokatastasis. Auf der
emotionellen Ebene wird zumeist nonverbal der Eindruck erweckt, als würde der
biblische Gott den Teufel diskriminieren (unter Verletzung des
Gleichheitsprinzips), so als sei Gott nicht vorurteilsfrei, weil nicht mächtig
genug (den Teufel zu begnadigen und umerziehen), sondern vielmehr
"undemokratisch" autoritär.
Mit oder ohne dem zuvor aufgezeigten logistischen Übergang, gipfelt die
luziferische Logik stets in der Einbeziehung des absolut Bösen in das positive
Heilsgeschehen, so als sei Sünde und Teufel zu hassen unchristlich(1365), bzw. "unvollkommen" (weil die
Gnosis gewöhnlich Vollkommenheit - monistisch - mit Ganzheit assoziiert),
"einseitig", eine "halbe Sache". Das ist gewissermaßen die
Grundidee des sogenannten Ganzheitlichen Denkens. Daher das Paradigma des
neugnostisch Absoluten, das in dem so pervertierten Christentum auch - immer -
die Liebe zum Teufel, die Liebe zum absolut Bösen mit inbegriffen wissen will,
damit so die Liebe erst dergestalt "absolut" - weil angeblich
"ungeteilt" - sei. Daß die neu kreierte "Liebe Total" doch
nicht widerspruchsfrei präsentiert werden kann, zeigt sich spätestens in dem
unbändigen Haß auf alles überkommen Christliche, die zumal von Christen,
relativ leicht (in der Begegnung) zutagegefördert werden kann. Es gibt auf der
Welt nichts untoleranteres, als ein "Toleranter" gegenüber den
"Intoleranten"(1366).
3.12.2. Der selbstgerechte Teufel
Schon in den Anfängen des Christentums war das Übel in der Welt der zentrale
Angriffspunkt des Antichristen (Gnosis) gegen Gott und die Welt und die vielstrapazierte
Theodizee-Problem trieft vor Hohn(1367). Noch
heute ist das Übel in der Welt für die durch die Aufklärung für die
neuplatonische Gnosis (Neugnosis) entfremdete Philosophie die unveränderte
Ausgangsposition der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes und damit ganz bewußt
nach Gott selbst(1368). Das Theodizee-Problem
ist methodisch mit dem sogenannten teleologischen Gottesbeweis(1369)
verbunden, wonach die allenthalben wahrnehmbare (handlungsorientierte) Ordnung
zwingend auf ein Ordnendes schließen läßt, bzw. setzt es logisch voraus. Immer
öfter wird dabei an der (an einen omnipotent personalen Gott gebundenen)
Terminologie von Leibniz(1370) vorbei, bloß
allgemein von dem Grund der Ordnung abstrakt (bewußt ohne Personifizierung) in
der Teleologie gesprochen(1371). Die
subjektivistische Apriori der Aufklärung, die etwa die angebliche Unmöglichkeit
einer evolutionären Ordnung in der Natur deswegen voraussetzen und so selbst
die allfällige Naturordnung höchstens agnostisch begreifen, aber im Grunde
leugnen muß(1372), weil die Ordnung in der
Natur das Dasein des (handelnden) Ordners (ohne die prädikativen Auflagen von
Leibniz) sehr wohl voraussetze, versucht von dem eigenen Widerspruch mit der
fadenscheinigen Theorie der angeblich hier wuzelnden Notwendigkeit (Grund) der
Religion (Theodizee) abzulenken(1373), daß
nämlich dem Unterschied der souverän apriorisierten moralischen Ordnung des
Subjektivismus zum objektiven Unordnung der Natur (Übel in der Welt) die
logische Notwendigkeit der Religion entstamme(1374)
(zu der sich die Aufklärung heuchlerisch bekenne).
Nicht erst nach der Evolutionstheorie Darwins(1375)
wird die Interessenkollision der Aufklärung rund um die Teleologie und
Theodizee augenscheinlich(1376), doch kann
sie trotzdem, nicht nur mit der Einengung (Engführung) der Darwinschen
Evolution auf die belebte Natur, die unbelebte Natur nach wie vor als Manifest
der Unordnung vorschützen(1377), sondern
gleichzeitig den Spieß umdrehen und das evolutionäre Ordnungsprinzip als
angeblich mit der Kulturtradition im Widerspruch befindlich propagieren. In
Wahrheit trifft die Lehre von der Evolution den Existenznerv der Aufklärung,
dessen Galionsfiguren in der Teleologie zu Recht die schlimmste
Existenzbedrohung für die Aufklärung erkannten, und die nämliche teleologische
Gefahr mit der spekulativen Umgehung der Logik und sonstigen
pseudowissenschaftlichen Manipulationen begegneten(1378).
Und so bezeichneten sie sogar ihre Argumentation zynisch als die "Emanzipation
der Naturtheorie aus den Zwängen der Teleologie"(1379).
Der perfekte Mord an Gott(1380) scheint nach
dieser Geisteshaltung auf dem Weg umsetzbar zu sein: sich als Gott ausgeben(1381) und dann Selbstmord vortäuschen, um
schließlich die Schuld der (immer als böse vorverurteilten) Wirklichkeit in die
Schuhe zu schieben. Es steht auf jeden Fall fest, daß die Evolutionstheorie(1382) nicht einen Gegensatz zu der
wohlverstandenen Religion an sich bildet, sondern ist nach dem eigenen
aufklärerischen Selbstverständnis mit der Pseudoreligion der Aufklärung absolut
unvereinbar, und führt diese mit der ihr zugrundeliegenden streng
antiteleologischen Grundposition(1383)
ganzheitlich ad absurdum.
3.13. Die Negation
Der dreizehnte Grundsatz ist die These von der Leugnung des Teufels als lediglich
eine Spielart der Leugnung Gottes, nämlich die indirekte, welche darin
(implizite) vorausgesetzt werden muß. Diese These ist in der traditionellen
christlichen Theologie tief verwurzelt und war stets eines der tragenden
Grundsätze christlicher Theologie, die von der Subkultur zynisch mit dem
Argument bekämpft wurde, daß die "Traditionalisten" an den Teufel
"glaubten"(1384). Grundsätzlich
kann alles über den Atheismus Gesagte hier wiederholt werden. Es möge hier der
Hinweis genügen, daß ein immer wiederkehrendes Hauptmotiv in der Kultivierung
des Bösen eben die Leugnung desselben ist. Man könnte mit einem leicht
abgewandelten Descartes sagen, daß der Leitspruch des kultivierten Bösen etwa
lautet: "Ich leugne also bin". Aber auch: "ich leugne also (er)
ist". Es wäre eine hier zu weit führende (wenngleich triviale)
philosophische Fragestellung, ob nicht der sich (spekulativ) selbst als höchste
Instanz erkennende Mensch(1385), ebendies
zwangsläufig leugnen müsse. Sei es über die Verleugnung der höchsten Instanz
überhaupt, sei es über die Verleugnung der eigenen Identität (Selbst), oder
eher beides.
3.14. Der Irrtum
Vierzehnter Grundsatz sei die Enttarnung der sog. Diskussionsbereitschaft
der Subkultur als Farce, bzw. als vordergründiger Ablenkungsmanöver. Vor allem
Liberale täuschen immer so lange Gesprächsbereitschaft vor, bis sie den Gegner
damit hinhaltend (zumeist) ihn existentiell oder psychisch vernichten. Auch
wenn die lieben Mitliberalen dem soeben verabschiedeten Kardinal angeblich
nichts mehr glauben konnten und wollten, behielt jener zumindest in dem Punkt
recht, daß der vorgebliche Informations- und Meinungsaustausch, auch wenn nicht
alles in einer unzumutbaren Form aufgezwungen worden wäre, nichts mit
Sachargumenten, geschweige denn mit Wahrheit zu tun hatten. Auf eine Kurzformel
gebracht: immer wenn die Subkultur Diskussionsbereitschaft vorgibt, führt sie
etwas im Schilde, bzw. hat schon der Gegner zumeist den Dolch oder Giftpfeil
schon im Rücken. Es sei mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß Anstand,
Korrektheit und ähnliche Tugenden etwa, dem Liberalen vollkommen wesensfremd
sind, obwohl er damit (heuchlerisch) blendend umgehen kann. Erst wenn man sich
eingesteht, daß die Liberalen im Heucheln, also im populistischen Umgang mit
den christlichen Tugenden, den Christen haushoch überlegen sind, wird man die
Liberalen - mit Gottes Hilfe - begegnen können.
Erklärend kann hinzugefügt werden, daß die Bibeltheologie, so wie relativ
durchgehend die Heilige Schrift selbst, den Abfall, das Verloren-Sein oder
Verloren-Gehen, mit dem Begriff "Irrtum", wie etwa Verirrung, in die
Irre gehen und ähnliches, ausdrückt (Mt 24,11; Mk 13,5//Mt 24,4.5.11.24; Lk
21,8; Joh 7,47; Röm 1,27; 1 Kor 15,13; Eph 4,14; Kol 2,8-23; 2 Thess 2,11; 1
Tim 6,2-10; 2 Tim 2,14-26; Tit 1,10; 3,3; 3,9-11; Hebr 5,2; Jak 5,20; 1 Petr
2,25; 2 Petr 2,15.18; 3,17; 1 Joh 1,8; 2,18-27; 3,7; 4,6; 2 Joh 7), denn auch
Adam hat sich ja nur "geirrt" (könnte man meinen). Im heutigen
Sprachgebrauch kommt die volle Härte des Irrtums nicht mehr so deutlich zum
Ausdruck und wird von dem Begriff der Sündenvergebung (an und für sich zu
Unrecht) relativiert(1386). Nicht zufällig
ist aber für die Bibel Irrtum und Verhängnis synonym. Vergeblich tröstet sich
also der moderne Pharisäer mit "irren ist Menschlich", denn er trägt
die gleiche übergroße Verantwortung wie seine biblischen Vorgänger (Mt 3,7;
5,20; 21,45; 23,1-39; Lk 11,37-54; Mk 8,14-21//Mt 16,5-12; Lk 12,1-3). Gegen
niemanden erhob Jesus jemals die Stimme als gegen die Elite der damaligen
Verheißung (Mt 23,13-29; Lk 11,42-52). Jeder andere Sünder konnte zu ihm
kommen, aber die "irrenden" Frommen und heuchlerischen Gelehrten wies
er schroff ab. Jesus scheute sich auch nicht so - heute aus der Mode gekommenen
- Begriffe wie "Satan" für die Irrende zu verwenden. Irren heißt für
ihn: nicht glauben. Nur wer glaubt, hat das Evangelium vom ewigen Leben in
Jesus Christus. So ist der Irrtum selbst nur Ausdruck des Verlorenseins (an den
Satan), allerdings ein sehr verläßlicher Ausdruck.
Zusammenfassend kann von der vorgeblichen Diskussionsbereitschaft der
Subkultur ausgesagt werden, daß auch wenn die Bibel nicht von unüberwindlichen
Gegensätzen sprechen würde, die Gegner der Bibel, die sie oft besser kennen als
die christlichen Theologen, gehen auf jeden Fall von der Unvereinbarkeit ihrer
Ansichten mit dem biblischen Evangelium aus, insb. immer dann, wenn sie
Gesprächsbereitschaft vorgeben. Diese geheuchelte Gesprächsbereitschaft - vor
allem biblische Fragen betreffend - kann und darf nur mit der Vorfrage begegnet
werden, ob der vorgeblich Gesprächsbereite, im Falle eines gelungenen Beweises
zugunsten der Bibelwahrheit, seinen Standpunkt ändern würde, was gewöhnlich
verneint wird. Sollte auch ausnahmsweise eine affirmative Antwort kommen, so
meistens von einem exzellenten Bibelkenner, der auf sein Können fälschlich
vertraut, jedoch nicht daran denkt Wort zu halten. Oder kommt es von einem, der
sich zu wenig auskennt, die Sache dann - vorerst - allenfalls mit einem
"es sieht so aus" quittiert, und spätestens nach der üblichen
Rücksprache mit einer Autorität seiner Denkrichtung den Rückzieher macht. Die
Anhänger eines Alternativgottes (alternativ zum biblischen Gott) können und
wollen nicht darüber sprechen, sondern nur mit dem vorgetäuschten Gespräch von
etwas ganz anderem ablenken. Es gilt dabei die Faustregel: desto
biblizistischer desto heuchlerischer, wobei biblizistisch (fundamentalistisch)
nicht mit biblisch verwechselt werden darf.
3.15. Der Kanon
Der fünfzehnte Grundsatz besagt, daß die Subkultur - ähnlich dem ständigen
Charakteristikum Chiliasmus - stets mit der Manipulation der Offenbarung
einhergeht, wenn nicht gewissermaßen hieraus resultiert(1387).
Da ist zunächst Schritt und Tritt die Rückführbarkeit auf Jakob Böhme, d. h.
auf dessen Alternativoffenbarung, weiters die mehr oder minder offene
Hantierung mit Apokryphen und postbiblischem Offenbarungsgut. Doch die
Hineininterpretierung außerbiblischer Offenbarungen in die Heilige Schrift ist
relativ harmlos im Vergleich zu der Manipulation im und am Kanon selbst. Es
kann dabei verallgemeinert werden, daß die Fundamentalisten den Wortlaut, also
den für authentisch beschworenen Inhalt verstellen, während die aufklärerischen
Liberalen formell gegen den Kanon vorgehen, nämlich nach
"außerbiblischen", "überbiblischen" (pseudoinhaltlichen)
Kriterien, also die Authentizität fragmentieren und (damit schon) negieren(1388).
Die überragende Wichtigkeit und zentrale Rolle dieses Grundsatzes kann nicht
genug betont werden, denn die christliche Offenbarung ist der Stein des
Anstoßes, der Gott der nämlichen Offenbarung, der mit Hilfe scheinbar harmloser
Manipulationen ad absurdum geführt werden kann, so als könne der Gott der
Offenbarung neben oder über die Offenbarung gestellt werden, oder er
"unabhängig" von der Offenbarung "sein" könnte. Wenn auch
die Theologie der Offenbarung aus der Mode gekommen zu sein scheint, der Maß
aller Dinge in der sog. Sektenforschung, also bei der Erforschung sämtlicher
Sondermeinungen, ist das jeweilige Offenbarungsverständnis. Das jeweilige
Offenbarungsverständnis ist aus dem systematischen Gesichtspunkt die letzte
Kausalursache für jede Sondermeinung, und von dem Offenbarungsverständnis her
kann - wie etwa in der Genforschung - als von den eigentlichen Grundlagen her
die ganze weitere Entwicklung und Entfaltung (der jeweiligen Sondermeinung)
vorausbestimmt werden. Man kann jede Sondermeinung mit mathematischer Exaktheit
als Funktion des Offenbarungsverständnisses definieren.
3.15.1. Die Manipulation
Besonders großen pseudowissenschaftlichen Aufwand betreiben die Modernisierer
nach wie vor rund um die Verfälschung des biblischen Parusietermins, der als
der schlechthinnige Grund für die Manipulation am biblischen Kanon ist. Die
Widersprüchlichkeit ihrer Ausgangsposition läßt sich aber in der
vordergründigen Kanonkritik nachweisen, weil sie unzulässig einseitig eine
Entstehungsgeschichte des Gebrauchskanons (Kultkanons, bzw. Lesekanons, d. i.
der Kanon für die kultische Lesung) als die ausschließliche Kanongeschichte
schlechthin vorspiegeln(1389), um damit die
unabdingbare Ursprünglichkeit des Lehrkanons (also des "geschriebenen
Kanons", kurz "Schreibkanons", oder Schriftkanons) zu vertuschen(1390). Sie leugnen also nonverbal überhaupt den
Lehrkanon (Schreibkanon) der biblischen Schriften(1391),
der nicht nach ihren zeitlich viel später anzusetzenden Kriterien des
(historischen Reifungsprozesses des) kultischen Gebrauchs zu beurteilen ist,
sondern nach den Kriterien der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit der
Lehrinhalte, nämlich für künftige Jahrtausende.
Die pseudowissenschaftliche Fiktion eines im Laufe der Zeit durch die Kirche
nach dem Zufallsprinzip oder jeweils vorherrschenden kultischen Bedürfnissen,
allenfalls im Sinne einer soziologischen Dynamik, gesammelten, ja sogar
angeblich je nach der Nachfrage gebrauchsökonomisch erstellten
("angebotenen") neutestamentlichen Schriften(1392),
würde mit ihrem eigenen Inhalt im Widerspruch stehen. In Lk 1,1-4 und in Joh
20,30-31 spricht das Evangelium expressis verbis von einer Sammlung und einer
kritischen Auswahl, die nur als auf einen Lehrkanon, und auf keinen
Gebrauchskanon ausgerichtet verstanden werden können. Analog enthalten die
atl-en Bücher durchgehend Hinweise und sogar konkrete Aussagen darüber, daß ein
bestimmter Inhalt nach einer redaktionellen Auswahl getroffen wurde, wobei die
Auswahl weder nach historischen noch nach anderen profanen Kriterien erfolgte,
sondern direkt oder indirekt immer im Hinblick auf die Offenbarung, oder um die
Lehrinhalte der Offenbarung zu stützen, zu unterstreichen, zu akzentuieren.
Während in den oben zitierten Stellen des NT lediglich pauschale Hinweise
auf die redaktionelle (selektive) Auswahl vorkommen und keine außerbiblischen
Quellen namentlich genannt werden, zitiert das AT einzelne vorbiblischen
Quellen namentlich: "Buch von den Kriegen des Herrn" (4 Mose 21,14),
"Buch des Redlichen" (Jos 10,13; 2 Sam 1,18), "Die Chronik des
König David" (1 Chr 27,24), "Das Buch der Könige von Israel und
Juda", oder "Das Buch der Könige von Juda und Israel" (2 Chr
27,7; 35,27; 36,8; 2 Chr 16,11; 25,26; 28,26; 32,32), "Das Buch der Könige
von Israel" (1 Chr 9,1; 2 Chr 20,34), "Geschichten der Könige
Israels" (2 Chr 33,18), "Das Buch der Geschichte der Könige von
Israel" (1 Kön 14,19; 16,5.14.20.27; 28,39; 2 Kön 1,18), "Das Buch
der Könige von Juda" (1 Kön 14,29; 15,7.23; 22,46; 2 Kön 8,23; 10,34),
"Ordnungen, aufgeschrieben von David, dem König von Israel, und seinem
Sohn Salomo" (2 Chr 35,4), "Das Buch der Geschichte Salomos" (1
Kön 11,41), "Die Geschichte Samuels des Sehers" (1 Chr 29,9),
"Die Geschichte des Propheten Nathan" (1 Chr 29,29; 2 Chr 9,29),
"Die Geschichte Gads, des Sehers" (1 Chr 29,29), "Die
Prophezeiungen Ahias von Silo" (2 Chr 9,29), "Die Geschichten des
Sehers Jedo" (2 Chr 9,29; 13,22), "Die Geschichten des Propheten
Schemaja und des Sehers Ido" (2 Chr 12,15), "Die Geschichten Jehus,
des Sohnes Hananis" (2 Chr 20,34), "Die Geschichten des Propheten
Jesaja, des Sohnes des Amos" (2 Chr 26,22; 32,32), "Die Geschichten
der Seher" (2 Chr 33,19), "Brief an Esra" (Esra 7,11-26),
"Brief der Esther" (Est 9,32), "Brief des Cyros" (Esra
6,2), "Buch der Geschichte des Königs von Persien" (Est 2,23; vgl.
10,2), "Geschlechtsregister der Exulanten" (Neh 7,5), "Das Buch
der Begebenheiten der Tage" (2 Kön 12,20; 13,8.12.14.15.18.28;
15,6.11.15.21.26.31.36; 2 Kön 16,19; 20,20; 21,17.25; 23,28; Est 6,1; 10,2; Neh
12,23). Außer den namentlich als Primärquelle angeführten Bücher und Schriften,
die von der Bibel direkt oder indirekt zitiert werden, gibt es
"Bücher", Schriftstücke, Textbausteine, die offensichtlich und von
der Quellenscheidung in der Forschung feststellbar, trotz stilistischer und
mitunter inhaltlicher Unterschiede, in den übrigen Textkörper
"eingeschoben", dem hinzugefügt wurden, und sich zum Teil als solche
selbst zu erkennen geben. Das auffälligste Beispiel sind die sogenannten
Stammbäume, von denen der erste "Das Buch vom Adams Geschlecht" (1 Mose
5,1: "Dies ist das Buch von Adams Geschlecht"), und "Das
Geschlechtsregister derer, die zuerst heimgekehrt waren" aus Babylon (Neh
7,5), als eigenständiger Text (Buch) ausgewiesen ist. Die übrigen Stammbäume
(vgl. 1 Mose 10,1-32; 25,12-18; 4 Mose 3,1-4,49; 1 Chr 1,1-9,44), die nicht als
solche ausgewiesen sind, müssen aber ebenso als entlehnte Textbausteine
angesehen werden. Hingegen "Das Buch des Sieges Josuas über Amalek"
(2 Mose 17,13-14), das "Buch des Bundes" (2 Mose 24,7; 2 Kön
23,2-3.21.24), das "Buch des Gesetztes" (5 Mose 28,58.61; vgl.
29,19-20.26; 30,10; 31,24.26; 2 Kön 22,8.10; 2 Chr 17,9; Neh 8,2.8.18; 9,3),
"Gesetzbuch des Mose" (Jos 1,8; 8,31.36; 2 Kön 22,11.13.16; 2 Chr
25,4; 34,14-24; Neh 13,1), "Buch der Ortsregister" (Jos 18,9), "Gesetzbuch
des Josua" (Jos 24,26), "Königsgesetz von Samuel" (1 Sam 10,25;
vgl. 5 Mose 17,18), "Buch der Drohworte gegen Ägypten an Jesaja" (Jes
30,8), "Buch des Herrn" (Jes 34,16), "Buch der Weissagung
Jeremias über die Völker" (Jer 25,13), "Brief des Jeremia" (Jer
19,1), "Buch des Jeremia" (Jer 30,2; 36,2-32; 45,1), "Buch der
Weissagung an Jeremia über Babel" (Jer 51,60), "Rundschreiben des
Mordechai" (Est 9,20.30), "Buch des Daniel" (Dan 12,4), sind
teils als Rezeptionen, teils als redaktionell um- und aufgearbeitete
"Bücher" und Texte anzusehen, die weniger gekürzt, als (im Idealfall
mit einigen redaktionellen Versatzstücken) erweitert wurden.
Der Kanon ist sonach integrierender Bestandteil, bzw. der von Lehrinhalt her
vorgegebene feste Rahmen der Offenbarung, der unmöglich von außen (etwa nach
dem Gesichtspunkt der Nachfrage im Kultgebrauch), sondern nur vom vorgegebenen
Lehrinhalt her bestimmt werden kann(1393).
Der "Kritiker" des Kanons(1394) ist
also schon lange vor seinem kritischen Ansatz ein entschiedener Gegner des
Lehrinhalts(1395), und schiebt Kanonkritik
nur vor.
3.15.2. Das Leugnen
Außer dem Schriftbeweis ergibt sich aber die Unabdingbarkeit des
grundsätzlich schon vor der Offenbarung vorgegebenen Lehrkanons aus dem Kontext(1396). So ergibt sich aus dem auch nur
stillschweigenden Übergehen des Lehrkanons die Leugnung der göttlichen
Offenbarung überhaupt, und zwar zwingend. Die innere Logik dieser Manipulation
der Offenbarung über die Kanongeschichte(1397)
ist so beschaffen, daß sie nur davon ausgehen konnte, daß auch nur die leiseste
Erwähnung der Existenz eines Lehrkanons logistisch unmöglich machen würde, dem
Gebrauchskanon (Kultkanon) den Vorzug zu geben. Alle weiteren Manipulationen
sind aber nur von einem Gebrauchskanon ausgehend möglich. Selbst ein mit
allergrößtem Aufwand dem Erdboden gleichgemachte und noch hineingestampfte
Lehrkanon, selbst als korrekt widerlegte Arbeitshypothese, würde die
Vorrangstellung eines Gebrauchskanons logisch ad absurdum führen. So war der
Luziferismus im Zugszwang, den Lehrkanon der Bibel überhaupt leugnen zu müssen,
bzw. wie üblich, das Leugnen des Leugnens des Lehrkanons auch zugleich zu
leugnen(1398).
3.15.3. Die Pseudowissenschaft
Es kann somit auf einen weiteren Grundsatz über die stets
pseudowissenschaftlichen Bemühungen der Subkultur in der Gunst ihres Begehrens
zu landen verzichtet werden, und die notorischen Manipulationen des biblischen
Kanons nicht nur als repräsentatives Beispiel angeführt, sondern kann darauf
hingewiesen werden, daß die Speerspitze der grundsätzlich
pseudowissenschaftlichen Bemühungen der Subkultur immer auf den Kanon als Manifest
der Offenbarung gerichtet ist. Es gilt daher den Grundsatz zu präzisieren,
wonach die Subkultur in wesentlichen Fragen nie ohne pseudowissenschaftliche
Manipulationen auskommt, sodaß bei jeder anspruchsvolleren Fragestellung zuerst
die Pseudowissenschaftlichkeit an sich hinterfragt werden muß, woraus sich dann
der inhaltliche Schwindel gewöhnlich als selbstredend ergibt.
3.15.4. Die Fälschung
Aus dem oben genannten Grunde kann der zweite pseudowissenschaftliche Kniff
durchleuchtet werden, womit der Zusammenhang zwischen Kanonmanipulation und
Terminmanipulation (bei der Parusie), also gleichzeitige formale und
inhaltliche Manipulation, ersichtlich wird. Im methodischen Aufbau beruht die
Terminmanipulation auf die Leugnung der Ambivalenz bibeltheologischer Aussagen
(Diesseits-Jenseits/natürlich-übernatürlich). Den Schreibern und Redakteuren
der Bibel war das Nachfolgeprinzip die Grundlinie (vgl. Mt 8,18-22; 10,38;
16,24; Mk 8,34-9,1; Lk 9,23.57-62; Joh 21,22; 14,25-35; 1 Petr 2,18-25), wonach
der erfüllte (vollendete) Lebensweg Jesu vom Christen als materielles Sinnbild
aber spirituelle Realität (mit materiellen Konsequenzen) nachzuvollziehen ist.
Außer der persönlichen Nachfolge des Einzelnen verfolgt aber das Evangelium die
gleiche Linie mit der Kirche, mit der Gesamtheit der Gläubigen, deren Wandel
ebenfalls nach dem erfüllten (vollendeten) Vorbild der Urkirche spirituelle
Realität zu sein hat. So wie die persönliche Nachfolge auch nach Tausenden von
Jahren ohne intellektuelle Überforderung zu bewerkstelligen ist, wäre die
gemeinschaftliche Nachfolge zu einem beliebigen Zeitpunkt nicht nur legitim,
sondern geboten. Die luziferische Manipulation des Evangeliums mit dem
verschobenen Termin der Parusie besteht also in der Leugnung der hier
geschilderten Ambivalenz zwischen gemeinschaftliches Original und Nachfolge,
indem das Original als solches (in der Zeit) geleugnet und die Nachfolge als
das Original ausgegeben wird. Deswegen sieht beim oberflächlichen hinsehen bei
den luziferistischen Chiliasten alles um so viel "echter" aus, weil
sie das Nachfolgeprinzip des Evangeliums (auf der gemeinschaftlicher Ebene)
verleugnen, und sich bewußt als das Original vortäuschen. Und ebendiese
Verleugnung (Umgehung) des Nachfolgeprinzips ist ohne die Zuhilfenahme von pseudowissenschaftlichen
Kniffen kaum jemals zu bewerkstelligen.
3.16. Die Häresie
Der sechzehnte Grundsatz besagt, daß das Schwergewicht der Forschung, wie
auch grundsätzlich die Grundposition der Betrachtung, sich der Begrifflichkeit
"Sondergemeinschaften" zu "Sondermeinungen" zu verlagern
hat. In allen wesentlichen Punkten scheitert schon die Erforschung der
Sonderlinge daran, um von wirksamen Gegenmaßnahmen einmal ganz zu schweigen,
daß die Sondergruppen von der Struktur her zur Lehre hin angenähert werden.
Niemals aber schafft eine Struktur (Form) eine Lehre (Inhalt), wohl aber jede
Lehre eine Struktur. Die Rückschlüsse von der Struktur her sind also durchaus
zulässig, nicht allerdings wenn die eigenen Maßstäbe der kirchlichen Forschung
für die Kriterien der Sonderstrukturen angewendet werden. Solange also kein
aktuelles Standardwerk über die Strukturanalyse der Sondergruppen gibt, sind
die Sondergruppen immer vorrangig auf ihre Lehrinhalte zu hinterfragen, und nur
von da aus sind weitere Schlußfolgerungen - etwa in Richtung Struktur -
anzustellen. Nicht was die Sekten tun, was schwerer hinterfragbar ist, sondern
was sie Lehren ist für die Beurteilung entscheidend. Um das auf den Punkt zu
bringen: wenn man fortan nur über die Strukturen den Sondergruppen beizukommen
gedenkt, dann ziehen sie sich alle in die Kirche zurück, weil sie dort über die
Mitglieds-Kriterien der Erforschung unantastbar sind. Eine rein
Mitgliedschaft-Orientierte Sektenforschung würde mehr Schaden anrichten als
nützen.
Ohne hier eine strukturanalytische Arbeit vorwegzunehmen, kann auf einige
Unterschiede exemplarisch hingewiesen werden. In den seltensten Fällen sind die
Sondermeinungen oder sog. geistige Strömungen in geschlossene
Mitgliederorganisationen eingebunden wie die Kirchen, sondern bilden ein für
außenstehende undurchdringliches Geflecht. Dieser Strukturdschungel birgt aber
für gewöhnlich ein äußerst starres und dogmatisches Lehrgebilde, sei es auch,
daß man doktrinär die Dogmatik leugnet, mit klaren und übersichtlichen Grundsätzen,
wie sie auch immer nach außen verschleiert werden sollen. Über diese Inhalte
wissen in der Organisation, die bei den Sondermeinungen eher die Bezeichnung
Administration verdient, auch sondermeinungsintern nur wenige Bescheid. Es mag
aber beliebig viele assoziierte "Mitglieder" (ohne Mitgliedschaft im
herkömmlichen Sinne) geben, die besser eingeweiht sind als die mittlere oder
gehobene Ebene der Administration.
Hier möge es genügen festzustellen, daß die Sondermeinungen normalerweise
keine Mitgliederorganisationen, auf jeden Fall nicht im herkömmlichen Sinne,
sind. Sie können gelegentlich auch als solche auftreten, ja haben sie sogar
gelegentlich für jede harmlose Dienstleistung an Dritte die Mitgliedschaft
formell verlangt. Das sind aber nur Ausnahmen, betreffen zumeist
Randorganisationen und werden etwa steuerlich begründet. Der Begriff
Sondergemeinschaften ist also unglücklich gewählt, bzw. ist überholt, weil
umgangssprachlich mit Mitgliederorganisation assoziiert wird. Radikale
Mitgliederorganisationen, ein Schreckgespenst der Eltern von anfälligen
Jugendlichen, sind gewöhnlich nur eine interne Sondergruppe (Splittergruppe)
einer Sondermeinung, die Extremen. Ein Kompromiß wäre die Gliederung der
Forschung, nämlich in die getrennte Untersuchung der Strukturen und der
jeweiligen Lehre.
Ohne hier ins Detail zu gehen, können hier drei interessante Studienfälle
als repräsentative Beispiele für die Vergeblichkeit der Ausrichtung der
Forschung nach Mitgliederorganisationen und nach Mitgliedschafts-Kriterien
aufgezeigt werden: Hegel (bei den Freimaurern), Hitler (in der
"ersten" Thule Gesellschaft) und Gandhi (in der Theosophischen
Gesellschaft), wo jeweils die kontroversielle Forschung um die
formMitgliedschaft brandet. In allen drei Fällen ist die Diskussion grotesk,
weil es um die Frage der Mitgliedschaft überhaupt nicht geht. Alle drei sind
die eigentlichen Galionsfiguren einer Bewegung, einer Sondermeinung, die
Hauptrepräsentanten, wo die Mitgliedschaft überhaupt keine Rolle spielt. Jeder
der Bestreiter wird zugeben, daß alle drei mit Leib und Seele optimal genau das
für sich und andere verkörpert haben, wofür man ihre Mitgliedschaft vielleicht
nicht einwandfrei nachweisen, oder formell fragmentieren kann. Die Fixierung
auf die mitgliedschaftsorientierte Sektenforschung ist jedoch das übliche
luziferische Ablenkungsmanöver. Nachdem das Zweite Vatikanum sogar den zuvor
streng mitgliedschaftsorientierten Kirchen- und Christen-Begriff stark
relativiert hat, und (wörtlich) von besseren Christen außerhalb der Kirche (als
Möglichkeit), sowie (sinngemäß) von den verlorenen Heuchlern innerhalb der
Kirche sprach, wäre die einseitig Mitgliedschaftsorientierte Sektenforschung
geradezu lächerlich, um nicht zu sagen grotesk.
Es sind neuerdings teilweise auch in der Politik Bewegungen anstelle der
streng nach Mitgliedschaft organisierten Parteien getreten, deren
Administration oft und gerne Nichtmitglieder in höchste Positionen hievt. Es
gäbe aber noch ganz andere Beispiele aufzuzählen, wozu hier der Raum fehlt. Es
ist nochmals festzuhalten, daß die hier gegebenen Beispiele eine umfassende
strukturanalytische Arbeit weder ersetzen können, noch wollen. Hier sollten
einige theoretische Richtlinien für die Systematisierung (systematische
Erfassung) der Sondermeinungen aufgezeigt werden, wie sich diese ihr Verhältnis
zu diversen Sondergruppen immer auch gestalten. Damit soll der Ansicht nicht
widersprochen werden, daß von der erschlossenen Lehre her der jeweiligen
Struktur verhältnismäßig leicht beizukommen ist. Eine zufriedenstellende
strukturanalytische Arbeit würde sonach grundsätzlich eine als Orientierung
brauchbare Systematisierung der Lehre der Sondermeinungen (als Voraussetzung)
erfordern.
3.17. Die Basilea
Die siebzehnte These ist das von der Subkultur für unentbehrlich gehaltene
Apriori, ohne die Substanz der (deswegen befeindeten) Religion, wobei Religion
stets mit Erziehung assoziiert oder direkt damit gleichgesetzt wird, sei keine
effektive Politik möglich. Es hat sich etwa gezeigt, daß ohne die kritische
Auseinandersetzung mit dem sich gegenseitig bedingenden Verhältnis von Religion
und Politik keine brauchbare Beurteilung eines der beiden Komponente möglich
schien. Vielmehr zeigt selbst die Verabsolutisierung eines der beiden
Teilkomponente als allein maßgeblich eine mehr oder minder stillschweigend
vorausgesetzte (durchaus alterierende) Wertung der gegenseitigen Bedingtheit a
priori. So zeichnen sich vor allem etwa die sog. Materialisten mit einem
paradoxen a priori Vorurteil über die Religion aus, wonach diese zwar als
innerer Halt eines jeden Systems ebenso unerläßlich wie von dem rein politisch
orientierten System kaum zu handhaben ist.
Paradoxerweise ist der Materialist von Anfang an mehr von der
Unabdingbarkeit der unter dem Namen Religion gehandelten
"Bindemittels" jedweden sozialen Gefüges überzeugt, als das ein
weniger auf die Materie fixierte Religiöser jemals sein kann, weil er inneren
Halt nicht quantitativ, sondern qualitativ begreift, während für den
Materialisten Qualität nur ein Attribut der Quantität ist(1399),
die Umwandlung der Quantität in Qualität(1400)
ein Sekundärprozeß(1401). Nicht minder
paradox ist aber Quantität als Attribut, als Prädikat der Qualität aufzufassen,
obgleich das dem vielzitierten Naturgesetz ungleich näher kommt. So ist es den
hier entfalteten Untersuchungen die Ausgangsposition voranzustellen, daß
unabhängig davon, wie intensiv auch immer die einzelnen Denkrichtungen über die
gegenseitige Bedingtheit von Religion und Politik sich ausschweigen, oder gar
die gegenseitige Abhängigkeit leugnen, es ist immer die stillschweigend
vorausgesetzte Grundposition nachweisbar, daß ohne die der Religion
innewohnende Substanz keine wie immer geartete Politik möglich sei. Dieser
Grundsatz der Abhängigkeit der Politik von der Religion muß keineswegs auch
real sein, und es gibt diesen Grundsatz immer auch dann, wenn er gar nicht der
Realität entsprechen sollte. Vor allem die antireligiösen Kräfte scheinen
darauf fixiert zu sein, daß ohne das, was der Religion inhäriert (nämlich, wie
der Materialist meint, die "globale Kontrolle" der
Zwischenmenschlichkeit), keine Politik denkbar sei, woraus für sie
unausweichlich der religiöse Anspruch der Politik folge.
Es wäre also an dieser Stelle die eventuelle Notwendigkeit zu prüfen, ob und
wieweit die historische Faktizität eines statistischen Nachweises oder
Kommentars bedarf, daß es ohne Religion keine Hochkultur denkbar ist (und daher
die Ersatzlose Abschaffung der Religion, zumindest im statistischen Spiegel der
Geschichtsforschung, zwangsläufig zum Untergang des nämlichen politischen
Systems führt). Der Nachweis scheint überflüssig, denn bei der Überzeugung der
Materialisten geht es weniger um die historische Faktizität, als vielmehr um
den "Glauben" des Materialismus (a priori), daß ohne die Substanz der
Religion sich keine Politik machen läßt. Und ebendieser "Glaube" an
dem religiösen Inhalt der Politik ist allen anderen alterierenden
Denkrichtungen eigen. Sogar den Satanisten, die angeblich nicht einmal an sich
selbst glauben, geschweige denn an Gott. Ob wahr oder nicht, der Säkularist
"glaubt", daß die Religion (d. i. ihr Inhalt) ein mittlerweile
unentbehrlich gewordenes Nebenprodukt der "Natur" sei, das
eigentliche Mittel (zum Zweck) um sich die Welt untertan zu machen.
3.18. Die Theosophie
Achtzehnter Grundsatz ist das Entlarven der Gleichsetzung der Philosophie
mit der Theologie, oder die behauptete Vereinbarkeit der Philosophie mit der
Theologie und damit die Einführung der Spekulation - und die Abkehr von der
strengen Logik - als die methodische Aushöhlung der Theologie und der
christlichen Religion. Die eigentliche Errungenschaft des philosophischen
Flügels der Subkultur ist die Einschleusung der Spekulation als zulässige
wissenschaftliche Methode, nämlich zuerst in der Philosophie, und sodann durch
die Erhebung der Philosophie als angeblich wissenschaftliche Mittel zur
Gestaltung der Gesellschaft, und schließlich durch die Vereinnahmung der Theologie
und anderer Wissenszweige (vor allem Geschichtsforschung) durch die
Philosophie, um der Pseudowissenschaft alle Federn der Wissenschaft als Schmuck
zu Füßen zu legen.
Diese Art der Vereinnahmung des wohlverstandenen Wissens als höchstes
Kulturgut und Existenzvoraussetzung der Menschheit durch die philosophisch
verbrämte Spekulation, wir können trotzdem den üblichen Terminus Philosophie
verwenden, ist in allen ins Wanken geratenen Hochkulturen zur Zeit des
bevorstehenden Untergangs zu beobachten(1402).
Im China der ausgehenden Han-Zeit(1403) und
späterhin(1404) gibt sich die spekulative
Entfremdung zunächst taoistisch(1405), später
dann buddhistisch(1406) und schließlich
neokonfuzianistisch(1407), und geht stets
selbstherrlich von der eigenen monistischen Totalität als Absolutheit aus(1408), so als sei alles Kulturelle mitsamt
Religiösen bloß ein Teil des Höchsten (in der abendländischen Gnosis gerne das
"Absolute" genannt), nämlich der Philosophie(1409)
(Spekulation). In Indien und Hellas ist das nicht anders«.
Die Moderne verdankt diese Entwicklung dem auf den Neuplatonismus
zurückgreifenden Humanismus und der Aufklärung, die gewissermaßen in Hegels
Geschichtsphilosophie, nach der Gleichsetzung von Theologie und Philosophie,
den Höhepunkt erreicht und in Nietzsche sozusagen die eigenen Grenzen
überschreitet, um nicht zu sagen sprengt. Den Methodischen Ansatz lieferte
Kants Apriorismus, der gleichsam die Theorie für Hegels nonverbalen, bzw.
praktischen (d. h. spekulativen) Apriorismus ist(1410).
3.19. Der Syllogismus
Neunzehnter Grundsatz ist die perspektivische Einteilbarkeit des
Luziferischen je nach Blickwinkel, so daß verallgemeinernd schon aus einem der
perspektivischen Komponente immer aufs Ganze, weil vom vorausgesetzten Ganzen
auf das Spezielle geschlossen werden kann. Demnach beinhaltet das Luziferische
immer einen antichristlichen Moment, dessen integrierender Bestandteil ein
atheistisches Moment ist, und ein chiliastisches Moment, der synonym für
Häretisch steht. So wie bei den schwärmerischen Chiliasten, die mit Gott und
Christus den Mund voll nehmen, etwa über die Terminfrage der Parusie das
antichristliche Moment nachweisbar ist, so taucht bei den geistlichen Führern
der deklarierten Antichristen immer der chiliastische Moment im Hintergrund
auf. Und wie weit immer auch die jeweils andere Seite der Medaille durch das
Vorgebliche, bzw. Vordergründige verdeckt ist, diese jeweils andere Seite ist
unabdingbar integrierender Bestandteil der oft und gerne in den polaren Gegensätzen
auftretenden (und darein sich selbst befehdenden, sicht stets selbst
wiederstreitenden) Luziferismus. Als direkter Ableitung aus dem ersten
Grundsatz, wonach zu unserem alleinigen (monotheistischen) Gott immer nur eine
einzige Alternative gibt, erscheint dieser Grundsatz als selbstverständlich.
Die gegenseitige Bedingtheit von Antichrist und Chiliasmus ist aber auch von
unten her (vom Einzelnen her auf das Allgemeine hin bewegend - dialektisch)
nachweisbar.
Dieser Grundsatz birgt natürlich die Gefahr in sich, von der Konkurrenz
damit verhöhnt zu werden, daß wir nicht bei jedem einzelnen immer die polaren
Gegensätze als Einheit nachweisen können. Dem ist entgegenzuhalten, daß wir
nicht mit Einzelpersonen in der Forschung zu tun haben, außer der Personifikation
der einen einzigen Alternative zu Gott, sondern immer mit Sondermeinungen,
deren Arbeit auf Angehörige der jeweiligen Sondermeinung aufgeteilt ist, die
jeweils nur als Teil eines Ganzen aufgefaßt werden können.
So wie die Väter von Anfang an zwei Wesensmerkmale des Chiliasmus, nämlich
die Diesseitigkeit(1411) und die Terminfrage,
bei der Verurteilung hervorhoben, so lassen sich heute ebendiese Merkmale unter
beliebigem Namen wie Materialismus und Esoterik (um nur einige zu nennen(1412)) nachweisen, denn: Kein Materialismus
ohne "Goldenes Zeitalter" und kein "Spiritualismus"
(Esoterik) ohne äonische Spekulation, denn die Diesseitigkeit der Grundposition
macht die Exilierung der Jenseitigkeit in die (scheinbaren Möglichkeiten
künftiger) Zeit unabdingbar(1413). Und
umgekehrt ist das Herzstück jeder chiliastischen Betrachtung die diesseitige
Erfüllung(1414) (der Verheißung) in der Zeit
(statt dem Jenseits).
4. DER UNGEIST
Die in den letzten Jahren neu erwachte Aufklärungsforschung bemüht sich um
ein neues gerechtes Bild ihres Gegenstandes. Dazu gehört die Betonung der Selbständigkeit
(Hans Blumenberg), die Betonung des Konstruierten und Künstlichen in ihrer
Denkweise und des entsprechenden Wirklichkeitsverlustes(1415).
Dazu gehört die Klarstellung, daß die Aufklärung nicht aus der eigenen Dynamik
der biblischen Botschaft und Geschichte hervorgegangen ist, sondern von außen
an sie herangekommen war und ihre Grundlagen nicht theologisch, sondern
philosophisch waren, so daß die bis dahin gültige Verhältnis zwischen Theologie
und Philosophie, Offenbarung und Vernunft(1416),
umgekehrt, und die Philosophie, bzw. die philosophisch interpretierte
Theosophie (Neuplatonismus), zur Herrin der Theologie gemacht wurde(1417). Dazu gehört schließlich die Neuaufnahme
der Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise(1418),
wie sie zuerst August Tholuck im 19 Jh. übte und wie Hans Emil Weber und (ihm
folgend) Ernst Bizer ins Auge faßten(1419).
Will nun der Naturalismus als die Zäsur der abendländischen Kulturgeschichte
aufgezeigt werden(1420), so daß die bis
dorthin immer gleiche Diesseitigkeit der Subkultur formal mit
"jenseitigen", oder auf das sogenannte Jenseits abgestützte
Argumenten legitimiert wurde (Pseudoreligion), aber von da an die
Diesseitigkeit den Absolutheitsanspruch auf die Wirklichkeit in der Form
postuliert, daß eine allenfalls nicht empirisch ausschließbare aber zumindest
stets bestreitbare Jenseitigkeit, als das "Denkbare", ausschließlich
als Sekundärursache hinter der Diesseitigkeit zu rangieren hat, so hat die
Forschung die sogenannte Aufklärung als das philosophische Gewand des
Naturalismus und letztlich als neuplatonisch(1421)
und Pseudophilosophie zu entlarven. Hat nämlich die antike Metaphysik das
Jenseitige zwar als das Immaterielle, aber nicht minder wirklich als das
Materiell-Dingliche, sondern als Primärursache des Materiellen begriffen,
versucht nun die pseudophilosophische Ehrgeiz des Naturalismus - in der Form
der sogenannten Aufklärung - in der so neu geschaffenen Pseudo-, bzw.
Antiphilosophie das Immaterielle aus dem Materiellen so zu begründen, daß der
Immaterielle nicht nur zur Sekundärursache absinkt, sondern der Wirklichkeit
absolut verlustig geht(1422). Da wird nicht
nur die unsichtbare Luft zur Nichts, sondern sogar die Zeit an sich, und damit
alles Dynamische zum absolut Unexistentiellen, zum unmöglich Wirklichen, zum
trügerischen Schein der statisch (materiell) vorausgesetzten Wirklichkeit. Und
wenn allzuletzt aus dem postulierten Zusammenbruch des Materialismus(1423)wiederum der gleiche naturalistische
Aufklärung Kapital schlagen soll, so als sei die neu entdeckte relative
Wirklichkeit des Immateriellen nicht der obligate naturalistische Schwindel mit
dem (mindestens genauso unwirklichen) scheinbar Übernatürlichen, dann hat die
Forschung mit Hilfe der historischen Betrachtungsweise an dieser Stelle die
entsprechenden wegweisende Markierungen anzubringen.
Die entwicklungsgeschichtliche Betrachtungsweise verlangt - etwas weiter
ausgeholt - zunächst nach einem historischen Rückblick in die Anfänge der
Irrungen und Abkehr von der Glaube genannten Wahrheit der Väter. Nachdem aber
die Kirchenväter eine aus der Auseinandersetzung mit der damals ausklingenden
Philosophie, die zwischenzeitlich von der Gnosis unterwandert, ausgehöhlt und
im Neuplatonismus völlig entfremdet wurde, erwachsene Theologie hinterlassen
haben, wird ein orientierender Rückblick auf die klassische Zeit der antiken
Philosophie und Metaphysik wohl unumgänglich sein, zumal sich die gleiche
Verfälschung der grundlegendesten Voraussetzungen wie in der Theologie, in der
Profanität der Philosophie für den heutigen säkularisierten Leser besser
veranschaulichen lassen. Die klassische Philosophie, in den meistzitierten
Schulen von Platon und Aristoteles, hat - trotzt aller mitunter grundlegenden
Meinungsverschiedenheiten der einzelnen Schulen - grundsätzlich an der
(ursächlich bestimmenden) Wirklichkeit des sogenannten Immateriellen (jedoch
substanziellen) Übernatürlichen festgehalten(1424),
bzw. ging sie - trotzt aller Auslegungsunterschiede - von dessen Faktizität
(als Wirklichkeit schlechthin) aus(1425).
Und genau diese nicht minder bestimmte als alles bestimmende Wirklichkeit
des Immateriellen ging in der neueren abendländischen Philosophie, spätestens
mit Descartes beginnend(1426) und in den bis
heute auf weiten Strecken gültigen Ausformulierungen von Kant(1427)
(praktisch umgesetzt von Hegel), zur Gänze verloren(1428).
Zumindest ein historischer Überblick von (Simon Magus(1429))
Valentinian(1430)
(Ophiten(1431) des Celsus)
Bardesanes(1432)
Marcion(1433)
Basilides(1434)
Mani(1435) (Manichäismus)
Mit Rücksicht auf den Mithraskult als historisches Bindeglied zwischen
persischer und hellenistischer Gnosis,
Neuplatonismus(1436)
als Stationen der zusammenhängenden Entwicklung ist zu geben, um von Mani
aus über den
Neuplatonismus(1437)
(die Mandäer(1438) streifend(1439))
die
Paulikianer(1440)
und von da aus die
Bogumilen(1441)
(bis zum Averroismus/Alveroismus) und zu den
Katharer(1442) (früher "Ketzer"(1443)) und Armutsbewegung
als Abschnitte einer direkten Entwicklungslinie aufzuzeigen(1444).
4.1. Der arme Teufel
Es wäre sodann auf die zentrale Rolle der Katharer und Chiliasmus(1445) (insb. Joachim von Fiore(1446))
in der abendländischen Geschichte und Geistes-, bzw. Kulturgeschichte
hinzuweisen(1447), auf die später alle wichtigen
politische und kulturelle "Alternativströmungen"(1448)
(zuletzt z. B. in der Politik - als Arbeiterbewegung - Hitler(1449),
oder Kommunisten als moderne Armutsbewegung) zurückgehen, oder zumindest von
ihnen stark bis entscheidend beeinflußt wurden(1450).
Hier kann auch des inneren Widerspruchs aller Formen der Armutsbewegung, oder
unter dem modernen Namen Arbeiterbewegung, gedacht werden, indem sie durch die Armut
der in "Arbeiter" umbenannten Armen so "aus sich selbst"
legitimiert ist, daß sie ihres durch die Armut legitimierten Machtanspruchs,
nämlich der Armut politisch abzuhelfen, sogleich verlustig ginge, sobald die
Armut auch tatsächlich abgeschafft wäre. Den ideologische Spagat zwischen der
legitimistischen Position gegen die Armut und der gleichzeitigen Verherrlichung
der Armut als utopischer Idealzustand hat keine der Armutsbewegungen der
letzten Jahrtausende länger als ein-zwei Generationen (einige Jahrzehnte)
überdauert. Schon Marx postuliert die Diktatur des Proletariats nur so lang,
bis die sozialistische Umverteilung geschafft, und also die Armut soweit
"ursächlich" abgeschafft ist. Über das Danach hüllt sich Marx in
Schweigen, weil "danach" sollte alles von selbst in das irdische
Paradies des Konsums (Arbeit) übergehen, das aber Marx nicht direkt erschaffen,
sondern nur darauf hinführen will.
Sollte der neue Erzbischof von Wien, Schönborn, Recht haben, wonach Hugo
Rahner das Zweite Vatikanum in der inhaltlichen Aussage vorweggenommen, wenn
nicht gleichsam inspiriert habe(1451), so
kann auf das synkretistische Konzept H. Rahners(1452)
eingegangen werden, der in den Wesentlichen Fragen einfach den Gnostiker(1453) Klemens von Alexandrien übernimmt(1454), dessen chiliastisches Konzept später dem
System des Dionysios Aeropagita(1455) als
Fundament gedient hat(1456). Klemens geht da
von einem System aus, in dem alle tausend Jahre die Adepten um eine Stufe der
spirituellen Entwicklung höher gelangen, so wie es Rahner bekannt sein muß,
wenn er sich so konsequent an den Chiliasten und Gnostiker Klemens hält.
Darüber hinaus spricht H. Rahner in den höchsten Tönen von dem bekanntesten
Repräsentanten des katholischen Modernismus, Loisy(1457),
und unterstützt die Natürliche Religion der Modernisten, die innerkirchlich den
Offenbarungsglauben aushöhlt, und offen (anfänglich durch synkretistische
Gleichsetzung) mit dem Kult der Dionysos, Osiris(1458)
oder Kybele, also mit einem neuheidnischen Fruchtbarkeitskult, nicht nur
aufwässern, sondern ersetzen möchte(1459).
Auch den Weg zu Gott durch die Höllenpforte hat er mit Böhme gemeinsam(1460).
Die drei markantesten Unterschiede der katharischen und christlichen
Theologie waren:
die mehr oder minder direkte Gleichsetzung des alttestamentlichen Gottes mit
Luzifer(1461)(stammt eigentlich von Marcion(1462) und wurde von den Manichäern mitunter
stark abgewandelt tradiert)
die Leugnung der wahren menschlichen Natur Jesu (oft als Leugnung der
"Leidensfähigkeit" Jesu getarnt)(1463)
die Lehre von der Seelenwanderung(1464), (die
nach der Bibeltheologie nur als dämonisch verstanden werden kann, weil die
eigentliche Seele des Menschen gar nicht von Körper zu Körper wandern kann,
sondern damit eine heilsökonomisch unauflösliche Einheit bildet), die übrigens
auch im Osten post-vedisch (tantrisch) ist und im Fernen Osten gänzlich
unbekannt ist.
Wichtig ist auch auf die weite Verbreitung und Dominanz der Katharer
hinzuweisen, die mit der Gegenbewegung der Dominikaner und Franziskaner
indirekt nachhaltig - bis in die jüngste Zeit - als Armutsbewegung das
Abendland nicht nur kulturhistorisch geprägt haben (vgl. die Kommunisten).
Die auf die Verfolgung der Katharer folgende Untergrundbewegung (im
geduldeten Umfeld der "friedlichen" Armutsbewegung wie Begharden(1465), Brüder des Freien Geistes(1466), Weber(1467),
Humilianten usw.) ist zu wenig erforscht, doch mit der bald darauffolgend auflebenden
kabbalistischen und neuheidnischen Bewegung ist - über den Averroismus - die
Kontinuität der pseudokulturellen Entwicklung bis zum Humanismus, der mit
Ficino und Pico de la Mirandola, der vom Kabbalismus beeinflußt(1468) direkt auf den Neuplatonismus
zurückgriff, seinen Höhenflug beginnt, nachvollziehbar. Um so verwerflicher ist
die zähe Bemühung der die etablierten Kirchen unterwandernden Gnosis in
jüngster Zeit, die Katharer als "Christen" hinzustellen(1469). Angeführt (neuerlich) von der
Anthroposophie(1470) ist eine regelrecht
zielorientierte "Forschung" zu der "Rehabilitierung" der
Katharer entstanden, die insb. die Manichäer(1471),
Bogumilen und Katharer als Christen hinzustellen versucht(1472).
Von dem - durch den Averroismus(1473)
ausgelösten(1474) - Renaissance-Humanismus(1475) ging der Zeitgeist - über die im Deismus(1476) so genannte "natürliche
Religion" Herbert von Cherbury`s(1477) -
zur sog. Aufklärung(1478) (Selbstbezeichnung)
über(1479) (aus der die Liberale Theologie
des 19. Jh. hervorging(1480)). Mit dem von
Lessing(1481) unter einem Vorwand
publizierten Reimarus hielt die "natürliche Religion" der Aufklärung
(hier konkret als Deismus) auch in Deutschland Einzug und entfaltete mit
Lessing(1482), Kant(1483),
Semler(1484) um nur einige zu nennen, eine
Breitenwirkung(1485). Wesentlich erscheint zu
unterstreichen, daß ähnlich wie der Pantheismus die religiöse Seite des
Monismus ist, so ist die Natürliche Religion des Deismus die religiöse Seite des
Naturalismus. Der Naturalismus markiert den radikal-offenen Bruch mit der
Wirklichkeit des Übernatürlichen, der Transzendenz schlechthin (philosophisch
artikuliert in der Kritik an der Scholastik), mit dem Himmelreich der Bibel, so
daß - historisch (entwicklungsgeschichtlich) betrachtet - sämtliche
nachfolgenden Geistesströmungen lediglich Variation zu diesem einen Thema
erfaßt werden können(1486). So ist die
Aufklärung eigentlich Naturalismus im philosophischen Gewande, und als solche
eigentlich Pseudophilosophie. Denn so wie der Terminus Gnosis wörtlich
übersetzt bloß "Erkenntnis" bedeutet, aber terminologisch die falsche
Erkenntnis, die Negation der (wahren) Erkenntnis (nämlich der Erkenntnis
Gottes) meint, so bezeichnet die moderne Metaphysik und Philosophie die
systematische Leugnung des Gegenstandes der Metaphysik und damit Philosophie.
Die Vernunft, nämlich die menschliche, wurde zur höchsten Instanz erklärt(1487). Der scheinbare Widerstreit der Aufklärung zu Romantik(1488) ist charakteristisch für die Spaltung der "Ganzheit", die eigentlich ohnehin nur die halbe Wahrheit ist, in die polaren Gegensätze (Pseudo-Dialektik) durch die gleiche Bewegung(1489), bzw. "geistige" Strömung, so als wolle durch weitere Partikulation die verabsolutisierte Teilwahrheit die Ganzheit simulieren. Hier das Materielle/Rationelle/"Erkennbare" (Teufel), gegenüber dem Ideellen/Spirituellen/Mythisch-Mystischen(1490) (Teufel), so als sei etwa in Christus nicht Geist (Gott) und Mensch vereint. Gemeinsam ist aber beiden der "fiktive" - weil nicht (unmittelbar) erkennbare - "Gott" (Agnostizismus), ob der nun deswegen umschwärmt ("überschätzt") oder geleugnet ("unterschätzt") wird.
In wissenschaftlich-theologischer Hinsicht lag eine der entscheidenden
umgestaltenden Wirkungen, die von der Aufklärung ausgingen, im Ersatz des
Glaubensbegriffs durch den Religionsbegriff. Damit wurde die
archaisierend-humanistische neuheidnische Tradition der Renaissance wieder
aufgenommen, die vor allem Luther und der Pietismus beiseite gedrängt haben. Am
ausgeprägtesten erschien diese Ausformung der Aufklärung in der neu
entstehenden Religionsphilosophie und in der Theologie Schleiermachers.
Religion wurde mehr eine Angelegenheit des Menschen (Subjektivismus(1491)), als die strenge Bindung an den Gott des
Glaubens (der den Glauben gab). Es entstand zwar besonders in Mitteleuropa eine
naturverbundene (tierfreundliche) Frömmigkeit, so als habe Gott sogar die
Haupthaare der Frommen gezählt(1492) (Mt
10,30//Lk 12,7), solche (naturschwärmerische) Optimismus hatte aber das
schwerste Versäumnis zur Folge, die nahezu völlige Verständnislosigkeit nämlich
für die Wirklichkeit des Bösen und der Sünde. Für die Aufklärer verschwand der
Teufel im Nichts und mit ihm alles Dämonische(1493),
was für den christlichen Theologen nur die eine logische Erklärung hat, daß
nämlich der Teufel in dem Gott der Aufklärung aufging.
Der Chiliasmus der neueren Zeit fußt auf dem Welt- und Geschichtsbild der
Aufklärung, und ist damit etwas ganz anderes als der früherer Jahrhunderte(1494). Das (künftige) tausendjährige irdische
Friedensreich vor dem definitiven Heilsende (Chiliasmus) transformierte die
Aufklärung in die aufkommende spekulative Geschichtsphilosophie. Von Bedeutung
sind hierbei u. a. der Rückgriff Lessings auf Joachim von Fiore(1495); Kants Idee eines philosophischen
Chiliasmus, "der auf den Zustand eines ewigen, auf einem Völkerbund
als Weltrepublik gegründeten, Friedens hofft"; Fichtes "Zeitalter
der Vernunftskunst"; und - in einer späteren Abwandlung dieser
Tradition - die Marx-Engelssche Unterscheidung zwischen "Reich der
Notwendigkeit" und "Reich der Freiheit". Das
methodische Instrument der Aufklärung in der Theologie war die Schaffung neuer
Katechismen(1496), die mehr oder minder offen
die Offenbarungstheologie ersetzen oder zumindest verdrängen sollten. Ein
interessanter Aspekt ist die nachdrückliche Kritik des Atheisten aber
bekennender Dionysianer und Chiliasten E. Bloch an der Anleihe chiliastischer
Terminologie bei dem Tausendjährigen Reich durch die Nationalsozialisten, weil
diese (zeitlich) nach ihm den Chiliasmus für sich in Anspruch nahmen(1497).
Gemeinsam ist auch der dionysische (neuheidnische) Charakter dieser
scheinbar kontroversiellen Strömungen. Während die Romantiker und ihre
Nachfolger Dionysos als Inbegriff, oder - wenn man so will - Gott der neuen
Religion, beim Namen nennen(1498), fußen die
Anhänger der Vernunft als der denkbar höchsten Instanz(1499)
(d. i. "natürliche Religion"(1500),
also Deisten, Aufklärer und Nachfolger bis Moderne und New Age) auf dem vom
Renaissance-Humanismus (Pico de la Mirandola) ins ausgehende Mittelalter
"hinübergerettete" Neuplatonismus(1501).
Wie der Name schon besagt, ist es nicht schwer vom Neuplatonismus her die
direkte Verbindung zu Platon herzustellen, der sein eigenstes Anliegen, die
Philosophie, im "Symposion"(1502)
als Ausdruck von "Wahnsinn"(1503)
(manias) und Dionysischem (bakcheas) bezeichnete(1504).
Dionysischer Enthusiasmus, so Platons Selbstverständnis, verhalf zur
philosophischer Erkenntnis und lag - weiter gefaßt - der ganzen Entfaltung
griechischen Geisteslebens zugrunde(1505). Zu
beachten ist, daß der Auftakt zum Humanismus die Übertragungen des Pico de la
Mirandola(1506) aus dem Neuplatonischen(1507)(Pico schrieb in seinen eigenen Arbeiten
einfach abschnittsweise neuplatonische Autoren ab) war. Damit ist gezeigt, daß
"platonisch" ("neuplatonisch"), und damit auch der Terminus
"philosophisch" schlechthin, zumindest im Sprachgebrauch der Moderne,
synonym zu "dionysisch" ist, weil die platonische Schule eine
deklarierte dionysische (die dionysische Schule schlechthin) war. Zumindest
soweit man Platon selbst folgt.
Ebenso war der Auftakt zur liberalen Theologie anerkanntermaßen
Schleiermachers(1508)romantische Religion(1509) ohne Gott(1510),
dafür aber mit mehreren Messiasen(1511),
wobei sich zuvor Schleiermacher mit einer damals einzig dastehenden Übersetzung
Platons(1512) einen Namen machte(1513) (woraus zwingend seine eingehendere
Auseinandersetzung mit dem Inhalt folgt). Im übrigen waren Schleiermachers
Mitstreiter sämtlich bekennende Dionysianer (Romantiker)(1514),
nur Schleiermacher mußte um seine Pfarrstelle fürchten und teils anonym(1515), teils hinter einer pseudochristlichen
Schleier publizieren.
4.2. Der Mystikus
Während Luther die klare Abgrenzung gegenüber dem Humanisten Erasmus (und
Humanismus überhaupt) forcierte(1516), galt
Melanchton als dem Humanismus ergeben und Zwingli schrieb abschnittsweise Pico
de la Mirandola, den Vater des Humanismus ab(1517),
der seinerseits abschnittsweise Neuplatonisches aus dem ausgehenden Altertum
abschrieb(1518). Nach Luthers Tod kam es in
der Reformation zwischen dem philosophisch beeinflußten Humanisten Melanchton
und dem kabbalistisch(1519) beeinflußten
Osiander zu einer Kontroverse(1520).
Nostradamus(1521), Paracelsus(1522), Agrippa von Nettesheim(1523)
und andere fielen eher erst der Nachwelt auf, als den Zeitgenossen der
reformatorischen Aufbruchsstimmung.
4.2.1. Die Über-Reformation
Zu der eigentlichen kulturhistorischen Orientierungsgröße bis zu den Nationalsozialisten(1524)und Kommunisten (und darüber hinaus) wurde jedoch Jakob Böhme, den in der Folge fast alle regelmäßig zitieren, oder ihn zumindest nachweisbar kennen, bzw. sich auf ihn berufen(1525). Von Jakob Böhme her(1526) kann als vom Brückenkopf der (Neu-)Gnosis zu den Katharern und den Chiliasmus von Joachim von Fiore(1527), bzw. von der Zeit der Katharer her(1528) zu Jakob Böhme, gesprochen werden(1529). Die fortan vorherrschenden Kulturströmungen, Pietismus und Aufklärung (respektive aufgeklärte Liberalismus)(1530), haben beide ihre geistigen Wurzeln in der von Böhme als neue Offenbarung präsentierten katharisch-manichäischen gnostischen Linie(1531). Mit Böhme beginnt auch die nunmehr schier ununterbrochene Reihe der Pseudoreformatoren(1532), die sich auf Luther berufend gerade die reformatorischen Errungenschaften zu überreformieren, wegreformieren trachteten(1533). Dies trifft dann auf Liberale (als Fortsetzung der Aufklärung und Romantik sowie Idealismus), Pietisten(1534) und deren jeweilige Nachfolger grundsätzlich gleichermaßen zu, so als gäbe es wirklich eine Böhme'sche (Kontra-)Reformation der Reformation(1535) bis in die Jüngste Zeit(1536).
Wenn es einen Religionsstifter der Aufklärung und Moderne (respektive
Säkularismus) gibt, dann ist das Jacob Böhme. Die diversen Geistesströmungen
wie Aufklärung, Romantik, Idealismus, Pantheismus, Liberalismus, Materialismus
und ähnliches sind lediglich interne Parteiungen und oder einzelne Böhme=sche
Denkrichtungen, Denkschulen, Sondermeinungen oder Häresien zu verifizieren(1537).
4.2.2. Die Sechsfaltigkeit
Der theologische Angelpunkt Böhmes ist sein offenes Bekenntnis zu seiner prophetischen
Sendung und die Deklarierung seiner Schriftwerke (expressis verbis) als
Offenbarung(1538), wie es in der Form im
christlichen Abendland (vom Akzeptanz her) als historisch einmalig zu gelten
hat. So etwa nimmt für sich Böhme in Anspruch, daß nach unzähligen vermeintlich
geglückten Versuchen den Ursprung des Teufels zu erklären, will es sich nunmehr
gänzlich (Böhme) "offenbaren"(1539).
Das gnostisch-neuplatonische System (Theosophie) Böhmes(1540)entfaltet
ein von der menschlichen Erkenntnisfähigkeit bestimmtes Gottesbild, wo
"Gott" mit dem Terminus "Nichts"(1541)
bezeichnet wird(1542). Das "Nichts"
ist das höchste Gut(1543) und wird
mit dem zweiten Terminus "Ungrund" synonym verwendet(1544). Der dritte Terminus für Böhmes "Gott"
ist "Gemüth" und der vierte für die immer noch
identischgleiche "Sache" - schließlich die "Finsternis"(1545). Dieses finstere Gemüth "gebiert"
nun, so Böhme, den "Willen", jener seinerseits das "Herz",
das Herz das "Licht", das Licht nun "gebiert"
die "Kraft"und die Kraft den "Geist", der
schlußendlich die "Finsternis" (neu) "gebären"kann(1546). Nachdem Böhme ebendort die letzten drei
"Geborenen" mit der (christlichen) Dreifaltigkeit, Vater (Kraft),
Sohn (Licht), Hl. Geist (Geist), gleichsetzt, kommt er nonverbal zu einem
sechsfältigen Gott(1547), bzw. zu einem
fünffaltigen "Nichts", der in der Finsternisgründet,
bzw. - nach dem herkömmlichen Wortsinn - wohl dortselbst Gründen würde, wenn er
nicht ebendort als der Ungrund determiniert worden wäre.
4.2.3. Die totale Finsternis
Das Teuflische an dem Offenbarungs-Blendwerk Böhmes ist z. B., daß der
Wirklichkeitscharakter aller fünf Ableitungen (respektive Dreifaltigkeit)
negiert wird, und nur das Nichts, der Ungrund, die Finsternis
wirklich (wesenhaft, allerdings sinnlich unwahrnehmbar), während alles
Wahrnehmbare nur als Phänomen bestimmt (offenbart) wird(1548).
Wie vielfältig, bzw. wieviel faltig die Tücke Böhmes auch immer sein mag, das
Phänomen Gott samt Dreifaltigkeit aus der Finsternis heraus und wieder zurück
zu jonglieren, die Erschaffung einer Instanz "Finsternis"
hinter, bzw. über der traditionellen Dreifaltigkeit, kommt einer Neuerschaffung
Gottes (durch Böhme) gleich, ob jener (neue Gott) nun offenbarungstechnisch
mitgewirkt hat oder nicht. Die Unverfrorenheit Böhmes wird an der Nahtstelle -
auch dem spirituell minderbeflügelten Beobachter - "offenbar", wo der
Geist (d. i. Gott Hl. Geist der biblischen Offenbarung) - wiederum - die
Finsternis "gebiert"(1549) (aus der
er - über fünf Ecken - hervorging). Denn ebendiese Finsternis gilt für Böhme an
den meisten anderen Stellen als die Hölle(1550),
wo die Teufel wohnen(1551), der nämliche
Verbannungsort, also de facto Aufenthaltsort des Lucifer(1552).
4.2.4. Die Quadratur der Trinität
Ein anderer markante Kunstgriff Böhmes ist das Auseinanderdividieren von Jesus
und Christus, wobei er jedoch Jesus mit Jahwe gleichsetzt(1553).
Sonach ist dem Christus alle Gewalt von Jesus (d. i. Jahwe) gegeben worden(1554). Gleich um 180 dreht Böhme die
Bibeltheologie und biblische Offenbarung um, wenn er Jesus als die Salbung
Christi deutet, so daß Jesus die göttliche Natur Christi, und der Christus die
menschliche Natur Christi ist(1555). In der
Ewigkeit wird, so Böhme, kein Christus sein, sondern Jahwe alles in allen(1556), denn in Gott gibt es eigentlich keine
Person als Christus, aber seine (Christi) Geburt ist dreifach(1557).
Das auffällige ist an Böhmes Konzept weniger der aus der Dreifaltigkeit
ausgeschlossene Christus, auch nicht seine mangelnde Personalität, sondern das
Fehlen der Personalität überhaupt, so als sei Gott Vater, Sohn und Hl. Geist
jeweils eine Unperson (unter anderen Unpersonen wie Christus).
4.2.5. Das offenbar Böse
Böhme ist der einzige in der Geschichte, dessen postbiblische
"Offenbarung" von der abendländischen(1558)
Subkultur (respektive Klassik) insgesamt als Orientierungsgröße und
unumstrittene Autorität anerkannt wird. Böhme zu kennen heißt vielleicht noch
nicht alles über die abendländische Geistesgeschichte zu wissen, jedoch ohne
Böhme ist das sog. Kulturschaffen des Abendlandes nach ihm zu kennen kaum
hinreichend möglich(1559). Das etablierte
Christentum steht und fällt mit dem überkommenen Offenbarungsverständnis, das
von niemand anderem als Böhme erfolgreich auf den Kopf gestellt wurde.
Von Böhme spannt sich der Bogen über Deismus(1560)
und französische Aufklärung(1561)(Rousseau(1562) und Voltaire(1563))
zu der deutschen Aufklärer Reimarus(1564),
Lessing(1565), Kant(1566),
Goethe(1567), Hegel und den ersten liberalen
Theologen(1568) wie Schleiermacher(1569)und Herder (forderten als erste Theologen
eine "neue Religion" der Vernunft), die alle durchwegs Böhme-
und/oder Rousseau-Verehrer waren. In der Philosophie ist der von Spinoza(1570) und Newton(1571)
und nicht zuletzt von Rousseau(1572)
beeinflußte Kant(1573) als die
Orientierungsgröße des Agnostizismus(1574) zu
würdigen(1575), der Meister des Apriorismus(1576)und des damit assoziierten Fiktion des
absolut Unhinterfragbaren, bzw. des unhinterfragbar Absoluten.
Mit der Entziehung des Absoluten und alles gewillkürt Absolut-Setzbaren dem
Zugriff der Vernunft, außer als Imagination, gelang es Kant die Vernunft
absolut (und die Natur(1577) als
"absolut" mit-der-Vernunft-gleich) zu setzen(1578),
indem er alles dem Entgegenstehendes in der "unhinterfragbaren"
Transzendenz verschwinden ließ(1579), die
lediglich Kants Subjektivismus tarnen soll(1580).
Indem Kant die Gottesbeweise(1581), insb. den
sog. ontologischen Gottesbeweis, wonach (sinngemäß) Gott "das Größte was
man sich denken kann" sei(1582), so daß
(umgekehrt) der größte Gedanke (was man sich nur denken kann) zwangsläufig Gott
sein müsse, "überwunden" hat(1583),
indem er alles - außer der (menschlichen) Vernunft - als unhinterfragbar
beiseite (in die Transzendenz hinein) geschafft hat(1584),
konnte er die Vernunft(1585), weil diese sich
selbst nunmehr als die Größte denkt(1586),
absolut setzen(1587). Weil der Kosmos
(Universum, mit Sirius/Isis(1588) im
Rotationsmittelpunkt/Mittelpunkt) ebenfalls (a priori) als absolut
vorausgesetzt wurde, erklärte Kant die (menschliche) "Vernunft"(1589) und "Natur"(1590)
(wie schon Spinoza(1591)) und
"Gott" für Synonyme(1592). Sodann
konnte der "historischen" Religion des Glaubens nunmehr die Religion
der "natürlichen" Vernunft gegenübergestellt werden(1593).
Kant ließ allerdings fürs erste die Vernunft einer erlauchten Elite vorbehalten
sein und bis zur Vollendung von einigen Jahrtausenden mehr oder weniger wollte
er sich nicht stören lassen. So trat Kant scheinbar noch durchaus für die
friedliche Koexistenz von Glaube und Vernunft ein, bis das Primitive (Glaube)
in das Erhabene (Vernunft) hinübergeführt sei, wofür Kant noch notfalls (bis
zum goldenen Zeitalter des diesseitigen Weltfriedens) Jahrtausende Zeit hat.
4.4. Der ontische Teufel
Hat Kant vorausschauend die Vernunft als aus sich selber sich als die Größte
denkend gefaßt(1594), die keine Kultivierung
duldet(1595), weil er in der Kultivierung der
Vernunft eine der kultischen "Bejahung" inhärente optionale
"Infragestellung" wittert(1596), so
kritisiert Hegel die Zerpflückung der Gottesbeweise durch Kant(1597),
um dann (ohne die Quelle anzugeben) den ontologischen Gottesbeweis(1598) zur nonverbalen Ausgangsposition a priori
zu nehmen(1599), und die Kultivierung der
Vernunft unter dem Namen Dionysos (Liber) durch die Romantiker philosophisch zu
flankieren(1600) (die Romantiker
etymologisieren gewillkürt den Namen "Dio-nys-os" als
"Gott-Vernunft"«), und sogar teilweise zu überbieten(1601).
Hegel, (von Jugend an) der beste Freund des prophetischen Poeten des (neuen)
Dionysos, Hölderlin(1602), der neue Orpheus
der aufklärerischen Moderne, dichtet selbst lieber zu Ehren der Schwiegermutter
des Dionysos, Ceres (Demeter/Isis(1603) der
Freimaurer) und Eleusis(1604), den Kultort
des Göttertrias Dionysos-Demeter-Kore/Persephone (Liber-Ceres-Libera).
Unbestritten ist in der Forschung, daß die pseudochristliche Philosophie Hegels(1605) jeweils Ausgangsposition für die Links-(1606) und Rechtshegelianer waren(1607), die sich politisch etwa im Kommunismus(1608) (der Marxsche "Bruch" mit
Hegel, genannt die "Überwindung" Hegels(1609),
ist an anderer Stelle als das Ausfüllen des hegelschen Rahmens mit -
revolutionärer - Dynamik gedeutet worden) und Nationalsozialismus manifestiert
haben.
An Hegel "konnte" eben keine kulturpolitisch maßgebliche
Denkrichtung vorbei. Selbst die meisten Hegel-Kenner wissen aber nicht, oder
wollen es nicht wahrhaben, daß Hegel lange vor Nietzsche den "Tod des
Gottes"(1610) des Glaubens erklärt hat.
Und genau den von Kant als Gottesbeweis zerpflückten mittelalterlichen
"Beweis" (ohne Quellenangabe) griff Hegel auf (und entfremdete es
subjektivistisch), wonach der größte (menschliche) Gedanke Gott sei(1611). Mit dieser Variante der
"Enthüllung" der von Kant absolut gesetzten "Vernunft" als
"menschlich" durch Hegel, wurde das Tor zu der kultivierten
Vergöttlichung des Menschen, d. i. die gekonnt systematische Verwechslung des
Menschen mit Gott, aufgetan(1612) (beachte:
bei Kant war der Mensch, soweit "vernünftig", bereits vorweg höchste
Instanz(1613), obgleich zunächst die Vernunft
auf eine elitäre Minderheit beschränkt blieb), und erst von Feuerbach wieder
geschlossen(1614). So wie etwa Goethe keine
Kruzifixe in seiner Nähe duldete(1615), so
hat Hegel gegenteilig sogar konsequent das Schafpelz bevorzugt, indem er den
("für tot erklärten") Christus (Gott) des Glaubens(1616)
durch den neu ins Leben gerufenen Christus der Vernunft (d. i. der größte
menschliche Gedanke) ersetzte. Zum anderen ist bei ihm das Luziferische zumeist
neuheidnisch verklausuliert (Gott-Vernunft=Dio-Nysos), so daß die luziferischen
Fundamente (bei ihm) am ehesten über seine Böhme-Zitate(1617),
und durch seine ausführliche Würdigung der Person und luziferischen Arbeit
Böhmes(1618) (als bahnbrechend und den ersten
deutschen Philosophen überhaupt, auf den alles weitere aufbaut, d. h.
aufzubauen hat), verifizierbar sind(1619).
Aber auch der klassisch luziferische Schöpfergott ist Hegel keineswegs fremd,
der - bei ihm - selbst Geschöpf (Demiurg) ist und dem nur vorübergehend zum
Schein Personalität verliehen wird, die allerdings erst in der späteren
religiösen Reflexion zur Personalität (des Schöpfers) hochstilisiert worden sei(1620).
Neben der Philosophie fußte die aufdämmernde Moderne literarisch auf Goethe
(samt Anhang), an den, vor allem an seinen Faust, sich die kulturelle Wende
(deutsche Klassik) orientiert. Es fragt sich allerdings, ob der abendländische
Kulturkreis nach dem beispiellosen Triumphzug - kurz nach dem Zenit -
Galionsfiguren wie Goethe, Schiller und Hegel nunmehr in der Retrospektive als
luziferisch zu stürzen bereit ist, oder gar zu offen zu luziferischen Fahne
überläuft.
4.5.1. Der hermetische Teufel
Mit seltener Offenheit hat Goethe in seiner Selbstbiographie(1621) expliziert, daß ihn seine Studien der
pietistischen Darstellung der Kirchengeschichte vom - Böhme Anhänger - Arnold(1622)animiert haben, seine eigene Religion zu
begründen, wonach der agnostisch vorausgesetzten Apriori einer vage umrissenen
Dreifaltigkeit(1623) der ausschließlich
mögliche Begegnung Gottes durch den Menschen in Luzifer(1624),
dem durch den Himmel-Sturz äußerlich zur Materie erhärteten Gottessohn,
gegenüberstehe, dem alle Schöpfungsmacht übereignet war und durch dessen
Geschöpfe, zu denen alle Engel gehören (auch die nicht mit Luzifer gefallenen),
allein das Göttliche zugänglich ist.
4.5.2. Luzifer Creator
Goethe betont selbst, daß er hiermit ein für allemal die Religionsfrage
(zumindest für sich) gelöst habe(1625), und
es gibt keine Spuren eines Gesinnungswandels in seinem späteren Werk zu
beobachten(1626). Vielmehr verrät Goethe am
Schluß seines Faust II. in einer Redewendung des "teuflischen"
Meffistofeles, daß die rettenden himmlischen "Engelwesen"(1627), die Faust entrücken (mitnehmen), "auch
Kinder des Luzifer" sind(1628).
Damit erweist sich der in dem Prolog des Faust I. im Himmel thronende Gott(1629) Goethes, der (auf Drängen Schillers(1630)) weitestgehend dem 1. Kapitel des Buches
Hiob aus dem AT entlehnt ist(1631), als der
nämliche Luzifer(1632), dessen Kinder Faust
schlußendlich (im oben zitierten Schlußteil von Faust II.) in den
"Himmel", bzw. ins "Jenseits" entrückten(1633).
Also setzt Goethe in seinem Hauptwerk, "Faust", die Identität vom
Gott des Alten Testaments(1634) mit Luzifer
voraus. Diese - in christlichen Gefilden - älteste und hartnäckigste Spielart
der Gnosis (seit Marcion), wonach der Gott des AT niemand anderer als Luzifer
sei, entlarvt die als Deutsche Klassik gefeierte Kulturepoche (viele Sprechen
vom Goethe-Zeitalter bis zur Jahrhundertwende einschließlich Erster Weltkrieg)
als die elitärste Form des "bekennenden" (d. i. deklarierten)
Luziferismus.
4.6. Der mythische Teufel
Ein eigener Absatz gebührt dem neuheidnisch verklausulierten Luziferismus,
dessen Vorläufer im Barock vor allem Prometheus(1635)
und dann Pluto(1636) waren, um dann von
Hölderlins Dionysos(1637) verdrängt,
gewissermaßen inkorporiert zu werden(1638).
Ein Überblick vor allem über die philosophische Seite dieser fortan
dominierenden Strömung gibt Manfred Frank(1639)in
seinen zweibändigen "Vorlesungen über die Neue Mythologie", woselbst
primär das Pseudochristliche am Dionysischen abgehandelt wird. Leider kommen
gerade Galionsfiguren wie Hegel und Goethe (das Auftreten des Pluto, Dionysos
und Apollo wird ebenso übergangen, wie die Wiedergeburt des Faust(1640) am Schluß als Dionysos-Kind(1641)) viel zu kurz, oder verdeckt eine allzu
umständliche Beweisführung und Argumentation die Klarsicht. Bedauerlich ist
auch die Unterlassene Identifizierung des von den Romantikern groß
angekündigten Dichter-Propheten (messianischen Dichter) mit Goethe, so daß die
Identität von Nietzsches "apollinisch-dionysischem Gegensatz" mit dem
"apollinisch-faustischen Gegensatz" beim Hitlers Chefideologen
(Rosenberg) nicht erkannt wird(1642). Etwas
irreführend ist auch die konsequente Verwendung des sekundären Namens
"Bakchos" (Bacchus) für Dionysos statt etwa "Liber", doch
dürfte Frank dabei dem Sprachgebrauch der Romantik gefolgt sein, denn die
Gefolgschaft des Gottes Liber (Dionysos) eben Bacchanten hießen und daher der
Name Bacchus ebenfalls gebräuchlich war(1643).
Ansonsten ist aber die Arbeit auf weiten Strecken äußerst informativ, vor allem
für die Zeit der Romantik, und ist kulturhistorisch eine derzeit ebenso
unersetzliche wie auch leider unvollständige Fundgrube des Dionysos-Motivs bis
in die jüngste Zeit.
4.6.1. Dionysos Luzifer
Sehr aufschlußreich ist der Hinweis von Frank auf die legitimistischen
Gründe für die Auseinandersetzung der Romantik mit Mythos, Religion und sodann
konkret mit Dionysos(1644). Frank ist auch
die eminent wichtige Systematisierung des Dionysischen (und somit Liberalen)
seit der Romantik, die sein ganzes Werk durchzieht, zu verdanken. Demnach steht
Dionysos wegen seiner streckenweise verblüffenden Parallelen mit Jesus Christus
im Mittelpunkt des subkulturellen (neuheidnisch antichristlichen) Interesses(1645). Die Parteiungen, bzw. Hauptgruppen der
Liberalen lassen sich nach diesem Kriterium als Orientierungsgröße bestimmen.
Hat nämlich die eine Gruppe die christliche Analogie mit Dionysos so gedeutet,
daß Jesus die positive Vollendung alles Dionysischen sei(1646),
so hat die andere Hauptgruppe in Jesus den mißglückten Abklatsch, eine
böswillige Verfälschung des wahrhaft Dionysischen gesehen(1647).
Die Anhänger der ersten Gruppe, die zuvor großteils auch die Kirche gemieden
haben, sind nun großteils von der Evangelischen zur Katholischen Kirche konvertiert(1648) und fleißig die Gottesdienste besucht.
Die Anhänger der zweiten Gruppe traten zwar auch oft aus der Kirche aus,
bevorzugten aber, wenn, dann außerkirchliche Alternativen.
4.6.2. Der archaische Teufel
Bei der Systematisierung der Flut der dionysischen Überlieferung, ein
zugegeben titanisches Unterfangen, ist Frank weder vollständig noch in allen
Punkten zufriedenstellend, verschafft aber einen beeindruckenden ersten
Überblick. Den für die Moderne so zentralen Nonnos(1649)zitiert
zwar Frank beiläufig(1650), aber übergeht er
ihn in der Gewichtung. Der nach der Abfassung seiner Dionysiaka anscheinend zum
Christentum konvertierte Nonnos(1651) wird in
der Theologie als Abfasser einer Paraphrase zum Evangelium des Johannes etwa
noch von Melanchton empfohlen(1652). Und in
der Dionysiaka, dem Schlußstein gleichsam alles Neuplatonischen(1653) (zumindest zeitgleich mit dem Auslaufen
des Neuplatonismus), und das letzte und größte Werk über Dionysos, hat nicht
nur die Romantik entscheidend beeinflußt, sondern auch das Mittelalter und
alles danach. Vielleicht war das Dionysiaka des Nonnos nicht allgemein
anerkannt der krönende Abschluß der Antike, aber es spricht einiges dafür(1654), wenn man nur die zeitgenössische
Subkultur, die sogenannte Moderne vor Augen hat. Das Dionysiaka ist aber, wie
es immer auch gewertet werden soll, eine Zäsur in der abendländischen, damals
schon offiziell so gut wie christlichen, Kulturgeschichte.
Von großer Bedeutung mag für das moderne Verständnis des Dionysischen
gewesen sein, daß in der Dionysiaka des Nonnos, zum ersten Mal überhaupt in der
griechischen Dichtung, Knabenliebe und Nekrophilie behandelt werden, und sich
auch sadistische und masochistische Züge finden(1655).
Ähnlich bedeutungsschwanger ist das - nach dem Tod des (zweiten) Dionysos -
vorgetragene Bitte des Aion (zu Deutsch "Zeitalter", auf Englisch
"Age") auf die Erlösung der Menschheit, worauf Aion erhört und (der
dritte) Dionysos (wieder) geboren wird(1656).
Damit ist Dionysos in einen direkten Zusammenhang mit dem Zeitalter (griechisch
"Aion", englisch "Age"), also dem chiliastischen Moment
(New Age), gebracht worden.
4.6.3. Der prophetische Teufel
Frank ist auch positiv anzurechnen, daß er schon in seinem Buchtitel
"Der kommende Gott" das chiliastische Element, als das wohl
wesentlichste in der Romantik, hervorhebt(1657).
Er weist immer wieder darauf hin, daß der Dionysos der Romantik sogleich schon
bei Hölderlin als ein Advent-Gott (Parusie-Gott) konzipiert ist(1658), und das blieb seine wesentlichste
Eigenschaft bis zuletzt. Von diesen und ähnlichen Einsichten Frank's her wird
die volle Dimension der weiter oben beschriebenen Manipulation des biblischen
Parusietermins im aufgeklärt liberalen und postliberalen Dunstkreis, u. a.
durch Alber Schweitzer und Rudolf Bultmann, transparent. Um der besseren
Übersichtlichkeit willen kann hier auf das Gedicht des Romantikers Novalis
(Friedrich von Hardenberg) über den Autor der "Morgenröte", übrigens
auch ein ausdrücklich so gewählter chiliastischer Titel, Jakob Böhme,
hingewiesen werden(1659):
"Du wirst das Reich verkünden,
Das tausend Jahre soll bestehen;
Wirst überschwenglich Wesen finden
Und Jakob Böhmen
wiedersehen."
Im Brief Fr. Schlegels an Novalis vom 2. Dezember 1798 heißt es: "Ich
denke eine neue Religion zu stiften oder vielmehr sie zu verkündigen zu helfen:
denn kommen und siegen wird sie auch ohne mich. (...) Lebte Lessing noch, so
brauchte ich das Werk nicht zu beginnen. (...) Keiner hat von der wahren neuen
Religion mehr geahndet als er." Und im 95. Fragment der Ideen:
"Als Bibel wird das neue ewige Evangelium erscheinen, von dem Lessing
geweissagt hat". Und so fort in der Europa-Rede des Novalis: "Wann
und wann eher? darnach ist nicht zu fragen. Nur Geduld, sie wird, sie muß
kommen die heilige Zeit des ewigen Friedens, wo das neue Jerusalem die
Hauptstadt der Welt sein wird ..."(1660)
In diese Kerbe schlägt auch Hegels Beitrag zur neuen Religion: "Das
wäre dann eine »neue Religion« wenn es nämlich ein freies Volk [...] die
Kühnheit haben kann, auf eigenem Boden und aus eigener Majestät solch seine
Gestalt zu nehmen." Seinen vollkommen objektiven Ausdruck habe die
Weltansicht einer Population im "Nationalgott, als in welchem dem
Volke sein reiner Geist nicht nur, sondern zugleich sein empirisches Dasein
(...) verklärt erscheint."(1661)
Richard Wagner(1662), der Feuerbach viel
verdankt und dem er eine Schrift gewidmet hat(1663),
bringt es auf den Punkt: "Die Periode von diesem Zeitpunkt bis auf
unsere Tage ist daher die Geschichte des Absoluten Egoismus und das Ende dieser
Periode wird die Erlösung in den Kommunismus sein"(1664).
Und die chiliastische Sicht eschatologisch abrundend: "Nur wenn die
herrschende Religion des Egoismus [...] aus jedem Moment des menschlichen
Lebens verdrängt und mit Stumpf und Stil ausgerottet ist, kann aber die neue
Religion, und zwar ganz von selbst, in das Leben treten, die auch die
Bedingungen des Kunstwerks der Zukunft in sich schließt". Und
schlußendlich: "Der Gott der armen Leute: Pan. Volkshumor. Die
phantastischen Masken - ursprünglich Naturgötter darstellend - stellten endlich
das Volk selbst dar, wie die Heroengötter endlich zu Heroen = Menschen selbst
geworden waren"(1665).
4.6.4. Der verkannte Teufel
Angesichts der Überfülle der wertvollen Information bei Frank dürfte es
zielführend sein auf größere Lücken und sonstige Mängel stichwortartig
hinzuweisen. Und obwohl auch der mythologische Teil Ergänzungen bedürfte, kann
insgesamt bezüglich alles Dionysischen auf Frank und Hamdorf(1666)
verwiesen werden. Die schon erwähnten Mängel sind die Verkennung Hegels,
Goethes und andere Größen als Leitfiguren des Dionysischen, wie etwa auch
Hitler und Marx, die von Frank zwar immer wieder gestreift und in Zusammenhang
gebracht, aber nicht als die eigentlich zentralen Figuren erkannt und gewichtet
werden. Goethes Faust, als das Dionysos-Ereignis der "modernen"
(aufgeklärten) abendländischen Kulturgeschichte schlechthin, fehlt bei Frank
zur Gänze. Überhaupt ist alles Nachromantische an Dionysischem etwas außerhalb
dem Gesichtskreis von Frank, so daß seine Streifzüge in der Späte der Neuzeit
nur als Demonstrationen (Beispiele) der von ihm zu Recht behaupteten, und in
der Summe auch bewiesenen, kontinuierlichen Zusammenhangs anzusehen sind.
Besonders unangenehm fällt auf, daß Frank die Orphik(1667)
fast zur Gänze ignoriert, obgleich er in Rilke ein ausgewachsenes Exemplar des
poetisch Orphischen präsentiert(1668). Als
der (prophetische) Dichter des Dionysos hinterließ Orpheus(1669)
eine mindestens so breite Spur in der Kulturgeschichte des Abendlandes wie der
Dionysos(1670) selbst. So wie in den Anfängen
des griechischen Theaters nur Dionysos gespielt wurde(1671),
weil das Theater die Kultstätte des Dionysos schlechthin war (und ist), so
spielte man im ausgehenden Mittelalter und in der - mit dem Humanismus und
Renaissance(1672) aufkeimenden Aufklärung so
gut wie nur theatralische Musikstücke über Orpheus(1673).
Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang gab es faktisch nur Orpheus als Stoff der Oper(1674). Oper und Orpheus sind ursprünglich und
eigentlich ein und das selbe. Auch heute heißen nur die Helden anders, aber
alles Oper ist Orphik, also dionysisch (Musik-Theater, musikalische Poesie(1675)).
Hierbei verdient Aufmerksamkeit, daß (siehe das Beispiel Rilkes) die Orphik
als die Schattenseite (das Melancholische und die asketische Seite) des
Dionysischen gilt, das oft und gerne sich (im Gegensatz zur Orphik) auch
lebensfroh, bzw. ausgesprochen sinnenfroh bis äußerst lustbar (hedonistisch)
zeigt, während Orpheus die tragische Figur schlechthin ist. Orpheus wiederum
ist ein Pendant des Prometheus (eigentlich ist Prometheus das Pendant des
Orpheus, womit auch Prometheus als dionysische Spielart erkannt werden kann),
weil er dort, wie hier Orpheus, als erster die Unterwelt (Reich des
Dionysos/Hades/Pluto/Liber) bereiste und wieder herauskam(1676).
Als mythischer "Bezwinger" der heidnischen Hölle ist er ein Heros,
doch die zweite an seinen Lebenslauf geknüpfte Geschichte ist der Verlust
seiner Frau (Eurydike), die aus der Unterwelt herauszuholen Orpheus aufbricht,
aber in ebendiesem Punkt versagt. Seine Untröstlichkeit wegen seiner verlorenen
Frau ist sodann sowohl seine Positivität wie auch Negativität, das Thema
schlechthin für die Poesie und Mythos(1677),
in unzähligen Varianten. Der von sich enttäuschte Orpheus, der in seinem
Liebeskummer den epochemachenden Sieg über den Tod in seiner Person gar nicht richtig
realisiert, ist für sich selbst ein Versager, die Verkörperung der
Enttäuschung, weil er seine geliebte Frau nicht aus der Unterwelt zurückholen
konnte, für die Kunst und Religion ist aber Orpheus der Heros schlechthin, der
als erster aus der Unterwelt zurückkehrte und davon Kunde brachte, ja er war
die lebende Botschaft darüber, daß der (erste) Mensch aus der Unterwelt
zurückkehren konnte, so daß er, eben weil er die bisher unüberwindliche
Unterwelt überwand, schließlich unter die Götter erhoben wurde. Und mit dieser
seiner Überwindung des Totenreiches ist Orpheus das heidnische Pendant von
Jesus Christus im abendländischen Kulturschaffen geworden.
Für den Gott Liber(1678) gilt analog das
zu Orpheus Gesagte. Eine verallgemeinernde Beurteilung des Dionysischen ohne
Orphik und Liber(al) ist kaum möglich.
Der eingangs als ein prominenter Verfechter der luziferischen Quaternität(1679) gegen die christliche Trinität zitierte
Carl Gustav Jung hatte auch, wie die meisten seinesgleichen, eine ganz
persönliche Beziehung zum Bösen. Von Kindheit an von Alpträumen heimgesucht,
stieg C. G. Jung, der nach dem Bruch seiner Freundschaft mit Siegmund Freud,
der ihn schon als seinen "wissenschaftlichen Erben" gepriesen hatte,
seelisch schwer angeschlagen, vom Ausbruch einer Psychose bedroht und dem
Wahnsinn nahe, selbst in das "Reich der Mütter" hinab, um, in einer
"Nachtmeerfahrt" ohnegleichen in die tiefsten Schlünde des Unbewußten
tauchend, sich selbst(1680) zu finden(1681).
4.7.1. Der bewußte Teufel
Jung, der in seiner ersten Enttäuschung über Freud und dessen Lehre den Teufel
den eigentlichen Vater der Psychoanalyse nannte(1682),
rief bei seinem Abstieg in die Tiefenregionen seiner eigenen Psyche
ausgerechnet jenen alten Mann mit Stierhörnern, Flügeln und einem lahmenden
Bein in sein Bewußtsein! Von "Philemon", wie sich der Geist nannte,
ließ sich Jung in langen Lehrgesprächen und Dialogen esoterisches Wissen über
die dunklen Seiten unserer Psyche vermitteln. Der immer tiefer werdende Kontakt
ließ Jung Philemon schließlich "fast wie physisch real"
erscheinen, so daß er schließlich mit ihm - im Gespräch versunken - im Garten
auf- und abwandelte ...
Mindestens ebenso intensiv wie mit Philemon verkehrte Jung mit einem
weiblichen Geist, den er allerdings anfangs eher als eine Art dämonischen Subcubus
erlebte, mehr einem Höllenwesen gleich als seiner gesuchten Anima: "Aus
dem Urschleim auftauchend, unheimlich und behaftet mit allen qualligen und
monströsen Anhängseln der Tiefe!" Jung, der diese Erfahrungen in
seinem - "Roten Buch" genannten - magischen Tagebuch Schritt für
Schritt festhielt, fand schließlich nach fünfjährigem Kampf zu seiner eigenen
Mitte zurück(1683).
4.7.2. Der ausgeglichene Teufel
Das dergestalt gesteigerte Selbstbewußtsein Jungs scheint Zeugnis davon
abzulegen, daß es sich bei dem Jahrelangen Abstieg in den seelischen Abgrund -
in der Summe - um ein bleibendes Erlebnis gehandelt hat, so daß auch das
Lebenswerk Jungs nur von daher gewichtet werden kann. So leitet sich etwa die
"Individuation" als der zentrale Begriff der Psychologie Jungs von
der Bewußtmachung des Unbewußten bis zu dem Punkt ab, wo ein Gleichgewicht
zwischen den beiden seelischen Bereichen hergestellt ist. Jungs dergestalt zu
Lehrgebäude erhobener Lebensweg des "Ausgleichs", nämlich des
Kompromisses (Pakt) mit dem "Unbewußten" (Bösen), brachte als End-
und Zwischenprodukte allerlei obligat Gnostisches hervor.
4.7.3. Der versöhnliche Teufel
Aus dem bewußten Roten Buch des Unbewußten C. G. Jungs quoll nun die
chiliastische Qualifizierung des Christentums als Old Age und die Parusie des
neuen postchristlichen Äons(1684), so daß der
»christliche Aeon« der Fische "mit der Parusie seinen
Abschluß finden werde", um dem Äon des Wassermanns Platz zu machen(1685). Jung zeigt auf die Zeichen der Zeit und
zitiert aus der Bibel (!) die bevorstehende Machtübernahme durch Luzifer(1686), streift den angeblichen Mangel an wahrer
Existenz des Bösen bei den Kirchenvätern(1687),
um dann selbst zu bemängeln, daß die im Untergang begriffene "Gestalt
Christi nicht so eindeutig ist, als man es wohl haben möchte", weil "Christus
eine Reihe von Symbolen, resp. »allegoriae«, mit dem Teufel gemeinsam hat",
so etwa Löwe, Schlange, Vogel, Rabe Adler und Fisch; und daß Luzifer, die
stella matutina, sowohl Christus wie den Teufel bezeichnet. Die obligate
(gnostische) Gleichsetzung Luzifers mit dem Gott des AT, den er den Demiurgen
Jahwe nennt, erklärt Jung astrologisch über die Gleichsetzung (Jahwes) mit dem
Saturn(1688), der ja der Teufel sei.
So ungefähr ist zu verstehen, warum Jung etwa bei den Nationalsozialisten,
allerdings erfolglos, um die Landesweite Errichtung (und Verehrung) von
Wotans-Eichen interveniert hat. Oder warum Introvigne, in diesem Punkt wohl zu
Recht, den Satanismus in der Psychologie (eigentlich Psychoanalyse) verwurzelt
sieht(1689).
Der Schwerpunkt einer Untersuchung hat auf den Nachweis des direkten
Zusammenhangs zwischen dem bekennenden Luziferismus der Theosophie Madame
Blawatskys (respektive Abzweigungen wie New Age oder Satanismus) und dem
pseudochristlich oder neuheidnisch verbrämten ästhetischen Luziferismus der
Romantik (samt Nachfolgeströmungen) abzuzielen(1690).
Der wohl aufwendigste Teil dabei wird der Nachweis des theosophischen
(luziferischen) Wesens gänzlich anders etikettierten Geistesströmungen und
Strukturen sein.
Der äußere Anhaltspunkt ist der im Mythos beschriebene Reise des Dionysos
nach Indien(1691)und sein "Advent"(1692) (Parusie) in Europa auf dem Rückweg,
seine Niederlage, Tod und Verklärung ("Auferstehung"), nämlich als
Dionysos-Iachos(1693), oder Dionysos-Lyknites(1694). Denn die 1875 in den USA gegründete
Theosophische Gesellschaft verlegte noch im gleichen Jahr mitsamt Madame
Blawatsky ihren Sitz nach Indien(1695), wo
die Stammgründung bis heute residiert. Schon die Romantiker haben die
Gleichsetzung von Dionysos mit Shiva(1696) (vgl.
Creuzer) übernommen. So wie der Luziferismus in der Romantik
dionysisch-neuheidnisch verbrämt wurde(1697),
so verbrämt die Blawatsky-Theosophie ihren deklarierten Luziferismus vorwiegend
(aber nicht nur) vedisch-exotisch (tantrisch(1698)).
Es ist aber der gleiche Luziferismus Mal im hellenistischen, Mal im indischen
Gewand (ebenso wie im germanischen Gewand bei Wagner, Guido von List und
Hitler, oder im ägyptischen Gewand bei den Freimaurern und dem sog. Satanisten
Crowley). Besonders deutlich macht Blawatsky ihr luziferisches Bekenntnis im
Kommentar zum Buch Dzyan, ein rein "spirituelles" (spiritistisches)
Buch, das nur Blawatsky - als "Offenbarungsträger" - esoterisch zugänglich
war, wo sie in den abschnittsweise Kommentaren von einer jüdisch-christlichen
Usurpation zugunsten des minderwertigen (Demiurgen) Jahwe gegen den wahren und
höchsten Herrn, den Fürsten der Finsternis, Luzifer, den die Juden und Christen
Satan nennen, spricht.
Der Titel von Blawatskys (erstes) Hauptwerk, "Die entschleierte
Isis"(1699), stellt die Verbindung
zwischen dem Sprachgebrauch der abendländischen Gnosis(1700)
und der Tantrik auf vedischer - oder pseudovedischer - Grundlage her, der
zugehörig sich Blawatsky ansonsten bekennt (die meisten ihrer Anhänger gaben
sich als Hindus, Blawatsky selbst trat dem Buddhismus(1701)
bei - den sie als "indisch" verstand(1702)
- und ergoß ihren Haß auf alles Christliche(1703)).
Seit Menschengedenken ist nämlich kein Freimaurerschriftsteller ohne
Anrufung der Isis(1704)ausgekommen(1705). In der "Zauberflöte" bringt
etwa Mozart einen "Chor der Priester des Isis" zu Gehör(1706), und 1800 trägt die in Paris aufgeführte
Bearbeitung der "Zauberflöte" dann den Titel "Les Mystères
d'Isis"(1707). Die Isis(1708)
dient als Symbol für alles (gewissermaßen auch für Jesus) und die Freimaurer
verwechseln sie permanent mit der Pallas von Sais. In der "Sendung
Moses" schreibt Schiller, ihnen folgend: "Unter einer alten Bildsäule
der Isis las man die Worte: »Ich bin, was da ist«, und auf einer
Pyramide zu Sais(1709) fand man die uralte
merkwürdige Inschrift: »Ich bin alles, was ist, was war, und was sein wird;
kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.«(1710)"
Aber diese - von Lessing oft herangezogene - Pallas von Sais wird von Hegel
wiederum (wohl zu Recht) der Cybele(1711)gleichgesetzt,
"der erhabenen Gottheit, die alles ist, was ist, was war und was sein
wird, und ihren Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt"(1712), und versucht in seiner
"Ästhetik"(1713)dann den
Natursymbolismus von Isis(1714) und Osiris(1715) (Dionysos(1716))
zu erhellen. Insgesamt kann also bei der Wahl des Titels von Blawatskys
"Entschleierte Isis" und der gnostisch-esoterischen Tradition des
Abendlandes ein direkter (thematischer) Zusammenhang festgestellt werden.
Das zweite und letzte Hauptwerk Blawatskys, "Die Geheimlehre",
enthält das von Blawatsky kommentierte Buch Dzyan, das bis dahin niemand außer
Blawatsky lesen durfte und nun ihr allein spirituell (spiritistisch)
"offenbart" wurde. Gemäß dem ihr allein offenbarten Auftrag
expliziert nun Blawatsky, daß der Teufel eine Lüge der jüdisch-christlichen
Geistlichkeit sei, indem der wahre Herr und Schöpfer des Universums, der Fürst
der Finsternis, den die Bibel Satan und Luzifer nennt, nur verbal von den
biblischen Autoren gestürzt und dem minderwertigen Demiurgen Jahwe unterordnet
werden konnte, in Wahrheit ist aber alles anders(1717)
und Luzifer steht nunmehr unmittelbar vor der offenen Machtübernahme (New Age),
nämlich nach seiner unmittelbar bevorstehenden Parusie.
5.1. Der Teufel der Ahnen
Der wohl heikelste Punkt der Causa "Luziferismus" ist der Nachweis
der Verbindung des deutschen Nationalsozialismus mit der deklariert
luziferischen Theosophie Blawatskys, obwohl der romantische Ursprung und
Verbundenheit des deutschen Nationalismus, gleichsam als Romantikrezeption(1718), so gut wie außer Streit steht. Es wird
nämlich in der Forschung gelegentlich das Gerücht kolportiert, daß diese
Verbindung des Nationalsozialismus zu der (deklariert luziferischen) Theosophie
Blawatskys angeblich nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Unbestritten
ist zwar die gnostische Thule-Gesellschaft mit der neuheidnischen Tarnung die
geistige Heimat des Nationalsozialismus, von wo aus alle politischen Fäden
gezogen wurden, die "Skeptiker" übergehen aber geflissentlich, daß es
zwei aufeinanderfolgende Thule-Gesellschaften (vor und nach dem mißglückten
Hitler-Putsch in München 1923) gab und versuchen die Aufmerksamkeit auf die
erste Thule-Gesellschaft zu lenken, wo einiges schwieriger verifizierbar zu
sein scheint. Tatsächlich lassen sich die komplexen Verbindungen in beiden
Phasen der Thule-Gesellschaft rekonstruieren, und eventuelle Unsicherheiten
können nur dadurch simuliert werden, daß Unterschiede in den zwei Phasen der
Thule-Gesellschaft als Widerspruch oder Unklarheit hingestellt werden. Wenn
jedoch vorher festgestellt wird, daß die beiden Phasen der Thule-Gesellschaft
als faktisch zwei aufeinander folgende Gesellschaften - unter Wahrung der
Hauptsubstanz aber mit einem völlig neuen "Management" - aufzufassen
sind, kann die Fragestellung widerspruchsfrei angenähert werden. Insofern
substantielle Unterschiede in den beiden Phasen festzustellen sind, so vertritt
die erste Phase eine von Guido von List vermittelte Blavatsky, und die zweite
Phase eine unvermittelte Blavatsky (Buch Dzyan) mit einer (ariosophischen)
Auslegungstradition von List.
In der zweiten Thule-Gesellschaft war (spätestens) um 1928 die gesamte
NAZI-Elite samt Hitler als Mitglied eingetreten(1719),
und von dieser Nachfolgegesellschaft (Thule-Gesellschaft II.) heißt es, daß die
Neugründung durch Karl Haushofer(1720) (um
1923) auf der Grundlage des - weiter oben zitierten - Buches Dzyan (der Madame
Blawatsky) erfolgte, das außer der bekennenden Luziferianerin Blawatsky niemand
im Original gesehen hatte, in dem Buch sich Luzifer als der wahre Gott der
Götter der Blawatsky offenbarte, und das Buch (Dzyan) nur ihr allein anvertraut
(offenbart) wurde.
Von der ersten Thule-Gesellschaft Sebottendorffs hieß es zwar allgemein, daß
Lanz von Liebenfels, Guido von List und die Ariosophen Vorbilder und geistige
Väter seien, aber ansonsten wäre das Material angeblich
"widersprüchlich" oder "undeutlich", oder nicht sicher
genug. Die Behaupteten Unklarheiten resultieren allerdings zumeist aus der
unsachgemäßen Handhabung der Informationen. So sucht man z. B. ebenso unnötig
wie vergeblich nach Verbindungen zu den deutschen Theosophen. Denn die gesuchte
Verbindung besteht tatsächlich zu den österreichischen Ariosophen, die eine
Elitegruppe der österreichischen Theosophen waren, und auch die Gruppe um Lanz
von Liebenfels dominiert haben.
Übergangen wird von den zitierten "Skeptikern" zumeist auch die
zentrale Rolle von Guido von List bei der geistigen Orientierung Hitlers, weil
durch den sich auffällig gebärdenden aber um einiges harmloseren Lanz von
Liebenfels verdeckt, bzw. überschattet wird. Guido von List ist ein bekennender
Blawatsky-Jünger und sein Lehrgebäude ist eindeutig (und durch ständige Zitate
deklariert) die Theosophie Blawatskys in germanischem Gewand, sozusagen die
germanisierende Version der Theosophie Blawatskys. Maßgeblich ist in diesem
Zusammenhang, daß Lanz und Sebottendorff wie noch viele andere jeweils
Redeverbot nach Hitlers Machtübernahme erhielten, während der
"Führer" (Hitler) die Gedanken des Guido von List bis zuletzt
wohlwollend zitiert und gewälzt hat. Die direkte Verbundenheit des
Nationalsozialismus mit der luziferischen Theosophie Blawatskys, nämlich in der
Interpretation von List, ist somit auch für die Zeit der ersten Thule
Gesellschaft erwiesen(1721). Ob und wann
Hitler offizielles, bzw. nachweisbar (eingeschriebenes) Mitglied einer
theosophischen Gesellschaft geworden ist, ist insofern ohne Belang, als die
meisten gnostischen Organisationsformen kaum mit den üblichen religiösen
Organisationsformen vergleichbar sind.
5.1.1. Der kultivierte Teufel
Schon 1924 konstatiert Erhard Schlund in der Ausbreitung national verbrämten
neuheidnischer Bewegungen den permanenten Kulturkampf(1722)
zwischen Heidentum und Christentum: "Auch nach dem allgemeinen Sieg
des Christentums und der Christianisierung der deutschen Stämme ging der Kampf
als Guerillakrieg weiter in den Seelen und in den Glaubensanschauungen und in
den religiösen Bräuchen, ja auch in bewußten Geistern, und Männer, denen Wotan
lieber war als Christus, gab es wohl immer. Heute scheint es nun, daß dieser
Jahrhunderte dauernder Kleinkrieg wieder zu einer offenen Feldschlacht werden
möchte. Jedenfalls hat das Hakenkreuz [...] den Kampf mit dem Kreuz Christi
aufgenommen [...] Oft ist dieser religiöse Kampf durch den Politischen so stark
verdeckt, daß selbst gelehrte, christliche Theologen und kirchlich wachsame und
eifrige Priester nichts davon merken." Unter dem Vorwand, die von der
Kirche nicht immer erfolgreich verhinderte örtliche "Kulturanpassung"
des Christentums nunmehr rückgängig machen zu wollen, wurde von den Neuheiden
zutiefst christliches und nicht selten rein jüdisches Kulturgut ohne viel
umschweife "re-arisiert", bzw. als angeblich Ur-Germanisches ins
Neuheidentum adaptiert. So wurde auch "Jesus gerne als Arier
gesehen"(1723).
5.1.2. Der Teufel im Blut
Für die theoretischen Hintergründe des zur Religion ausgestalteten Kultes
der Rasse sorgten die bedeutendsten Vertreter der (austrotheosophischen)
Ariosophie: Lanz von Liebenfels, Guido von List und Theodor Fritsch(1724). Gleichzeitig waren diese drei
Persönlichkeiten Gründer verschiedener miteinander eng verflochtener
Geheimgesellschaften und Orden.
Obwohl in der Literatur immer der Neu-Gründer des vom Papst Clemens V. um
1312 verbotenen Tempel-Ordens (ONT), mit "Ausrottung des
Tiermenschen" sowie "Kastrationsmesser"und
ähnliches im Programm (Ostara-Hefte), Lanz, als "Der Mann, der Hitler die
Ideen gab" auftaucht(1725), ist die
zentrale Figur hinter der ideologischen Entfaltung Hitlers der Theosoph Guido
von List. Die Mitgliederliste der Guido-von-List Gesellschaft, an deren
Gründung nicht nur der Altbürgermeister von Wien, Josef Neumayer, sowie der
Oberbürgermeister Karl Lueger, sondern auch Lanz von Liebenfels beteiligt
waren, umfaßte auch die ganze Wiener Theosophische Gesellschaft. Der in der
"Armanenschaft" zusammengefaßte innere Kreis der Guido-von-List
Gesellschaft war wiederum geschlossen in der ONT von Lanz vertreten.
Der von Fritsch in Deutschland gegründete Reichshammerbund gegen die
jüdische Wirtschaft und die geheime Loge Germanenorden(1726)
standen ebenfalls unter dem Einfluß von List(1727).
Nach einer Spaltung des Germanenordens gründete der bisherige Obermeister Pohl
1916 den Germanenorden Walwater, dessen bayerische Sektion unter dem Ariosophen
Sebottendorff, der Lanz und List als seine Vorläufer würdigt(1728),
am 18. 8. 1918 in Thule-Gesellschaft (d. i. Thule Gesellschaft I.) umbenannt
wurde(1729). Im September 1919 schleuste der
Polit-Hauptmann Mayr seinen - zuvor bei den Kommunisten als Rotgardist(1730) erprobten - Konfidenten namens Adolf
Hitler in die DAP(1731) ein, der schon im Januar
1920 zum Propagandachef und bald darauf zum Chef der auf sein Betreiben
umbenannte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei (NSDAP) avancierte(1732).
5.1.3. Der arische Teufel
Hitler kam allerdings nicht ganz zufällig in den Gefilden der von den
Austro-Theosophen (Ariosophen) kontrollierten Organisationsgeflecht der Thule
Gesellschaft zu Ehren, hatte er doch Wien 1912 mit einem Empfehlungsschreiben
der Guido-von-List Gesellschaft an den Großindustriellen Friedrich Wannieck in
Richtung München verlassen(1733). Den als
Stifter und Ehrenpräsident der Guido-von-List Gesellschaft registrierte
Friedrich Wannieck(1734), konnte er, so
erinnert sich Hitler im "Mein Kampf", nicht mehr sprechen, weil jener
damals bereits todkrank, und am 6. Juli 1912 dann tatsächlich gestorben war(1735). So gut die von Frau Elsa Schmidt-Falk, "der
einzigen weiblichen politischen Leiter innerhalb der politischen
Leiter-Organisation der NSDAP" (Selbstbezeichnung), an Dr. W. Daim
gemachten Angaben sind, so verblieb Guido von List als die einzige von Hitler
anerkannte Autorität in Sachen Ariosophie, den Hitler bis zuletzt auch ständig
zitierte(1736).
5.1.4. Luzifer Redivivus
List beruft sich nun auf Madame Blavatsky, die als der unumstrittene
"Stammvater" der organisierten Theosophie galt(1737),
und deren Schriften ihm als Beweis für die Übereinstimmung von germanischen und
indischen, also "ur-arischen" Weisheitslehren dienen(1738).
List läßt sogar alle Weisheit von den Ario-Germanen herrühren, die angeblich
die ersten Menschen gewesen wären und schon die Erfindungen der H. P. Blavatsky
gekannt haben sollten(1739). List
unterscheidet zwischen dem Armanismus (Lehre der Weisen) und dem Wuotanismus
(für das Volk). Für List waren Wuotanismus und Christentum gleichermaßen
niedere Volksfrömmigkeit, wobei die Armanen (Weisen) den Wuotanismus in das
Christentum eingearbeitet hätten, nachdem das Volk dem Wuotanismus verfiel(1740).
Der theologischen Grundposition der Blavatsky, wonach der von den christlich-jüdischen
Theologen Satan und Luzifer genannte Fürst der Finsternis der eigentliche Gott,
und größer und mächtiger als der biblische Jahwe(1741)
sei, bemüht sich List mit der Gleichschaltung von deutscher Weltmacht und
Woutanismus Rechnung zu tragen, indem er etwa die Parusie Wuotans, die
Zeitenwende (New Age), als im Anbrechen begriffen postuliert. Dem Christentum
seinerzeit weichender Wuotan soll scheidend zur Albruna gesagt haben(1742):
"Nach tausend Wintern voll trugreichen Wahnes,
Nach leidigem Ringen mit Ränken und Listen,
Nach geistigem Kampfe und arisches Weistum,
Erst wird sich mein Volk vom Wahne befreien,
Ertrotzen sich Lehrstuhl und
Tronsitz der Welt."
Das von List als eine Variante des Wuotanglaubens hingestellte Christentum
kennt im biblischen Original tatsächlich ein Gottesreich von rund tausend
Jahren (Off 20,1-10), wobei allerdings der Satan für tausend Jahre gefesselt in
den Abgrund versperrt wird (Off 20,2-3), um nach den tausend Jahren bis zu dem
Vernichtungskampf gegen ihn für kurze Zeit freigelassen zu werden (Off
20,7-10), so daß die satanische Umdeutung des Christentums durch List(1743), wie bei Blavatsky vorgegeben, auf der
Hand liegt. Hiermit zeigt zugleich das tausendjährige Reich Hitlers sein
luziferisches Gesicht und (verallgemeinernd) die "Deckungsgleichheit"
des luziferischen und chiliastischen Moments, bzw. den inneren Zusammenhang
zwischen beiden.
5.1.5. Der Teufel der Tafelrunde
Auch wenn die gegenwärtige Forschung darin übereinstimmt, daß der
unbestritten von der Theosophie Blawatskys (New Age) her bestimmte
Neofaschismus eindeutig auf nationalsozialistische "Tradition"
zurückgreift, ist die Diskussion über die Nachweisbarkeit der direkten
Beeinflussung Hitlers durch Blavatsky - durch Verschleppung - noch
vordergründig im Gange (bzw. wird künstlich in Gang gehalten)(1744).
Wegen der erwähnten "Verwechslung" deutscher Theosophen mit den österreichischen
Theosophen (Ariosophen) ranken sich so manche Spekulationen um das Thema und
tiefergehende wissenschaftliche Untersuchungen der Geheimaktivitäten selten
sind, so als wäre man noch nicht ganz so weit mit der wissenschaftlich
begründeten Einsicht.
Tatsache ist jedoch, daß nach dem Abgang von Sebottendorff in die Türkei(1745) (nach dem Hitler-Putsch in München 1923)
die Thule-Gesellschaft von Karl Haushofer um 1923 auf der Grundlage des Buches
Dzyan, gemäß dem in der "Geheimlehre" Blawatskys abgedruckten
mysteriösen Inhalt der geheimen Offenbarung an Blavatsky(1746),
neu gegründet, bzw. umgegründet worden ist(1747).
In diese Thule-Gesellschaft sind erst 1928 Hitler, Himmler, Göring und
Rosenberg Vollmitglied geworden, was die oben angedeuteten Spekulationen über
die Frühzeit des Nationalsozialismus verständlich erscheinen läßt. Aber die
gemeinsamen theosophischen Grundlagen von Nationalsozialismus und New Age,
nämlich die Theosophie Blawatskys, lassen sich nicht mehr aus der Welt
diskutieren. Auch und gerade dann nicht, wenn New Age den Nationalsozialismus
als eine Häresie innerhalb der Neugnosis (neoliberalismus) postuliert und so
außerhalb von New Age behauptet, oder gar als Antipode bekämpft, denn diese
innere Spaltungen, wo die Flügel der Spaltung sich radikal bis zur Vernichtung
bekämpfen wollen, ist das Charakteristikum dieser Bewegungen und das tragende
Strukturelement.
Hinsichtlich der Übereinstimmung neuheidnischer Umtriebe bei den
Nationalsozialisten und bei New Age Anhänger sowie Neofaschisten kann Zufall
ausgeschlossen werden(1748). Analog ist auch
die Linie von List, der eine "mea culpa" der Kirche dem germanischen Volk
gegenüber zwar sehr wohl erwünscht, aber entschieden zu wenig ist. Es geht nach
wie vor um die im "Antichrist" von Nietzsche beschriebene
"Götzendämmerung", um den mystisch herbeigedichteten Untergang des
Christentums(1749). In diesem Kontext ist
auch die gewitzte Entschuldigung des Bischof Weber für angebliche
nationalsozialistische Verbrechen im Namen der Kirche zu sehen, weil es immer
nur auf das "mea culpa" der Kirche ankommt, nämlich darauf, daß die
Kirche noch vorher winseln soll, bevor ihre Entschuldigung dann doch nicht
angenommen wird. Dieses Theater wäre auch dann grotesk, wenn die Kirche
wirklich sich für etwas zu entschuldigen hätte.
5.1.6. Der Teufel der Revolution
Der gleiche Problemkreis kann von einer anderen Seite her angegangen werden,
da das Zurückgreifen des Nationalsozialismus auf die Romantik(1750)
als allgemein anerkannt gilt(1751). Der
Romantik verdankt das Abendland zunächst die Popularisierung der
synkretistischen Gleichsetzung christlichen Kulturgutes mit
Hellenistisch-Heidnischem(1752), zumindest
auf breiterer Basis, und schließlich durch Richard Wagner mit Germanischem. Das
indo-arische Versatzstück an germanischem Kulturgut durch die Ariosophen rundet
das Bild ab und paßt sehr wohl in die synkretisierende Tendenz. Die
Gleichsetzung des christlichen Teufels mit den heidnischen Unterweltgötter im
ausgehenden Mittelalter, vor allem dann mit Pluto/Dionysos(1753),
griffen die Romantiker dem ("prophetischen") Beispiel Hölderlins(1754)folgend auf, um eine alt-neue
"religiös" orientierte Idee und Kulturbewegung des dionysischen
Protests (d. i. die Revolution) zu begründen(1755).
Kaum ein bekannter Künstler blieb von dieser archaisierend neuheidnisch
verbrämten Bewegung des Widersachers (Luziferismus) unberührt. In unserem
Zusammenhang ist von Bedeutung, daß sich Hitler in dem von der Romantik(1756)und dann von Nietzsche angekündigten "Künstler-Politiker"wiederzuerkennen
glaubte(1757), nämlich als dionysischer
Messias. Es kommt dabei auch weniger darauf an, ob die Romantiker und Nietzsche
selbst Hitler als solchen akzeptiert hätten, als auf die damit expressis verbis
von ihm selbst deklarierten dionysischen Identität Hitlers, daß Hitler selbst
der dionysische Messias Nietzsches sein wollte(1758).
Man könnte zwar spekulativ das allfällige Argument gelten lassen, daß Hitler
eigentlich der Antidionysos, der Anti-New-Age, der Repräsentant einer
luziferischen und-oder romantischen Häresie sei, der somit die Ehre des Luzifer
besudelt, das wahrhaft Dionysische verraten, die Revolution entfremdet und oder
Schande über Dionysos und alles Neuheidnische gebracht habe, doch aus unserem
Gesichtspunkt kommt es zunächst auf diesen feinen Unterschied nicht an, ob
Hitler dem Bösen nun formvollendet ("orthodox") oder auch nur
heuchlerisch ("unorthodox") gedient habe. Hitler war der leibhaftige
Theosoph, und die Theosophie hat sehr wohl den Anspruch auf das geistige Erbe
des romantisch Dionysischen(1759), wie
überhaupt alles Subkulturellen, auf die authentische politische Artikulation
und Umsetzung der Subkultur erhoben. Die subkulturelle Tradition war geradezu
die Identität der Theosophie Blawatskys.
5.1.7. Himmelfahrtskommandant Luzifer
Lange Zeit stand der europäische Aufenthalt des Dionysos im Mittelpunkt des
(romantischen und aufklärerischen) Interesses, so wie zuvor auch im antiken
Griechenland, bis dann insb. von der neugnostischen Theosophie der Moderne die
indische Herkunft des Dionysos und vor allem seine Reise nach Indien und seine
Wiederkunft (Parusie) aus dem indischen Exil(1760)(Dionysos
ist Shiva) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wurde, so wie in der
Antike der indische Herkunft des Dionysos mit dem Alexanderzug und damit heraufdämmernden
Hellenismus - als der universale Anspruch des dionysischen Griechenland -
aufkam. Offensichtlich deswegen siedelte nun die 1875 in Amerika gegründete
Theosophische Gesellschaft im Gründungsjahr nach Indien über(1761)
und blieb die "orthodoxe" Blawatsky-Linie bis heute dort. Die unter
New Age in Europa bekannte Abzweigung (keine Abnabelung) inszeniert die
Wiederkunft (Parusie) des Dionysischen nach Europa, d. h. in das sog. westliche
Denken, wie das schon die Nationalsozialisten versucht haben(1762).
Dabei kommt die Niederlage des Nationalsozialismus dieser Linie entgegen, es
paßt sogar genau ins Bild(1763), denn der
"historische" (mythische) Dionysos wurde justament nach seiner
Rückkehr (Parusie) nach Europa zunächst von einem einheimischen König getötet,
worauf aber seine "Auferstehung", und seine (mystische) Verklärung
folgte. Es liegt daher nahe, spätestens nach dem erbrachten Beweis über New Age
als die geistige Heimat des Neofaschismus, die Neugnosis und New Age als die
(dionysische) Verklärung des Nationalsozialismus zu identifizieren.
5.1.8. Der romantische Teufel
Ohne hier das weitgefächerte Forschungsfeld im Detail näherbringen zu
wollen, kann auf die Aufregung in England wegen der inzwischen nach München
übersiedelten Kunstausstellung über Romantik und Nationalsozialismus
hingewiesen werden(1764). Hier kann in diesem
Zusammenhang auf die von Guido von List für wünschenswert erachtete "mea
culpa" der Kirche gegenüber dem Neuheidentum, und auf die Schulderklärung
der deutschen Bischofskonferenz und des Vorsitzenden der Österreichischen
Bischofskonferenz, Bischof Weber, zu Auschwitz nochmals aufmerksam gemacht
werden.
Es wäre zu hoffen, daß der Schein trügt, wonach diese Schulderklärung der
deutschen Bischöfe - und für Österreich von Bischof Weber - zu Auschwitz, eine
hintergründige Solidaritätserklärung der Kirche mit dem Nationalsozialismus
ist, auch wenn die Optik eindeutig dafür spricht. Ansonsten wäre diese
Schulderklärung, wie der objektive Schein doch zeigt, der bisher
niederträchtigste Versuch nationalsozialistische Verbrechen (stellvertretend
durch die büßende Kirche) zu "entsühnen". Indem zum nationalsozialistischem
Jubeljahr (wobei das Jubeljahr zynisch mit dem globalen Schuldenerlaß bei den
biblischen Juden assoziiert werd), so als seien nationalsozialistische
Verbrechen gegen die Menschheit biblisch gesehen "verjährt" und durch
die Zeit geheilt, der Kirche von den innerkirchlichen Heuchlern die Schuld
unterjubelt wird, geben die germanischen Bischöfe dem christlichen Gott die
Schuld, Täter und Opfer im Stich gelassen zu haben.
5.2. Der ideale Teufel
Die größte theosophische Gruppe im deutschsprachigen Raum heute ist die um
1912 von der deutschen Theosophischen Gesellschaft abgespaltene (abgenabelte)
Anthroposophische Gesellschaft Rudolf Steiners (der übrigens auch aus
Österreich stammt, aber kein eigentlicher Austro-Theosoph, sondern - als
Theosoph - Deutscher ist). Seine Lehre und Organisation sind zwar erforscht,
jedoch die luziferischen Grundlagen, so wie bei den meisten Luziferianern, ist
in der etablierten Sektenforschung leider in den Hintergrund gedrängt, bzw.
verschwiegen, verdrängt bis vertuscht.
5.2.1. Himmelstürmer Luzifer
Schon um die Jahrtausendwende erhob die synkretistische Mythenverarbeitung
die damals im Westen weitest verbreitete Theosophie Luzifer zu einer zentralen
Gestalt(1765), so als sei das gestörte Verhältnis
zu Gott lediglich ein "Übergang", bzw. "der" Übergang zu
Gott schlechthin, und Luzifer der Symbolgestalt der positiven
Zielorientiertheit, und schlußendlich eine Heilsfigur, d. h. die Heilsfigur
schlechthin. In diesem Sinne gründete Wilhelm Hübbe-Scheiden 1893 die deutsche
Theosophische Vereinigung und führte sie bis 1902, als ihm Rudolf Steiner in
dieser Aufgabe folgte. Hübbe-Scheidens Luzifer als vorbildliche Idealgestalt
seiner Weltinterpretation, als Typus des Strebens zu Gott, ergriff nicht nur
Steiner, sondern brachte eine ganze Reihe hochkarätige und Bekennende
Luziferisten (wie etwa Fahnenkrog und Fidus) hervor, die sich der
nationalsozialistischen Bewegung anschließend Luzifer zunächst mit germanischen
Zügen versahen und ihn schließlich im "Führer" des deutschen Volkes
(d. i. Hitler) erkannt haben, so daß sie von der nationalsozialistischen
Bewegung als Vorkämpfer geehrt wurden(1766).
Strittig sind allerdings die nationalsozialistischen Bezüge von Steiners Anthroposophie,
weil Steiner mit ca. 90 Prozent der Mitglieder der damals von ihm geführten
Theosophischen Gesellschaft von der Zentrale in Indien ausgeschlossen wurde,
und anscheinend kamen nur die "Mitglieder" (Anhänger) der
"orthodoxen" Linie bei den Nationalsozialisten zu Ehren, während
Steiners Anbiederungsversuche von den Nationalsozialisten zurückgewiesen worden
sein sollen, so daß (unbewiesenen) Gerüchten zufolge sogar das Niederbrennen
des Hauptheiligtums der Anthroposophie (Goetheanum) den Nationalsozialisten
zugeschrieben wird.
5.2.2. Luzifer-Gnosis
Alles Anthroposophische versteht sich als Produkt der vom Rudolf Steiner
(1861-1925) verkündeten pseudochristlichen Offenbarung(1767)
um die Jahrhundertwende. Die gnostische Sekte Steiners artikuliert sich
religiös in der sog. "Christengemeinschaft"(1768),
ihre Breitenwirkung entfaltet sie jedoch vor allem über ein Netz von Vorfeld-
und Tarnorganisationen, zu denen u. a. die sog. Waldorfschulen(1769)
und die politische Partei der Grünen(1770)
gehören. Der Deutsch-Österreicher Dr. Phil. Rudolf Steiner ist zunächst
Sekretär und dann Wortführer der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland
gewesen, und machte sich als Herausgeber der Zeitschrift "Luzifer"
einen Namen. Die Zeitschrift wird in der Folge mit der Zeitschrift
"Gnosis" fusioniert und erscheint (1904) unter dem Namen
"Luzifer-Gnosis"(1771). Steiner
wird 1913 aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen, weil er sich
weigerte, den in Indien von der theosophischen Dachorganisation zum Avatar,
bzw. zu der Inkarnation Jesu gekürten Hinduknaben Krischnamurti anzuerkennen.
Steiner spaltete nun die theosophische Häresie unter dem Namen Anthroposophie
ab und schmückt sich zunehmend mit christlichen Federn. Die Aufzählung der
pseudochristlichen Kuriositäten Steiners würde zu weit führen, am makabersten
dürfte aber sein Kindheits-Evangelium Jesu sein, bzw. die Offenbarung über zwei
gleichzeitigen Jesus-Knaben, deren einer die Inkarnation Zarathustras und der
andere die Inkarnation Buddhas sein sollte(1772).
5.2.3. Archetypus Luzifer
Schon in den Anfängen knüpft Steiner an Goethe und dessen Faust an, um seine
Weisheit zu artikulieren: "Das bedeutsame Symbol der Weisheit, die uns
durch Forschung gegeben wird, ist Luzifer, zu Deutsch Träger des Lichtes.
Kinder des Luzifer sind alle, die nach Erkenntnis, nach Weisheit streben. Die
chaldäischen Sternkundigen, die ägyptischen Priesterweisen, die indischen
Brahmanen: sie alle waren Kinder des Luzifer. Und schon der erste Mensch wurde
ein Kind des Luzifer, da er sich von der Schlange belehren ließ, was 'gut und
böse' sei. Und alle diese Kinder des Luzifer konnten auch Gläubige werden. Ja,
sie mußten es werden, wenn sie ihre Weisheit recht verstanden. Denn ihre
Weisheit ward ihnen eine 'frohe Botschaft'. Sie kündete ihnen den göttlichen
Urgrund von Welt und Mensch. Was sie durch ihre Erkenntniskraft erforscht
hatten, das war das heilige Weltgeheimnis, vor dem sie in Andacht knieten, das
war das Licht, das ihren Seelen die Wege zu ihrer Bestimmung wies. Ihre
Weisheit in andächtiger Verehrung geschaut, das ward Glaube, das ward Religion.
Was ihnen Luzifer gebracht das leuchtete vor den Augen ihrer Seele als
Göttliches. Dem Luzifer verdanken sie, daß sie einen Gott hatten. Es heißt das
Herz mit dem Kopf entzweien, wenn man Gott zum Gegner des Luzifer macht. Und es
heißt, den Enthusiasmus des Herzens lahmlegen, wenn man es macht, wie unsere
Gebildeten, welche die Erkenntnis des Kopfes nicht erhebt zur religiösen
Hingabe."(1773)
5.2.4. Geliebter Luzifer
Die von Steiner im Menschen angesiedelten Göttliche und Luziferische, wobei
das Luziferische dominiert, verhalten sich nicht als Gegensätze zueinander,
sondern das Luziferische definiert sich gerade dadurch, daß es den Menschen zur
Vollkommenheit, zur Göttlichkeit streben läßt(1774).
Im Gegensatz zum herkömmlichen Christen läßt sich der luziferisch beseelte
Mensch nicht (passiv) von Gott helfen, sonder (mit der Hilfe Luzifers) ergreift
er die Vollkommenheit aktiv. In einem von Rudolf Steiner bearbeiteten
Mysterien-Drama des französischen Theosophen Eduard Schuré (Rudolf Steiner
und Edouard Schuré, Luzifer, Die Kinder des Luzifer, Das Schauspiel "Die
Kinder des Luzifer" von Edouard Schuré in der Übersetzung von Marie
Steiner von Sivers, in freie Rhythmen gebracht durch Rudolf Steiner, Der
Aufsatz "Luzifer" aus dem Jahre 1903 von Rudolf Steiner, Zwei
esoterische Betrachtungen "Luzifer" und "Die Kinder des
Luzifer" aus dem Jahre 1906 von Rudolf Steiner, Dornach 1955, S. 101)
ist dieser Prozeß gestaltet: Theokles, ein Suchender in finsterer Zeit,
erkennt, daß der Weg zu Gott nur über die Treue zum eigenen Ich führt, und
erwählt sich Luzifer zum Leitbild. Bis zu der symbolisch-zweckdienlichen Heirat
des Theokles mit einer Christin, um Selbstbewußtsein durch "Liebe",
und somit die Vereinigung des Sternes Luzifers mit dem Kreuz Christi zu
erreichen (das Kreuz im Stern), ist der Erzählstrang einigermaßen
nachvollziehbar. Der Rest ist eine Herausforderung für die Fantasie (wo
übrigens nach Jacob Böhme das Reich des gefallenen Luzifers ist).
Immerhin kommt dann in den folgenden Luziferdichtungen Steiners
(Steiner/Schuré, S. 238) einigermaßen klar das Dionysische durch: "Wären
wir geblieben im Schosse der Götter, ohne zersplittert zu sein im Sinne der Dionysissage,
dann würde uns die Gottheit selbst hinführen zur Gottseligkeit. Aber so nehmen
wir uns wie abgefallene Gottessöhne aus. Und diese Kraft in uns als
Dionysossöhne hinführen soll zu dieser Gottseligkeit, diese Kraft ist die
Luziferkraft, das luziferische Prinzip, jenes Licht, das der Mensch in Freiheit
in sich entzündet, um als ein Teil der göttlichen Wesenheit den ganzen Gott
einst zu finden." Mit seltener Klarheit leuchtet Steiner den
vorgezeichneten Weg des luziferischen Menschen aus, der sich über das soziale
Mittelmaß dergestalt hinauszuentwickeln habe, daß er sich aus dem
gesellschaftlichen Zusammenhang heraussprenge und mit der Kraft
der Liebe in die Tiefen des Alls schnelle, d. h. das Ideal der
Vollkommenheit gegen die restringierende menschliche Gesellschaft ins eigene
Ich rette(1775).
5.2.5. Der leibhaftige Goethe(1776)
Später hat Steiner in den Fußstapfen Nietzsches mit einem pseudopersischen
Synkretismus(1777)die Luzifer-Gnosis
überdacht und kreierte ein im Detail auch für ihn nicht problemlos
nachvollziehbares(1778) Dreiecksverhältnis
"Luzifer-Jesus-Ahriman". Um die von ihm auch so empfundene Unklarheit
zu überwinden, flüchtete sich Steiner (methodisch) nach altmanichäischem
Vorbild in die Ikonographie(1779) und
beschrieb seine "theologischen" (theosophischen) Intentionen als
Altarbild in dem Goetheanum(1780). Steiner
wob in seine ikonographischen Erörterungen auch seine Kosmologie ein, wonach
(von Deutschland aus gesehen) der Osten des Globus (auch die christliche
Orthodoxie) ahrimanisch und der Westen Luziferisch sei(1781),
und so der Universal-Jesus in der Mitte (d. i. Deutschland) alles durch einen
Balance-Akt (Harmonie) in sich vereint(1782).
Steiner bemüht sich dabei um die kontrastierte Hervorhebung des gnostischen
Gegensatzes zum traditionellen Christentum: "Daß in Bezug auf das
Verhältnis des Menschen und des Christus zu Luzifer und Ahriman noch keine
Klarheit herrscht, daß mag Ihnen durch Folgendes anschaulich werden. Auch das
Größte, das, was nach der einen Richtung das Größte enthält, ist nicht immer
frei von dem, was noch als Einseitigkeit in der Zeit herrschen muß. Man kann
gewiß nicht hoch genug stellen jenes Bild, das Michelangelo in der sixtinischen
Kapelle in Rom hingestellt hat, 'Das jüngste Gericht', dieses wunderbare Bild.
Der Christus triumphierend, die Guten nach der einen Seite lenkend, die Bösen
an der anderen. Schauen wir uns diesen Christus an. Die Züge hat er nicht, die
wir gerne erreichen möchten bei dem Christus, der in unserem Dornacher Bau(1783) stehen soll. Das muß ersichtlich werden,
daß der Christus die Hand erhebt in Mitleid, trotzdem da oben Luzifer ist.
Luzifer soll nicht gestürzt werden durch die Macht des Christus, sondern er
stürzt sich selbst herab, weil er nicht ertragen kann, was von dem Christus
ausstrahlt in seiner Nähe. Und der Christus erhebt sein Auge und faltet die
Stirn, indem er die gefaltete Stirn zu Luzifer erhebt. Und Ahriman wird nicht
durch den Haß des Christus überwunden, sondern er fühlt, daß er nicht ertragen
kann, was von dem Christus ausströmt. Der Christus aber steht inmitten als
derjenige, der das Parzivalelement(1784) in
die neuere Zeit(1785) heraufbringt, der nicht
durch seine Kraft, sondern durch sein Dasein zur Sich-Überwindung die anderen
bringen muß, so daß die anderen sich selbst überwinden und nicht er sie
überwindet. Bei Michelangelo sehen wir noch, wie der Christus durch seine
Gewalt die einen zum Himmel, die anderen zur Hölle schickt. Das wird in der
Zukunft nicht der richtige Christus sein, sondern das wird ein Christus sein,
der noch sehr luziferisch ist."(1786)
Es wäre für jeden Sektenforscher ein exegetischer Leckerbissen, den von Steiner
hier ohnehin betonten Kontrast zum etabliert Christlichen zu unterstreichen.
Eine erschöpfende Behandlung, wie und warum Steiner den Teufel in den Christus
ikonographisch (über die Dreipersonalität der repräsentierten Universitas)
hineinschiebt, würde wohl zu weit führen. Es möge hier der vom Steiner selbst
hervorgehobene Gegensatz als Anhaltspunkt genügen.
5.2.6. Der engelhafte Teufel
Steiners Angelologie ist von der Lehre bestimmt, wonach 1879 der Erzengel
Gabriel vom Erzengel Michael abgelöst worden sei(1787),
womit wir uns in einem neuen, in dem michaelschen Zeitalter befänden. Michaels
Entwicklungsstufe sei allerdings, so Steiner, nur der Aufbruch in die Endzeit,
denn der (neue) Christus, allerdings "nur" in ätherischer Gestalt,
wird erst im 20. Jahrhundert auftreten (Parusie), und von vielen
"Propheten" (d. h. bei Steiner Hellseher) registriert werden(1788). Das Aufbrechen ins New Age mit Michael
versteht Steiner als den "Sieg des Michael(1789)
oder heiligen Georg über den Drachen"(1790),
und er fährt fort: "Dieser Drache sind das Angeloiwesen, die das
anstrebten aber eben nicht erreichen konnten, was ich angedeutet habe. Deshalb
sind sie 1879 aus der geistigen Welt in den Bereich der Menschen herein
gestürzt worden. Es war der Sturz der Angeloiwesen aus dem Bereich der
geistigen Welt in den Bereich der Menschen, und in dem Bereich der Menschen
wandeln sie jetzt unter den Menschen." Wie Steiner den Gedanken über
die gestürzten Engel mitten unter uns weiter entfaltet, ist an dieser Stelle
ohne Belang. Wesentlich ist nur, daß auch bei ihm gestürzte Engel mit dem
schlechthin Bösen gleichzusetzen sind, was allerdings bei Steiner alles halb so
schlimm ist. Begeistert begrüßt Steiner die Toten des Ersten Weltkrieges, die
er als "unverbrauchte Ätherleiber" um sein Goetheanum aufreihen ließ(1791).
5.2.7. Luzifer Imperator
Der Steiner-Verehrer Alexander von Bernus veröffentlichte 1918 einen
"Gesang an Luzifer", der 1923 als Buch erschien. Darin fungiert
Luzifer als die Verkörperung des klassischen Humanismus, und dessen eine
(frühere) Verkörperung der Feldherr Alexander(1792)
der Große gewesen sei(1793). Die
Anbiederungsversuche Steiners und der Steinianer bei den Nationalsozialisten
und deren "Luzifer Imperator"(1794)
blieb der Erfolg wohl nur deswegen versagt, weil die Blawatsky-Theosophen (konkret
die nach Deutschland hinüberschwappenden Austro-Theosophen unter der
Sammelbezeichnung Ariosophen), deren politischer Arm die NSDAP wurde, die
Steinianer (fortan Anthroposophen) zuvor organisatorisch (wegen der
Verweigerung der Anerkennung eines Hinduknaben als die Inkarnation Jesu)
ausgeschlossen haben.
Größte Verbreitung und Bekanntheitsgrad hat die schottische Abzweigung der
Theosophie Blawatskys unter dem Namen New Age(1795).
Obwohl die wahre Dimension dieser aufs Ganze gehenden (nach der absoluten
Vorherrschaft(1796) strebenden) Bewegung noch
nicht endgültig geklärt sein dürfte(1797),
ist New Age(1798) in den theosophischen
Grundlagen relativ gut erforscht. Wie bei allen theosophischen Abzweigungen,
kümmert sich die Sektenforschung nicht sonderlich um die luziferische Seite von
New Age, die aber nicht minder ausgeprägt ist als bei Blawatsky. Die konkret
unter dem Namen New Age bewußt auftretende Gruppe von orthodoxen (Blawatsky-)
Theosophen(1799) bildete sich nach 1919 um
Alice Bailey in der Arkanschule(1800). Die
Arkanschule(1801) ist organisatorisch ein
Teil der "Lucis Trust"(1802),
früher bekannt unter dem (vollen) Namen "Lucifer Publishing Company",
dem Verwalter und Herausgeber der - ebenfalls durch (spiritistische)
"Offenbarung" entstandenen - Schriften von Alice Bailey(1803), die sich als die hermeneutische
Kommentierung und pragmatische Umsetzung, bzw. Entfaltung in der Welt, die
Verwirklichung der Theosophie Blawatskys, nämlich durch ihre Jünger, verstehen(1804).
Für A. Bailey ist Luzifer der "Beherrscher der Menschheit"(1805). So wie Blawatsky Satan/Luzifer gegen die
jüdisch-christliche Theologie als höchste Wesen gegen den Usurpator Jahwe
(Jehova) leidenschaftlich verteidigt(1806),
so erklärt auch A. Bailey: "Jehova ist nicht Gott, der planetarische
Logos, das Ewige Herz der Liebe, Den Christus offenbarte."(1807) In der an Blawatsky orientierten
Theosophie der 1949 verstorbenen Bailey(1808)
ist das Messianische und daher auch Pseudochristliche wesentlich ausgeprägter(1809) als noch bei Blawatsky(1810),
wobei der (kommende) Messias die luziferische(1811)
Initiation bringe(1812). Die zwei zentralen
Themen von New Age, nämlich die Zeitenwende, das Neue Zeitalter (englisch: New
Age), genannt das Wassermann-Zeitalter, oder Zeitalter des Wassermanns, und das
Messianische, hängen unmittelbar zusammen, weil der neue, "kommende"
Messias, der betont dem christlichen Messias als dessen synkretistische
Neuauflage nachempfunden wird, die Wendezeit markiert. Und weil der biblische
Messias der Christen räumlich und zeitlich absolut einmalig ist, aber der neue
Messias als Nachfolger Christ aufgebaut werden soll, konzentriert sich die
Propaganda von New Age darauf, Jesus Christus zu Tode zu loben, und locken
damit, dem biblischen Christus einen "ehrenvollen" Abgang zu
verschaffen.
Demgemäß propagiert A. Bailey die "Heiligkeit" der Zahl 666(1813), nämlich die "Zahl des Tieres"
der biblischen Apokalypse(1814) (Off
13,17-18), ähnlich wie Crowley(1815), neben
dem schon erwähnten (als Viertel-, Halb- oder Ganzkreis stilisierten)
Regenbogen(1816) und dem Hakenkreuz(1817), bzw. sogar den Regenbogen (unter dem
indischen Namen "Antahkarana"(1818))
als die "Überwindung" (im Sinne von Überholung) des Hakenkreuzes.
Das Pseudomessianische ist bei Bailey chiliastisch gestützt, nämlich auf die
Zeitwende (zum Wassermannzeitalter) im Jahr 2000 (oder 1999)(1819),
und zwar soll für rund tausend Jahre das Gruppenbewußtsein das
Individualbewußtsein ablösen(1820), womit eindeutig
an die pseudobiblisch-chiliastische Tradition angeknüpft wird(1821).
Beachtlich ist daher auch der freikirchliche (evangelikale) Anhang von New Age(1822). Die von Bailey in diesem Zusammenhang
zitierte Blawatsky hat zwar einen Zyklus von 100 Jahren (Zyklus der ersten
Energieart) bevorzugt(1823), während sie
selbst der Periode von 1000 Jahren für ungleich wichtiger hielt, allerdings
sollten sieben von den hundertjährigen Zyklen, in denen die Loge der
Brüderschaft jeweils besondere Wirksamkeit entfaltet, einen besonderen
Höhepunkt erreichen, und wenn das Grundprinzip vom "Vielfachen von
10"(1824), auf das alles in diesem
System beruhe, auch auf die 7 X 100 = 700 Jahre angewendet wird(1825), dann ergibt sich rechnerisch die Periode
von 7000 Jahren, die Bailey unter anderem mit der Behauptung zitiert, daß diese
große Perioden nur von den fortgeschrittenen Eingeweihten verfolgt werden
könnten(1826).
Eine einfachere Rechnung wäre die Analogie der Besonderheit der sieben
Zyklen von 100 Jahren, die von der Blawatsky bevorzugt wurden, auf die von
Bailey bevorzugten 1000 Jahre anzuwenden(1827),
wodurch wiederum die 7000 Jahre der meisten Chiliasten zum Vorschein kämen, und
Bailey zitiert ja in ihrem ganzen Lebenswerk durchgehend die Bibel. Allerdings
will Bailey anscheinend die Rolle hundertjährigen Zyklen, von denen sie sagt,
daß jene von Blawatsky bevorzugt wurden, keineswegs schmälern, sondern baut sie
vielmehr darauf auf(1828). So wie auch bei
Platon die Tausend Jahre Jenseitsreise der Sünder zu je hundert Jahren für jede
Sünde unterteilt sind(1829), also die 100
Jahre zu den 1000 in einer zumindest numerischen Beziehung stehen, so kann
Bailey neben den Zyklen von 100 Jahren der Blawatsky die eigene 1000 Jahre
hervorheben(1830). Wenn Bailey etwa an
anderer Stelle das Erscheinen des siebenten Strahles (mit einer Übergangszeit
von 50 Jahren seit 1625) auf das Jahr 1675 datiert(1831),
dann ergibt sich mit der zyklischen Jahrhundertrechnung von der Blawatsky das
Gründungsjahr(1832) der Theosophischen
Gesellschaft 1875 als synchron mit Bailey und das Jahrhundert des zweiten
Strahls(1833), wenn man nach dem siebenten
Strahl das folgende Jahrhundert wieder mit dem ersten Strahl beginnt. Und wenn
New Age im Sinne des inzwischen (1949) verstorbenen(1834)
Bailey genau 1975 mit dem Programm des Wassermannzeitalters an die
Öffentlichkeit tritt(1835)
5.3.1. Der rassenfeine Teufel
In der New Age Bewegung stehen, wie in den meisten theosophischen
Abzweigungen, Juden und Christen - im wahrsten Sinne des Wortes - auf der
Abschußliste(1836). Die Juden kommen gleich
nach den Christen daran. Die Verfolgung beider Gruppen besitzt Vorrang, wobei
es den Juden noch etwas schlechter ergehen soll als den Christen. Im
esoterischen Kern ihrer Philosophie und ihrer Programme hält die New Age
Bewegung an der okkulten arischen Lehre vom Blutmakel fest, der angeblich auf
den Juden lastet. Alice Bailey(1837)
interpretiert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Völkermord an den Juden
unter Hitler(1838) gewissermaßen als
"Gottesgericht" der besonderen Art: "Heute wirkt dieses
Gesetz(1839), und die Juden zahlen den
tatsächlichen und symbolischen Preis für alles, was sie in der Vergangenheit
getan haben. Tatsächlich und symbolisch ... stehen sie, wie sie es von jeher
gewollt haben, für Trennung(1840). [...] Sie
fordern die Rückerstattung Palästinas und wollen es denen entreißen, die es
viele Jahrhunderte lang bewohnt haben; [...] Sie haben sich(1841)
noch nie aufrichtig und ehrlich dem Problem gestellt, warum seit der Zeit der
Ägypter so viele Nationen sie weder gemocht noch gewollt haben ... Es muß
noch einen Grund geben, der dem Volk selbst innewohnt, wenn die Reaktion so
allgemein und weltweit ist [...] Das(1842)
Problem wird durch die Bereitschaft des Juden gelöst werden, sich an die
Zivilisation, den kulturellen Hintergrund und den Lebensstandard der Nation
anzupassen, zu der ... er in Beziehung steht und an die er sich angleichen
sollte. Dies wird geschehen durch Verzicht auf Rassenstolz und die Vorstellung
des Auserwähltseins; es wird geschehen ... durch das Sich-Lossagen von Dogmen
und Bräuchen [...] es wird geschehen, wenn Eigennutz in Geschäftsbeziehungen
und die ausgesprochen manipulativen Tendenzen des hebräischen Volkes ersetzt
werden durch selbstlosere und ehrlichere Verhaltensformen ..."(1843) Bailey verurteilt zwar verbal die
nationalsozialistische Verbrechen an den Juden, und fordert "Juden und
Heiden" zur Assimilierung der Juden etwa durch Mischehen auf(1844), aber sie verurteilt nicht den Rassismus
an sich, sondern legitimiert tückisch die Beweggründe des Völkermordes an sich
(größtenteils mit der Bibel), etwa durch die nonverbal vorausgesetzte
Synonymität von Rasse und Kultur, und stellt den Juden (mitten im Zweiten
Weltkrieg) die Rute ins Fenster, falls sie sich nicht assimilieren, ihre
Identität nicht verleugnen und einen eigenen Staat gründen wollten(1845).
5.3.2. Der teuflische Plan
Die gleiche Alice Bailey(1846) sinniert
nun auch über die "heilbringende" Atombombe: "Die Atombombe
(obwohl bisher nur zweimal eingesetzt) beendete den Widerstand der Kräfte
des Bösen, da ihre Stärke in erster Linie ätherischer Art ist. Gegenwärtig
wird sie auf zweifache Weise gebraucht: - a.) [...] Die Atombombe entstammt
einem Ashram des ersten Strahles (Wille zum Guten, Shamballa-Energien), in
Zusammenarbeit mit einer Gruppe des fünften Strahles (wissenschaftliche
Mitarbeiter); auf lange Sicht gesehen, war und ist ihre Zielsetzung rein
wohltätiger Natur. - b.) [...] Sie ist Eigentum der Vereinten Nationen und dient
dem Einsatz (oder, wie zu hoffen ist, lediglich dem angedrohten Einsatz,
wenn aggressive Handlungen von seiten irgendeiner Nation zum Durchbruch
kommen). Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob die Aggression von einer
bestimmten Nation oder Gruppe von Nationen ausgeht, oder ob sie durch
politische Gruppen irgendeiner mächtigen religiösen Organisation - wie zum
Beispiel der römisch-katholischen Kirche - entsteht, die es bisher nicht fertig
gebracht haben, ihre Finger von der Politik zu lassen und den Aufgaben
nachzukommen, denen sich alle Religionen widmen sollen - die Menschen dem Gott
der Liebe näherzubringen."(1847)
Diese Passagen Baileys über die "heilige" Atombombe mit dem
"guten Willen" und "rein wohltätiger Natur" sind
im Klartext so zu verstehen, daß die New Age Bewegung einen durch
spiritistische Offenbarung mitgeteilten "Plan" hat(1848),
die Weltherrschaft zu erlangen, und dann im Besitze der Weltherrschaft die
ganze Welt von widerspenstigen (Resten von) konkurrierenden Weltreligionen wie
Judentum, Christentum und Islam zu "befreien", und - notfalls atomar
- zu säubern(1849).
5.3.3. Heiliger Luzifer
Man beachte, daß das Wort "heilig" zu Deutsch "rein"
bedeutet, so daß die religiöse "Bereinigung" der Weltgeschichte dem
Ausdruck religiöser Säuberung - wenngleich nicht widerspruchsfrei - so do doch
(oberflächlich) synonym verwendet werden kann, zumal im archaischen
Sprachgebrauch des Kultes ein Opfertier als Gott geheiligt genannt wird. Bailey
zufolge ist die bei der Zündung der Atombombe freiwerdende Energie von
allerhöchster "Reinheit", hier im Sinne von "reinigend",
"heiligend", um es genau zu sagen "göttlich", so daß die
Überlegenheit der neuen Weltreligion des Luzifer schon allein darin zum
Ausdruck komme, daß die im Judentum, Christentum und Islam erforderliche
freiwillige Zustimmung zum Heil durch Gott, in dem New Age durch die
(heiligende Kraft der) Atombombe ersetzt werden kann. Die apokalyptische
Heils-Ökonomie der traditionellen sog. Schriftreligionen (Christentum, Judentum
und Islam), wo ein - nicht freiwillig dem jeweiligen Heilsangebot zugewandter -
Teil der Menschheit voraussichtlich verloren gehe, erweise sich somit als nicht
mehr mit dem totalitären Heilsangebot der New Age Religion konkurrenzfähig, wo
auch die Widerspenstigen durch die Zündung der Atombombe heilsökonomisch
recycelt, d. h. gereinigt (bereinigt), "geheiligt" werden. Entweder
denkt man "ganzheitlich", oder ist man von gestern (Old Age).
Das nukleare Seelen-Recycling ist derzeit allerdings theoretisch nur
optional für den Überrest der Widerspenstigen vorbehalten. Bis dorthin hat
zunächst die missionarische Offensive um freiwillige Überläufer begonnen(1850). Der nämliche - durch spiritistische
Offenbarung - mitgeteilte "Plan"(1851)
der schlußendlich atomar unterstützten Einheitsreligion(1852)
und Weltherrschaft, sieht in der Anlaufphase das strikt antiatomare(1853), sogar radikal pazifistische
Erscheinungsbild von New Age vor. Laut "Plan" wurden also
Tarnorganisationen wie die Friedensbewegungen, Menschenrechtsbewegungen und
ähnliches ins Leben gerufen oder bestehende (laut "Plan", d. i.
planmäßig) unterwandert(1854), ausgehöhlt und
(umfunktioniert) übernommen.
Die größtenteils von New Age organisierten Atomgegner und Pazifisten sollen
vorerst nicht wissen, daß sie jetzt schon eigentlich (als Vorboten) im Dienste
des künftigen nuklearen Heilsgeschehens stehen, da es rein theoretisch
denkmöglich wäre, daß alle Anhänger von den anderen Weltreligionen rechtzeitig
zu New Age (also zu Luzifer) überlaufen und sodann nicht mehr der nuklearen
Erleuchtung bedürfen. New-Age-intern geht man allerdings jetzt schon
("plankonform") davon aus, daß Juden und Christen aller Voraussicht
nach nicht geschlossen zum New Age konvertieren, so daß auf Plan "A"
zurückgegriffen werden muß, bzw. ist Plan "B" (ohne die nukleare
Wohltat) nur eine utopische Option, auf die nur aus psycho-strategischen
Gründen formell nicht verzichtet werden soll. Typische Tarnorganisationen der
New Age Bewegung wie "Greenpeace" und "Amnesty
International"(1855) erfreuen sich
bester Publicity und einer radikal antinuklearen Image, die sie mit eifriger
Sorgfalt pflegen(1856).
5.3.4. U-Boot Luzifer
Das doktrinäre Schrifttum der New Age Bewegung besteht außer den Werken von
Blawatsky und Alice Bailey aus den Schriften von Georg Gurdjieff(1857), Pierre Teilhard de Chardin, P. D.
Ouspensky, H. G. Wels, Nicholas Röhrich und David Spangler(1858).
In der ersten Phase des Planes war bis 1975 von Alice Bailey Stillschweigen,
bzw. Untergrundarbeit vorgeschrieben(1859).
Exakt in dem von Alice Bailey "planmäßig" vorgeschriebenen(1860) Jahre 1975 kam zunächst Marilyn Ferguson
mit dem Buchtitel "Die sanfte Verschwörung" heraus(1861),
gefolgt von Fritjof Capras "Wendezeit"(1862).
Das permanent den Jesuiten Teilhard de Chardin zitierende Werk von Ferguson ist
allzu gut bekannt und zitiert(1863). Weniger
bekannt zu sein scheint, daß Spangler von der jüngeren Generation von New Age
den Mitgliedern von Findhorn (in Schottland) und später der Öffentlichkeit
erklärte, daß das wahre Licht Findhorns das Licht Luzifers sei(1864).
Capra und andere Benützen den Namen Shiva(1865),
Blavatsky und Alice Bailey verwenden den Namen Luzifer und Venus abwechselnd
und mit Querverweisen(1866).
5.3.5. Der neueste Teufel
Durch die dergestalt forcierte Hervorhebung der luziferischen Grundlagen von
New Age, wie überhaupt jeder Verzweigung der Theosophie, kann somit das unüberschaubar
breit gewordene Feld der New Age Aktivitäten, die das Luziferische nicht immer
in den Vordergrund stellen, insgesamt als luziferisch identifiziert werden. Das
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zeigt also, daß die eingangs
aufgezeigten gängigen Typologien des Satanismus an der Realität vorbei gehen.
Es ist selbst auf die Gefahr der Wiederholung hin festzuhalten, daß den
Satanismus auf den kultischen Satanismus zu reduzieren eine Engführung und eine
Verschleierung der Dimension des Satanismus ist. Der sogenannte Satanismus der
Sektenforscher ist lediglich ein Kuriosum innerhalb dem breiten Feld des
Luziferismus. Der sogenannte (kultische) Satanismus muß als eine
Randerscheinung des Luziferismus im Sinne Rupperts, der im Vergleich mit den um
einiges gefährlicheren (bösartigeren) Feministen, die auch den Namen Luzifers -
mehr oder minder offen - zur Schau tragen(1867),
von den sogenannten Satanisten als von "Jahrmarkts- und
Mickymaus-Satanisten" spricht(1868),
gänzlich neu bewertet werden. Es soll zwar hier nicht darüber gestritten
werden, daß die heute so genannten Satanisten bloß pseudosatanische Langweiler
sind(1869), aber Ruppert ist beizupflichten, daß
die als solche (nämlich Satanisten) bekannten, die harmlosesten von allen sind.
5.3.6. Der personale Teufel
Das wohl zentralste und gebräuchlichste luziferische Paradigma unserer Tage
ist das "Selbst"(1870). Durch die Humanistische
Psychologie ist diese Tarnbezeichnung für das Luziferische schlechthin in alle
Lebensbereiche - mehr oder minder unauffällig - hineingetragen worden. Dieser
Sprach-Code (der Wortsinn vom Begriff Selbst ist simpel ausgedrückt Person) für
Luzifer kann am einfachsten bei der Erforschung der Humanistischen Psychologie(1871)geortet werden, der sich etwa nach dem
"Dionysos" der Romantiker(1872),
"Vernunft" der Aufklärer und "Natur" der Deisten und
Materialisten, nunmehr hinter dem "Selbst" des Psychismus(1873)(Psychosophie) verbirgt(1874).
Den hohen Rang in der subkulturellen Hierarchie verdankt der Begriff
"Selbst" dem ständig in Erinnerung gerufenen Zitat "Erkenne
dich Selbst" über dem Eingang zum zentralen Heiligtum des Hellenismus(1875), und Sitz des griechischen
Zwölfstämmebundes (Amphiktyonie), am Tempel des Apollo-Dionysos in Delphi(1876). Dieser paradigmatische Hauptsatz der
(neuplatonisierenden) Neugnosis(1877)
(zumeist mit Hinweis auf den Ursprung aus Delphi zitiert) läßt den Begriff
"Selbst" als "dionysisch" definieren(1878),
weil das Kultjahr im nämlichen Heiligtum je zur Hälfte den Söhnen des höchsten
griechischen Himmelsgottes Zeus, dem Apollo und Dionysos geweiht war(1879), und spätestens seit Nietzsche Apollo lediglich
als die lichte Seite des Dionysos(1880), bzw.
(pantheistisch) als der "verklärte" Dionysos galt(1881).
So kann das "Selbst" als die "ganzheitliche" Bezeichnung
des dionysisch-apollonischen Gegensatzes, als Ausdruck der zur
"Einheit" gebrachten Gegensätze von "hell" und
"dunkel", "Bewußtes" und "Unbewußtes",
"Gutes" und "Böses", oder auch "Himmlisches"
(erhaben) und "Irdisches" (Unterweltliches), oder traditionalistisch
ausgedrückt, als die "Einheit" von "Gott" und
"Teufel" aufgefaßt werden, soweit man der modernisierenden
Terminologisierung, bzw. dem modernisierenden Gebrauch des Begriffs folgt.
Mit der Erschließung der luziferischen Terminologie (Paradigmatik) wird z. B.
die Grundidee der Freudschen Psychoanalyse verständlich(1882),
wo Freud von der bedauernd konstatierten "Trennung" von
"Vernunft" und "Natur" (als Unzustand) ausgeht(1883) (beide Begriffe bezeichnen in der
Subkultur, entsprechend dem "Selbst", Gott/Luzifer, so auch bei Kant(1884)), um das Heil (gegen die
"Trennung"(1885)) zu verkünden.
Darauf, wieweit in der Wirklichkeit die Freudsche Unterscheidung zwischen der
Vernunft im Bewußten einerseits, und der Vernunft in der neu erschlossenen
(naturhaft) Unbewußten andererseits, die sodann beklagte Trennung erst
künstlich schafft, bzw. was Trennung umgangssprachlich, in der Theologie, und
bei Freud jeweils meint, müßte man an einer anderen Stelle noch näher eingehen.
Nach der Freudschen Auffassung des Mythos als Spiegel der Psyche(1886) meint das also, daß trotz der
Unterteilung des Kultjahres im Hauptheiligtum der Hellenen in Delphi in eine
apollonische (vernünftige) und dionysische (naturhafte/animalische/triebhafte)
Hälfte (d. i. der apollinisch-dionysischer Gegensatz Nietzsches, nämlich im
Mikrokosmos-Mensch als Abbild des Makrokosmos-Jahr(1887)/Sternenhimmel),
nur eine (im Selbst, das ist das Mikrokosmos-Jahr der Kabbala)
"ganzheitliche" (monistische) Betrachtung (von hell und dunkel, von
gut und böse) billig sei(1888). Zu Deutsch
meint damit die Freudsche Psychoanalyse: Gott vom Teufel zu "trennen"
mache krank, bzw. sei krank, so daß nur mehr die "Verbindung" zur
"Ganzheit" (Selbst), d. i. der "Pakt" (zwischen Gutes und
Böses), helfe. Also müssen die dunklen (unbewußten) Triebe bewußt gemacht und
ausgelebt (befreit) werden, um von dem einseitig guten und dadurch
krankmachenden (einseitig guten) Gott (wie von einer "Halben Sache")
loszukommen, und dem anderen ("ganz"-heitlich) Guten sich zuwenden,
das sich mit dem Bösen (als seinen besseren Hälfte) gut versteht(1889).
In den psychoanalytischen Systemen wurde den anthropomorphen Motiven der
Bibeltheologie ein anthropologisches Entsprechungssystem der Psyche
gegenübergestellt, wo das Bewußtsein als Reich der Vernunft dem Guten schlechthin,
also Gott gleichgesetzt wurde, während das Unbewußte, bzw. Unterbewußte, der
Unterwelt, topologisch der Analgegend, dem Bösen, dem Teufel entsprach. Die
psychoanalytische Methode sah nun Unheil und Krankheit in dem Widerspruch
zwischen Unbewußt und Bewußt, bzw. nahm die Heilung in der Bewußtwerdung des
Unbewußten so an, daß das bisher Unbewußte (Krankheitsursache=Böse) bewußt,
also ein Teil des Bewußten, ein integrierender Teil des Bewußtseins werde.
Dieser Prozeß der Bewußtwerdung des Unbewußten (Unterbewußten) wurde
theoretisch als der Ausgleich zwischen hell und dunkel, gut und böse, Gott und
Teufel, nämlich als die (durch Psychoanalyse) zur Einheit geführte (zuvor
gespaltene, entfremdete, eben "getrennte") Ganzheit aufgefaßt. So wie
die Theologie das Heil des von Gott durch den Sündenfall getrennten Menschen
nur durch die Sündenvergebung, nämlich durch das Hineinnehmen des Gefallenen
(d. i. Bösen, weil dem Bösen Anheimgefallenen) in das Gute annimmt, so soll das
(vernünftige) Bewußtsein des materialistischen Atheisten, "wie Gott",
zum Unbewußten hinabsteigen (erkennen) um es mit sich zu vereinigen und dadurch
zu heilen, von der "Trennung" zu erlösen. Diese Obsession des
kokainsüchtigen Siegmund Freud von der durch Bewußtmachung domestizierten Anima,
der in der Theologie der Dienstbarmachung des Teufels analog stünde, ist das
mikrokosmische (psychosophische), bzw. anthropozentrische Pendant des bisher in
der Philosophie und Kunst eher makrokosmisch (theosophisch-ontologisch)
orientierten kosmozentrischen Luziferismus.
Der zweite Grund für die überragende Bedeutung des Begriffes
"Selbst" in der Subkultur ist der bestimmende Einfluß der Tantrik in
der zeitgenössischen Theosophie und der Gebrauch der Bezeichnung in der
indischen Theologie für Atman(1890) (wörtlich
"Atem"), die persönliche Identität (Manifestation) des höchsten
Gottes Brahman(1891), der in der
philosophischen Abstraktion als immanent, bzw. als die Immanenz(1892) des Kosmos(1893)
(Natur), erklärt wird. Das Wort kann auch allgemein für Person stehen, die
Inder kennen aber einen Unterschied zwischen dem menschlichen und dem
universellen Atman, was in der abendländischen Gnosis zu verifizieren oft
mühsam bis unmöglich ist, bzw. weigert sich die abendländische Gnosis - mehr
oder minder offen - echte Personalität außerhalb dem natürlichen Menschen
anzunehmen. Etwaige Parallelen - in Ost und West - in der Wortbedeutung oder in
der Kosmologie können also nicht sprachlich, sondern, wenn, dann nur über das
Eingehen auf theologische Fragen, und im jeweiligen Kontext erschlossen werden.
Die abendländische Gnosis stützt sich nun offensichtlich auf den diachronen
Aspekt des relativ späten Auftretens des Atmans in der vedischen Literatur, und
vor allem auf die späte Gleichsetzung von Atman und Brahman(1894).
Tatsächlich gibt es (allerdings spätere) tantrische Betrachtungen, die eine Personalität
aus der Immanenz des Brahman hervorgehen ließen. Wenn es stimmt, so hätte die
Personalität Gottes bei den Indern Schöpfungscharakter, im Sinne von
Geschöpflichkeit, sofern die Person als Gewordenes aufgefaßt wird. Die andere
Auffassung hingegen, die von der noch später erkannten Identität von Brahman
und Atman ausgeht, könnte schwerlich eine partielle Identität in Gott annehmen,
so daß die zeitliche Abfolge der Erkennbarkeit des göttlichen Wesens für den
Menschen(1895), nicht zum Maßstab des
Gottesbildes gemacht wird. Solange aber diese und ähnliche Beschaffenheiten des
Selbst im abendländischen Kulturkreis nicht geläufig sind, kann mit dem Begriff
jedes beliebige Schindluder getrieben werden. Im Konkreten leugnet nämlich -
unter dem Vorwand der Zeitlichkeit - die abendländische Gnosis jedwede
universelle Personalität, bzw. wird jede Personalität außer der natürlichen
Person geleugnet, oder sonstwie entwertet, damit - ähnlich Feuerbach(1896) - durch das Attribut des Göttlichen beim
Menschen dessen Gott-Sein behauptet, oder auch nur nonverbal vorausgesetzt
werde, sofern die Personalität Voraussetzung des Gottesbegriffes sei.
Für die abendländische Gnosis allerdings ist die Personalität, milde
aufgedrückt, keine Voraussetzung zur universalen Gottheit, im Gegenteil. Diese
Entpersonalisierung Gottes, bzw. die Entgöttlichung des Schöpfungsaktes mit
Hilfe der Entpersonalisierung Gottes, auch wenn sie schon in der griechischen
Antike vorhanden gewesen sein mag, scheint die abendländische Aufklärung (mit
Leibniz beginnend) von dem chinesischen Neokonfuzianismus entlehnt zu haben,
bzw. hat die Aufklärung die als Neuplatonismus und Kabbalistik tradierte
Gnosis, die damals Hermetik genannt wurde, synkretistische so vereinigt, daß
die innere Struktur der abendländischen Hermetik mit der neokonfuzianistischen
vermengt wurde. So bekam die gleichgebliebene Hermetik (neuplatonische oder
mystische Gnosis in der Hauptvariante) gleichsam ein vom christlichen Oberkleid
verdecktes neokonfuzianische Unterkleid.
Es kommt dabei weniger darauf an, daß etwa Leibniz bei der Abschaffung
Gottes durch Aushöhlung und taktische Verwechslung so alles durcheinander
brachte(1897), daß er sogar mit der
vorgeschobenen Gottlosigkeit des Neokonfuzianismus - durch das nur halbherzige
Leugnen Gottes - in einen unvereinbaren Widerspruch geriet, sondern vielmehr
darauf, daß die sich aus sich selbst und von sich selbst bewegende
(verändernde) ewige Materie(1898)
("Chi", nämlich sowohl Materie wie Energie), und zwar ohne
Heteronomie(1899), sondern ausschließlich
durch Autonomie, d. i. Eigengesetzlichkeit ("Li", nämlich sowohl
räumlich wie auch zeitlich) bestimmt(1900),
wie sie sich der moderne Materialismus und die gesamte Säkularisation der
eigenen Weltanschauung zugrundelegte, offenbar nur im Neokonfuzianismus in
dieser - Gott und Geister jedwede reale Existenzmöglichkeit beraubenden - Form
vorkam(1901). Für alle Fälle kann
festgehalten werden, daß kaum ein luziferisches System jemals vor dem
Universalismus des Neokonfuzianismus so transparent und leicht nachvollziehbar
war(1902), so daß er sich für die
perspektivische Untersuchung hervorragend eignet.
An der Arbeit von Jong-Su Ahn orientiert - können zunächst die typischen
Fehler westlicher Forscher bei der Beurteilung östlicher Weisheit beobachtet
werden(1903). Gleichzeitig lassen sich aber
auch die Fehlbeurteilungen der westlichen Weisheit durch das östlich geprägte
Denken ablesen, indem etwa Ahn mit einem vom Westen entlehnten Konzept
gewissermaßen Selbstkritik am Westen aus östlicher Sicht übt. Indem der
neokonfuzianisch angehauchte Ahn die Entwicklungsgeschichte so a priori
kurzschließt, als sei das jeweils Neueste immer das Beste, interpretiert er im
Rahmen seiner Kritik der Abendländer von der neokonfuzianischem Position aus
den Konfuzianismus (im Sinne einer unzulässigen Vereinheitlichung alles
Chinesischen, genauso wie er es den Abendländern zu Recht vorwarf) völlig
falsch, nämlich als angeblich primitive Vorstufe, die eine paraphrasierende
Kommentierung im Sinne einer Entschuldigung bedürfte, aber im Neokonfuzianismus
zur (allerdings grundlegend "gewandelten") Vollendung kam. So
versucht er etwa der Gleichsetzung Gottes mit dem Li (Gesetz) des
Neokonfuzianismus durch Leibniz(1904) mit dem
Argument zu widersprechen, daß angeblich schon die chinesische Klassik und der
Konfuzianismus einen Himmelskönig als persönlichen Gott hätte, der nicht mit
dem abendländischen Gott gleichgesetzt oder parallelisiert werden könne, weil
der chinesische Gott kein Schöpfergott war(1905),
sondern bloß der Repräsentant der sittlichen Weltordnung(1906).
Er widerspricht sich aber zumindest insofern, als er dem altchinesischen Gott
jeglichen Schöpfungscharakter abspricht(1907)
und (aus der verdrehten neokonfuzianischen perspektive aus) alles Geschöpfliche
als schon immer dagewesen hinstellt(1908).
Hat er doch einleitend zu seinen argumentativen Erörterungen keinen Geringeren
als Lao-tse zitiert(1909), der das Tao sehr
wohl als Schöpfer charakterisiert, der eindeutig außerhalb der Natur ist,
während in der Neokonfuzianischen Rezension der Schöpfung jegliches Außerhalb
von Chi (Materie) kategorisch ausgeschlossen wird(1910).
Er hat dann das Tao mit dem Li gleichgesetzt(1911),
das erst vom Neokonfuzianismus (um die Jahrtausendwende beginnend) eingeführt
wurde(1912), obwohl mit Li und Chi nur die
Natur, also die Schöpfung, und nicht der Schöpfer des Lao-tse' erklärt wird.
Die gesamte Kernproblematik des Neokonfuzianismus und abendländische
Aufklärung mit der Ontokratie könnte wohl in dem Fehlen des zweifachen Tao der
Klassik auf den Punkt gebracht werden. Die chinesische Klassik ging nämlich von
der Existenz eines roten Tao und eines gelben Tao aus, wobei das eine
schöpferisch und das andere geschöpflich war. Offensichtlich unterscheidet sich
der Neokonfuzianismus vom Konfuzianismus in Wesentlichen in diesem einem
grundlegenden Punkt, wonach der Neokonfuzianismus das Gesamte,
"ganzheitlich" genannte, Dasein, auf das geschöpfliche Tao reduziert,
und aus dessen polare Zweiteilung - mit Hilfe von Gedankenakrobatik oder
mystischen Kunstgriffe - das schöpferische Tao zu begreifen sucht. Deswegen
wird nach den ersten Versuchen des Monismus (Neokonfuzianismus) der Terminus
Tao von dem Terminus Chi überlagert und schließlich ersetzt, weil das
verabsolutisierte Geschöpfliche, obwohl auch das Geschöpfliche in der Klassik
sehr wohl ein eignes Tao hat, nichts mehr mit dem wahren Begriff des Tao zu tun
hat. Vielmehr simuliert durch die Polarisierung und Vereinheitlichten Polarität
das Tao des Schöpfers und das Tao des Geschöpflichen, und muß bei diesem Unding
naturgemäß extreme Fertigkeiten aufbieten, von denen, bzw. von der eigenen
Fähigkeit, den Unsinn sinnvoll zu gestalten, schöpferisch zu sein, berauscht
wird, oder sich - etwa an sich selbst- berauscht, um sich schöpferisch zu
erscheinen.
Die andere für Ahn unbequeme Eigenschaft des altchinesischen Gottes, der
sehr wohl dem biblischen Gott verblüffend ähnlich im Himmel - über Himmel und
Erde - als König regiert(1913), ist die in
dieser Form unabdingbare Personalität, die in alten Zeiten tatsächlich nicht
gefehlt hat. In diesem Punkt versucht sich Ahn auf den formalistischen
Standpunkt zurückzuziehen, kann aber nur offenbar allzu subjektive westliche
Autoren für die unrichtige Wertung der chinesischen Kulturtradition zitieren(1914). Nachdem aber selbst Ahn aus dem
Blickwinkel der westlichen Auseinandersetzung mit dem Osten den Osten aufrollt,
kann die Sache von dieser Seite her am einfachsten angenähert werden. Die große
Zäsur in dem ost-westlichen Kulturaustausch war die päpstliche Ablehnung der
Gleichsetzung chinesischer Begriffe(1915)
(wie Gott und Himmel) mit den theologischen Begriffen des Westens(1916) im 17. Jh. Dem ist die fundierte Arbeit
M. Riccis vorausgegangen (wonach die Chinesen in früheren Zeiten an einen
wahren Gott geglaubt und ihn verehrt haben, aber ihre altehrwürdige Kultur sei
zwischenzeitlich durch Atheismus und Rationalismus - also Neokonfuzianismus -
verschüttet worden)(1917), die von den
Franziskaner und Dominikaner mit dem Argument torpediert worden ist, daß die
neokonfuzianische Entfremdung der altchinesischen Tradition soweit
fortgeschritten sei, daß man eine Gleichsetzung der chinesischen mit den
Christlichen Begrifflichkeit über Gott und Welt nicht (mehr) riskieren dürfe(1918), sondern verdammen müsse. Seit dem
scheint die abendländische Auseinandersetzung mit China an diesem toten Punkt
zu verweilen und die Desorientierung ist durch neuere Rezensenten und
Kommentatoren ist eher gesteigert als gemildert. Klarheit hat die Forschung
insofern gebracht, als die durch den Akkomodationsstreit überschattete
Auseinandersetzung mit der chinesischen Tradition im Abendland ein Kapitel für
sich ist, das mehr über das Abendland als über China aussagt, so daß die
chinesische Tradition an sich nur davon unabhängig betrachtet werden kann. Von
dieser Position aus macht sich das Bestreben von Ahn, aus der
neokonfuzianischen Position aus die klassische chinesische Position mit Hilfe
westlicher Irrtümer zu disqualifizieren, unangenehm bemerkbar. In den
bezughabenden Abschnitten wiederholt Ahn stereotyp, daß die Chinesen angeblich
immer schon nichts von einem persönlichen Gott wissen wollten und nie sich
ernstlich mit Gott auseinandergesetzt hätten, weil für sie alles seit
Menschengedenken klar (gottlos) auf der Hand lag, und wenn nicht, dann sei eben
alles undiskutabler Aberglaube gewesen. Dabei zitiert Ahn für dieses Apriori
keine Belege, außer sich selbst, wohl aber dem zuwiderlaufende Quellen. So
weist er zwischendurch darauf hin, daß die altchinesische Götterwelt durchaus
dem Griechischen adäquat ist und der Gottkönig des Himmels in China mit Zeus
der Griechen etwa gleichgesetzt werden könne(1919).
Ahn labt sich an der im wesentlichen von den aufeinanderfolgenden Missionare
Ricci und Longobardi im Akkomodationsstreit (vorwegnehmend) ausgetragenen
Meinungsverschiedenheiten, von denen Ricci den klassischen chinesischen
Himmelherr mit dem Gott gleichsetzen wollte und Longobardi ebendas wegen der
Neokonfuzianischen Entfremdung davon abriet und ein neues Wort kreierte. Auch
wenn Longobardi soweit Recht hatte, daß in dem Neokonfuzianischen China damals
wohl verhängnisvoll gewesen wäre, den Namen des altchinesischen Himmelsgottes
mit dem des abendländischen Gottes gleichzusetzen, bedeutet das noch lange
nicht, daß der altchinesische Gott etwa dem jüdischen Gott der Heerscharen
nicht näher stand als etwa dem griechischen Zeus(1920).
In der Umdeutung der konfuzianischen "Alleinheit" des Seins
("Tao") im Sinne von "Allverbundenheit" in der
"Liebe" ("Jen") in die "Gesetzmäßigkeit"
("Li") des "Materialismus" ("Chi") im
universalistischen Neokonfuzianismus(1921),
ist die moderne abendländische Umdeutung der Allverbundenheit in Gott (Liebe),
in die metaphysische (ontologische) Dasein (Chi) als Materie und Energie, sowie
Sosein (Li) in Raum und Zeit, gewissermaßen vorweggenommen.
5.3.7. Der humane Teufel
Gemeinsamer Hintergrund des ab den 70ern zu ebenso marktbeherrschend wie
unübersichtlich auswuchernden Psychobooms ist die in den 50ern in den USA
aufgekommene "Humanistische Psychologie"(1922).
Die u. a. von Abraham Maslow und Charlotte Bühler entwickelte Humanistische
Psychologie reichte schon von ihren allenfalls noch anfänglich relativ
"seriösen" Ausprägungen an über den professionell-ärztlichen Rahmen
hinaus und stand im Widerspruch zu den herrschenden therapeutischen Konzepten
der Psychoanalyse und Behaviorismus. Ihr Pathos war es, in einem dritten Weg
(Metapsychologie/Lebensphilosophie) "humane Seelenheilung" zu finden.
In den 70ern fand sich dann quer durch den Gemüsegarten hinter allen
Etikettierungen wie Psychoanalyse, Selbstanalyse, Psychodrama,
Urschreitherapie, Gestalttherapie, Transaktionale Analyse, Hypnose,
Selbsthypnose, Bioenergetik, Rolfing, Konzentrationstraining, Autogenes
Training, Encountergruppen, Marathongruppen, Sexualtherapie, sinnliche
Erweiterung, Aggressionstraining, Realitätstherapie, rational-emotionale
Therapie, Reinkarnationstherapie, Yoga, Tai Chi Chuan, Astrologie, Scientology,
Bewußtseinserweiterung, Transzendentale Meditation, Zenbuddhismus, Tantra,
Transpersonale Mentalenergetik, Rebirthing, sowie alle Strömungen östlicher
(vorwiegend indischer) Weltauslegung, und Ideenströme wie etwa
existenzphilosophische Einflüsse (Sartre, Heidegger, Camus), Elemente der
Gesellschaftskritik (Herbert Markuse, R. D. Laings, Frankfurter Schule) usw.,
immer in allen Varianten die Humanistische Psychologie (eingebunden in eine
weltanschauliche Dimension), die sich offen als Sinnangebot an den
modernen Menschen deklariert(1923).
In der Humanistischen Psychologie(1924)
begegnet uns eine Form säkularen Glaubens, die sich nicht nur als Gegenantwort
zu Materialismus und Atheismus versteht, sondern als Erbin und Überwinderin der
"Widersprüche" christlichen Glaubens(1925).
"So kann Psychologie zum neuen Erlöser, zur neuen Kirche werden"(1926). Die zitierten "Widersprüche"
des christlichen Glaubens aus der Sicht der "Neuen Psychologie"
meinen unmißverständlich den Gemeinschaftscharakter des Christentums
(Nächstenliebe), zumal der Psychoboom konsequent einen radikalen
Subjektivismus propagiert(1927).
Ausgehend von der Sinnsuche in sich selbst(1928) geht es über die Verwirklichung
des Selbst bis zu der Einsicht, daß man allein auf der Welt ist,
unabhängig von der offenen Anerkennung des eigenen Selbst
als Gott, oder auch nicht.
Betont das Christentum die Unerläßlichkeit der Gemeinschaft (Nächstenliebe)
der Menschen im Gegenüber zu Gott(1929), so
kultiviert der Psychosoph seine subjektivistische Individualität als den
"Neuen Menschen" (jenseits von Gut und Böse), indem er jedwede
zwischenmenschliche Beziehung als Bindung, und somit als einen unversöhnlichen
Feind der Subjektivität, also als den Inbegriff der Unfreiheit (aktiv oder
passiv) negiert. Die auf tibetischen Vorlagen zurückgehenden Gesang-Texte der
Popgruppe "Doors", wo die vollkommene Freiheit etwa durch den
sexuellen Mißbrauch nächster Angehörigen (Vater und Mutter), darauffolgende
Aufspießung (was das auch immer in Tibet geheißen haben mag) und schließlich
Verspeisung der Eltern erreicht werden soll (Kostprobe dürfte genügen),
demonstriert - makaber aber einleuchtend - den Sinn und Zweck des
Freiheitsideals der Moderne, die in der Zerstörung der sozialen Bindungen ihr
"Freiheit" genanntes Heil sucht. Im Abendland gilt allerdings seit Sade(1930) (auf den der kultische Satanismus
anerkanntermaßen zurückgeht) der spirituelle Genuß von blutigen Fantasien als
"salonfähig" und eingedenk der durch (sexuelle) Perversion
unterstützte Gotteslästerung "hinreichend" für die
"Befreiung".
Unter den zeitgenössischen Humanistischen Psychologen in den 90ern scheint
Carl Rogers der Favorit zu sein(1931). Der
gleiche Rogers ist auch der geistige Vater u. a. des Grundsatzprogramms der
Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Deutschlands und seines Chefs, Gruhl,
die dem durch materialistische Anschauungen drohenden Weltuntergang
entgegenwirken wollen(1932). Insgesamt sucht
die Bewegung um die Humanistische Psychologie aus liberalen Elementen der
Gesellschaftskritik eine "ideale Utopie" in eine "machbare
Utopie" der Psychologen umzumünzen(1933).
Dies geht mit der Abwendung von der Gesellschaft und Hinwendung zum Individuum
einher. Die altliberale "Tat" in der romantischen Privatheit wird zur
Maxime, da Theorien nichts bewirken können. Irgendwann wird schon die Saat der
kommunikativen Gesellschaft aufgehen, so die Psychobewegung, zumal die
partikularen persönlichen Betroffenheiten mit der Lehre von Rogers sodann
gebündelt und politisch kanalisiert werden können(1934).
Um die Lehren von Rogers hat sich auch eine neuere Seelsorgebewegung
entwickelt(1935). Die Adaptierung der
humanistischen Psychologie (namentlich die von Rogers) in die Seelsorge soll
etwa so auch in Wien) durch die Annahme gerechtfertigt sein, daß so wie Jesus
die Sünder voll annahm, so kann, wie etwa schon Tillich - ähnlich Rogers -
sinngemäß meinte, nunmehr die Annahme durch den humanistischen Therapeuten als
Heil erfahren werden(1936). Das Evangelium
muß sonach - via interpersonaler Begegnung - "erfahrbar" gemacht
werden(1937). So kam es, daß andersdenkenden
Theologen "Erfahrung" zum Reizwort geworden ist(1938),
weil sie ihrerseits schlechte Erfahrungen mit der "Erfahrung" hatten.
5.3.8. Luzifer Pantheos
Ein Urtyp des radikalen Subjektivismus ist der Österreicher Rilke(1939), dessen Lebenswerk anhand seines
"Orpheus und Eurydike" - nach der einhelligen Meinung der Forschung -
in der Grundaussage zusammenfassen läßt, daß "Die Kunst und die große
Liebe können nicht zusammenleben: jede ist von selbstischem Charakter."(1940) Dem anfänglich von religiösen Visionen
geplagten und in der Folge tief enttäuschten Rilke ist die Liebe zwar durch
eine Frau verkörpert, aber sie repräsentiert die Kirche(1941),
zumal der dann in den Himmel aufgenommene Orpheus soetwas für den Dionysoskult
ist, wie der Mohammed für den Islam(1942),
wenngleich der singende Poet (Orpheus) mit der Lyra als der Inbegriff des
Künstlers gilt(1943). Die klassische
Geschichte des Orpheus veranschaulicht nun, daß Liebe und (dionysische) Kunst
sich gegenseitig ausschließen. "Jede kann deshalb nicht ertragen, daß
die Andere in sie hineindringt."(1944)
Der Endlose Krieg zwischen Beiden läßt nur die Alternative zwischen Kunst und
Liebe(1945). Ähnlich zitiert Sartre den
Satanisten Baudelaire(1946), der die Liebe
dem Sex synonym setzt, um die "Philosophie der Freiheit" als
"die Wahl seiner selbst (dieses zu sein, jenes nicht zu sein), die
Baudelaire traf" zu begründen(1947).
Der Radikale Subjektivismus ist um so mehr eine Kunst, da es wohl
übermenschliche Fertigkeiten verlangt, das Absurde als existent, als das Existentielle
schlechthin erscheinen zu lassen. Es geht aber einige Zeit, wenn die
Subjektivisten einander gegenseitig zujubeln, als hätten sie etwas für andere
außer dem eigenen Selbst übrig, und beteuern allen
ernstes, daß sie imstande wären die anderen auf das eigene Selbst
"zu beziehen": so als könnten sie wirklich "wahrnehmen"
ohne innerlich berührt zu werden.
5.4. Der indische Teufel
Vielleicht verdient die eigene indische Theosophie zumindest im Hinblick auf
Gandhi Aufmerksamkeit, da mit ihm das erste bleibende politische System auf
Grundlage der luziferischen Theosophie Blawatskys vom Grund auf umgestaltet,
bzw. neu gestaltet wurde. Interessant ist bei Gandhi seine ursprüngliche
Sehnsucht nach dem kommenden "Messias" (Mahatma), zu dem er sich
alsdann hinaufschwingt. Bei Gandhi kann man sich mit dem Nachweis des von ihm
angenommenen messianischen Titels "Mahatma" als aus der luziferischen
Hexenküche der Blawatsky begnügen. Ein Eingehen auf Gandhis pseudohinduistische
Terminologie könnte mehr Übersichtlichkeit kosten als einbringen. Gandhi dürfte
eine Art Weltrekord in Widersprüchlichkeit, aber auch im Heucheln, aufgestellt
haben. Leider tarnt er sich dabei geschickt politisch-weltanschaulich und verbalisiert
seinen Haß auf Christentum und dessen Gott als Ausländerfeindlichkeit oder
Antieuropäismus.
5.4.1. Der Teufel als Hindu
Was Zitate betrifft, wonach sich Gandhi mit der linken Ideologie solidarisch
erklärt hätte, so ist dazu zunächst festzuhalten, daß der selbige Gandhi auch
Sympathien gegenüber dem Nationalsozialismus hegte(1948).
Gandhi entdeckte den Hinduismus durch die Begründerin und erste
"Prophetin" der Theosophischen Gesellschaft, H. P. Blavatsky, in
London(1949) und von da an blieb er
Kampfgefährte von Annie Besant, der Nachfolgerin Blawatskys und spätere
Präsidentin des Congress in Indien(1950).
Durch die Blavatsky angeregt begann Gandhi die religiöse Literatur Indiens zu
lesen, allerdings benutzte er die "Übersetzungen" von Theosophen. In
Südafrika dann führte Gandhi täglich religiöse Gespräche mit allen Mitgliedern
der dortigen Theosophischen Gesellschaft, hielt Vorträge, und kritisierte die
zunehmende Entfernung der Theosophen vom theosophischen Ideal (Blawatskys).
5.4.2. Eine Seele von Teufel
Auch in Indien unterhielt Gandhi eine mitunter kontroversielle Beziehung zu
Annie Besant, zumal die übrigen Theosophen zumeist zur Theorie, zum (pragmatischen)
Idealismus neigten, während Gandhi der praktische Theosoph par excellence war.
Die Verwalter seiner literarischen Nachlassenschaft haben bisher bewußt die
Herausgabe seiner sämtlicher Schriften vermieden, damit der widersprüchliche
Charakter und "Lehre" des Medienjongleurs für Außenstehende nicht
nachvollziehbar wird. Das hinduistisch verbrämte Theosophentum Gandhis kommt am
strahlendsten in seinem Titel "Mahatma" (Große Seele) zum Ausdruck.
Denn - entgegen der Verschleierungstaktik von New Age - kommt der von Madame
Blavatsky kreierte Mahatma-Titel nur bei den Theosophen vor und Gandhi ist der
Einzige, der jemals diesen Titel freiwillig annahm(1951).
5.4.3. Der Teufel als Lehrmeister
Die Mahatmas sind eine Art (messianische) Bodhisattwas der Theosophie(1952), und heißen im europäischen
Sprachgebrauch "Meister". Ursprünglich ging die Theosophie Blawatskys
von sieben "Meister" (der großen weißen Brüderschaft) aus, später
soll es über zwanzig gegeben haben, zu denen Buddha, Konfuzius, Salomon,
Laotze, Böhme, Cagliostro und Mesmer gehörten, und Jesus soll von ihnen
unterwiesen worden sein(1953). Spätestens mit
der Annahme der theosophischen Titulatur deklarierte sich Gandhi als eines der
anerkanntermaßen größten Gnostiker unserer Zeit, und der Lehre Blawatskys (z.
B. von den angeblichen Mahatmas, die nur bei Blavatsky gibt) verhaftet. Niemals
hat Gandhi der deklariert luziferischen Lehre der Blavatsky, die von der
Theosophischen Gesellschaft offiziell übernommen wurde, widersprochen, vielmehr
kritisierte er in Südafrika das Abweichen von dem theosophischen Ideal. Im
politischen Kampf tarnte Gandhi seine antichristlichen Polemiken
"meisterhaft" als antieuropäisch, oder je nach Bedarf als
"antikapitalistisch" oder "antikommunistisch". Er sprach ex
cathedra die (indischen) Kühe heilig aber "Hospitäler und Industrie sind
Instrumente des Teufels" für Gandhi, die aus der indischen Kultur ausgerottet
werden müssen. Die religiöse Hinterlassenschaft Gandhis profilierte sich als
dritter Weg zwischen Kapitalismus und Staatskommunismus auf synkretistisch
religiöser Grundlage und wurde durch eine Landschenkungsbewegung bekannt: Beim
Einzelnen beginnend, soll eine Revolution der Ideen zur Revolution der
Gemeinschaft und zur Herbeiführung eines neuen goldenen Zeitalters (New
Age) führen(1954).
5.5. Baumeister Luzifer
In diesem Ambiente - gleichsam als Blüte im inneren Garten des Bösen -
entsproß im vorigen Jahrhundert die liberale Theologie. Die Forschung geht
davon aus, daß sich - ungeachtet der inneren Zerrissenheit und späteren
Polarisierung - in der liberalen Theologie die Summe des freimaurischen(1955) Gedankenguts manifestiert(1956). Die freimaurerische Liberale(1957) hat nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt
friedliche Absichten gegenüber der Kirche signalisiert(1958),
und es kam in der Zeit Kardinal Königs(1959)
zu äußerst entgegenkommenden Konzessionen an die Freimaurer im
deutschsprachigen Raum (auf Verhandlungsebene), die dann allerdings von Rom
nicht bestätigt, ja sogar zurückgewiesen wurden. Die innerkirchliche Liberale
hielt sich trotzdem demonstrativ zum Burgfrieden und versuchte diese Abweichung
von Rom durch diplomatisches Schweigen und Dulden zu akzentuieren, zumal aus
dem Neuen Kirchenrecht 1983 der Passus gestrichen wurde, wonach Freumaurer
kraft Gesetzes exkommuniziert seien(1960).
Der jüngste "Anschlag" der organisierten innerkirchlichen Liberale
aus dem Hinterhalt und im Schafpelz (auf die Kirchenspitze) lassen die
Aufkündigung des Burgfriedens durch die (ideell freimaurerisch/freigeistig
orientierten) Liberalen mit der Kirche konstatieren.
5.5.1. Der Teufel als Freund
Der Friedensbruch ist offensichtlich unter liberal-internem internationalen Druck
entstanden, weil von Irland und Amerika ausgehend weltweit eine - vom Sexismus
inszenierte - strategische Verleumdung der jeweilige Kirchenspitze im Gange
ist, die, sei es aufgrund der Sympathiewelle für (angeblich) sexistische
Kirchenfürsten, sei es durch die allgemeine Verwirrung, offensichtlich als
Vorwand für die sexistische Anreicherung des Evangeliums dienen soll. Die
österreichische katholische Kirche ist also nicht länger an den
stillschweigenden Sonderfrieden mit den Freimaurern gebunden, weil dieser
Burgfriede von der innerkirchlichen und außerkirchlichen Liberale (Zeitschrift
"profil") gebrochen wurde. Möge den Streit scheinbar der extreme
Flügel vom Zaun gebrochen haben, von denen sich die Liberale der Mitte
distanzieren könnte, sie tat es aber nicht. Vielmehr hat die als gemäßigt
geltende Liberale im Windschatten der Extreme zum Sturm an die Kirchenspitze
angesetzt. Das sog. Kirchenvolksbegehren war ein organisierter Aufstand, und
zwar anscheinend von ziemlich oben her.
5.5.2. Der religiöse Teufel
Die manichäische Grundlagen des Freimaurertums kommen etwa durch die
häufigste Bezeichnung Gottes, besser gesagt eines oft und gerne für Gott
gehaltenen höchsten Wesens, als große Baumeister(1961)
der Welt, was, bzw. "der", ansonsten, zumindest in dieser
ausgeprägten Form(1962), nur bei den
Manichäern vorkommt(1963). Unbestrittene
"Väter" und Galionsfiguren liberaler Theologie sind der
Goethe-Protegé(1964) Herder(1965)
und vor allem Schleiermacher(1966), dessen
"praktische Theologie" bis in die jüngste Zeit Schule machte(1967). Herder und der im Freundeskreis Hegels
geistig beheimatete Schleiermacher forderten etwa gleichzeitig eine neue
Mythologie, bzw. eine neue Religion, wobei im begeisterten Echo
"Vernunft", "Natur" und "Ästhetik", aber auch
Religion und Gott, zu Synonymen wurden. Schleiermacher bekennt sich zwar nicht
öffentlich zum Luziferismus, sondern postuliert die Religion ohne Gott und mit
mehreren Messiasen. Wegen der Gefahr, seine Pfarrstelle zu verlieren,
publiziert er anonym und nur sein Hang (Nahverhältnis) zu den begeisterten
Dionysianer (Liberale) um Hegel verrät ihn. Nichtdestotrotz gilt er in der
Forschung als der Vater der liberalen Theologie, und das sicher nicht zu
Unrecht. So erhellt die richtige Etymologie des Wortes "liberal"
(Liber-al(1968)=Dionysianer) das wahre wesen
seiner Theologie.
5.5.3. Der dialektische Teufel
Ein markantes Beispiel liberalen Treibens ist, wenn der sich als
"Dialektiker" tarnende Liberaler(1969)
(Dionysianer) Rudolf Bultmann, dessen Theologie mit dem doppelten bis
vierfachen Boden so das Böse zu bekämpfen vorgibt, daß er massiv Dionysisches
im Evangelium des Johannes behauptet und dann den Dionysos, den Geist des
Dionysos, aus dem christlichen Evangelium sozusagen exegetisch "exorziert"(1970). Die von Bultmann postulierte
Entmythologisierung, die quantitativ produktivste theologische Richtung der
Moderne, hat aber nicht nur von der soeben aufgezeigten Seite her ihre
Erklärung (Entmythologisierung gewissermaßen als moderne
"Exorzierung" der Bibel, vgl. Mk 3,30), sondern begann eigentlich mit
dem manipulierten Parusietermin(1971). An dem
Beispiel Bultmanns kann also auch demonstriert werden, daß der eigentlich
dionysische (luziferische) und der chiliastische Moment in der Subkultur kaum
jemals voneinander getrennt werden könnten.
5.5.4. Der überbiblische Teufel
Der Auftakt zum theologischen Umbruch unter dem methodischen Vorwand ist an
dem Namen Semler(1972) gebunden. Vieles von
der späteren Entwicklung der Subkultur ist in dem weiter oben zitierten Streit
zwischen Semler und Reimarus vorweggenommen(1973).
So wie die "Irrtum-Jesu-Theologie" von Reimarus bis Albert Schweitzer(1974) und Bultmann eine noch relativ klare
Linie zeigt(1975), so läßt sich die Spur der
Semlerschen "Relativitätstheorie der Offenbarung"(1976)
unter dem Stichwort "historisch-kritische Methode"(1977)
verfolgen(1978), worin mit einer
irritierenden Konsequenz das "objektiv" Geleugnete zugleich als
(subjektiv) wahr verfochten wird.
Vor diesem theoretischen Hintergrund verdankt die seit Semler tradierte
historisch-kritische Methode ihre "Beliebtheit" praktisch einer
damals neuartigen "Kanonkritik", wonach das kirchliche
Kanonverständnis für eine elitäre Minderheit (der historisch-kritischen
Theologen) nur vordergründig gilt(1979), und
im Vertrauten Kreis der intime Umgang mit den ungleich höher geschätzten
Apokryphen und späteren postbiblischen Offenbarungswerken gepflogen werden sollte.
Die Vorgangsweise fußt auf der von Semler vorgenommenen Umwertung der
Offenbarung als übliche (dem Profanen inhaltlich gleichwertige und nur durch
die besondere religiöse Form überlegene) literarische Form. Im übrigen rührt
diese Art Gebrauch eines vom allzu jüdische Ballast befreiten und mit
Sekundäroffenbarungen angereicherten Kanons von den Bogumilen her, die offen
Zusatzoffenbarungen gehandelt haben, während etwa die Katharer, die auch etwa
ein "Kommentar" der Apokalypse verbindlich benützt haben, die für
jeden Sektenforscher - in mancher Hinsicht - eine kleine
"Offenbarung" sein möge, die Katharer gingen aber einerseits damit
vorsichtiger um und sind andererseits die meisten dem Namen nach überlieferten
Quellen-Werke der Katharer (angeblich bis auf zwei aus dem Randbereich)
verloren gegangen.
5.6. Der fromme Teufel
Sofern hier der Gesichtskreis zwar nicht auf die sog. Moderne eingeengt
werden soll, aber den Schwerpunkt der Untersuchung zu bilden hat, ist der
christliche Fundamentalismus(1980), zumindest
wegen dem dortselbst verabsolutisierten chiliastischen Moment(1981),
in die Betrachtung einzubeziehen(1982). Wohl
könnte der Fundamentalismus weiter zurückverfolgt werden, aber der die (auf der
mystischen Kabbala fußenden) Wiedertäufer und der Pietismus als urtypisch für
den modernen Fundamentalismus festzustellen dürfte hinreichend sein. So wie die
vernunftsorientierte Richtung des Luziferismus sich betont auf Jakob Böhme
zurückführt, so läßt sich Jakob Böhme auch als Vater alles Pietistischen
nachweisen(1983). Es gibt keine bekannte
pietistische Richtung, die nicht mehr oder minder offen deklariert auf Böhme
zurückginge. Die modernen Freikirchen (das symbolträchtige Wort
"Frei-" in der gebräuchlichen Selbstbezeichnung ist genauso wie Befreiungstheologie
- scheinbar auf der anderen Seite - eine Anknüpfung an Liber/Dionysos) sind
überwiegend wiedertäuferisch(1984)orientiert
und leiten sich mehrheitlich bis gänzlich von dem Pietismus und ebenfalls
chiliastischen Wiedertäufer ab(1985).
Ungebrochen ist auch die extrem-chiliastische Fixierung sämtlicher
freikirchlichen Tendenzen(1986), so daß das
ganze Facettenreichtum der Freikirchen und radikalen Chiliasmus gleichgesetzt
werden können(1987).
Um ein markantes Beispiel für die Verquickung von pseudochristlich chiliastischer
Frömmigkeit der Pietisten mit dem aufklärerischen Ideal des aufkeimenden
Liberalismus (eines Goethe) zu geben, sei an den Pietismus als die Graue
Eminenz der klassischen Kulturepoche durch ein Zitat aus einer unpublizierten
Arbeit hingewiesen(1988):
"Die Rechtsentwicklung des Jahres 1919 steht - im Anschluß an die
napoleonischen Kriege - im Zeichen des im Zuge des Wiener Kongresses
(1814-1815) entstandenen Deutschen Bundes, an Stelle des Heilig Römischen
Reiches Deutscher Nation(1989), und der auf
Betreiben des russischen Zaren Alexander I. zustandegekommenen Heiligen
Allianz, der - außer dem Papst und dem Sultan - alle (etwa 200) europäischen
Staaten beitreten, und erklären; die Regierung in ihren Ländern und die
politischen Beziehungen zu anderen Staaten allein nach den Geboten der heiligen
Religion auszurichten(1990). Zar Alexander I.
selbst war von dem prophetischen Haupt der Karlsruher Pietisten und Freund
(sowie Biograph) Goethes, Jung-Stiling(1991),
der das in Bälde kommende Reich Christi(1992)
am Kaspischen Meer(1993)propagierte, sowie
von der prophetischen Bußpredigerin Barbara Juliane von Krüdener(1994)beeinflußt, die auch den Namen
"Heilige Allianz" prägte(1995).
Bereits die Wiener Kongressakte enthalten zum ersten Male - auf
völkerrechtlicher Basis - Bestimmungen über Grundrechte (Abschaffung der
Sklaverei u. a.), die tragendes Element des Gesamtkomplexes werden sollten(1996). In diesem Sinne erhielt der russisch besetzte
Teil Polens Autonomie und eröffnet Alexander 1918 den polnischen Sejm
(Reichstag) und kündet für März in Rußland Reformen an. Er enttäuscht aber
1818/9 die in ihn gesetzten - wohl überspitzten - liberalen Hoffnungen durch
eine verstärkt antiliberale Politik(1997).
Karlsbader Beschlüsse (1819)(1998):
Überwachung der Universitäten, Zensur, Auflösung der Burschenschaften, Verbot
der Turnbewegung(1999), sog "Demagogenverfolgung"
in Preußen und Österreich(2000); Arndt und
Schleiermacher werden ihrer Ämter enthoben, Jahn verhaftet(2001).
Der Bundestag in Frankfurt am Main nimmt am 20. 9. 1819 einstimmig die
Beschlüsse der Ministerkonferenz von Karlsbad an(2002).
Die Tragweite dieser Rechtsakte ist etwa an der Versprechung des preußischen
Königs Friedrich Wilhelm III. nach dem Wiener Kongreß zu messen, Preußen
demnächst zu einem Verfassungsstaat zu machen(2003).
Und obgleich gerade die preußische Verfassungspolitik nach Ansicht einiger
Historiker im Ansatz stecken blieb(2004), ist
die rechtliche Bedeutung dieser im nachhinein vielleicht nicht unumstrittenen
Gesetzesperiode darin zu sehen, daß durch die Karlsbader Beschlüsse eine erste
Bundesbehörde - zur Kontrolle des Unterrichtswesens (das von jeher als
religiöses Ventil angesehen wurde) - geschaffen wurde, die konkret die
Souveränität der Einzelstaaten einschränkt(2005).
Mit dem Ende des alten Reiches (Kaisertum) waren die uneingeschränkten
Hoheitsrechte auf die Länder des Deutschen Bundes übergegangen; die
kirchenrechtlichen Verhältnisse konnten neu geordnet werden, da der
landesherrliche Summepiskopat mit der Umwandlung des Territorialkirchentums in
das neue Landeskirchentum auch die Verfügungsgewalt über den Bekenntnisstand
einschloß(2006). Diese Gesetze fallen erst
durch die Revolution 1848 und bestimmen daher das Geschehen bis zur nächsten
Etappe der Verfassungsbildung(2007) um 1849.
Es ist überall die Zeit der Entstehung politischer Parteien, aber auch
liberaler Landesverfassungen und Kirchenunionen(2008).
In Preußen festigt sich die feudale Ordnung, und für Europa hat sich der
Begriff der Restauration geprägt. Mit den 1819 beginnenden Säuberungen (bis
1848/9) klingt die Reformära aus(2009)."
Kein Raum ist der vorgeblichen "Diskussion" zu bieten, wonach die
Freikirchen angeblich auch nichtchiliastische Anschauungen zulassen und
würdigen würden(2010). Vielmehr ist
festzuhalten, daß nicht-chiliastisch anmutenden Sonderformen des Chiliasmus
sporadisch bei den Freikirchen zu beobachten sind, die aber nur als Alibi
benützt und daher - nur scheinbar - geduldet werden, um einen offenen
Diskussionsprozeß über den - in Wahrheit doktrinären - Chiliasmus vortäuschen
zu können. Freikirchentum steht und fällt insgesamt mit dem Chiliasmus und ein
anderer Sinn und Zweck ist darin beim besten Willen nicht zu finden. Von dieser
Einsicht her gesehen erweist sich der vorgeschobene Moralismus samt
schwärmerischer Frömmigkeit nur als die obligatorisch sektiererische
Alibihandlung.
Es ist relativ leicht ein objektiv jederzeit nachvollziehbares und
wiederholbares Experiment mit Fundamentalisten, sofern psychologische
Menschenexperimente nicht verpönt sind, daß beim Anschneiden von Parusierfragen
auf jede noch so nüchterne und sachliche Argumentation der theologisch
gebildete Fundamentalist m. E. völlig ausrastet: er widerspricht sich, lügt,
wird gehässig, und was leider die direkte und unvermeidliche Konsequenz seines
ver- und befangenen Seelenzustandes ist, er versucht mit einer ansonsten beim
ihm unvorstellbaren Niedertracht seinen Gesprächspartner zu verletzen, um
wenigstens so seinem eigenen inneren Widerspruch zu entfliehen.
Es ist unschwer objektiv zu erkennen, vor allem wenn man es vorher wissen,
und dann im beliebigen Experiment unter Beweis stellen kann, daß der
Fundamentalist bei unbequemen Parusiefragen früher oder später genau diejenigen
psychischen Symptome zeigt, die er bei anderen immer als dämonisch bezeichnen
würde. Ohne hier auf die unterschiedliche Terminologie zwischen Psychologie und
Theologie in der Seelenkunde einzugehen, kann nach dem gelungenen Experiment
objektiv ausgesagt werden, daß der Beobachter und der Beobachtete verschiedenen
Geistes sind, oder, daß sie eine kontroversielle Geisteshaltung an den Tag
legen.
Diese Feststellung kann auch dadurch bekräftigt werden, daß das Experiment
gleichsam auf die Spitze getrieben wird, denn in der Phase, wo der
Fundamentalist über seine eigene Entgleisung wieder einigermaßen zu
reflektieren beginnt, drängt ihm seine innere Eingebung gleichsam mit
physischer Gewalt seine Interpretation der Vorkommnisse auf, daß nämlich nicht
er, sondern sein Gegenüber von einem bösen Geist besessen sei. Es genügt aber
an dieser Stelle festzuhalten, daß beide Gesprächspartner und das Geschehen
beobachtende Dritte einen unvereinbaren Widerspruch auf geistiger, und nicht
auf psychischer Ebene wahrnehmen, wobei die seelische Verfangenheit nur als
Symptom und nicht als die Ursache in Erscheinung tritt.
Es gibt in der Theologie kaum noch so eine Frage, mit der die menschliche
Psyche so offenkundig ventiliert werden kann, wie die Terminfrage der Parusie.
Eine unmittelbare Reaktion ist allerdings auf die Gebildeten unter den
Chiliasten beschränkt, während die schwärmerischen Anhänger zuerst immer ihre
geistigen Führer konsultieren und selber dann betroffen dessen Entgleisungen
beobachten, ohne sich unbefangen ein Urteil über die Abläufe bilden zu können.
Ohne einen medizinisch klinischen Befund vorwegzunehmen, kann also die Summe
der Beobachtungen dahingehend ergänzt werden, daß nur der theologisch gebildete
christliche Fundamentalist reagiert genau so, wie der (ebenfalls gebildete)
biblische Pharisäer gegen Urchristen, während die Mitläufer sich nur
herauslügen und sich der Auseinandersetzung eher entziehen. Über den
theologisch gebildeten Fundamentalisten kann aber um so verbindlicher ausgesagt
werden, daß er mit den Widersprüchen in der Parusiefrage konfrontiert völlig aus
dem seelischen Gleichgewicht gerät und sich von der fanatischen Seite zeigt,
die er bei anderen als dämonisch bezeichnen würde. Analog kann die Reaktion der
theologisch gebildeten Freigeister aus dem chiliastischen Lager als hysterisch
bezeichnet werden, zumal die Hysterie gleichsam die Schattenseite der eher
positiv interpretierten dionysischen Ekstase ist, und bildet dazu - trotz
allfälliger Vorbehalte - eine Art Entsprechung(2011).
Das luziferische Moment kommt am markantesten in der ebenfalls als
Alibihandlung vorgeschobenen Biblizismus zum Vorschein, der in zwei diametrale
Phasen zu unterteilen ist. In der ersten Phase wird eine Art Buchstabendienst
(mit wörtlichen Zitaten, die am besten auswendiggelernt werden) absolviert, um
mit dessen Hilfe sich über den Wortsinn zu erheben und die inspirierte
Bibelauslegung jenseits vom Wortsinn zu betreiben. Nicht nur aus dem
christlichen Gesichtspunkt ist die gleichzeitige Inspiriertheit des biblischen
Wortlautes und die der Auslegung, soweit sie nicht exakt übereinstimmen, als
Nonsens zurückzuweisen, es sei denn, es gäbe zwei einander widersprechende
Urheber der Inspiration. Diese Zwei Phasen sind beim pietistisch erweckten Karl
Barth zu beobachten, der schlußendlich die für ihn angeblich unhaltbare
Vorstellung einer Inspiriertheit der Schrift durch die angebliche
Inspiriertheit der Lesung, also durch die Inspiriertheit der exegetischen
Auslegung, ersetzt(2012). Die inspirierte
Auslegung wird übrigens immer bei der Erdichtung unbiblischer
(pseudobiblischer) Parusietermine angewendet(2013),
zumeist über die lügnerische Vernebelung des biblischen Parusietermins, so daß
der hier gesuchte Zusammenhang auf der Hand liegt. Der christliche
Fundamentalismus lebt von und für ein pervertiertes Inspirationsverständnis.
Etwas exakter kommt das luziferische Moment zum Vorschein durch die - bei
allen Chiliasten üblichen (zwangsläufigen) - Verschiebung des Parusietermins.
Dem Wortsinn nach läßt nämlich die Heilige Schrift keinerlei über das erste
Jahrhundert hinausgehenden Parusietermin zu, vielmehr bedürfte zu jedem
abweichenden Parusietermin ein neues Evangelium und einen neuen Christus.
Außerdem ist der Parusietermin so fest, um nicht zu sagen untrennbar, mit dem
herodianischen Tempel und dessen Zerstörung verbunden (plus-minus 3,5 oder
maximal 7 Jahre), daß ohne einen wiederaufbauten herodianischen Tempel jeder
andere Parusietermin (biblisch) dingunmöglich ist. Der Alternativchristus zu jedem
späteren Parusie-Termin ist also immer und ausschließlich als luziferisch zu
verstehen.
Dazu kommt, daß die Verlegung des Parusietermins allein schon die Leugnung
des biblischen Parusietermins zwingend voraussetzt, wobei immer gerade die
Chiliasten die (verwirklichte) Messianität Jesu untrennbar mit der Parusie
verbinden (womit zwangsläufig jeder Chiliast die wahre Messianität des wahren
Jesus Christus, der zum biblischen Parusietermin seine Verheißung erfüllt hat,
verleugnet). Damit leugnen weiters die Chiliasten die bereits bestehende
Herrschaft Christi als König der Könige und Herr der Herren (Cyrios), und
erklären die ganze Welt als unter der Königsherrschaft des Satans stehend: und
setzen somit faktisch Jesus Christus mit Satan gleich(2014),
der, soweit er schon gekommen ist, der Herr der Erde ist (Off 11,4). Auf eine
allgemeinverständliche Kurzformel gebracht: die freikirchlichen Chiliasten
(Evangelikale) gehen - verbal oder nonverbal - immer davon aus, daß "diese
Welt nicht mehr zu retten sei"(2015),
während die etablierten Kirchen (orthodoxe, katholische und evangelische),
zumindest in ihrer noch unverfälschten theologischen Tradition, verkünden:
"diese Welt ist gerettet durch Jesus Christus" (vgl. Joh 3,16-21).
Demgemäß arbeitet der Chiliast auf den Untergang der Welt hin (um dem irdischen
Paradies Platz zu machen), während der Christ der ("gefallenen" aber)
in Gott (durch Christus) geheiligten (erneuerten) Schöpfung in der Verehrung des
Schöpfers die Ehre erweist (aber nicht über die Ehrung der Schöpfung den
Schöpfer zu bestechen sucht)(2016).
Aus ebendiesen Gründen geht in der Regel auch die Überdimensionierung der
Lehre von der christlichen Wiedergeburt(2017)
und die theologisch damit verknüpfte Wieder- oder Erwachsenentaufe(2018) mit dem spirituell orientierten
Chiliasmus einher, weil sie besser als die etablierten Christen wissen, daß die
Taufe (und Wiedergeburt) die Aufnahme in den Leib Christi als Kirche bedeutet,
und sie eben für den neuen Parusietermin einen alterierenden (neuen) Leib
Christi brauchen. Dem ist hinzuzufügen, daß auch wenn sie neuerdings oft
heuchlerisch nach außen auf die Wiedertaufe der Konvertiten verzichten, an
ihrem luziferischen Charakter das nichts ändert, denn die Wiedertaufe ist nur
Ausdruck der luziferischen (alternativchristlich getarnten
antichristlichen/pseudochristlichen) Grundeinstellung, die sich in der Leugnung
(und Verfälschung) des biblischen Parusietermins manifestiert, an den vor allem
die Chiliasten die Messianität Jesu (synonym dem Reich Gottes)
"fixieren"(2019).
Hier kann nochmals auf die unter Pkt. 1.15.3. aufgezeigte pseudowissenschaftliche
Manipulation des (kollektiven) Nachfolgeprinzips (vgl. Mt 8.18-22; Lk 9,57-62;
14,25-35; Mk 8,34-9,1//Mt 16,24; 10,17-31) durch den Chiliasmus(2020), bei der ebenfalls
pseudowissenschaftlichen Manipulation des biblischen Termins der Parusie,
hingewiesen werden, wodurch sie (die Chiliasten) die Stellung des Originals
usurpieren. Sie tun zwar so, als sei "nur" die neue
"christliche" Gemeinde eine perfekte Fälschung, als könnte sich hier
und jetzt alles Biblische life ereignen mit der jeweiligen Gemeinde,
sie fälschen aber vor allem den (neuen) Christus als Original in ihre Gemeinde.
All diese durch Dramatisierung unterstützten Fälschungen (falsche Christusse)
sind als luziferisch zu brandmarken.
Es sei nochmals betont, daß nach dem präsentischen Nachfolgeprinzip eine
aktuelle Vergegenwärtigung des in der Zeit bereits vollendeten Originals nicht
nur legitim, sondern unbedingt geboten ist. Eine Fälschung ist aber um so
gefährlicher, desto ähnlicher sie dem Original sieht. Die Freikirchen sind die
originellsten Heuchler seit langem. Die Schrift (1 Joh 2,19) sagt über solche: "Sie
sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns; denn wenn sie
zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben. Es sollte aber offenbar
werden, daß sie nicht zu uns gehörten." (und im Hebr 6,6 heißt es: "...
denn sie schlagen jetzt den Sohn Gottes noch einmal ans Kreuz und machen ihn
zum Gespött"). Wir wollen hoffen, daß das Gericht in der Nachfolge
nicht so "echt" sein wird wie sie es sich zu erschleichen trachten.
Der hier bisher gebotene Überblick erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, postuliert vielmehr methodisch der Unumgänglichkeit einer
kritischen Auswahl zum systematisierten Thema (Themenübersicht).
6.1. Ausgangsposition
Aus dem systematischen Gesichtspunkt wurde schon eher auf ein möglichst
flächendeckendes Vorgehen geachtet, wohl aber unter dem Kriterium der
Veranschaulichung der Position des Beobachters, womit der Erfassung des
Beobachteten besser gedient werden sollte. Die nämliche Position des
Beobachters sollte die der etablierten christlichen Bibeltheologie, gebunden an
eine inspirierte Offenbarung (wie der Begriff der Inspiration(2021)
immer enger gefaßt werden soll), sein. Es sollte nicht strittig sein, ob mit
diesem Vorgehen ein apologetisches oder primär kritisches Ziel verfolgt werden
soll, sofern sie nicht miteinander im Widerspruch stehen.
6.2. Horizont
Aus dem Inhaltlichen Gesichtspunkt sind zwar Themen ausgewählt worden, die
der systematischen Darstellung, und somit zugleich indirekt der
Veranschaulichung der Vorteile des systematischen Vorgehens, dienen sollten, es
könnten und sollten aber Themen hinzugefügt werden, die unter Umständen eine
Systemerweiterung bedingen. Es war davon auszugehen, daß zur Zeit die
erschöpfende Auflistung der auffälligeren aber ungleich harmloseren
Extremformen des Luziferismus auf die hohe Schule der wahren Meister des
Luziferismus den Blick verstellt hätten. Damit soll aber nicht geleugnet
werden, daß viele Formen des Luziferismus im zeitgenössischen Alltag einer
gründlichen Erforschung harren. Auch die hier ins Auge gefaßte Arbeit könnte um
einige Themen in diese Richtung erweitert werden.
Der historische Rückblick kann beliebig erweitert werden. Selbst auf die
Gefahr hin, zu sehr in die Breite zu gehen, darf der historische Rückblick
nicht vernachlässigt werden. Die Theorie des Bösen ist nämlich äußerst
traditionsbewußt und beruft sich stets sowohl auf die Bibel, wie auf die
Alternativquellen. Hier einige stets zitierte Namen, die für eine bestimmte
Geistesrichtung oder Denkschule stehen:
Shakespeare(2022), Elisabethaner(2023)
Dante(2024)
Macchiavelli(2025)
Petrarca(2026)
Boccaccio
Typologie des Dionysos von der Antike bis zur Moderne.
Chiliasmus in der Väterzeit: (Ebioniten)
Kerinth(2027)
Doketismus(2028)
Hermas(2029)
Clemens Alexandrinus(2030)
Montanus(2031)
Tertullian(2032)
Papias(2033)
Origenes(2034)
Irenäus(2035)
Hippolytos(2036)
Victorin von Pettau(2037)
Hieronymus(2038)
Ambrosius(2039)
Lactancius
etc.
Die Aufarbeitung der fast zur Gänze satanistisch diktierten Szene der
modernen Unterhaltungsmusik ist eine noch unerledigte Aufgabe(2040).
Die eingangs zitierte Broschüre über Satanismus schneidet zwar dieses Thema an,
begnügt sich aber mit einigen Kuriositäten, so als wollte sie alles vertuschen.
Der Satanismus ist in der gesamten Branche dominierend und läßt die aufstrebenden
Gruppen nur Platten (heute CD's) produzieren, wenn sie satanische Texte ins
Programm aufnehmen. Die prominentesten Beispiele sind die Beatles(2041) und die Rolling Stones(2042),
diese sind aber nur die Spitze eines Eisbergs. Die von der kritisierten
Broschüre von Introvigne genannten Gruppen sind nicht einmal die Spitze eines
Eisbergs. Man müßte z. B. Aufzeigen, daß die Manson-Morde(2043)
(in den USA) bei Polansky u. a., und das ist dokumentiert, unter dem Einfluß
von Liedern und Texte der Beatles vonstatten gingen. Daß die Beatles wegen der
wirtschaftlichen Abhängigkeit von satanischen Kreisen eine eigene Plattenfirma
gründeten, und sich sodann vom Satanismus losgesagt haben (und nach Indien zu
einem inzwischen in die Schweiz übersiedelten Guru und Sektengründer, dem
nämlichen Begründer der in Kreisen der Sektenforschung allzu gut bekannten
Transzendentalen Meditation, gingen). Die Rolling Stones haben sich bis heute
nicht losgesagt(2044). Ein ähnliches
Schicksal hatte so gut wie jede Musikgruppe vom Rang, wobei die Ausnahmen die
Regel bestätigen, um von der deklariert luziferischen Heavy Metal Bewegung(2045) einmal ganz zu schweigen.
Die gesamte Kunstszene, insb. die Surrealisten, Dadaisten, Kubisten(2046) und die sog. Wiener Schule. Erwähnung
verdienen z. B. die derzeit populärsten österreichischen Maler Rainer und
Nitsch. Ich zitiere aus meinem Protestschreiben wegen Rainer an den ORF von 20.
Dezember 1994:
"Von Insider-Berichten, bzw. von einer Vertrauensperson, weiß ich
von den schwarzmagischen Aktivitäten des Arnulf Rainer in den 70ern, also zu
einem Zeitpunkt, wo Rainer mit Hilfe des Dompfarrers von St. Stephan (Mauer)
Karriere zu machen begann. [...] Ich kenne sehr wohl gewandelte
Persönlichkeiten, auch solche, die aus Angst von der Droge auf Alkohol
umgestiegen sind, und so habe ich nachgesehen, um Rainer kein Unrecht anzutun.
Ich habe weder eine Distanzierung Rainers von Drogen, noch ein Signal von den
meist wohlwollenden Kritikern gefunden, wonach Rainer als zwischenzeitlich
"clean" anzunehmen wäre. Vielmehr wird Pfarrer Otto Mauer vom St.
Stephan zitiert(2047), für den die Kunst alle
Mittel heiligt, so "auch Visionen im Drogenrausch". Noch 1990 hieß es
von Rainer, daß sein Lebenswerk ein pedantisches Drogen-, bzw. Rausch-Protokoll
sei(2048). Theologisch beleuchtet zeigt sich
die halluzinogen phantasierte Askese Rainers als auf eine halluzinogene
Eschatologie ausgerichtete phantastische Leidensgeschichte(2049).
Rainer schildert selbst offenherzig, wie der Drogenrausch ihm half, aus der
Entsorgung seines Innenlebens Verkaufsprodukte zu machen(2050)."
Über Nitsch ist zu berichten, daß er ein deklarierter Dionysianer ist(2051) und sein Aktionismus zur Gänze (deklariert)
in diesem Zeichen steht(2052). Anläßlich
seiner Opern-Dekoration leugnete Nitsch treuherzig, etwas mit Satanismus zu tun
zu haben, doch gilt Aktionismus auch ohne Dionysos und Nietzsche als satanisch.
Was die künstlerischen Inhalte bei Nitsch betrifft, die sprechen ansonsten für
sich selbst.
Nicht wenig sollte der Forschung auch daran gelegen sein, daß die sog.
Wiener Schule, deren alle vier bekannten Vertreter bereits in der Forschung als
Satanisten überführt wurden, auch dann als solche in die kirchenamtliche
Sektenliteratur eingehen, wenn die liberale Mehrheit das als unhöflich
empfindet. Solche Rücksichten wären schon deswegen überflüssig, weil der
Verkaufswert dieser Kunstwerke durch die kirchliche Ächtung automatisch
ansteigen wird, und damit Satan vor aller Welt gewissermaßen entschädigt ist.
Unübersehbar lang wäre die unsystematisierte Liste der dionysisch oder
ähnlich getarnten Künstler(2053). Eine
statistische Analyse würde den Beweis erbringen, daß die Kunst insgesamt schon
- als die schlechthinnige Alternative - so weit zu einer Antireligion ausgebaut
wurde, und die gesamte Kunst mit Rang und Namen so weit von dem Luziferismus
dominiert ist, daß sich der Beweis des Luziferismus im Einzelnen erübrigt, und
im Zweifelsfalle der Gegenbeweis darüber zu führen ist, daß der Künstler kein
Luziferist sei. Es dürften also nur die bekanntesten Namen wie Mozart (Isis)
Richard Wagner (Parsifal), Picasso (Pan), Thomas Mann(2054)(Dionysos),
um nur einige zu nennen, einer gesonderten (exemplarischen) Behandlung
zugeführt werden. Ansonsten sollten - an repräsentativen Beispielen -
"Richtungen", "Strömungen", "Bewegungen" und
gleichgelagerte Kategorien verallgemeinernd untersucht werden. Es könnten
allenfalls die großen Namen in dem französischen Satanismus, weil es sich dabei
um deklarierte Satanisten handelt die meist Drogen nahmen, wie Marquis de Sade,
Charles Baudelaire, Victor Hugo(2055), Gustav
Flaubert, Artur Rimbaud und andere(2056),
einer eingehenderen Erörterung zugeführt werden. Es sollten auch Drogenexperten
hinzugezogen werden, die z. B. bei Picasso und anderen mühelos und einwandfrei
Drogenkunst werden feststellen können. Ich fürchte allerdings, daß ohne endlich
eine offene Kriegserklärung der Kirchen gegen die Moderne Kunst, d. h. gegen
den Kult der Kunst(2057), d. i. die Religion
der Ästhetik (d. i. Vernunft), weiterhin die Verlierer in einem Krieg sein
werden, die trotz der Weigerung der Kirchen den Kampf aufzunehmen, von der sog.
Kunst gnadenlos gegen die Kirche geführt wird.
Dabei würde es schon genügen, wenn die Sektenforschung den der modernen
Kunst insgesamt zugrundeliegenden Betrug aufzeigt, wonach die moderne Kunst
allzu einseitig auf negative bis schockierende Anti-Ästhetik spezialisiert ist,
und heuchlerisch vorgibt das Negative mit dem Negativen bekämpfen zu wollen. Es
genügt aber nicht bloß aus dem religiösen Gesichtspunkt festzustellen, daß die
Religion den Teufel nicht mit dem Luzifer austreiben möchte, und diese
Fähigkeit auch der modernen Kunst abspricht, sondern ist festzuhalten, daß
Kunst und Ästhetik von der Moderne als Synonyma nicht nur als zentrale
Ausdrucksmittel, sondern auch und vor allem als Inhalt verstanden werden.
Legitim (und geboten) ist ausschließlich wenn die Religion Kunst macht, aber
pervers, wenn die Kunst Religion zu machen versucht.
Eigens angeführt müssen die Neuheidnischen Neo-Faschisten und die Neue Linke(2058)werden(2059),
wobei auch Marx & Engels hier Erwähnung verdienen. Trotz mitunter
grundlegender Differenzen zwischen den etablierten politischen Kräften und den
etablierten Religionen, überlappen sich die Interessen dieser Weltbilder, die
sich als demokratisch bekennen, gegen Faschismus und New Age (Satanismus ist
eine Spezialform von New Age, bzw. eine Spielart der Theosophie) schon allein
deswegen, weil sie - nach wie vor - von den sog. "Neuen" (von
"Links" und "Rechts") in ihrer Existenz bedroht werden(2060), zumindest jedoch bedroht werden sollen.
Neuheidentum heute hat, wie auch bisher, immer nur eines im Sinn, auch wenn es
sich derzeit gerne hinter den politischen Grünen versteckt.
Literatur zu der Walpurgisnacht (Maifeier(2061)),
die neuerdings von Feministen fleißig gefeiert wird(2062),
aber auch in den Fackelzügen am 1. Mai durch die sog. Arbeiterbewegung manifest
ist, und überhaupt ein fixer Bestandteil des neuheidnischen Repertoires ist,
soll gesammelt und ausgewertet werden. Spätestens seit Goethes Faust, aber
eigentlich seit Robin Hood(2063) (der
traditionelle Dionysos/Pan der Maifeier) hätte die Sektenforschung daran nicht
vorbeigehen dürfen. Zum anderen sollten solche allgemeinbekannte Kuriositäten
nicht auf Kosten der systematischen Übersichtlichkeit vorgeschoben werden
dürfen. Es gelte der Grundsatz: Jeder Versuch der örtlichen Lokalisierung würde
nur die Verlagerung bedingen, so daß stets von der (mobilen)
"Allgegenwart" des Dionysisch-Neuheidnischen auszugehen ist.
6.3. Wissenschaftlicher Atheismus
Feuerbach enttarnt die Kantsche Transzendenz als Chimäre(2064),
was so weit richtig wäre(2065), hätte nicht
Feuerbach fälschlich die (vermeintliche) Überwindung des Christentums hieraus
schlußfolgert(2066). Denn das vom Feuerbach
im Hegelschen(2067) Manier überwundene
vermeintliche Christentum war eigentlich keines(2068),
sondern die pseudochristliche Chimäre Kants(2069)
(im fiktiv Unzugänglichen, im Agnostischen). Der in der Forschung tradierten
Pseudokritik an Feuerbach, wonach das Wesentlichste an der Begründung des
wissenschaftlichen Atheismus die Ersetzung der Theologie durch Anthropologie
sei(2070), entgegenzuhalten, bzw. ist dieser
Standpunkt aus dem systematischen Gesichtspunkt dahin zu ergänzen, daß
Feuerbachs "Gattungsbewußtsein" als höchste Instanz ebenso mit der
"Natur" gleichgesetzt wird(2071),
wie zuvor die "Vernunft" Kants. Das Anthropologische bei Feuerbach
ist nur das Selbstische(2072), das Personale.
Dabei möchte Feuerbach die Person Hegelianisch(2073)
nur als Attribut (Prädikat), und daher als Nicht-Wesen verstehen, die ansonsten
nicht weiter stört. Das Wesen der Wesen ist aber - Feuerbach zufolge - die
Natur(2074) und nicht der Anthropos (mit
seinem Bewußtsein, oder Gattungsbewußtsein). Wenn die Forschung auf die
zynische Aushöhlung alles Heiligen durch den Pantheisten(2075)Feuerbach
nur soweit eingeht, daß jener angeblich bloß Theologie mit Anthropologie
gleichgesetzt habe(2076), dann übernimmt sie
unversehens die Herabwürdigung der Theologie von Feuerbach. Feuerbach hat
hingegen den Anthropos (als Person) als falschen Gott, als Selbsttäuschung,
enttarnt, um die Natur, die er polytheistisch auffaßt, zu Gott zu Küren(2077). Sofern er also die Theologie mit
Anthropologie gleichgesetzt hat, dann nur, um damit die Theologie als Unding
abzuschaffen, und nicht um den Menschen die göttlichen Ehren zu erweisen, die,
so Feuerbach, der Natur zukommen(2078).
Nicht neu ist bei Feuerbach die Bestimmung der Ursachen des christlichen
Gottes in der Pathologie(2079), neben der
Anthropologie(2080), vielleicht nur etwas
ätzender als Hegel. Auch ist die "Theologie als Anthropologie"(2081) grundsätzlich bei den Humanisten und
Aufklärern(2082)längst vorweggenommen, denn
das ist Humanismus, nämlich anthropologische Naturalismus, und ist (die
Urheberschaft) nicht bei Feuerbach zu suchen. Das wirklich Neue an Feuerbach
ist lediglich der Terminus Gattungsbewußtsein(2083),
und das Verlassen der heuchlerischen Linie Kants gegenüber dem Christentum (das
in beiden Fällen das selbe "mißverstandene" Christentum, und nicht
das Christentum selbst ist) zugunsten eines bekennenden Antichristentums (in
atheistischem Gewand).
Um eines besseren Verständnisses willen kann hier